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Veröffentlicht am 19.05.2020

Mit dem Wissen geschichtlicher Daten, Ortskenntnis und viel Verve für die Figuren geschrieben

Der Turm aus Licht
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In ihrem historischen Roman „Der Turm aus Licht“ erzählt Astrid Fritz vom Bau des Freiburger Münsters in der Zeit von 1270 bis 1330. Besonders bekannt ist der gotische Westturm der Kathedrale, der bis ...

In ihrem historischen Roman „Der Turm aus Licht“ erzählt Astrid Fritz vom Bau des Freiburger Münsters in der Zeit von 1270 bis 1330. Besonders bekannt ist der gotische Westturm der Kathedrale, der bis heute mit seinen 116 m Höhe weithin sichtbar ist. Er wird auch als „schönster Turm auf Erden“ bezeichnet und ist mit einem einzigartigen durchbrochenen Maßwerkhelm ausgestattet, der aus eben jener im Buch beschriebenen Zeit stammt und der Geschichte seinen Namen gegeben hat.

Im Jahr 1270 traf der fiktive Baumeister Gerhard, der bisher als Parlier an der Straßburger Bischofskirche mitgearbeitet hat mit seiner Frau und einigen weiteren Handwerkern, darunter ein Bildhauer und mehrere Steinmetze aus Basel und Köln, in Freiburg ein. Zehn Jahre war an der Liebfrauenkirche nicht mehr gebaut worden, weil die Befestigung der nördlichen Vorstadt Arbeiter und Material forderte. Der Empfang der Arbeiter ist recht bescheiden, wobei gleich ein Zwist deutlich wird zwischen dem „Alten Rat“ der Stadt, bestehend aus Rittern und Herren und dem „Neuen Rat“, der aus Kaufleuten und Handwerkern besteht.

Über die Geschicke der Stadt haben verschiedene Autoritäten zu bestimmen, die im Verlauf der Erzählung zu weiteren häufigen Konflikten sorgen werden. Freiburg wird beim Eintreffen der Handwerker von Graf Konrad regiert, der gegenüber seinem König Rudolf von Habsburg verpflichtet ist, aber auch gegen ihn integriert. Eine wichtige Stellung nimmt auch der jeweilige Gemeindevorsteher ein und einige Angehörige des geistlichen Stands. Das Gerangel um Zuständigkeiten und das Streben nach Machtbefugnissen führen über alle Jahre des Baus hinweg zu vielen Auseinandersetzungen.

Der Roman ist in drei Bücher gegliedert. Während der ersten beiden Teile nehmen die Streitereien um führende Positionen einen breiten Raum ein. Neben den auf Fakten beruhenden Ereignissen beschreibt Astrid Fritz auch das Alltagsleben der am Bau beteiligten Handwerker und der Bürger der Stadt. Liebe, Hass, Neid und Eifersucht sind ebenso beschrieben wie einfache tägliche Verrichtungen und besonderen Anlässen aufgrund dessen Feste gefeiert werden. Vor allem im dritten Buch des Romans konnte ich mehr über familiäre Verwicklungen lesen, aus denen sich einige Dilemmata ergeben und der Geschichte nochmals eine besondere Würze verleihen.

Ich war während des Lesens davon fasziniert welche Möglichkeiten damals schon bestanden, ein Gebäude mit so vielen Verzierungen und filigranen Elementen zu errichten. Es zeigt sich, wie viele Existenzen vom Bau eines solch großen Werks abhängig sind und sich damit den Machtspielen der oberen Gesellschaftsschicht unterworfen sind. Ein weiteres Problem ergibt sich durch die unterschiedlichen Meinungen über die entstehenden Kosten. Während die Steinmetze und Bildhauer ihre Künste bis zur Perfektion beim Kirchenbau und dem Errichten des Westturms zeigen wollen, was viele Arbeitsstunden und kostenintensiv ist, stehen ihnen ausreichend Kritiker entgegen, die sich gegen den damit verbundenen Prunk und für eine schlichtere Ausführung aussprechen.

