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Veröffentlicht am 08.01.2017

Vergissmeinnicht war gestern

Vergissmeinnicht war gestern
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Wenn Frau mit 46 Jahren wegen einer jüngeren Frau vom Lebensgefährten verlassen wird, im Zuge dessen den Job und die Wohnung verliert und nun lernen muss auf eigenen Beinen zu stehen und der Unsicherheit ...

Wenn Frau mit 46 Jahren wegen einer jüngeren Frau vom Lebensgefährten verlassen wird, im Zuge dessen den Job und die Wohnung verliert und nun lernen muss auf eigenen Beinen zu stehen und der Unsicherheit der Zukunft ins Auge zu blicken, dann sind Kummer und Sorgen vorprogrammiert. Genauso ergeht es Marieke, die kurzfristig in die leerstehende Wohnung einer Freundin ziehen konnte und nun ihre Einsamkeit mit voller Wucht zu spüren bekommt.

Glücklicherweise ist sie in einem Wohnblock untergekommen, in dem die Nachbarn sehr großen Wert auf eine funktionierende Gemeinschaft legen und gegenseitig auf sich aufpassen, sich helfen und sich um Haus und Hof inklusive Garten kümmern. So findet Marieke schnell einen Anschluss und fühlt sich mit der Zeit immer wohler in der neuen Umgebung, obwohl ihr Ex ihr immer noch nicht aus dem Kopf geht. Er schreibt ihr Emails und sms und möchte mit ihr sprechen, aber Marieke kann ihm einfach noch nicht unter die Augen treten. Ihre Schwester, eine Paartherapeutin, rät ihr dazu wieder Kontakt zu ihm auszunehmen und in das gemachte Nest möglichst bald zurückzukehren, doch Marieke blickt nach vorne, knüpft Freundschaften und erregt die Aufmerksamkeit eines attraktiven Bewohners des Hauses, der sie gekonnt aus misslichen Lagen befreit und ihr Herz erwärmt. All die Erfahrungen, die Unterstützung und kleinen Freunden des Alltags, die die Bewohner miteinander teilen, lassen Marieke zu einer starken und selbstbewussten Frau werden, die sich immer mehr aus dem Kokon des sicheren Hafens befreit und versucht endlich eigene Wege zu gehen.

Wer einen Wohlfühlroman sucht, ist mit dem Buch „Vergissmeinnicht war gestern“ bestens bedient. Die Autorin schafft eine angenehme Atmosphäre, liebenswerte Charaktere und lässt den Leser am Leben einer modernen Patchwork-Familie teilhaben, die aus nicht miteinander verwandten Personen besteht und dessen Mitglied man gerne wäre. Der Roman lässt die Freude auf den kommenden Frühling wachsen, in dem man endlich wieder im eigenen Garten tätig werden und relaxen kann. Das Buch lässt sich sehr gut lesen, beinhaltet jedoch auch Handlungen, die meines Erachtens nicht so ganz zu dem Verhalten einer erwachsenen Frau passen, die stramm auf die 50 zugeht und eher im Teeniealter angesiedelt sind. Ungeachtet dessen ist es ein schönes Buch, in der gute Ideen verarbeitet worden sind.

Veröffentlicht am 22.10.2016

Beides sein

Beides sein
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Das Buch von Ali Smith spielt zum Teil in der Vergangenheit und zum Teil in der Gegenwart. Im ersten Teil lernen wir George, ein jugendliches Mädchen, kennen, welches vor kurzem ihre Mutter verloren hat ...

Das Buch von Ali Smith spielt zum Teil in der Vergangenheit und zum Teil in der Gegenwart. Im ersten Teil lernen wir George, ein jugendliches Mädchen, kennen, welches vor kurzem ihre Mutter verloren hat und diesen Verlust nur schwer verkraftet. Ihrer Ansicht nach kann es doch nicht sein, dass etwas, das soeben noch da war, plötzlich nicht mehr existiert und nicht mehr greifbar ist. George fällt in eine tiefe Trauer, erinnert sich an Gespräche und Momente mit ihrer Mutter, die sie erlebt hat und lässt ihre gemeinsame Reise nach Italien Revue passieren. Dort haben sie sich u.a. die Fresken von Francesco del Cossa, einem Künstler aus dem 15. Jahrhundert, angesehen.

