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Veröffentlicht am 09.01.2017

„Leck ist tot. Aber wenn Leck tot ist, warum ist es dann nicht vorbei?“

Die Königliche (Die sieben Königreiche 3)
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Allgemeines:


Titel: Die Königliche
Autor: Kristin Cashore
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3551582683
Preis: 19,90€ (gebundene Ausgabe)
9,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Die Beschenkte; ...

Allgemeines:


Titel: Die Königliche
Autor: Kristin Cashore
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3551582683
Preis: 19,90€ (gebundene Ausgabe)
9,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Die Beschenkte;
Die Flammend



Inhalt:


"Die Sonne wärmte sie, eine leichte Brise kühlte sie, da war kein Schmerz und sie hatte keine Angst, an der Spitze der Welt zu stehen."


Seit dem Tod ihres tyrannischen Vaters ist die junge Bitterblue die alleinige Herrscherin ihres ganzen Königreichs Monsea. Während sie langsam in ihre Aufgabe hineinwächst, muss sie sich unausweichlich der Vergangenheit stellen: Wer war ihr Vater, König Leck, wirklich? Was gehört zu den Lügengebäuden seiner Herrschaft und was ist tatsächlich die Wahrheit? Für ihre Nachforschungen schleicht sich Bitterblue Nacht für Nacht verkleidet aus dem Schloss, schließt unter falschem Namen ungewöhnliche Freundschaften in den Straßen und Wirtshäusern und verstrickt sich ihrerseits in ganz neue Lügen ...




Bewertung:



Die beiden Vorgängerbücher haben mir sehr gut gefallen, vor allem "Die Beschenkte" mit Katsa und Bo. Ich habe nicht erwartet, dass der 3. Teil an meinen Lieblingsband herankommt, doch das ist tatsächlich geschehen. Schon mit der ersten Seite schafft es auch dieser Roman wieder, einen in die Welt der Sieben Königreiche zu katapultieren und danach nicht wieder loszulassen. Dabei beschränkt die Autorin sich auf die personale Sicht von Bitterblue im Präteritum, was aber nie so einseitig bleibt, dass man das Gefühl hätte, einige Dinge nicht zu verstehen. Stattdessen ist man mit ihr immer auf demselben Stand und geht gemeinsam den Geheimnissen nach. Wer allerdings eine actionreiche Lektüre mit Kampfszenen wie in den Vorgängern erwartet, dürfte etwas enttäuscht werden - hier dreht sich alles um Intrigen, Macht und Lügen.


Die Bücher der Reihe sind ganz sicher etwas Besonderes im Regal. Alle drei Cover ziert die Rückansicht eines Mädchens, wobei diese immer wunderbar zu der jeweiligen Protagonistin passt. Das Farbschema ist diesmal schwarz bis gräulich-grün, sowie auch der Einband gehalten ist. Dieses Mal hat die junge Frau gräuliche Ornamente im Nacken und dunkelbraune oder schwarze Haare, zu einer königlichen Frisur gesteckt, die ich hier aufgrund meines mangelnden Wissens an Haarkunst nicht benennen kann.


Der Titel ist goldfarben geprägt, leicht erhaben und in derselben Schrift geschrieben wie die Titel der anderen beiden Bände. Das Buch selbst ist in ein helles Mintgrün gebunden, hebt sich aber auch hier wieder durch den goldenen Titel auf dem Rücken ab.


Das Buch beginnt neben einer Karte der bekannten Welt mit einem Inhaltsverzeichnis, welches wie eine Schriftrolle gezeichnet wurde. Das Buch wurde in fünf Teile geteilt, welche jeweils eine eigene Überschrift haben über denen ein hübscher, dunkler Schlüssel prangt, während darunter die ungefähre Zeitangabe sich befindet. Gerahmt wird all dies von einer Art Fassung, welche wie ein Schild wirkt. Den Anfang jedes Kapitels ziert jeweils ein oben genannter Schlüssel und was mir am besten gefallen hat: ganz am Ende befinden sich neben einem ausführlichen Glossar auch zwei wunderschöne Karten des Königreichs und des Schlosses.


Die Übersetzung ist an manchen Stellen etwas stockend, sodass ich diese Stellen 2-3-mal lesen musste und ein Widerspruch ist enthalten. Der Schreibstil ist aber trotzdem flüssig und zeichnet sich mit einem beeindruckenden Einfühlungsvermögen aus, das dem Leser die Gefühle der Figuren erkennen lässt, ohne kitschig oder holzhammerartig plump zu. Leider fehlen auch einige der Bilder der Originalausgabe wie die Brücken und die Titelseiten der einzelnen Teile.


Es geht um die junge Bitterblue die auch schon im ersten Teil dieser Trilogie eine große Rolle gespielt hat und die jetzt erwachsen ist. Auch weitere bekannte Charaktere wie zum Beispiel Prinz Raffin, Giddon oder Bann, sowie Lady Fire aus "Die Flammende" dürfen wieder mitspielen. Wahnsinnig gefreut habe ich mich, dass auch Katsa und Bo in diesem Buch wieder auftauchen und Bitterblue mit Rat und Tat zur Seite stehen, man spürt auch immer noch die besondere Verbundenheit zwischen den dreien. Prinz Bo springt sofort, wenn Bitterblue ihn braucht und Katsa erteilt ihr Kampfunterricht, damit sie sich in Gefahrensituationen, die in diesem Roman nicht knapp gesät sind, besser verteidigen kann.


