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Veröffentlicht am 01.05.2020

Kann Floris Traum von einem Leben als Künstlerin wahr werden?

Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung
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Im Jahr 1958 kehrt Florentine Thalheim nach West-Berlin zurück. Sechzehn Monate hat sie in Paris verbracht, doch dann hat ihr Freund Pascal sie verlassen. Auch in der Heimat hat sie nur eins im Sinn: Kunst! ...

Im Jahr 1958 kehrt Florentine Thalheim nach West-Berlin zurück. Sechzehn Monate hat sie in Paris verbracht, doch dann hat ihr Freund Pascal sie verlassen. Auch in der Heimat hat sie nur eins im Sinn: Kunst! Deshalb kommt sie erst einmal bei ihrem Cousin Gregor und dessen Lebensgefährten unter, statt bei ihren Eltern einzuziehen und sich entsprechend der Pläne ihres Vaters im Modekaufhaus Thalheim am Ku’Damm einzubringen. Als sie an der Hochschule für bildende Künste abgelehnt wird, ist die Enttäuschung groß. Doch so schnell gibt Flori nicht auf.

Nachdem der Fokus erst auf Rike und dann auf Silvie Thalheim lag, ist in „Tage der Hoffnung“ Flori an der Reihe. Nach über einem Jahr in Paris kehrt sie in die Heimat zurück, doch den Plänen ihres Vaters will sie sich trotzdem nicht beugen. Stattdessen will sie ihre Zeit ganz der Kunst widmen. Floris experimentiert gerne mit Farben, doch auch das Fotografieren interessiert sie. Mit Begeisterung und Leidenschaft setzt sie ihre Projekte um. Über die Kunst findet sie neue Freunde, die ihr Halt geben. Ausgerechnet ihr Lehrer ist es, der ihr das Leben schwer macht und Zweifel in ihr sät.

Floris Werdegang steht im Mittelpunkt, doch man erfährt auch viel darüber, wie es für die Familie Thalheim grundsätzlich weitergeht. Schön fand ich, dass Flori viel Zeit mit ihrer Cousine Franzi verbringt, die inzwischen eine bekannte Schauspielerin ist. Deren Eltern leben im Ostteil der Stadt und wollen dort auch nicht weg, was zunehmend zum Problem wird. Luisa, die Mutter von Oskars Kind, bringt mit ihren Wünschen zusätzliche Unruhe in das Familienkonstrukt.

Flori ist deutlich jünger als ihre beiden Schwestern und fühlt sich von den beiden immer wieder ausgeschlossen. Sie hat das Gefühl, brisante Familiengeheimnisse immer als allerletzte zu erfahren. Von diesen gibt es wieder einige. Das Thema Wer-hat-mit-wem wurde für meinen Geschmack schon im zweiten Band zu sehr ausgereizt, und dieser Kritikpunkt zieht sich weiter durch dem dritten Band.

Lange wird das Buch von Familienangelegenheiten und Floris Kunst dominiert, während die historischen Entwicklungen eher am Rande thematisiert werden. Ich hätte mir eine etwas straffere Erzählung dieser Phase gewünscht. Mit dem Bau der Mauer kommt neuer Schwung in die Handlung. Ereignisse wie die Rede Willy Brandts gegen den Mauerbau und ein Besuch Marlene Dietrichs in Berlin werden thematisiert. Beim Thama Mauerbau hat sicher jeder bestimmte Bilder im Kopf, und Flori passt mit ihrer Kamera gut ins allgemeine Geschehen. Der Leser begleitet sie durch Höhen und Tiefen bis hin zu einem emotionalen und historischen Moment, der die Trilogie gelungen abschließt!

Veröffentlicht am 05.04.2020

Zehn kurze Episoden mit Unterhaltungswert

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
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Tom und Louise treffen sich vor ihrer ersten Sitzung der Paartherapie im Pub gegenüber. Vier Mal hat Louise mit einem anderen Mann geschlafen und es Tom schließlich gestanden. Nun steht die Ehe des arbeitslosen ...

