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Veröffentlicht am 10.04.2020

Bei diesem Buch läuft einem das Wasser im Mund zusammen!

Kirschkuchen am Meer
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Anne Barns ist bekannt dafür, dass ihre Bücher nicht nur Sehn-sucht nach Meer vermitteln, sondern auch Appetit machen. Und auch ihr neuer Roman „Kirschkuchen am Meer“ bildet da keine Ausnahme. Wer dieses ...

Anne Barns ist bekannt dafür, dass ihre Bücher nicht nur Sehn-sucht nach Meer vermitteln, sondern auch Appetit machen. Und auch ihr neuer Roman „Kirschkuchen am Meer“ bildet da keine Ausnahme. Wer dieses Buch nicht mit einem Pfützchen auf der Zunge zuklappt, dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen…

Das Thema dieses Romans sind also Kirschen und so hat die Autorin dies in eine schöne und vor allem noch nicht „totge-laufene“ Story eingebettet, die schon jetzt Lust auf das nächste Buch macht. Natürlich gibt es auch wieder viele schöne Re-zepte.

Es ist erfreulicherweise mal nicht die typische „Frau mit Sinn-krise fährt ans Meer und trifft dort ihren Traummann“- Ge-schichte. Vielmehr geht es zunächst um ein schmerzliches Thema: den Tod eines nahestehenden Menschen. Auch wenn in diesem Fall die Protagonistin Marie glaubt, zu ihrem Vater kaum noch eine Verbindung zu haben, trifft sie sein plötzlicher Tod unerwartet hart und auch seine Entscheidung für eine Seebestattung kommt für sie völlig überraschend. Sie fängt an zu hinterfragen, warum sie ihn in den letzten Jahren kaum noch getroffen hat und entwickelt Schuldgefühle. Zum Glück stehen ihr Schwester, Mutter und die rüstige Oma zur Seite und helfen ihr, sich aus ihrem Tief wieder herauszukämpfen.

Was sie mit ihrem Vater vor allem verbindet, sind Kirsch-Rezepte. Sie erinnern sie an ihre Kindheit, an eine Zeit, als ir-gendwie alles noch gut war. Und da Marie als Drogistin zwar einen ordentlichen Job, aber nicht ihre Bestimmung gefunden hat (wahre Freude erlebt sie beim Backen), trägt der Tod des Vaters dazu bei, dass sie auch ihre beruflichen Perspektiven hinterfragt. Bei und nach der Bestattung auf See und beim an-schließenden Drei-Generationen-Urlaub auf Norderney entdeckt Marie schließlich neben ihren familiären Wurzeln auch ihre berufliche Bestimmung neu.

Wie immer in Anne Barns‘ Romanen ist natürlich ein Happy End garantiert. Und es ist immer wieder eine Freude, die von ihr geschaffenen Charaktere auf dem Weg dahin begleiten zu dürfen. Diesmal hat mir besonders gefallen, dass keine Liebes-geschichte im Vordergrund stand, sondern tatsächlich diese Krise, in die ein Schicksalsschlag einen Menschen stürzen kann. Und wie ein so schlimmes Erlebnis letztlich doch dazu führen kann, dass am Ende nicht alles, aber doch zumindest vieles gut wird, weil man sich darüber bewusst wird, dass es nie zu spät ist, auch noch neue Wege zu gehen.

Diese Idee des Insel-Romans hebt sich von anderen Geschichten positiv ab und ich hoffe, dass Anne Barns auch in Zukunft wieder nach neuen und frischen Ideen/Themen für ihre Bücher sucht. Denn genau so müssen sie sein – eine neue Perspektive, eine Geschichte, die sich wirklich unverbraucht anfühlt, auch wenn es das Setting in vielen anderen Romanen ebenfalls gibt. Ich denke, mit diesem Buch hat sie sehr viel richtig gemacht und ich freue mich schon jetzt auf neuen Lesestoff von ihr! Wie ich vorhin entdeckt habe, steht ein neuer Insel-Winterroman („Eisblumenwinter“) schon in den Startlöchern und ich kann es kaum erwarten, dann wieder mit ihr in den Norden zu reisen.

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Veröffentlicht am 06.04.2020

Das "deutsche Downton Abbey" geht weiter!