Die absolute mitreißende Liebe zwischen den beiden ist auch von außerhalb sehr schön geschildert. Jeder der bekannten Charakteren aus den Vorgängerbüchern bekommt am Ende sein eigenes Happyend zugeteilt, was mich wirklich sehr gefreut hat. Auch dass endlich eine Verbindung zwischen den drei Teilen hergestellt wird, fand ich super. Dennoch können auch Neueinsteiger dieses Buch getrost lesen! Es erzählt eine abgeschlossene Geschichte und alle relevanten Details aus der Vergangenheit werden noch mal im richtigen Maß mit eingeflochten.
Trotzdem hat man als Leser sicher noch mehr Spaß, wenn man die beiden Vorgängerbände bereits kennt.


"Die Königliche" besitzt keine so starke und wilde Protagonistin wie sie es in den Vorgängern waren. Bitterblue ist um einiges zerbrechlicher, unsicherer und vor allem trauriger, aber sie wirkt nie wehleidig. Sie hat sowohl Mutter als auch Vater verloren und auch wenn Letzterer ein Monster war, kann sie sich dennoch nicht des Gefühls erwehren, dass er einen Teil von ihr mitgenommen hat. Sie ist eine sehr junge Königin und man merkt, dass sie in ihre Aufgabe erst hineinwachsen muss. Sie macht viele Fehler, hat aber auch immer ein offenes Ohr für ihre Bediensteten und geht sehr einfühlsam mit ihnen um, selbst wenn sie von ihnen enttäuscht wurde. Oft fühlt sie sich eher machtlos als mächtig und zeigt sämtliche Facetten zwischen Zerbrechlichkeit und Stärke. Beinahe jeder im Schloss scheint ihr etwas zu verheimlichen, was nicht nur für sie ein schreckliches Gefühl ist, sondern auch für den Leser. Man leidet unwillkürlich mit, trauert mit ihr, liebt mit ihr, lacht mit ihr.


Denn auch bei der bedrückenden Schwere einiger Themen vergisst die Autorin nie, auch ein bisschen Humor mit einzubauen, der besonders in den Gedanken von Bitterblue zum Ausdruck kommt. Sie kümmert sich um andere, trauert und macht Fehler, dadurch wirkt sie sehr menschlich und überzeugend.


Vor allem ihre Beziehung zu Saf dem Dieb ist sehr interessant, weil Bitterblue durch ihre Lügen zeitweise unehrlicher wirkt als Saf. Er wird leider nicht zur Schlüsselfigur und bliebt nur sehr blass im Hintergrund, aber ich fand ihn trotzdem super.


Auch die Nebenfiguren wie die Heilerin Madlen, die Dienerin Fox oder der Bibliothekar Todd überraschen alle immer wieder aufs Neue. König Leck ist auch ständig präsent, wenn auch nur durch seine Untaten, die sich nahezu durch das ganze Buch ziehen. Kaum zu glauben, was er seinen Ratgebern und auch Bitterblues Mutter alles angetan hat.



Was sich langsam herausstellt, ist erschreckend und widerlich und ich habe mich oft gefragt, wie ein Mensch das nur machen konnte. Auch als sie am Ende seine Tagebücher liest, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Wie in den ersten beiden Bänden, ist und bleibt Leck natürlich der große Bösewicht, aber ansonsten gibt es keine einfache Schwarz/Weiß-Zeichnung. Die Enthüllungen erfordern zudem immer wieder gute Nerven!


Es gibt viel Spannung und jede Menge Rätsel, Verräter, Geheimschriften, Kämpfe... kurzum, alles was ich an dieser Reihe gern mag. Lediglich der Anteil der Liebesgeschichte ist eher zart und begrenzt, aber eine Königin hat eben gewissen Verpflichtungen und kann sich -leider , seufz- nicht einfach so mit jedem "Dahergelaufenen" einlassen.

Es geht in dem Buch neben dem Offensichtlichen um eine bewegende und emotionale Auseinandersetzung mit den schrecklichen Jahren der Tyrannei, die an einem Volk und an den Menschen nicht spurlos vorüberziehen können. Der zentrale Satz, wird schon ziemlich am Anfang geäußert.



„Leck ist tot. Aber wenn Leck tot ist, warum ist es dann nicht vorbei?“



Durch die Aufarbeitung des Traumas ist der letzte Teil der Trilogie wesentlich ruhiger als die wilden Vorgängerbände in denen es um Krieg und Überleben geht. Leider macht es genau das in manchen Szenen etwas langatmig, wenn seitenlang chiffriert und diskutiert wird. Trotzdem ist es gerade deshalb so berührend. Es zeigt diesmal in ordentlichem Umfang die Probleme einer jungen Herrscherin auf der Suche zu sich selbst, ein Königreich am Abgrund, dunkle Intrigen, feste Freundesbanden und eine zarte erste Liebe.