Es freute mich, über den Anteil zu lesen, den auch Frauen eingebracht haben, nicht nur als Dienstmagd der am Bau beteiligten und Ehefrauen, sondern sogar als Handwerkerinnen. Ein Verzeichnis der Haupt- und Nebenfiguren, das dem Roman vorweggestellt ist, hilft dabei, den Überblick über die handelnden Personen zu behalten. Ein Glossar am Ende des Buchs erklärt vor allem geografische Begriffe, Worte aus der Handwerkersprache und Stellungsbezeichnungen.

Dank guter Recherche schreibt Astrid Fritz mit dem Wissen geschichtlicher Daten, Ortskenntnis und viel Verve für die von ihr erfundenen Figuren in ihrem Roman „Der Turm aus Licht“ über eine bewegte Zeit, in der einige der wunderbarsten Kirchen der Welt geschaffen wurden, was erst durch die Entwicklung neuer Bauweisen und -formen möglich war. Man hofft und bangt um den Weiterbau am Freiburger Münster Unserer Lieben Frauen, die durch wechselhafte gesellschaftspolitische Entwicklungen immer wieder gestört wird. Die Figuren werden schnell sympathisch und man möchte sie gerne über all die Jahre hinweg festhalten, auch wenn es altersbedingt leider nicht möglich ist. Obwohl aus der Historie heraus bekannt ist, dass der Turmbau zu einem Abschluss gekommen ist, sorgt die Autorin dank vieler Wendungen für eine abwechslungsreiche unterhaltsame Lektüre. Gerne empfehle ich daher das Buch an Liebhaber historischer Romanen gerne weiter.

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Veröffentlicht am 11.05.2020

Abschließender dritter Teil der Serie "Trilogie der Weißen Stadt" - durchgehend spannend

Die Herren der Zeit
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Der Thriller „Die Herren der Zeit“ von Eva García Sáenz ist der dritte und abschließende Teil der Serie „Trilogie der Weißen Stadt“. Der Titel der Reihe bezieht sich auf den Haupthandlungsort Vitoria im ...

Der Thriller „Die Herren der Zeit“ von Eva García Sáenz ist der dritte und abschließende Teil der Serie „Trilogie der Weißen Stadt“. Der Titel der Reihe bezieht sich auf den Haupthandlungsort Vitoria im Baskenland. Hier wohnt der Protagonist und Ich-Erzähler des Buchs Inspector Unai López de Ayala, den seine Freunde wegen seiner langen Arme von Jugendtagen an „Kraken“ rufen, und hier ist er bei der Kriminalpolizei als Spezialist für Täteranalysen angestellt. Bei den Fallermittlungen ist auch diesmal wieder seine Kollegin Estíbaliz Ruiz de Gauna an seiner Seite, die ihn als Spezialistin für Opferanalysen unterstützt und arbeitsmäßig ergänzt. Der dritte Band kann ohne die Kenntnis der beiden ersten Teile gelesen werden, was aber sehr schade wäre, weil man dadurch viele spannende Einzelheiten der bisherigen Ermittlungen verpassen würde.

Die Handlung setzt ungefähr 2 ½ Jahre nach dem Zeitpunkt der Ereignisse im Buch „Das Ritual des Wassers“ ein. In Vitoria findet eine Lesung zum historischen Roman „Die Herren der Zeit“ statt, die mit Spannung erwartet wird, weil sich der Autor bisher noch nicht in der Öffentlichkeit gezeigt hat. Unai und seine Famile sowie Estibaliz nehmen daran teil. Der Autor erscheint nicht, stattdessen wird in den Toilettenanlagen ein Mann gefunden, der vergiftet wurde. Es ist der Beginn einer Serie von Verbrechen, die Unai in Verbindung mit dem Roman sieht, weil sie denjenigen ähneln, die dort beschrieben werden. Die Begebenheiten im Buch spielen im Mittelalter und basieren auf dem für den vorliegenden Thriller geschichtlichen, tatsächlich aber fiktivem Hintergrund der Stadt Vitoria. Sie stehen im Zusammenhang mit den alten Familiengeschlechtern, die die Stadt bevölkerten und deren Nachfahren heute noch, wie beispielsweise Unai, vor Ort leben.