Der zweite Teil des Buches behandelt den Werdegang des Künstlers Francesco del Cossa. Hier erfährt der Leser wie der Künstler zu seinem Namen und seinem Beruf kam und welche Charakterzüge dieser an den Tag legte. Sein Leben war nicht einfach und er musste sich gegen diverse andere Künstler behaupten, doch nie verlor er die Liebe zur Malerei.

Im Laufe des zweiten Teils dieses Buches treffen beide Charaktere aufeinander. Für den Leser scheint dies zunächst vielleicht zu weit hergeholt und zu fantasiereich, doch lässt man sich voll und ganz auf die Geschichte ein, so entdeckt man Gemeinsamkeiten und Emotionen, die wohl nur auf diesem Wege dem Leser vermittelt werden können.

Zu Beginn hatte ich meine Probleme mit der Schreibweise. Hier und da fehlen Satzzeichen, manche Sätze hören einfach in der Mitte auf und Gedankengänge der Charaktere werden ohne Vorwarnung mitten in einem Satz eingefügt. Hier muss man also aufmerksam und konzentriert bei der Lektüre bleiben, um nicht den Anschluss und die Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren. Abgesehen von dem ungewöhnlichen Schreibstil werden so viele Themen aufgegriffen, dass es schon schwer ist diese in Worte zu fassen ohne zu viel zu verraten. Nicht nur die Kunst, der Tod, die eigene Selbstfindung, der Kampf um Aufmerksamkeit oder die Frage nach der Existenz von Dingen spielen eine Rolle. Es wird auch stark mit der Phantasie des Lesers gespielt. Viele Dinge werden angedeutet, vieles wird vermischt und nicht aufgelöst. Auf eine positive Art und Weise bleibt also viel Platz für Spekulationen und philosophische Gedanken.

„Beides sein“ ist ein ungewöhnlicher und teils skurriler Roman, der lange nachwirkt und mich beeindruckt hat.

Veröffentlicht am 02.10.2016

Großer Bruder Zorn

Großer Bruder Zorn
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Wedding, ein Bezirk in Berlin, der unterschiedliche Kulturen und gesellschaftliche Gruppierungen beherbergt. Dort spielen sich tagtäglich Szenen ab, die man nicht nur aus dem Fernsehprogramm einiger fragwürdiger ...

Wedding, ein Bezirk in Berlin, der unterschiedliche Kulturen und gesellschaftliche Gruppierungen beherbergt. Dort spielen sich tagtäglich Szenen ab, die man nicht nur aus dem Fernsehprogramm einiger fragwürdiger Sender kennt. In dem Roman von Johannes Ehrmann durchstreifen verlorene Seelen das Viertel, alkoholisierte Menschen verprassen ihren letzten Euro in der Kneipe und jeder versucht seine Probleme beiseite zu schieben, zu vergessen oder zu beherrschen.

Der verschuldete Aris plant die ultimative „Fight Night“, mit der er zu Geld kommen muss. Einige seiner Kumpels und andere zwielichtige Gestalten des Bezirks sollen im Ring zeigen was ihre Fäuste können und Aris will Moneten sehen.

Serdar ist einer der Boxer, die in den Ring steigen werden. Er boxt sogar den Hauptkampf gegen den „Wikinger“, den Anführer der Rockerbande, die es auf ihn abgesehen hat. Doch nicht nur die Vorbereitung auf den Kampf beschäftigt Serdar. Auch privat hat er so einiges zu klären, was ihm Kopfzerbrechen bereitet.