Fazit:

Kristin Cashore arbeitet ihre Charaktere und die Landschaften so gründlich und liebevoll aus, dass alles richtig lebendig wirkt und man als Leser schnell alles um sich herum vergisst, während man in zwielichtigen dunklen Kneipen verweilt, durch Labyrinthe und Geheimgänge geschickt wird und versucht rätselhafte Diebstähle aufzuklären.

Veröffentlicht am 13.11.2023

Viel Stoff zum Träumen und Nachdenken!

Das Vermächtnis der Drachenreiter
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Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. Ich weiß noch sehr gut, dass ich meine Eltern laufend in den Wahnsinn getrieben habe, in dem ich als Kind etliche (vielleicht ...

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. Ich weiß noch sehr gut, dass ich meine Eltern laufend in den Wahnsinn getrieben habe, in dem ich als Kind etliche (vielleicht nicht ganz altersgemäße ^^) Fantasy Bücher verschlungen habe, während andere meines Alters noch "Connie" oder "Die wilden Hühner" gelesen haben. Die erste umfassende High-Fantasy-Reihe, die mich mit 11 Jahren in den Bann gezogen hat, war "Eragon" von Christopher Paolini, die ich seitdem auch schon dreimal gerereadet habe. Anlässlich des lange herbeigesehnten Erscheinungstermin des Spin-Offs "Murtagh" habe ich beschlossen, nochmal einen Blick in die Reihe zu werfen und dann auch mal eine richtige Rezension zur Reihe zu schreiben. Angesichts der in Summe beinahe 3500 Seiten der Tetralogie war ich damit eine Weile beschäftigt, hatte aber mal wieder großen Spaß beim Lesen!

Zuerst einige Worte zu der äußeren Gestaltung der Reihe. Mittlerweile gibt es ganz unterschiedliche Ausgaben mit unterschiedlichen Covern (die neuste von Blanvalet 2019), ich habe allerdings noch die ursprünglichen Ausgaben des cbt Verlags, die sich an die Gestaltung der Originalcover halten. Auf den vier Bänden der Reihe sind jeweils die vier wichtigsten vorkommenden Drachen der Geschichte abgebildet: die blaue Drachensame Saphira auf Band 1, Murtaghs roter Drache Dorn auf Band 2, der weise goldene Drache Glaedr auf Band 4 und Aryas grüner Drache Fírnen auf dem Cover des fünften Bandes. Trotz der ansonsten schlichten Gestaltung der Cover in der Farbe des jeweiligen Drachens, war ich schon immer ein Fan der Cover, da sie die jeweilige Persönlichkeit des Drachens gut einfangen. Zudem beginnt jedes Buch mit einer detaillierten Karte von Paolinis Welt, einer Zusammenfassung der vorhergehenden Geschehnisse und endet mit einem Glossar und einer Ausspracheübersicht für seine erfundene Sprache. Angesichts der Komplexität des Worldbuildings sind das sehr nützliche Ergänzungen, die ich beim Lesen immer wieder genutzt habe.

"Der Wind heulte durch die Nacht und trug einen Duft heran, der die Welt verändern sollte."

Das Lesen der ersten Seite war für mich schon ein bisschen wie nach Hause kommen. Ohne große Umschweife war ich sofort wieder beim 15-jährige Eragon angekommen, der seit dem Verschwinden seiner Mutter als Waise bei seinem Onkel Garrow und seinem Cousin Roran am Rande des kleinen Dorfes Carvahall im Palancar-Tal das Leben eines einfachen Bauern lebt, bis ein Drachenei sein Leben verändert. Bevor ich erkläre, weshalb ich die Reihe so sehr ins Herz geschlossen habe und immer wieder zu ihr zurückkehre, muss ich ganz klar sagen, dass ich alle Kritikpunkte an ihr durchaus nachvollziehen kann. Beim erneuten Lesen habe ich wieder festgestellt: Ja, das Buch hat Längen. Ja, an manchen Stellen ist der Schreibstil zu Beginn noch etwas unbeholfen, da der Autor Band 1 geschrieben hat, als er selbst so alt war wie sein Protagonist - nämlich 15 Jahre alt. Und ja, es gibt viele Parallelen zu anderen High-Fantasy-Werken wie beispielsweise "Herr der Ringe" oder "Star Wars". Aber trotzdem LIEBE. ICH. DIESE. REIHE! Weshalb ich sie auch für immer in Schutz nehmen werde!

"Sei vorsichtig. Dieses Wissen kann furchtbar sein. Sein wahres Ich kennen zu lernen, ohne die Verkleidung der Einbildung oder des Mitgefühls anderer, ist ein Moment der Offenbarung, der an niemandem spurlos vorübergeht."