Tom und Louise treffen sich vor ihrer ersten Sitzung der Paartherapie im Pub gegenüber. Vier Mal hat Louise mit einem anderen Mann geschlafen und es Tom schließlich gestanden. Nun steht die Ehe des arbeitslosen Musikkritikers mit der Ärztin auf dem Prüfstand. Gibt es für sie noch eine Zukunft? Darüber reden die beiden mal direkt, mal über Umwege. Auch vor dem nächsten Termin treffen sie sich wieder im Pub, was schnell zu einer Gewohnheit wird.

Die Grundidee des Buches hat mich neugierig auf diesen neuen Titel aus der Feder von Nick Hornby gemacht: Als Leser begegnet man den beiden Protagonisten ausschließlich im Pub vor ihrer Paartherapie. Insgesamt zehn Mal treffen sie sich dort. Zu Beginn ist vor allem die Affäre ein Thema und ob die Sitzungen den beiden wirklich helfen können. Die unterschiedliche Haltung der beiden zum Brexit wird angesprochen genauso wie die ganz verschiedenen Erfahrungen, die sie in ihren Berufen sammeln.

Jedes Gespräch der beiden stellt sich als Schlagabtausch mit Worten dar. Tom und Louise nutzen jede Vorlage, die der andere bietet - mal für sarkastische Erwiderungen, mal für ein humorvolles Weiterspinnen des Gedankens, mal für bewusstes Missverstehen. Sie reden dabei nicht nur über sich, sondern haben auch Spaß daran, sich Geschichten zu den Paaren auszudenken, die vor ihnen bei der Therapie sind und die sie beim Hinausgehen beobachten. Auch bei den Überlegungen, welche neuen Partner die beiden wohl nach einer möglichen Scheidung hätten, sind beide eifrig und kreativ bei der Sache. Schlagfertigkeit und Wortwitz steht hier im Vordergrund, wodurch das eigentlich ernste Thema einer Ehekrise für den Leser zu einer heiteren Sache wird.

Ob die beiden die Kurve kriegen oder nicht war mir dabei ehrlich gesagt egal, denn wirklich sympathisch wurden sie mir nicht und es gibt auch keine Versuche, Verständnis für die jeweilige Haltung der beiden herzustellen. Als Leser erhält man ein Bild von Tom, Luise und ihrer Ehe, das sich auch für einen Stammgast im Pub beim regelmäßigen Lauschen gebildet hätte. Das Buch bleibt konsequent bei der Außenperspektive, sodass man keine Einblicke in die Gefühlswelt der beiden erhält oder was ihr soziales Umfeld über sie denkt. Es bleibt bei der leichten Unterhaltung an der Oberfläche und dem geschickten Spiel mit Worten und Kommunikation. Zehn schnell gelesene Episoden mit Unterhaltungswert!

Veröffentlicht am 03.04.2020

Ein Roman für gemütliche Lesestunden

Bleib doch, wo ich bin
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In „Bleib doch, wo ich bin“ betreibt Kaya im ländlichen Neuberg ein Büchercafé. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten bei ihrem Shetlandpony Achterbahn. Häufig passt sie auf ihre Nichte Milli auf, die ...

In „Bleib doch, wo ich bin“ betreibt Kaya im ländlichen Neuberg ein Büchercafé. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten bei ihrem Shetlandpony Achterbahn. Häufig passt sie auf ihre Nichte Milli auf, die sich eines Tages mit einer heiklen Bitte an sie wendet: Kaya soll sich als Millis Mutter ausgeben und einen Termin mit Millis neuem Klassenlehrer wahrnehmen. Denn bei ihrem Praktikum in einer Pharmafirma hat sie zwei Versuchsratten gestohlen und ist nicht mehr zur Arbeit erschienen. Milli zuliebe lässt sich Kaya darauf ein und erscheint in voller Montur inklusive Brille ihrer Schwester, durch die sie kaum etwas sieht, beim Gespräch. Als sie kurz darauf auf einer Scheunenparty heftig mit einem Mann flirtet, der trotz fliegender Funken Vorbehalte zu haben scheint, ahnt sie nicht, dass es sich dabei um Millis Lehrer handelt...