Eva García Sáenz baut von Beginn an Spannung auf. Unai ist ein Ermittler, der sich voll und ganz der Aufklärung seiner Fälle widmet und trotzdem versucht, sein Familienleben damit in Einklang zu bringen. Zum Glück haben seine Verwandten, Freunde und Bekannten Verständnis dafür. Manchmal sind sie sogar selbst darin involviert, was Unai durchaus bewusst ist. Diesmal sorgt er sich vor allem um seine kleine Tochter und dennoch vermag er es nicht, all diejenigen zu schützen, die ihm am Herzen liegen.

Die Autorin erzählt abwechslungsreich und vielschichtig. Die Kapitel werden immer wieder unterbrochen mit dem Inhalt des fiktiven Romans, der dem Thriller seinen Titel gibt. Dadurch konnte ich die Parallelen zwischen den aktuellen Taten und den beschriebenen Delikten im grausamen Mittelalter sehen, die Unai im Rahmen der Ermittlungen sehr beunruhigten. Vor allem war dem Inspector aufgrund des gelesenen Buchs bewusst, dass weitere Verbrechen entsprechend der Erzählung folgen könnten. Geschickt legt Eva García Sáenz wieder Fährten zu mehreren potentiellen Tätern.

Wie in jedem Band der Serie vermittelte mir die Autorin auch diesmal interessante geschichtliche und kulturelle Details rund um Vitoria, den Sehenswürdigkeiten, den Bewohnern und der Umgebung, woraus ihre Liebe zur Heimat spricht. Am Ende des Buchs findet sich eine Übersicht über die handelnden Personen in der Gegenwart wie in der Vergangenheit sowie ein Glossar mit Erläuterungen von Orten, Erklärungen zu Begriffen und weiteren im Buch genannten besonderen Bezeichnungen. Ich begegnete vielen aus den vorigen Teilen bekannten Figuren wieder. Der Ich-Erzähler Unai ist ein sympathischer Charakter gerade wegen einiger Macken und Marotten. Interessiert habe ich die Entwicklung seines Privatlebens über die Teile hinweg verfolgt. Er setzt sich genauso wie weitere Familienmitglieder für einen starken Zusammenhalt ein, für den er bereit ist, Kompromisse einzugehen.

Mit dem Buch „Die Herren der Zeit“ hat Eva García Sáenz wieder einen fesselnden, durchgehend spannenden Thriller geschrieben zu dem ihre Kenntnisse historischer Begebenheiten und eine sehr gute Handlungskonstruktion beitragen. Leider schließt der dritte Band die Serie ab, ich hätte mir eine weitere Fortsetzung gewünscht. Aufgrund meiner Begeisterung für alle drei Teile vergebe ich eine große Leseempfehlung an alle Thrillerfans.

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Veröffentlicht am 30.04.2020

Gelungene Fortsetzung der Serie "Das Rosie-Projekt"

Das Rosie-Resultat
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Der Roman „Das Rosie-Resultat“ ist der dritte Band einer Reihe des australischen Autors Graeme Simsion mit dem kühl und rational denkenden Genetiker Don Tillman, der autistisch ist, als Protagonisten. ...

Der Roman „Das Rosie-Resultat“ ist der dritte Band einer Reihe des australischen Autors Graeme Simsion mit dem kühl und rational denkenden Genetiker Don Tillman, der autistisch ist, als Protagonisten. Der erste Teil handelt davon, dass Don sich in die klinische Psychologin Rosie verliebt hat, unbeholfen die geliebte Frau umwirbt und dabei strikt nach Projektplan vorgeht. Im zweiten geht es darum, wie Don sich auf seine zukünftige Rolle als Vater vorbereitet. Der Titel „Das Rosie-Resultat“ bezieht sich auf Hudson, den gemeinsamen Sohn des Ehepaars, der im Laufe der Geschichte im Mittelpunkt des neuen Projekts von Don stehen wird. Das Buch kann unabhängig von den beiden Vorgängerbänden gelesen werden.