Jessi, die alleinerziehende Mutter, die im Netto an Kasse drei sitzt, hat sich in Aris verguckt. Schon immer hatte sie Pech mit den Männern und muss zusehen, wie sie durch den Alltag kommt und ihrer kleinen Tochter ein halbwegs angenehmes Leben bieten kann. Als Aris im Supermarkt plötzlich vor ihr steht und sie anspricht ahnt sie noch nicht, welch Enttäuschung sie später zu verarbeiten haben wird.

Während alle anderen Protagonisten sich um ihren Kram kümmern, plant Heinz Hönow in seinem stillen Kämmerlein sich zu rächen, schmiedet einen Plan und will jegliche Verluste in Kauf zu nehmen.

Die Protagonisten in Ehrmanns Buch sind Menschen, mit denen man sich entweder nicht abgeben würde, die man mitleidig anschaut oder an denen man eher schnell vorbei läuft, da sie oftmals nicht in das eigene Leben/Bild passen. Alle haben ihre Probleme, Ängste, Geldsorgen und müssen irgendwie durch den Tag kommen, welcher fast immer den selben Trott mit sich bringt.

Die Geschichten der Protagonisten sind miteinander verwoben und es ist spannend zu lesen, wie diese tatsächlich zusammenhängen und sich entwickeln. Zudem ist die Sprache außergewöhnlich, da hier sehr umgangssprachlich geschrieben wird. Am Anfang ist dies etwas gewöhnungsbedürftig, doch zu der Story absolut passend und es fördert die Vorstellungskraft, sich in dieses Milieu hineinzuversetzen. Ich fühlte mich gut unterhalten, obwohl ich einige wenige Szenen als langatmig empfunden habe, doch die realitätsnahe Geschichte hat mich in seinen Bann gezogen.

  • Einzelne Kategorien
  • Anspruch
  • Charaktere
  • Originalität
  • Stil
  • Cover
Veröffentlicht am 15.09.2016

Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein
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Eine Leiche nach der anderen wird in Berlin aufgefunden und jede ist mit einer Zahl versehen, die irgendeine Bedeutung haben könnte. Severin Boesherz, der vorerst in die Fußstapfen des sich im Urlaub befindenden ...

Eine Leiche nach der anderen wird in Berlin aufgefunden und jede ist mit einer Zahl versehen, die irgendeine Bedeutung haben könnte. Severin Boesherz, der vorerst in die Fußstapfen des sich im Urlaub befindenden Ermittlers Julius Kern tritt, nimmt die Ermittlungen auf und versucht den Täter zu schnappen bevor es eine weitere Leiche gibt. Doch dies erweist sich als schwierig, denn der Täter scheint sehr gebildet zu sein und verfügt über Fachkenntnisse in den Bereichen Polizeiarbeit, Folter, Psychologie und sämtlichen Morden, die jemals in und um Berlin getätigt wurden. Doch nicht nur der bestialische Mörder hält das LKA Berlin in Atem. Auch die Entführung eines berühmten Modells erfordert höchste Konzentration und schnelles Handeln. Die Zeit rennt Boesherz und seinen Kollegen davon.

„Bis in den Tod hinein“ war das vierte Buch von Vincent Kliesch, welches ich regelrecht verschlungen habe. Kliesch hat eine tolle Art zu schreiben, so dass der Leser gut im schnelleren, aber angenehmen Tempo lesen kann und vor lauter Spannung das Buch nicht weglegen möchte. Gekonnt werden falsche Fährten gelegt, die Morde teilweise im Detail beschrieben und es wird immer mehr Spannung aufgebaut. Die Charaktere werden ansprechend skizziert und haben einen besonderen touch wie z.B. Boesherz, der ein sehr spezieller Ermittler, mit ganz speziellen Fähigkeiten ist.