Gut Greifenau - Goldsturm
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Selten habe ich mich so gefreut, eine Fortsetzung in den Händen zu halten wie bei „Goldsturm“, dem vierten Teil der Gut Greifenau-Saga. Ursprünglich galt die Reihe nach drei Bänden als abgeschlossen, aber ...

Selten habe ich mich so gefreut, eine Fortsetzung in den Händen zu halten wie bei „Goldsturm“, dem vierten Teil der Gut Greifenau-Saga. Ursprünglich galt die Reihe nach drei Bänden als abgeschlossen, aber der große Erfolg hat wohl dazu geführt, dass die Reihe fortgesetzt wird. Mit „Goldsturm“ ist nun der erste Fortsetzungsband erschienen und ich freue mich jetzt schon, dass es mit „Silberstreif“ ab November 2020 eine weitere Fortsetzung der Geschichte geben wird.

In diesem Band begleiten wir die Bewohner von Gut Greifenau in die „Goldenen Zwanziger“ hinein, die – wie sich herausstellt – alles andere als golden sind, zumindest für die meisten. Die Aristokratie hat in der jungen Republik einen schlechten Ruf und Gutsherr Konstantin merkt, dass er es immer schwerer hat, die Loyalität und den Gemeinsinn seiner Pächter zu erhalten. Geschäftsmann Julius Urban und seine Frau Katharina, die von Gut Greifenau stammt, genießen derweil ein sorgloses Leben in Berlin, da die Urbans mit Geld- und Immobiliengeschäften im großen Stil Reichtum anhäufen – wenn auch oft am Rande der Legalität. Derweil versuchen auch die Angestellten des Gutshofes weiter ihr Glück zu finden und gehen dafür teilweise unorthodoxe Wege.

Was jedoch alle verbindet, ist die immer schwierigere Situation der zunehmenden Inflation. Viele der Bediensteten hatten sich über Jahre einen Notgroschen vom Munde abgespart – und können sich dafür nun kaum noch ein Brot kaufen. Glücklich ist, wer irgendwie an ausländisches Geld gekommen ist, denn Dollar und Co. sind die einzigen wirklich beständigen Werte, auch wenn man mit ihnen offiziell nicht mehr bezahlen darf. Zunehmend werden nur noch Naturalien getauscht, die Angestellten von Gut Greifenau lassen sich ihren Wochenlohn in Eiern oder Kartoffeln auszahlen. Eine Situation, die für uns heute nur schwer vorstellbar schein, aber angesichts der derzeitigen Lage trotzdem erschreckende Vorstellungen weckt.

Wie schon in den vorherigen Bänden hat mich Hanna Caspian wieder mitten hinein geschubst in die längst vergangenen Zeiten und ich war von der ersten Seite an gefangen in ihren Beschreibungen. Sie vermittelt das Wissen um die historischen Gegebenheiten und die Sorgen und Nöte der Adligen, aber auch des einfachen Volkes auf eine sehr anschauliche,verständliche Weise. Man hat tatsächlich das Gefühl, selbst mitzuerleben, was im Buch gerade passiert. Das ist es, was ich an ihren Romanen so schätze.

Mittlerweile sind mir die Figuren sehr ans Herz gewachsen und ich fiebere mit jedem Einzelnen mit auf seinem Weg durch die 1920er Jahre. Allerdings muss ich sagen, dass man die Vorgängerbände schon gelesen haben sollte, um „Goldsturm“ richtig verstehen und die Geschehnisse einordnen zu können. Zwar versucht die Autorin in kurzen Abrissen das bisherige Geschehen einzuflechten, um aktuelle Entwicklungen im Buch besser nachvollziehbar zu machen. Aber bei drei Vorgängerbänden von insgesamt mehr als 1500 Seiten ist es natürlich schwierig den bisherigen komplexen Handlungsverlauf allgemeinverständlich für neue Leser darzustellen. Deshalb mein Tipp: viele Menschen haben ja im Moment wieder mehr Zeit zum Lesen – also kauft euch die ganze Reihe (natürlich online bei eurer lokalen Buchhandlung!) und taucht völlig ab in diese Bücher, ihr werdet es nicht bereuen!

