Die Analyse des Ostens
Diese Rezension fällt mir jetzt überhaupt nicht leicht. Denn ich tue mich schwer, bei der Beurteilung dieses Buches objektiv zu bleiben. Wir alle haben schließlich eine politische Meinung. Und diese beeinflusst ...
Diese Rezension fällt mir jetzt überhaupt nicht leicht. Denn ich tue mich schwer, bei der Beurteilung dieses Buches objektiv zu bleiben. Wir alle haben schließlich eine politische Meinung. Und diese beeinflusst dieses Mal in erheblicher Weise, wie ich das Buch und die Schreibweise des Autors empfinde. „Der Riss: Wie die Radikalisierung im Osten unser Zusammenleben zerstört“ von Michael Kraske ist vollkommen aktuell. Und in vielen Teilen kann ich dem Autor zustimmen in seinen Sichtweisen und Handlungsempfehlungen, aber in vielen Teilen des Buches kann ich dies wiederum auch nicht. Der Autor ist mutig – und wahrscheinlich ist es schon für ihn zu profan, wenn man in dieser Angelegenheit von Mut spricht. Schließlich müsste doch das Bekämpfen von Rassismus Selbstverständlichkeit sein. Viele Missstände und Versäumnisse seitens der Politik und auch Mitbürgern werden aufgegriffen und ausdiskutiert und angeprangert. Und dafür bekommt Michael Kraske meine vollkommene Zustimmung. Aber ich bin ein Kind des Ostens, ich bin im ehemaligen Bezirk Halle, Kreis Naumburg, dem heutigen Sachsen-Anhalt, in der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen. Bis ich 9 war. Bis heute lebe ich in Sachsen-Anhalt. Und auch wenn ich mehr von der BRD mitbekommen habe als von der DDR – ich fühle mich persönlich mit diesem Buch ein klein Wenig angegriffen. Irgendwie streut das Buch für mich Vorurteile, was der Autor sicherlich keinesfalls beabsichtigt. Aber so kommt es beim Lesen herüber. Sicherlich hat der Autor Recht, dass eine gewisse Anfälligkeit für Rassismus in den neuen Bundesländern besteht, zumindest rein statistisch. Aber im Buch wird sich fast ausschließlich auf den Osten und Sachsen konzentriert. Wer mich kennt, weiß, dass ich sehr friedliebend bin. Ich komme mit vielen Menschen gut aus, egal, wie sie aussehen, welche Gesinnung sie haben. Aber dennoch hege ich auch hier und da Ängste gegen manche Mitbürger. Als ich Teenie war, war ich freitags immer zum Training vom Kegelclub. Am frühen Abend bin ich dann mit dem Fahrrad nach Hause gefahren. Es war Pfingsten. Und da fuhr neben mich ganz langsam ein Auto, vollbesetzt mit Korpsstudenten. Diese fragten nach dem Weg zur Rudelsburg. Ich, hilfsbereit wie ich schon immer war, beschrieb diesen Weg. Doch einer der Autoinsassen meinte dann, ich könnte auch mein Fahrrad in den Kofferraum packen, mitfahren und ihnen den Weg zeigen. Oh man, da bekam ich es richtig mit der Angst zu tun. Ich bin mit dem Rad davongefahren, habe in die Pedale getreten, wie eine Irre. Und das Auto? Ist die ganze Zeit, bis zum Haus meiner Eltern, hinter mir her gefahren. Seither habe ich Scheuklappen, wenn ich Korpsstudenten auch nur sehe. Ja, das ist auch ein Vorurteil, denn nicht alle Korpsstudenten müssen gleich sein und handeln. Aber auch eine gewisse Distanzhaltung existiert bei mir leider, wenn ich allein auf der Straße unterwegs bin und ein Bürger mit afroamerikanischen Wurzeln begegnet mir. Denn bereits zweimal musste ich Zuflucht suchen. Einmal in Chemnitz sprach mich ein Mann an. Ich war höflich. Und irgendwie war das mein Fehler. Denn der Mann verfolgte mich, bis ich Zuflucht in einer geöffneten Sporthalle fand. Als ich hineinging, drehte der Mann ab. Es ist nichts passiert. Und einmal kam ich vom Hausarzt. Mich grüßte ein immigrierter Mitbürger, ich grüßte zurück. Und schon wurde ich ihn nicht mehr los. Er verfolgte mich, bis ich in einen Discounter flüchten konnte. Daher verspannen sich meine Schultern bereits bei der bloßen Begegnung. Das sind auch alles Vorurteile, ich weiß, aber es stecken auch persönliche Erfahrungen dahinter. Ich mag es nicht, wenn mir Menschen Angst einjagen, egal, woher sie stammen, wohin sie wollen und was sie vorhaben. Wobei das für mich niemals rechtfertigen würde, einfach so Gewalttaten sprechen zu lassen. Aber so kann ich doch einige Menschen verstehen, die Unsicherheit und Angst verspüren in ihrem Alltag. Angst vor Terrorismus, seien es nun rechtsradikale Anschläge auf Synagogen, aber auch Terrorfahrten auf einem Berliner Weihnachtsmarkt. Immer trifft es auch Unschuldige. Und das darf nicht sein. Ihr seht, meine Rezension ist gar nicht so einfach, so objektiv. Auf der einen Seite verstehe ich Michael Kraske mit seinen Ausführungen in „Der Riss: Wie die Radikalisierung im Osten unser Zusammenleben zerstört“. Aber auf der anderen Seite ist es für mich zu einseitig betrachtet. Nicht nur die „Ossis“ sind die Bösen. Es gibt immer auch 2 Seiten.