Zunächst zu den Längen: Der Autor baut hier seine Geschichte sehr langsam auf und stützt sich dabei auf viele Detailbeschreibungen und eher episodische Handlung. Dabei benutzt er ein sehr langsames Erzähltempo, das es einem ermöglicht, die Welt, die Figuren und deren Beziehungen ganz in Ruhe zu erkunden - was angesichts der Komplexität von Paolinis Fantasywelt durchaus keine schlechte Idee ist! Klar, wenn Eragon schrittweise einen Sattel für Saphira baut, kapitelweise über Ameisen meditiert, einen Exkurs über Zwergenpolitik hält oder über die Geschichte der Elfen doziert, kann man als ungeduldiger Leser das ein oder andere Gähnen nicht unterdrücken. Aber dennoch zahlen sich all diese Informationen im Verlauf der Handlung immer aus und setzen sich zu einem immensen Worldbuilding zusammen, das an Detailreichtum geradezu überquillt.

Alagaësia ist eine vielschichtige und komplexe Fantasy-Welt, die von vielen unterschiedlichen Wesen bevölkert wird. Vor einer mittelalterlichen Kulisse treffen wir hier auf Menschen, Elfen, Zwerge, grobschlächtige Urgals, vogelähnliche Ra'zac, Werkatzen, Geister und natürlich Drachen und ihre Reiter. All diese unterschiedlichen Völker und Ethnien bekommen eine eigene Kultur, Politik und Sprache, über die wir im Laufe der vier Bände einiges lernen und die aufgrund einer eigenen Geschichte und Taten einzelner sowohl Positives als auch Negatives zur Geschichte beitragen. Damit ist die Verteilung von Gut und Böse hier deutlich vielschichtiger als beispielsweise in "Herr der Ringe" und kein Volk entspricht einem klaren Klischee. Das sieht man beispielsweise an den Urgals, die zunächst an monströse Orks erinnern, sich mit der Zeit aber als eigenes Volk mit Kultur und Meinungen entpuppen. Ähnlich wie Tolkien hat Paolini für seine Geschichte zwei eigene Sprachen erfunden, die zum Teil einen skandinavischen Einschlag besitzen und die nach vielen Rereads durchaus ins Ohr gehen...

"Vielleicht kennt ja keine Religion die ganze Wahrheit, sondern jede besitzt nur Bruchstücke davon, und es ist unsere Aufgabe, diese Bruchstücke zu erkennen und zusammenzusetzen."


Es sind jedoch nicht nur die Bewohner der Welt detailreich ausgearbeitet, sondern auch die Schauplätze. Auf die sehr verwirrenden Namen der Orte und Personen mit vielen Apostrophen hätte ich zwar verzichten können - Gil’ead, Dras-Leona, Farthen Dûr, oder Urû’baen bleiben einfach zu schlecht im Gedächtnis -, durch die einfachen, aber bildhaften Beschreibungen des Autors werden die Landschaften und Städte Alagaësias aber herrlich lebendig. Ob der bergige Buckel, die Küstenstadt Teirm, der Wald Du Weldenvarden, der Hauptstadt der Elfen Ellesméra, den brennenden Steppen Du Völlar, der unnachgiebigen Wüste Hadarac, oder der Schönheit der Zwergenhauptstadt Tronjheim - schon beim Blick auf die Landkarte in der Vorderseite des Buches, kommen viele Erinnerungen zurück!

Auch das Magiesystem der Reihe hat mir schon immer sehr gut gefallen, denn hier liegt der Schlüssel der Magie in Worten der sogenannten "alten Sprache". Spricht man ein Wort in der alten Sprache aus (z.B. "Brisingr", was "Feuer" bedeutet), erlangt man Macht über das, was es betitelt. Das lässt sich auch auf Personen übertragen: kennt man den sogenannten "wahren Namen" einer Person, hat man Macht über sie - ein Umstand, den der Antagonist der Geschichte, Galbatorix, schamlos ausnutzt. Als abtrünniger Drachenreiter, der vor hundert Jahren einen Aufstand gegen den Orden der Drachenreiter anzettelte und seitdem ein eigenes Imperium aufbaut, ist er ein mächtiger, aber eher uninteressanter Feind. Spannender sind hingegen die vielen ambiguen Helden, die in dem Hauptkonflikt zwischen den Fronten stehen. Ein Beispiel dafür ist beispielsweise der Krieger und Eragons Halbbruder Murtagh, der schon beim ersten Lesen mein absoluter Lieblingscharakter war und dem sich nun das Spin-Off widmet.

"Ein wahrer Krieger", erwiderte sie, "kämpft nicht, weil er es will, sondern weil er es muss."


Neben dem detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Worldbuilding sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Die Hauptfigur, der junge Eragon, ist ein klassischer Jugendbuchheld: Geboren als mittelloser Bauernjunge ohne Eltern muss er sich einer Prophezeiung und großen Verantwortung stellen und wird auf seinem Weg durch eine Reihe an Vorbildern und Mentoren geformt, bis er zum weisen Krieger wird und die Welt retten kann. Trotz des bekannten Aufbaus ist seine Charakterentwicklung vom naiven Bauernjungen hin zu einem vielversprechenden jungen Mann über die 3400 Seiten wirklich toll anzusehen. Seine Neugier und Wissbegierde gepaart mit seinem oftmals unüberlegten Handeln, mit dem er sich selbst und andere ungewollt in Gefahr bringt, machen ihn durchgängig zu einem sympathischen, aber manchmal auch etwas nervigen Protagonisten, über den man ab und zu wie über einen kleinen Bruder liebevoll die Augen verdrehen muss. Besonders schön ist, wie er und Saphira mit der Zeit immer mehr zusammenwachsen und zu einem eingespielten Team werden. Die Beziehung der beiden ist eine ganz besondere Liebesgeschichte, die zeigt, dass Liebe viele Facetten hat und entschuldigt dafür, dass die anderen Liebesgeschichten (Eragon und Arya, Roran und Katerina, Murtagh und Nasuada) entweder sehr stark im Hintergrund bleiben, nicht viel Tiefe erreichen oder im Sand verlaufen.