Und ich habe mir nun schon Anfang November groß im Kalender angestrichen, wenn ich endlich erfahren darf, wie es auf Gut Greifenau weitergeht!

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Veröffentlicht am 31.03.2020

Soooooooo schön! Ein Must-read für alle Bücherwürmer

Happy Ever After – Wo das Glück zu Hause ist
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Mit ihrem neuen Roman hat Jenny Colgan mich richtig ge-packt! Es ist ein Buch zum Wegträumen, zum Entspannen, zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken. Und da es zur Zeit so wichtig ist, sich neben den ...

Mit ihrem neuen Roman hat Jenny Colgan mich richtig ge-packt! Es ist ein Buch zum Wegträumen, zum Entspannen, zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken. Und da es zur Zeit so wichtig ist, sich neben den bestürzenden Nachrichten, die täglich auf uns einströmen, ein paar Momente des Friedens und der Ruhe zu gönnen, war es genau das richtige Buch für mich in dieser Zeit. Und dazu kommt noch: dieser Roman feiert Bücher und das Lesen, und zwar auf eine herzliche und unbeschwerte Art, so dass einem als Bücherwurm einfach das Herz aufgeht.

Kurz zur Story:
Als die Bibliothek geschlossen wird, in der Nina arbeitet, wird es eng für die verträumte Büchereule. Sie sieht keine berufliche Perspektive, nur ein lang gehegter Traum tritt plötzlich wieder zutage. Nina liegt jeder Leser am Herzen und sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, für jeden Menschen das genau richtige Buch zu finden, das ihm in seiner aktuellen Stimmung oder Lebenssituation weiterhilft. Als im entfernten Schottland ein großer alter Lieferwagen zum Verkauf steht, überwindet Nina ihre Ängste, fährt in den Norden und kauft das Ungetüm. Fortan möchte sie mit ihrem Bücherbus als fahrende Buchhändlerin ihre Auffassung von Glück unter die Leute bringen.

Wie sich herausstellt, hängt an dem Lieferwagen eine ganz neuer Lebensabschnitt – denn gerade in den abgelegenen schottischen Highlands greift ihre Idee besonders gut und wirft Profit ab. Also zieht Nina nach Schottland und lernt langsam aber sicher, dass sie ihr Lebensglück eher im entschleunigten Landleben findet als in ihrer pulsierenden Heimatstadt Birmingham.

Natürlich weiß jeder, der das Buch in die Hand nimmt, dass bei einem Titel wie „Happy Ever After“ kein dramatisches Ende zu erwarten ist. Ja, man ist sich natürlich darüber im Klaren, dass in diesem Buch alles gut werden wird – aber wie sagt man immer so schön: der Weg ist das Ziel ;) Und Jenny Colgan versteht es wirklich, Nina auf eine spannende emotionale und geografische Reise zu schicken, die dem Leser (oder wahrscheinlich eher der Leserin) von der ersten bis zur letzten Seite Freude macht. Um es kurz zu sagen: das Buch ist einfach sooooooo schön! Ich habe es in nur 2 Tagen durchgelesen, was neben einem Vollzeitjob für mich schon eine Leistung darstellt. Aber das soll nur verdeutlichen, dass man wirklich völlig in dem Roman aufgehen kann und sich tatsächlich nach (bzw. während des Lesens) fühlt, als hätte man gerade Urlaub. Und was gibt es Schöneres, als das über ein Buch sagen zu können?

Jenny Colgan hat mit dieser wunderbaren Story für und über Bücherwürmer meiner Ansicht nach voll ins Schwarze getrof-fen und ich kann nur jedem raten, sich schnellstmöglich mit dieser Geschichte in den Lieblingssessel zu verkrümeln und die verrückte Welt da draußen einfach mal für ein paar Stunden zu vergessen. Danke, Jenny, dass du uns das ermöglichst!

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Veröffentlicht am 22.03.2020

Ein mondänes Haus, hinter dessen Pforten sich Geheimisse verbergen

Das Grand Hotel - Die nach den Sternen greifen
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Drei Lebenswegen, die durch Blutsverwandtschaft verbunden sind, folgt Caren Benedikt in dieser opulenten Familiensaga um das „erste Haus am Platz“ im Ostseebad Binz.

Bernadette von Plesow ist die Eigentümerin ...

