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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.01.2017

Wunderschöne Erzählungen

Ab morgen wird alles anders
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Anna Gavalda gehört zu meinen Lieblingsautoren. Vielleicht bin ich deshalb auch voreingenommen. Ich schätze nicht nur ihre Romane, auch ihre frühen Erzählungen habe ich ausgesprochen gern gelesen.
Auch ...

Anna Gavalda gehört zu meinen Lieblingsautoren. Vielleicht bin ich deshalb auch voreingenommen. Ich schätze nicht nur ihre Romane, auch ihre frühen Erzählungen habe ich ausgesprochen gern gelesen.
Auch dieser schmale Band enthält fünf Erzählungen. Sie handeln, wie so oft bei Gavalda, von einsamen, vom Leben oft enttäuschten Menschen. Sie lässt die Figuren ihrer Erzählung in der Ich-Form berichten und gibt ihnen eine ergreifende Stimme. Dabei gibt sie den Lesern die Chance ganz dicht an ihre Protagonisten heranzukommen. Mit wenigen Strichen kann die Autorin einen Charakter skizzieren, ihre Gefühlswelt darstellen und eine ganze Lebenswelt erstehen lassen. Ihre Sprache ist klar, stilistisch ein Genuss. Ihre Geschichten machen Hoffnung, denn jede ihrer Figuren hat die Möglichkeit eines Neubeginns. Das hat mir das Buch auch wieder ganz besonders nahegebracht.
Auch wer bisher nur die Romane der Autorin kennt und bei Erzählungen immer etwas zurückhaltender ist, dieses Buch möchte ich jeder Leserin und jedem Leser ans Herz legen.

Veröffentlicht am 30.01.2017

Für mich eine Entdeckung

1933 war ein schlimmes Jahr
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1933 ist das Jahr der großen Depression in den USA. Dominic Molise, 17, spürt die Auswirkungen ganz unmittelbar. Sein Vater ist seit Monaten arbeitslos und verbringt seine ganze Zeit in Billardsalons, ...

1933 ist das Jahr der großen Depression in den USA. Dominic Molise, 17, spürt die Auswirkungen ganz unmittelbar. Sein Vater ist seit Monaten arbeitslos und verbringt seine ganze Zeit in Billardsalons, die Mutter und Großmutter suchen Trost in endlosen Gebeten und Rosenkranzklappern.
Dominic ist ein begabter Baseballspieler und sieht sich in seinen Gedanken schon fast an der Seite von Babe Ruth und anderen legendären Größen, die auch aus ärmlichen Verhältnissen kamen. Ein fast inbrünstiges Gefühl hegt er für seinen Wurfarm, DEN ARM, wie er ihn selbst nennt. Er hegt und massiert hin, hört auf jedes Zwicken seines Muskels, Sloan’s Massageöl - verehrt wie katholisches Salböl - hat er stets in Griffnähe. Es ist DER ARM, der es ihm ermöglichen wird, sich und seine Familie aus dem Elend zu ziehen.
Der kurze Roman ist unterhaltsam, der fröhlich-offene Ton, mit dem Dom von diesem Jahr berichtet, zeigen ihn als etwas naiven, aber immer optimistischen Menschen. Er glaubt an seinen Traum und wenn nicht in Amerika, wo sonst kann man seinen Traum leben. Zwischen Aufbruchsstimmung und Verantwortung für seine Familie steckt er in einem Dilemma, das er mit seines Vaters Hilfe entscheiden kann. Es steckt wahrscheinlich einiges von John Fante in Dominic Molise. Auch er war Sohn italienischer Einwanderer und zog für seinen großen Traum nach Kalifornien, die Anerkennung für sein literarisches Werk erlebte er nicht mehr.
Der Blumenbar Verlag hat dieses Buch von John Fante für die deutschen Leser wieder entdeckt und in einer neuen Übersetzung von Alex Capus auf den Markt brachte. Ein kenntnisreiches Nachwort des Übersetzers rundet die Neuedition ab.

Veröffentlicht am 21.01.2017

Wunderbare Familiengeschichte

Das Lied der Störche
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Die 11 jährige Frederike kommt mit ihren Halbgeschwistern auf das Gut ihres Stiefvaters nach Ostpreußen. Eine große Umstellung für das Mädchen, das bisher in Potsdam lebte. Schon bald lernt sie das Leben ...