"Die Ungeheuer in uns sind viel schlimmer als die real existierenden. Angst, Zweifel und Hass haben schon mehr Menschen gelähmt, als es Tiere je vermocht hätten."
"Und Liebe", sagte Eragon.
"Und Liebe", gab sie zu."


Begleitet wird unser junger Held neben Saphira durch eine Vielzahl interessanter und lebendiger Figuren. Am meisten ans Herz gewachsen sind mir die Anführerin der Varden Nasuada, der Krieger Murtagh, die Kräuterhexe Angela, die Elfe Arya, der Drache Glaedr, die Werkatze Solembum und der Zwerg Orik. Während die Geschichte zu Beginn noch rein aus der Sicht von Eragon erzählt ist, wechseln die Erzählperspektiven in den späteren Bänden und auch Roran, Nasuada und Saphira kommen in einem personalen Er-Erzähler zu Wort. Generell wird die Geschichte im Verlauf der Reihe immer epischer, komplexer und umfangreicher. Die Schlachten werden immer größer, es kommen mehr neue parallele Handlungsstränge dazu, mehr Erzählperspektiven und auch der Schreibstil verbessert sich deutlich. Nach vier Bänden und einem epischen Finale endet die Reihe dann recht offen - weshalb ich mich nun umso mehr auf den neuen Band freue, der zum Glück schon in meinem Regal auf mich wartet!

"Möge das Glück dir hold sein, mögest du Frieden im Herzen tragen und mögen die Sterne über dich wachen."




Fazit:


Trotz Längen, Ähnlichkeiten zu anderen Fantasy-Reihen und einem zu Beginn noch ausbaufähigen Schreibstil ist und bleibt "Eragon" aufgrund des enormen Detailreichtums Alagaësias, der liebenswerten Figuren und der komplexen Handlung eine meiner absolut liebsten Fantasy-Reihe!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.01.2017

DIE Dystopie

Die Tribute von Panem 1
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Allgemeines:



Titel: Die Tribute von Panem

Autor: Suzanne Collins

Genre: Science-Fiction

ISBN: 978-3789132186

Preis: 18,95€ (gebundene Ausgabe)

9,99€ (Taschenbuch)

Weitere Bände: Die Tribute ...

Allgemeines:



Titel: Die Tribute von Panem

Autor: Suzanne Collins

Genre: Science-Fiction

ISBN: 978-3789132186

Preis: 18,95€ (gebundene Ausgabe)

9,99€ (Taschenbuch)

Weitere Bände: Die Tribute von Panem - Gefährliche Liebe;

Die Tribute von Panem - Flammender Zorn

Ausgezeichnet: mit dem "Deutschen Jugendliteraturpreis 2010 der Jugendjury




Inhalt:


"Fröhliche Hungerspiele und möge das Glück stets mit euch sein!"



Nordamerika existiert nicht mehr. Kriege und Naturkatastrophen haben das Land zerstört. Aus den Trümmern ist Panem entstanden, ein Staat aus zwölf Distriken und dem Kapitol, geführt von einer unerbittlichen Regierung. Der 13. Distrikt wurde nach einer Rebellion gegen das Kapitol zur Abschreckung aller vernichtet. Zusätzlich muss jeder Distrikt jährlich zwei Tribute losen, die dann im Kapitol an den sogenannten Hungerspielen teilnehmen. Diese Hungerspiele finden in einer weitläufigen High-Tech-Arena statt und dienen der Unterhaltung der Bürger des Kapitols. Die Regeln sind so einfach wie grausam: Nur einer kann gewinnen, nur einer darf überleben.
Als das Los auf ihre 12-jährige Schwester fällt, meldet sich die sechzehnjährige Katniss Everdeen aus dem 12. Distrikt freiwillig als Tribut und nimmt ihre Stelle ein. Zusammen mit dem gleichaltrigen Jungen Peeta begibt sie sich auf eine surreale Reise ins Kapitol, wo sie wie Helden begrüßt, hofiert und später zur Schlachtbank geführt werden. In der Arena wird aber dann alles ganz anders als gedacht::
Wider alle Regeln rettet Peeta ihr das Leben. Katniss beginnt zu zweifeln - was empfindet sie für Peeta? Und kann wirklich nur einer von ihnen überleben?




Bewertung:



Vorab erst einmal ein Zalando-Schrei Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhh
- was für ein tolles Buch!!!