Drei Lebenswegen, die durch Blutsverwandtschaft verbunden sind, folgt Caren Benedikt in dieser opulenten Familiensaga um das „erste Haus am Platz“ im Ostseebad Binz.

Bernadette von Plesow ist die Eigentümerin des Grand Hotels. Die Witwe führt das Haus mit eiserner Hand, hat aber auch ein Gespür für ihre Angestellten – wie zum Beispiel Zimmermädchen Marie, deren Schicksal – stellvertretend für die weiteren Angestellten des Hotels – hier geschildert wird. Bernadette ist eine gestandene Frau, und das macht schon einen Teil des Reizes dieses Romans aus: denn ein Großteil der Geschichte wird aus der Sicht dieser weltgewandten und schicksalsgeprüften Frau erzählt, die viel Lebenserfahrung hat. Im Gegensatz zu anderen Büchern, wo in der Regel junge Frauen die Hauptrolle spielen, die ihren Weg in eine erfolgreiche Zukunft gehen, ist das ein Blickwinkel, der in der Vielzahl solcher Romane für Abwechslung sorgt.

Natürlich finden auch junge Frauen eine Figur, mit der sie sich identifizieren können – zum einen die schon genannte Marie, zum anderen aber Josefine, Bernadettes Tochter. Josi hat ihren Weg noch nicht gefunden, sie ist eine Künstlerseele, die darauf wartet, aus dem beengten, ländlichen Binz herauszukommen und sich verwirklichen zu können. Wie und wo, das weiß sie selbst noch nicht, und so führt sie einige erbitterte Kämpfe mit ihrer Mutter, deren höchste Priorität ihr Hotel ist.

Den Gegenpol zum beschaulichen Binz bildet in diesem Roman Berlin. Dort hat Konstantin, Bernadettes Sohn, ebenfalls ein Hotel – aber auch noch ein Varieté. Immer mehr wird offenbar, dass das noble Berliner Hotel nur den anständigen Schein wahrt – Konstantins Leben spielt sich zum großen Teil in der Unterwelt ab und diese trifft man im verruchten Berliner Varieté. Er macht sein Geld mit fadenscheinigen Geschäften im Drogen- und Prostituiertenmilieu, wahrt aber nach außen hin – und auch seiner Mutter und seiner Schwester gegenüber – den Schein des rechtschaffenen Hotelbesitzers.

Aus diesen Zutaten hat Caren Benedikt eine opulente Erzäh-lung zusammengemischt, die ihren besonderen Reiz dadurch erhält, dass sie den idyllischen Ostsee-Kurort und das pulisierende Berlin immer wieder gegenüber stellt. Die Schauplätze im Roman wechseln sich immer wieder ab und erzeugen so Dynamik.
Als – wie ich finde – schönes Stilmittel hat die Autorin den Kapiteln immer ein Zitat der Figur voranstellt, die im aktuellen Kapitel die Hauptrolle spielt. Das stimmt den Leser auf die Schauplatz- und Perspektivwechsel ein und gibt auch immer schon einen kleinen Hinweis auf den weiteren Verlauf der Geschichte. Diese kleinen „Teaser“ habe ich mit der Zeit richtig lieb gewonnen.

Erwähnen möchte ich auch, dass Anne Moll das gesamte Buch, aber insbesondere die Passagen mit Bernadette in der Hauptrolle, wirklich gut liest und ich dadurch eine klare Vorstellung von der Hoteleigentümerin hatte.

Zusammenfassend kann ich nur sagen: alles richtig gemacht, Frau Benedikt! Ich habe mich trotz der Länge des Hörbuches von über 14 Stunden jederzeit sehr gut unterhalten gefühlt und konnte völlig abtauchen in die Goldenen Zwanziger!

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Titicaca auf Juist und das „Jenseits“ gleich um die Ecke

Die Schule am Meer
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Es gehört schon viel Mut dazu, auf der sturmumtosten Nordseeinsel Juist ein Internat zu errichten. Das wäre heute so – aber vor 100 Jahren war es ein umso beeindruckenderes Unterfangen. Dennoch stellten ...

