Entwurzelt
BelmonteDieser Roman um eine deutsch-italienische Familie spielt auf zwei Zeitebenen, der Gegenwart, in der die etwa 30-jährige Simona von ihrer Großmutter Franca ein Haus in deren Heimatdorf Belmonte in den italienischen ...
Dieser Roman um eine deutsch-italienische Familie spielt auf zwei Zeitebenen, der Gegenwart, in der die etwa 30-jährige Simona von ihrer Großmutter Franca ein Haus in deren Heimatdorf Belmonte in den italienischen Marken erbt und der Vergangenheit, beginnend im Jahr 1944, in dem Francas Mutter Teresa die Kämpfer der Resistenza, zu denen auch ihr damaliger Freund gehört, mit Nahrung versorgt und auf dem Rückweg von Deutschen vergewaltigt wird. Neun Monate nach diesem schrecklichen Erlebnis, von dem nur ihre beste Freundin Marta, die sie damals begleitet hat, weiß, wird Franca als "Bastard" geboren, obwohl Teresa auf Anordnung ihres Vaters einige Monate vor deren Geburt noch einen verbitterten Kriegsheimkehrer heiraten musste. Sie hat es dann alles Andere als leicht mit ihm und seiner Familie und das Schicksal meint es nicht gerade gut mit ihr.
Simona, die Urenkelin von Teresa hat gerade ihre Stelle als Landschaftsarchitektin in Kempten verloren und so reist sie nach dem Tod ihrer Großmutter Franca nach Italien in ihr von Franca geerbtes Haus, das Elternhaus von Teresa. Dort warten einige Überraschungen auf sie, unter anderem auch Kassetten, die ihre Großmutter vor ihrem Tod für sie aufgenommen hat und die nach und nach allerlei Familiengeheimnisse aufdecken, zum Beispiel warum Franca überhaupt nach Kempten kam. Aber die fast 100-jährige Marta hält weiterhin dicht, was das schreckliche Erlebnis im Zweiten Weltkrieg angeht. Simona teilt in gewisser Weise das Schicksal ihrer Großmutter Franca, da auch sie nicht weiß, wer ihr Vater ist, das hat ihr ihre Mutter nie verraten und es belastet sie sehr, ihre eigenen Wurzeln nicht zu kennen. Zudem ist sie sich auch unsicher, wie es mit ihrer eigenen Beziehung weitergehen soll, aus der irgendwie etwas die Luft raus ist und in Belmonte sorgt der Enkel der ersten Liebe von Teresa für Gefühlsverwirrung bei ihr. Gleichzeitig gibt es aber auch einen tollen Gemüsegarten am Haus von Franca, der ihr ein neues Aufgabenfeld bietet und eine Ersatzfamilie mit Martas Kindern, Enkelkindern und Urenkeln. Die Verlockung, Kempten aufzugeben und in Italien zu bleiben, ist also recht groß.
Der Roman hat mich sehr gefesselt. Er bietet mit den Themen des deutsch-italienischen Verhältnisses während und nach dem zweiten Weltkrieg am Beispiel der Geschichten von Marta und Teresa, der Entwurzelung von Franca und Simona aufgrund des unbekannten Vaters und den italienischen Gastarbeitern in Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders auch eine gute Portion Tiefgang. Die Charaktere der weiblichen Hauptpersonen sind überzeugend gestaltet und auch das Örtchen Belmonte kann man sich gut bildhaft vorstellen. Der Schreibstil der Autorin ist sowohl anschaulich als auch gut lesbar.