Früher oder später sieht sich jeder Rezensent dieser Reihe gegenüber also gehe ich es jetzt an! Ich habe diesen Roman verschlungen, was nicht unbedingt schwierig war - Suzanne Collins hat es bei wirklich jedem Kapitel geschafft, es mit einem vor Spannung triefenden Cliffhanger zu beenden und es mir damit mehr als schwer gemacht, das Buch mal aus der Hand zu legen.

Zuerst muss ich sagen, dass das Buch ein tolles Cover hat, aber auch ohne Schutzumschlag sieht es KLASSE aus. Das Grün passt super gut zu Katniss! Es steht für mich für die Jägerin, für das Verstecken, aber die entschlossenen Augen stehen auch für ihren Mut und ihren Kampfgeist. Auch die Blätter die das Gesicht halb verdecken lassen die wirken als ob sie sich versecken würde. So gelungen, dass ich mich nicht einmal über das Modelgesicht beschweren will!

Ich würde sagen, ich war eine der ersten die diese geniale Reihe gesuchtet hat. Nachdem ich die Unterland-Reihe von Suzanne Collins so super fand, musste ich unbedingt auch dieses Buch lesen und ich war sofort begeistert.

Die "Die Tribute von Panem"- Reihe ist auf jeden Fall das größte Bücherhighlight der letzten Jahre und hat ja auch dementsprechend einen riesigen Hype losgetreten. Diese Geschichte hat mich wie Millionen anderer Leser während und nach dem Lesen nicht mehr losgelassen, die Charaktere haben mich berührt und die Handlung teilweise schockiert.

Die Autorin spricht hier gleich mehrere Interessen der Leser an, auch Jugendliche die dem Genre sonst abgeneigt gegenüberstehen und greift aktuelle gesellschaftliche Probleme auf. Die Story ist gleichzeitig Thriller, Science Fiction, Drama und Liebesgeschichte also so eine Art alles-in-einem-Mix. Die Erzählung greift den aktuellen Reality-TV-Wahn und die verdeutlicht die Gewalt den Medien auf. Abstumpfung, Emotionslosigkeit und fehlendes Mitgefühl der heutigen Jugendlichen spiegeln sich bei den Tributen unter den Zwängen des Überlebenskampfes wider. Zugleich zeigt die Autorin sozialkritisch eine futuristische Gesellschaft auf, die so nicht undenkbar und doch teilweise leider bereits vorhanden ist. Menschliche Abgründe, bedingungslose Liebe und kranker Voyeurismus sind die Grundthemen dieses Romans, eingebettet in eine dramatische und gnadenlos spannende Story. Für die Aktualität spricht auch die Bedeutung von "Schönheit" für die Elite, die die Bürger des Kapitols darstellen. Was hier zählt sind nicht moralische Werte, sondern es ist regelrecht ein Wettbewerb in Affektiertheit. Alle wollen einzigartig sein und sind doch gleich. Vor 20 bis 30 Jahren hätte man über die Notwendigkeit der heute zur Normalität gehörenden Schönheits-OPs noch den Kopf geschüttelt. Wie wird es also so viele Jahre nach uns aussehen?

Hier findet jeder Leser, egal welchen Alters, die Elemente, die ihm wichtig und unterhaltsam erscheinen. Ich denke, dass dieses Buch eigentlich jeder lesen sollte. Es könnte einigen dabei helfen, kritischer mit etablierten Systemen bzw. Sachverhalten umzugehen. Und dass es einige vielleicht NOCH EINMAL lesen sollten, wenn es nur für einen der oberflächlichen Kommentare reicht, die ich über dieses Buch gelesen habe und die der Ungeheuerlichkeit der Handlung in keinster Weise gerecht werden.



Dieses Buch ist als Jugendbuch ausgewiesen, also ist der Schreibstil relativ einfach gehalten. Was der verdichteten Atmosphäre, die durch die schnelle Aneinanderreihung von Ereignissen entsteht, in keinster Weise schadet. Die Autorin hat sich für eine Präsensbeschreibung entschieden, was auch gut zur Handlung passt die dadurch aktuell, plötzlich und auch unvorhersehbar wird. Es bedarf vielleicht einer kurzen Eingewöhnungsphase, aber das dürfte jedem Leser und jeder Leserin nicht schwer fallen. Nach der Hälfte des Buches stellte ich mir bewundernd die Frage, woher die Autorin nur ihre ausgefallenen Ideen nimmt. Bei genauer Betrachtung wurde mir jedoch klar, dass sie schlichtweg mit offenen Augen durch die Gegenwart und die Geschichte geht. Wir finden Anlehnungen an die Gladiatoren-Kämpfe genauso wie an "Big Brother" oder das "Dschungel-Camp".



Nun könnte man meinen, einen gewaltverherrlichenden Roman vor sich zu haben, schließlich sind die Ereignisse immer extrem blutig und grausam. Doch gerade durch seinen unverschnörkelten Schreibstil - die Ich-Erzählerin Katniss ist eine nüchterne, gradlinige Beobachterin- regt das Buch zum Nachdenken an und schafft es einen so zu fesseln, dass alles möglich scheint.