Es gehört schon viel Mut dazu, auf der sturmumtosten Nordseeinsel Juist ein Internat zu errichten. Das wäre heute so – aber vor 100 Jahren war es ein umso beeindruckenderes Unterfangen. Dennoch stellten sich eine Handvoll engagierte Lehrer dieser Aufgabe und gründen „Die Schule am Meer“. Eine schöne Geschichte? Nein, ein historischer Fakt.

Gründungsmitglieder sind das Pädagogenpaar Paul und Anni Reiner, aber auch Martin Luserke, der noch heute in den historischen Belegen stark verknüpft ist mit der Schule am Meer. Zusammen mit den gleichgesinnten Kollegen wird der „reformpädagogische Ansatz“ gepflegt. Die Kinder kommen mit ca. 10 Jahren ins Internat und bleiben auf der Insel, bis sie ihr Abitur in der Tasche haben. Es gibt Theatergruppen, einen Chor, ein Orchester, mehrere Schülerverbindungen (die die Namen von Tieren tragen) und jedes Gebäude hat einen Namen, so dass es nicht weit ist vom „Diesseits“ ins „Jenseits“ und zur „Arche“. Doch die alteingesessenen Insulaner sind skeptisch – kommt doch da eine Gruppe Querdenker und gründet eine merkwürdige Art „Kommune“ mit noch merkwürdigeren Ritualen, zu denen jeden Morgen auch ein „mystisches Tauchbad“ in der Nordsee gehört.

Sandra Lüpkes erzählt die Geschichte der Schule am Meer am Beispiel des Schülers Maximilian Mücke, genannt Moskito, der als Zehnjähriger auf die Insel kommt. Seinen Eltern gehört in Bolivien eine Zinnmine, aber sie wollen, dass ihr Kind eine exzellente Ausbildung in Deutschland erhält. Sie lassen sich dies einiges kosten (ohne zu wissen, dass die Schule am Meer nur halb so viel Komfort bietet, wie sie sich das aufgrund der Werbung für diese Institution vorstellen). Die Zeit von Moskito an der Schule am Meer ist gleichzeitig die Geschichte der Schule. Und mit seinem Abitur endet auch die Geschichte der Einrichtung – im Jahr 1934, zerbrochen an den politischen Entwicklungen.

Über den Zeitraum, in dem die Schule existiert, geht der Leser mit Moskito durch dick und dünn. Als der kleine Junge eine verletzte Wildgans rettet (die ihm fortan auf Schritt und Tritt folgt) und sie wegen seines Heimwehs „Titicaca“ nennt, wird einem schon warm ums Herz. Man erlebt mit, wie Moskito und seine Freunde zu Jugendlichen werden und schließlich zu Erwachsenen heranreifen, die bereit sind, Entscheidungen zu treffen. Ehrlich – das eine oder andere Mal war ich beim Lesen unheimlich stolz auf Moskito.

Neben den Schülern steht natürlich auch das Lehrerkollegium im Fokus des Buches. Neben den Gründungsmitgliedern spielt Eduard Zuckmayer, Bruder des bekannten Schriftstellers Carl Zuckmayer, eine große Rolle. Der gefeierte, aber erschöpfte Dirigent erkennt seine Bestimmung, als er Urlaub auf Juist macht und wird Musiklehrer an der Schule. Er, der selbst nicht auf Nachwuchs hoffen kann, wird zum künstlerischen Mentor der Schüler und findet seine Erfüllung im Musiklehrerdasein – auch wenn sein Bruder das für eine Verschwendung seiner Möglichkeiten hält.

Sandra Lüpkes fängt ein umfassendes Bild ein, das die damals sehr fortschrittlichen pädagogischen Ansätze der Schule am Meer (allein schon der gemeinsame Unterricht für Jungen und Mädchen!) porträtiert und der Schule ein wohlverdientes Denkmal setzt. In den historischen Rahmen hat sie gekonnt eine Geschichte vom Erwachsenwerden eingewoben und spannend den Existenzkampf der Lehrer geschildert, deren Lebenswerk die Schule am Meer werden sollte. Die sich wandelnde Gesinnung macht auch vor manchem Pädagogen nicht halt und mündet schließlich in ein Finale, das den Leser traurig und nachdenklich zurücklässt. Jedem, der sich auch nur ein bisschen für die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts interessiert, möchte ich dieses Buch wärmstens ans Herz legen!

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