Hudson ist elf Jahre alt und in dessen Verhaltensweisen erkennt der inzwischen 52-jährige Don sich in vielerlei Hinsicht wieder. Nachdem Rosie ein lukratives neues Jobangebot in Melbourne erhalten hat, beschließt die Familie nach jahrelangem Aufenthalt in New York, zurück in die Heimat zu ziehen. Darüber ist Hudson nicht glücklich. Als dann Don bei seiner Stelle als Universitätsprofessor Schwierigkeiten bekommt, beschließt er zu kündigen und sich verstärkt um seinen Sohn zu kümmern, auch damit Rosie ihren Traum von einer Projektleitung verwirklichen kann, was fast nur in Vollzeit möglich ist.

In der neuen privaten Schule, die Hudson besucht, findet er wenig Freunde, weil er andere gerne belehrt, dabei möchte er nur sein Wissen weitergeben und hilfreich sein. Auch Don hat in seiner Kindheit und Jugend ähnliche Probleme gehabt. Zusammen mit Rosie macht er sich Gedanken darüber, welche Kompetenzen Hudson erwerben sollte und Don hat einige Ideen dazu, wie er diese seinem Sohn vermitteln könnte. Seiner neuen Aufgabe kommt er mit der von ihm gewohnten Akribie nach. Aber Hudson hat seine eigenen Vorstellungen davon, wie er sein will und was er lernen möchte.

Don fehlt die Möglichkeit, sich in andere Personen, in ihr Denken und Handeln, einzufühlen. Im Laufe seines Lebens hat er daher gelernt, durch Beobachtung und Recherche bestimmte Situationen anhand gewisser Kriterien zu beurteilen und wendet die dabei gewonnen Fakten im sozialen Miteinander an. Ebenso wenig wie Don im Alter von Hudson nimmt dieser die Ratschläge seiner Eltern ungefragt an, sondern fühlt sich ungerecht behandelt.

Als Ich-Erzähler lassen sich die Gedankengänge von Don nachvollziehen, die einem rationalen Verständnis folgen. Auf Außenstehende wirkt sein Verhalten manchmal seltsam, aber durch seine jahrelange Erfahrung hat er sich genügend Übung angeeignet, um weniger als früher aufzufallen. Dennoch kommt es immer wieder zu amüsanten Szenen aufgrund seiner besonderen Denkweise.

Don und Rosie haben viele Fragen rund um die Erziehung ihres Sohns zu klären, mit denen sich Eltern alltäglich auseinanderzusetzen haben. Einen breiten Raum nimmt dabei auch die Aufteilung der Betreuung in Anspruch, denn es ist nicht immer einfach zwischen dem Wohl des Kindes und der Karriere zu entscheiden.

Graeme Simsion behandelt das Abweichen vom Verhalten, dass von der Gesellschaft erwartet wird, behutsam und mit viel Feingefühl. Dabei greift er neben Autismus auch die Themen körperlicher Behinderung und Geschlechterklischees auf. Interessant fand ich die Frage, die der Autor aufwirft, ob eine Testung auf bestimmte Abweichungen von der Norm im Ergebnis zu Vorteilen der getesteten Person führen könnte.

Graeme Simsion ist mit dem Roman „Das Rosie-Resultat“ eine würdige Fortsetzung der Serie rund um seinen Protagonisten Don gelungen. Der Autor zeigt auf einfühlsame Weise wie sich seine liebenswerten Figuren gegen Vorurteile wehren und für Toleranz einsetzen. Dabei bietet er unkonventionelle Lösungen für Streitigkeiten an. Die Geschichte bietet Unterhaltung mit Tiefgang und brachte mich zum Nachdenken. Daher vergebe ich gerne eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses Buch.

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Veröffentlicht am 25.04.2020

Ergreifend und bewegend

Jägerin und Sammlerin
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In ihrem Roman „Jägerin und Sammlerin“ erzählt die in Berlin wohnende Autorin Lana Lux von der schwierigen familiären Beziehung zwischen der an einer Essstörung leidenden jungen Frau Alisa und ihrer Mutter ...