Gleich von Beginn an ist man mittendrin im Geschehen, lernt die überaus sympathische Katniss kennen, die sich selbstlos für ihre Schwester einsetzt, der sie die brutalen und tödlichen Hungerspiele nicht zumuten möchte. Sie ist für ihre 16 Jahre sehr selbstständig und erwachsen, weil sie schon als Kind lernen musste, ihre Familie zu ernähren, da ihr Vater früh ums Leben kam. Dadurch wirkt sie zwar in mancher Situation sehr abgebrüht und gefühlskalt, doch ist dies anhand ihrer Lebensumstände auch durchaus nachzuvollziehen und macht sie zu einem Charakter mit wirklichen Ecken und Kanten.

Peeta hingegen wirkt anfangs recht weich als männlicher Gegenpart. Auch weiß man lange Zeit nicht, welcher Seite er nun zugetan ist, da er sich mit den berüchtigten Karrieretributen, die seit ihrer Kindheit auf die Spiele vorbereitet wurden, zusammentut und somit gegen Katniss arbeitet. Doch nach und nach wird auch er greifbarer und sein Charakter bietet einige Überraschungen.





Fazit:



Für mich ist das schlichtweg DIE Dystopie, mehr kann ich dazu nicht sagen und ich kann sie guten Gewissens jedem empfehlen.

Veröffentlicht am 15.10.2024

Eine ordentliche Wundertüte aus Überraschungen, Spannung, Originalität, Humor und liebenswürdiger Groteske

Der Schrecksenmeister
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Direkt nach "Ensel und Krete" habe ich mich an "Der Schrecksenmeister" gemacht, um meine Zamonien-Mission fortzusetzen. Nachdem ich im Frühjahr mit "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" ...

Direkt nach "Ensel und Krete" habe ich mich an "Der Schrecksenmeister" gemacht, um meine Zamonien-Mission fortzusetzen. Nachdem ich im Frühjahr mit "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" ins Universum von Walter Moers eingestiegen bin, bin ich somit nun bei meinem siebten Buch angelangt. Meine wachsende Sammlung an (begeisterten) Rezensionen zu den anderen Büchern von Walter Moers findet Ihr übrigens hier. Wie nicht anders erwartet, bot auch "Der Schreckenmeister" wieder eine ordentliche Wundertüte aus Überraschungen, Spannung, Originalität, Humor und liebenswürdiger Groteske.

Zunächst wie immer ein paar kurze Worte zur Gestaltung. "Der Schrecksenmeister" hat zeigt im Großformat ein von Ledermäusen umflogenes blaues Ziegeldach, aus dem das Krätzchen Echo seinen Kopf streckt. Mit dem großflächig gemusterten Hintergrund und dem großen gelben Titel ist es mal wieder ein typisches Zamonien-Cover, das wunderbar zu den Gestaltungen der anderen Romane passt. Hervorheben möchte ich auch wieder die Gestaltung Inneren des Buches, die wieder zahlreiche Illustrationen der Umgebung und handelnden Figuren beinhaltet.

Erster Satz: "Stellt Euch den krankesten Ort von ganz Zamonien vor."

In "Der Schrecksenmeister" entführt Walter Moers nach Sledwaya, einer bisher unbekannten Kleinstadt von Zamonien, in dem der titelgebende Schrecksenmeister Eißpin Krankheiten kocht und mittels alchimistischer Experimente bösen Plänen nachgeht. Kein Wunder, dass es nur hier Hirnhusten und Lebermigräne, Magenmumps und Darmschnupfen oder Ohrenbrausen und Nierenverzagen gibt, was die Stadt zu einem Paradies für Apotheker und Quacksalber und der Hölle auf Erden für Hypochonder macht. Weder das eine noch das andere ist unser Protagonist Echo, der wohl der mit Abstand niedlichste Moers-Protagonist überhaupt ist. Als "Krätzchen" unterscheidet er sich von der gewöhnlichen Hauskatze nur in zwei Dingen: erstens hat er zwei Lebern und zweitens kann er alle Sprachen des Universums sprechen. Beides hilft ihm recht wenig, als er nach dem Tod seines Frauchens vor dem Verhungern steht. Da kommt ihm der Deal mit dem Schrecksenmeister trotz des schaurigen Ausgangs ganz recht: er wird von ihm durchgefüttert, bis zum nächsten Vollmond, um dann Teil seiner alchimistischen Fettsammlung zu werden. Schafft es die junge Kratze, ihrem Schicksal zu entgehen....?

"Jedes Ding", flüsterte Eißpin, "hat seinen Schatten. Der Schatten ist die dunkle Seite, die jedem innewohnt. Solange er an uns gekettet ist, ist er unser Sklave, aber sobald man die Schatten von Ihren Besitzern trennt, zeigen sie ihr wahres Wesen. Dann werden sie böse, wild und gefährlich."