Der einzige negative Beigeschmack ist bei mir während der Lektüre der letzten Seiten aufgekommen, wo es sozusagen zu einer detailreichen Auflösung und Beschreibung kommt. Ich hätte mir einige Auflösungen und Tipps schon mitten im Buch gewünscht, da ich mich so des öfteren gefragt habe, wie Boesherz zu den vereinzelt merkwürdigen Eingebungen gekommen ist. Dies hätte mir eventuell noch besser geholfen den Handlungssträngen zu folgen und diese besser zu verstehen. Nichtsdestotrotz ist das Buch fesselnd, ereignisreich und unterhaltsam. Ich freue mich schon auf den zweiten Teil der Boesherz-Triologie.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Kreuzfahrt

Kreuzfahrt
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Zwei Ehepaare lernen sich im Urlaub kennen und finden heraus, dass sie in ihrer Heimatstadt in unmittelbarer Nähe zueinander wohnen. Beide Paare haben je zwei Kinder, die sich anfreunden, die Familien ...

Zwei Ehepaare lernen sich im Urlaub kennen und finden heraus, dass sie in ihrer Heimatstadt in unmittelbarer Nähe zueinander wohnen. Beide Paare haben je zwei Kinder, die sich anfreunden, die Familien werden zu Nachbarn, verstehen sich gut und schon steht auch der Freundschaft zwischen Meret und Dres sowie Romy und Jan nichts mehr im Wege. Man trifft sich zum shoppen, zum Essen, man sitzt gemeinsam da, trinkt Wein und führt Gespräche über Gott und die Welt. Doch für Meret und Jan ist es mehr als nur Freundschaft. Sie fühlt sich zu Jan hingezogen, kann nicht aufhören an ihn zu denken und stellt ihre Beziehung zu Dres und ihre Familie in Frage. Es ist ein innerer Konflikt der sie zu zerreißen droht und den der Leser in dem Brief, den sie an Jan schreibt und aus dem das gesamte Buch besteht, erzählt bekommt.

Es wird keine klassische Liebesgeschichte dargestellt, sondern vielmehr die Entwicklung einer Affäre, der Frust einer eingeschlafenen Ehe und der Wunsch nach Liebe und Zärtlichkeit, nach Aufmerksamkeit und Abenteuer skizziert. Die Gedankengänge, die Meret beschäftigen, ihr Handeln und alle Gegebenheiten, die sie umgeben, könnten jedem passieren. Es ist eine Geschichte, die aus der Mitte eines Lebens, einer Ehe, einer Gesellschaft herausgefiltert und niedergeschrieben worden ist. Es ist eine Geschichte, die den ein oder anderen Leser zum Nachdenken über die eigene Ehe/Beziehung bewegen könnte. Man stellt sich schnell die Frage, ob einem so etwas selber passieren könnte, ob man genug Aufmerksamkeit, Respekt und Liebe erfährt, ob man glücklich ist oder welche Sehnsüchte einen beschäftigen. Ist die eigene Ehe/Beziehung stark genug, um dem Verlangen nach einer Affäre, einem Abenteuer stand zu halten?

Es gibt leider ein, zwei Stellen in dem Buch, die ich tatsächlich als „zu weit hergeholt“ beschreiben würde, doch allgemein gesehen ist die Story sehr interessant und das Gefühlschaos in und rund um Meret bestens beschrieben. Die Charaktere sind sonderbar und auch unterhaltsam. In dem Buch wird hin und wieder von einer Kreuzfahrt geschrieben, doch die eigentliche Kreuzfahrt unternehmen die vier Charaktere. Sie schippern, der Erreichung des Zieles wissend und auch unwissend, durch das Wasser. Zu welcher Insel (siehe Cover) es sie letztendlich verschlagen wird, weiß man nur noch nicht.

Ich habe das Buch gerne gelesen, fand den Schreibstil passend und die Geschichte hervorragend, da sie speziell ist. Hatte ich zunächst eine relativ normale Liebesgeschichte erwartet, wurde ich von einer komplexen und attraktiven Story überrascht.