Gelungener Roman über familiäre Nähe und das Vergessen
Guten Morgen ihr Buchliebenden, ich möchte euch David Wagners »Der vergessliche Riese« aus dem Rowohlt-Verlag vorstellen, das im Hochsommer 2019 veröffentlicht und mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet ...
Guten Morgen ihr Buchliebenden, ich möchte euch David Wagners »Der vergessliche Riese« aus dem Rowohlt-Verlag vorstellen, das im Hochsommer 2019 veröffentlicht und mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet wurde.
Ein Vater, 73 Jahre alt und zweifach verwitwet braucht eine enge Betreuung, denn er vergisst viel. In seinem Haus im nordrhein-westfälischen Meckenheim lebt er ganz allein. Sein Sohn besucht ihn nach langer Zeit wieder und muss feststellen, dass der Zustand des Vaters sich verschlechtert hat. Fortan besuchen er und seine Schwester Miriam ihn immer wieder, um ihn zu unterstützen und die Erinnerungslücken zu schließen. Gemeinsam begeben sich Vater und Sohn auf einer ganz neuen Ebene, die viel Nähe schafft.
Für diese Geschichte muss man in der Verfassung sein, denn sie birgt neben großem Humor und Lebensfreude auch eine unterschwellige Tragik, die aber nie die Führung einnimmt. Ein alter Mann scheint wieder Kind geworden, vergisst sofort, was eben noch geschehen ist. Seine umfangreiche Lebensgeschichte, die er wiederholt erzählt, schmückt er mit Phantasie aus, sodass nicht immer klar ist, was wahr ist und was nicht. Leise schreitet die Demenz des Vaters voran und obwohl dieser sich seiner Krankheit bewusst ist, verliert er sich nicht in Traurigkeit. Die wiederholt gestellten Nachfragen an seinen Sohn wirken weniger störend, als viel mehr charmant und erinnern an das klassische Warum? eines Kindes.
Ich mochte die Figuren, die größtenteils eher blass bleiben, doch sehr. Im Mittelpunkt steht die zunehmende Demenz des Vaters und somit ist der Umgang mit dieser vorrangig. Die Liebe eines Sohnes zu seinem Vater berührte mich ebenso wie der Zusammenhalt der ganzen Familie, der immer wieder durchdringt. Der Schreibstil von Wagner harmoniert ganz und gar mit der sensiblen Thematik und kommt auch meist ohne Schwermut aus. Häufig musste ich lachen und finde die Rolle des Vaters auch sehr liebenswert.
Die tiefe Verbindung zwischen Vater und Sohn mach »Der vergessliche Riese« zu einer meisterhaften Erzählung über das Vergessen.