In ihrem Roman „Jägerin und Sammlerin“ erzählt die in Berlin wohnende Autorin Lana Lux von der schwierigen familiären Beziehung zwischen der an einer Essstörung leidenden jungen Frau Alisa und ihrer Mutter Tanya. An bestimmten Tagen überkommt Alisa eine Gier nach Essen, die ihr keine andere Möglichkeit lässt als einer Befriedigung ihrer Gelüste nachzukommen. Der Titel nimmt Anspielung darauf, dass sie dann auf die „Jagd“ geht und die immer gleichen ungesunden Lebensmitteln „sammelt“. Gleichzeitig ist das auf dem Cover abgebildete Eichhörnchen, das als Jäger und Sammler bekannt ist, auch Titelbild einer Zeitschrift, in der der vorläufig letzte große Erfolg von Alisa in einem enthaltenen Artikel beschrieben wird. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg für die Protagonistin in dieser beeindruckenden, faszinierenden Geschichte.

Zu Beginn des Romans steht Alisa kurz vor ihrem Abitur. Ihre Mutter hat ihr die frühere gemeinsame Wohnung überlassen als mit ihrem neuen Freund zusammengezogen ist. An Alisas Seite ist eine Freundin aus Kindertagen, mit der sie häufig Auseinandersetzungen hat. Neben der Schule hat Alisa mehrere Jobs, denen sie zu aller Zufriedenheit nachkomggmt. Trotz ihrer sehr guten Noten ist sie kaum motiviert, am Schulunterricht teilzunehmen und riskiert dadurch ihre Zulassung zur Prüfung. Nicht nur dadurch ist sie mit sich selbst unzufrieden, sondern auch mit ihrem Aussehen. Sie weiß, dass sie nicht den Ansprüchen entspricht, die Tanya an sie stellt. Alisas Ringen danach, sich selbst und anderen zu genügen führt sie in eine Abwärtsspirale, die dazu führt, dass sich ihre Essstörung immer stärker ausprägt und damit ihre Selbstverachtung immer mehr steigert, bis sie keine andere Möglichkeit mehr sieht und sich professionelle Hilfe sucht.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten habe ich darüber darüber gelesen, wie die Krankheit Alina immer mehr zu schaffen macht. In den beiden weiteren Teilen habe ich mehr über die Hintergründe erfahren wie es dazu kommen konnte, dass Alina zunehmend über sich selbst enttäuscht ist. Lana Lux schildert außerdem, wie Tanya ihre Ansichten zur Mutterrolle entwickelt und welche eigenen Wünsche sie für ihre eigene Zukunft und die ihrer Tochter hat. Es gelingt der Autorin anfangs, mich neugierig auf den weiteren Weg Alisas zu machen. Ebenso räumt sie im weiteren Verlauf des Romans der Lebensgeschichte von Tanya einen breiteren Raum ein, die sehr zum Verständnis der Mutter-Tochter-Beziehung beiträgt.

Lana Lux beschreibt detailreich und in klaren und deutlichen Worten, sei es der Umgang mit der unreinen Haut Alinas oder ihre Reaktion auf den übermäßigen Konsum von Essen. Ihre Schilderungen sind authentisch, auch weil sie selbst Erfahrung in den von ihren verarbeiteten Themen hat und ihr Wissen einfließen lässt. Sie hat selbst erlebt, wie man sich als Kind als Emigrierte in Deutschland fühlt. Als Ernährungswissenschaftlerin hat sie sich mit der Wirkung von Ernährung auseinandergesetzt.

Mit ihrem Roman „Jägerin und Sammlerin“ hat Lana Lux mich beeindruckt. Die Darstellung des Verhältnisses zwischen Mutter und Tochter, ihrer Erwartungen ans Leben und ihre Träume sind glaubwürdig. Für mich war es sowohl verstörend wie auch informativ über Essstörungen zu lesen. Dieses sehr ergreifende und bewegende Buch empfehle ich gerne weiter.

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Veröffentlicht am 06.04.2020

Auch der dritte Band der Kopenhagen-Thriller-Reihe überzeugt

Glasflügel
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In der Reihe der Kopenhagen-Thriller der Dänin Katrine Engberg ist „Glasflügel“ der dritte Band bei dem der Ermittlungsleiter bei der Kopenhagener Polizei Jeppe Körner versucht, den Fall zu klären. Seine ...