Der Debütroman von Lisa Keil beginnt mit einer verzwickten Situation: Protagonistin Kaya ahnt nicht, dass der Mann, den sie mehr als sympathisch findet derselbe ist, gegenüber dem sie sich als Mutter einer seiner Schülerinnen ausgegeben hat. Während sie mit Lasse flirtet kämpft der mit seinem Gewissen. Die Sprache ist leicht und unterhaltsam, sodass ich mich in die Geschichte hineinfallen lassen konnte. Die Ereignisse bespricht Kaya vor allem mit ihrem besten Freund Rob, der eine Tierarztpraxis betreibt. Dabei erfährt man als Leser einiges über die Arbeit dort, denn die Autorin Lisa Keil arbeitet selbst als Tierärztin und hat ihre eigenen Erfahrungen einfließen lassen. Auch ihre Liebe zu Pferden spürt man bei Kayas Besuchen ihres Ponys deutlich. Als Leserin begleitete ich Kaya durch Höhen und Tiefen. Es gibt viele romantische Szenen, aber auch Streitigkeiten und Missverständnisse. Ich hätte mir jedoch noch mehr überraschende Momente gewünscht. Insgesamt ist das Buch eine schöne Liebesgeschichte auf dem Land, mit dem man gemütliche Lesestunden verbringen kann!

Veröffentlicht am 27.03.2020

Eine Reise zu neuen Ufern in ruhigen und poetischen Tönen

Offene See
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Der Zweite Weltkrieg ist seit einem Jahr vorbei, als Robert 16 Jahre alt wird. Er ist in der Bergbaustadt Durham aufgewachsen und sein beruflicher Weg scheint vorbestimmt: Er wird in der Zeche arbeiten ...

Der Zweite Weltkrieg ist seit einem Jahr vorbei, als Robert 16 Jahre alt wird. Er ist in der Bergbaustadt Durham aufgewachsen und sein beruflicher Weg scheint vorbestimmt: Er wird in der Zeche arbeiten wie sein Vater und sein Großvater vor ihm. Doch vorher will er etwas vom Land sehen, und so bricht er nur mit dem Nötigsten ausgestattet auf. Er schläft im Freien und verdient sich seine Mahlzeiten, indem er seine helfenden Hände anbietet. Schließlich erreicht er die Küste, wo er von der Bewohnerin eines Cottages auf einen Brennesseltee eingeladen wird. Diesen hat er noch nie getrunken, und so sagt er zu. Dulcie entpuppt sich als als weltoffene Dame, die Roberts mit gänzlich neuen Perspektiven und Ideen in Kontakt bringt.

Die Geschichte nimmt den Leser mit in das Jahr 1946 und den Nordosten Englands, wo Robert durch die Landschaft streift mit dem Ziel, endlich mehr vom Land zu sehen als nur seine Heimatstadt. Das Tempo ist ruhig und der Autor nimmt sich Zeit, dem Leser die Umgebung, durch die Robert sich bewegt, ebenso wie die Gedanken, die ihn dabei begleiten, zu schildern.

Die Begegnung mit Dulcie gibt seiner Reise eine ganz neue Richtung. Bislang hat er sich vor allem physisch vom ihm Bekannten wegbewegt. Durch Dulcie erhält er Zugang zu neuen Gedanken, Gefühlen und Geschmäckern. Ich fand es interessant, den Umgang zweier so unterschiedlicher Charaktere, die sich zufällig begegnet sind, zu erleben. Aus der Einladung zum Tee wird eine Einladung zum Abendessen, und schließlich beitet Robert an, sich auf dem Grundstück nützlich zu machen, um noch einige Zeit bei der ihn intellektuell faszinierenden Dulcie zu verbringen.

Dulcie ist eine exzentrische, schon etwas ältere Dame, die schon viel von der Welt gesehen hat. Sie ist sarkastisch, nimmt Wörter in den Mund, die Robert Röte ins Gesicht treiben und teilt bereitwillig ihre Mahlzeiten mit ihm, welche sich für die Nachkriegszeit als erstaunlich üppig und vielfältig erweisen. In ihrem Leben hat sie viele Künstler getroffen und gefördert. Als sich das Gespräch der Literatur und Lyrik zuwendet, leiht sie Robert zahlreiche Bücher, die sie begeistern konnten und an die er sich mit zunehmender Begeisterung wagt.