Die 11 jährige Frederike kommt mit ihren Halbgeschwistern auf das Gut ihres Stiefvaters nach Ostpreußen. Eine große Umstellung für das Mädchen, das bisher in Potsdam lebte. Schon bald lernt sie das Leben auf dem Gut lieben und sie verbringt sorglose und behütete Jahre, auch wenn ihre Zukunft nicht rosig aussieht. Ihr leiblicher Vater ist früh verstorben und ließ die Mutter mittellos zurück, ohne Mitgift und Erbansprüchen, bleibt ihr nur die Hoffnung auf eine Ehe mit einem vermögenden Mann. Mit Ax von Stieglitz hat ihre Mutter auch schon den passenden Kandidaten im Auge. Der reiche Gutsbesitzer, ein langjähriger Freund der Familie, ist zwar deutlich älter als Freddy, aber seine geheimnisvolle Aura faszinierte Freddy schon als Kind und so lässt sie sich gern in diese Verbindung drängen.
Ostpreußen in den Zwanziger Jahren ist noch eine heile Welt, auch wenn die Gutsbesitzer schon mit Sorge auf die Politik sehen. Getrennt durch den „polnischen Korridor“ vom Deutschen Reich klingen in kleinen Begebenheiten und Gesprächen die drohenden Veränderungen an. Diese Epoche wird lebendig und genau beschrieben. Ulrike Renk hat ein Händchen für historische Stoffe und kann sie wunderbar mit Leben erfüllen. Sie erzählt vom idyllischen Leben auf einem Gut des Landadels ist, wo es an nichts fehlt, Feste und Bälle den Alltag auflockern und dienstbare Geister auch ohne Elektrizität und fließend warm Wasser für Komfort sorgen. Auch in ihrem neuen Roman, der ähnlich wie ihre Trilogie über die „Australischen Schwestern“ von tatsächlichen Begebenheiten und wahren Personen angeregt ist, stellt sie ihr Können unter Beweis. Mit Frederike, genannt Freddy, ist ihr eine wunderbare Figur gelungen, liebenswert und sympathisch, begleitet man sie auf ihrem nicht leichten Lebensweg.
Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, so sehr hat mich diese Geschichte gefesselt und ließ mich in diese vergangene Epoche und Landschaft eintauchen. Ganz geschickt ist das Ende, denn es lässt mich und wohl auch jede andere Leserin ungeduldig auf die angekündigte Fortsetzung warten.

Veröffentlicht am 15.01.2017

Spaziergänge durch Paris

Paris abseits der Pfade
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„Paris, abseits der Pfade“ ist ein Buch, das die fast unüberschaubare Menge von Paris Führern bereichert. Es sind nicht die sattsam bekannten 5 Sterne Sehenswürdigkeiten, die man präsentiert bekommt, sondern ...

„Paris, abseits der Pfade“ ist ein Buch, das die fast unüberschaubare Menge von Paris Führern bereichert. Es sind nicht die sattsam bekannten 5 Sterne Sehenswürdigkeiten, die man präsentiert bekommt, sondern eine Anleitung zum Flanieren, zum entschleunigten Kennenlernen der Stadt.


In 9 Spaziergängen zeigt der Autor Paris von einer sehr lebendigen und liebenswürdigen Seite. Ob man über stillgelegte Bahntrassen einen grünen Spaziergang unternimmt oder den Spuren der Literaten aus den 30iger Jahren folgt, ob man einen Abstecher in quirlige afrikanische Straßen macht, oder auf den Spuren von Streetart-Künstlern folgt, es sind echte Entdeckungen und unbekannte Seiten der Stadt. Historische Zusammenhänge und neue Entwicklungen zeigen eine Stadt, die sich immer wieder neu erfindet und deshalb so lebenswert und lebendig bleibt.


Dazu kommen die Begegnungen des Autors Georg Renöckl mit Menschen, die ihr Viertel lieben und mitgestalten. Es macht Freude den Spuren zu folgen und sich für die nächste Parisreise die Vorschläge herauszupicken. So kann man eine Stadt nur beschreiben, wenn man sie kennt und liebt.


Die Spaziergänge sind durchweg gut beschreiben, kleine Kartenausschnitte helfen bei der Orientierung. Dazu kommen die schon genannten Begegnungen, Tipps für nette Lokale (nicht mal die Rezepte für diverse Spezialitäten fehlen) und besondere Einkaufsmöglichkeiten. Selbstgeschossene schwarz-weiß Fotos sind eine charmante Abrundung. Das praktische kartonierte Format passt auch unterwegs in jede Tasche.


Am besten gefällt mir, dass es Lust macht, eine Stadt abseits der altbekannten Wege für sich neu zu entdecken.

Veröffentlicht am 07.01.2017

Poetisch

Schnee
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„Schnee“ ist eine Novelle des französischen Autors Maxence Fermine und das schmale Buch hat mich beeindruckt, wie selten ein Debüt.

Die Sprache ist federleicht und reduziert. Wie ein Haiku, um dessen ...

„Schnee“ ist eine Novelle des französischen Autors Maxence Fermine und das schmale Buch hat mich beeindruckt, wie selten ein Debüt.

Die Sprache ist federleicht und reduziert. Wie ein Haiku, um dessen Vollkommenheit der Held des Buches, Yuko, ringt.


Für Yuko ist Schnee das vollkommenste Element, unendlich vielfältig, geheimnisvoll und voller Schönheit. Dem will er in seiner Poesie nahekommen. Dafür nimmt er Entbehrungen und Kälte auf sich. Dann findet er einen Lehrmeister, der ihm die Augen öffnet für das, was ihm noch fehlt.


Bei Fermine fehlt es an nichts: die Sprache ist geschliffen und ihrer Einfachheit wunderschön, er wählt Bilder, die Kälte, Eis und Schnee sichtbar werden lassen. Er malt mit Worten wie eine japanische Tuschezeichnung. Das Buch ist eine kleine literarische Perle, poetisch und zart.