In der Reihe der Kopenhagen-Thriller der Dänin Katrine Engberg ist „Glasflügel“ der dritte Band bei dem der Ermittlungsleiter bei der Kopenhagener Polizei Jeppe Körner versucht, den Fall zu klären. Seine Kollegin Anette Werner, inzwischen 44 Jahre alt und in Elternzeit, ist diesmal nicht an seiner Seite. Stattdessen erhält Körner mehr Unterstützung durch seine Kollegen Falck und Larsen sowie von Sara Saidani, mit der er privat eine Beziehung führt, die er bisher aber nicht öffentlich gemacht hat. Für Werner spricht allerdings nichts dagegen, dass sie sich als Abwechslung zur Mutterrolle auf eigene Faust einige Informationen zum Fall einholt …

Die Ermittlungen führen wenige Jahre in die Vergangenheit zu dem inzwischen geschlossenen Fürsorgeheim für Jugendliche, der Wohnstätte „Sommerfuglen“, ins Deutsche übersetzt bedeutet der Begriff „Schmetterlinge“. Dabei ist der titelgebende Glasflügler eine besonders zerbrechlich wirkende Schmetterlingsart, die aber für ihre Fressfeinde tödlich sein kann.

In Kopenhagen wird in einem Brunnen eine nackte weibliche Leiche gefunden, blutleer mit Schnitten an den Handgelenken und der Leiste. Körner steht vor einem Rätsel. Erst als am nächsten Tag ein weiteres Opfer gefunden wird, führt eine erste Spur nach „Sommerfuglen“. Die Zeit drängt, denn das Motiv ist nicht klar und es könnte weitere Tote geben.

Körner und Werner waren vor der Erziehungszeit ein eingespieltes Team. Jetzt gibt es Situationen für beide, in denen sie den jeweils anderen auf gewisse Weise vermissen, weil sie genau einschätzen können, welche Tätigkeit der Partner jetzt übernehmen beziehungsweise welche Gedanken er äußern würde. Werners Verhalten zeigt, dass bei weiteren Bänden mit ihrer unkonventionellen Hilfe bei den Fallermittlungen zu rechnen ist. Sowohl das Privatleben wie auch der berufliche Alltag von Körner und Werner sind mit Sorgen und Problemen belastet und dabei lässt sich die jeweilige Stimmungslage nicht immer scharf dazwischen trennen.

Angeteasert wird der Thriller durch eine Szene, in der eine Krankschwester einem Patienten eine Überdosis eines Medikaments verabreicht. Im Laufe der Erzählung hatte ich eine vage Ahnung davon, um welchen Erkrankten es sich dabei handeln könnte, was die Spannung zusätzlich steigerte. Katrine Engberg hat für „Glasflügel“ als Hintergrundthema den Pflegenotstand gewählt, der uns auch gerade jetzt in Deutschland wieder einmal schmerzlich bewusst wird. Sie verweist auf den Umstand, dass gerade im Bereich der Psychiatrie, aber auch in anderen medizinischen Gebieten, durch eine erhöhte Medikation beispielsweise eine Beruhigung des Patienten erreicht werden kann und dadurch die Zeit für eine effektivere, jedoch kostspieligere Therapie durch entsprechend geschulten Personals eingespart werden kann. Außerdem verdeutlicht sie, wie viel Verantwortung, aber auch Macht über Leben und Tod den Pflegern, Therapeuten und Ärzten zukommt.

„Glasflügel“ ist wie die beiden vorigen Fälle wieder durchgehend spannend. Die Haupthandlung mit der Suche nach dem Mörder wird garniert mit etlichen liebevoll gestalteten Nebenhandlungen in denen ich auch wieder bekannten Figuren wie zum Beispiel der emeritierten Professorin Esther de Laurenti begegnete. Ein Lesen des Buchs ohne Kenntnis der ersten Bände ist möglich, aber nicht unbedingt sinnvoll. Der Thriller ist ein Muss für alle Fans der Serie und eine Empfehlung für alle Leser des Genres.

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