Die Sprache der Geschichte ist sehr poetisch und der Fokus liegt auf Roberts Gesprächen mit Dulcie und dem Einfluss, den das auf sein Denken und Tun hat. Dulcie hütet zudem ein schmerzliches Geheimnis, das sie Robert Stück für Stück offenbart. Lyrik und die daraus erwachsenden Gefühle spielen eine große Rolle. Mir fällt es nicht leicht, Zugang zu Lyrik zu finden, sodass ich mich auch hier ein wenig schwer damit getan habe.

„Offene See“ ist ein Coming of Age Roman, der in ruhigen und poetischen Tönen von einer Reise zu neuen Ufern berichtet. Die Atmosphäre ist lebensbejahend und melancholisch zugleich. Eine Geschichte rund um die Frage, wer man ist und sein will, die ich gerne an lyrisch interessierte Leser weiterempfehle.

Veröffentlicht am 23.03.2020

Drei Schwestern und ein Wiedersehen beim Wandern im Moor

Elijas Lied
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Elija, Noa und Loth sind drei Schwestern um die Dreißig, deren Leben sich in gänzlich unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Elija liebt das Theater, wo sie die schwangere Hagar spielt, die in die ...

Elija, Noa und Loth sind drei Schwestern um die Dreißig, deren Leben sich in gänzlich unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Elija liebt das Theater, wo sie die schwangere Hagar spielt, die in die Wüste geschickt wird. Sie selbst wird hingegen nie ein Kind bekommen können und viele Menschen sehen außerhalb der Bühne nur ihre Behinderung. Noas einziger Lichtblick bei ihrem Kantinenjob ist Akim, dem sie manchmal seine Mahlzeit übergibt und der sie dann für den Abend zu sich einlädt. Daneben hat sie noch einen zweiten Job, über den sie nicht oft redet. Loth ist in eine patriotische Hausgemeinschaft in Halle gezogen, wo sie und ihre Mitstreiter, die ihre rechte Gesinnung teilen, Videos drehen und Aktionen planen. Es war ihre Idee, als Schwestern noch einmal gemeinsam wandern zu gehen, so wie sie es früher häufiger mit ihren Eltern gemacht haben.

Das Debüt von Amanda Lasker-Berlin beschreibt den Tag, an dem die drei Schwestern ihre Wanderung unternehmen. Loth hat diesen Vorschlag schon Monate zuvor gemacht und schließlich haben Elija und Noa doch noch zugesagt. Schon auf den ersten Metern wird dem Leser klar, dass die drei so einen Tag mit ganz unterschiedlichem Tempo angehen. Loth will mit ihrem malträtierten Körper möglichst schnell ans Ziel bringen, während Elija nicht so schnell kann und Noa ein wenig auf sie Acht gibt.

Die Wanderung wird mit einer intensiven Sprache erzählt, durch welche die Natur - das Moor, der Wald, der Berg - für mich lebendig wurde. Während es vorwärts geht, hängen alle ihren Gedanken nach. Diese erhält man als ungefilterten Fluss und erfährt Stück für Stück, was die Schwestern eigentlich ausmacht, wie ihr Alltag aussieht und durch welche Erfahrungen sie geprägt wurden. Auch zentrale Informationen wie dass Elija mit Trisomie geboren wurde oder Noa der Neuen Rechten angehört erschließt man sich als Leser über diesen Kanal.

Mit den Informationen über die unterschiedlichen Lebenswege der Schwestern blickte ich auf ihr Verhalten während der Wanderung und erkannte, welche Kluft sich zwischen ihnen über die Zeit hinweg aufgetan hat. Die Chance auf ein erneutes Zusammenfinden scheint vertan. Schade fand ich, dass bei den Gedankengängen der einzelnen Charaktere nicht auf das frühere Verhältnis zueinander eingegangen wird. Auch in der Gegenwart werden keine Worte für eine Aussprache gefunden.

„Elijas Lied“ bietet interessante, kontroverse Charaktere und eine starke Sprache mit Sätzen, die zum Anstreichen einladen. Ich erhielt tiefe Einblicke Gefühls- und Gedankenwelt der drei Schwestern, die mich nachdenklich stimmten. Gerne hätte ich noch besser verstanden, wie sich das Verhältnis der Schwestern über die Jahre hinweg entwickelt hat. Ein intensives literarisches Debüt!