Falls Euch die Handlung oder die Namen entfernt bekannt vor kommen: Es handelt sich hierbei genau wie bei "Ensel und Krete" um eine Nacherzählung eines auch in unserer Welt existierenden Märchens und zwar die Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller "Spiegel, das Kätzchen". Auch wenn ich das Original nicht gelesen habe, wird schon bei einem kurzen Blick auf die Inhaltsangabe deutlich, wie Walter Moers hier mit dem Text spielt. So wird der Protagonist von "Spiegel, das Kätzchen zu "Echo, das Krätzchen", die Stadt Seldwyla wird zu "Sledwaya", der Stadthexenmeister Pineiß wird zum Schrecksenmeister Eißpin und Gottfried Keller zu Gofid Letterkerl. Aber auch bei der Handlung lässt der Autor es sich nicht nehmen, das 50-seitige Original kunstvoll auszubauen, zu verdrehen und zu einem spannenden Roman mit 500 Seiten zu ergänzen. Wer großen Spaß mit der Intertextualität von "Der Schrecksenmeister" haben und die Parallelen zum Original in vollem Ausmaß genießen möchte, sollte vorher also unbedingt "Spiegel, das Kätzchen" lesen. Es sei aber versichert: auch ohne das Original vorher zu kennen, kann man mit dem Roman großen Spaß haben.

„Was gewesen und gegangen
Soll jetzt wieder neu anfangen
Was gegangen und gewesen
Soll im Wundersud genesen
Soll im Topfe wiederkehren
Um die Alchimie zu ehren“

Zwar startet der Spannungsbogen recht flach und das Buch liest sich trotz der Gefahr, in der Echo schwebt, erstmal eher gemütlich. Durch den interessanten Schauort und den Schreibstil des Autors wird jedoch trotzdem eine fesselnde Atmosphäre aufgebaut. So kommt durch das Setting in Sledwaya mit kranken Bewohnern, einem Gruselschloss auf einem Berg, bluttrinkenden Ledermäusen, alchimistischen Experimenten, düsteren Plänen, einer blutdurchtränkten Vorgeschichte und (im wahrsten Sinne des Wortes) Leichen im Keller, die schaurige Atmosphäre eines Gruselklassikers auf. Dem gegenüber stehen allerdings die appetitlichen Essensbeschreibungen, von denen die Geschichte nur so strotzt. Denn es handelt sich hier laut Autor um ein "Kulinarisches Märchen", und dieser zamonischen Literaturgattung macht er mit seitenlangen Beschreibungen der Menüs, die Eißpin Echo auftischt alle Ehre. Dazu kommen überdies lustige Wortspiele, Anspielungen und weitere intertextuelle Köstlichkeiten (Stichwort: "Ojahnn Golgo van Fontheweg"), die Moers´ klassischen Humor ausmachen. Wie kann man sich beim Lesen gleichzeitig ekeln, gruseln, amüsieren und sich hungrig die Lippen lecken? Keine Ahnung, fragt Walter Moers!

"Oben ist unten und hässlich ist schön."

Ebenso widersprüchlich, aber dennoch genial sind die Figuren, die die Geschichte bewohnen. Echo ist einfach herzallerliebst und schwankt zwischen kindlicher Naivität und Genialität, was ihn zu einem hervorragenden Erzähler macht. Und von den originellen Nebenfiguren wie eine verliebte Schreckse, ein fremdworteverdrehener Schuhu, eine schneeweiße Witwe, ein gekochtes Gespenst oder unvorhersehbare Ledermäuse will ich gar nicht erst anfangen.... Der Schrecksenmeister Eißpin ist aber das wahre Kunstwerk der Geschichte. Walter Moers schafft es, aus dem Scheusal, das unschuldige Tiere auskocht, um an deren Fett zu kommen und kranke Pläne ausheckt, um die Bürger Sledwayas aus purer Boshaftigkeit zu vergiften, eine ambivalente Figur zu machen, für die man trotz des Abscheus doch immer wieder kurz Sympathie verspürt. Sei es durch das Erzähler seiner Hintergrundgeschichte, seine Hingabe zur Kochkunst oder die beinahe freundschaftliche Beziehung, die Echo und Eißpin entgegen aller Wahrscheinlichkeit zu entwickeln scheinen - so sehr man sich auch anstrengt, man kann ihn nicht nur hassen. Dadurch wird der Geschichte bis zum Ende die Möglichkeit auf verschiedene Ausgänge offen gehalten. Unterläuft Eißpin doch noch einen Wandel und kommt von seinem bösen Plan ab, wird er als Bösewicht gerichtet oder stirbt Echo doch unerwartet? Ich konnte es bis zur letzten Seite des etwa 100seitigen spannenden Showdown nicht sagen!

"Gestatten: Mein Name ist Fjodor F. Fjodor, aber du kannst mich Fjodor nennen.' Echo wagte nicht, nach der Bedeutung des F's zwischen dem beiden Fjodors zu fragen. Vielleicht stand es für Fjodor."

Ebenfalls überraschend war, dass sich Hildegunst von Mythenmetz hier als "Autor" der Geschichte ungewohnt zurücknimmt und erst im Nachwort auftaucht. Laut der angefügten Erklärung des "Übersetzers" Walter Moers ist das aber vor allem seinen Kürzungen zuzuschreiben, denn er hat beim Übersetzen beschlossen, uns 700 Seiten mythenmetzsche Ausschweifungen über Krankheiten zu ersparen. An dieser Stelle: Danke, Walter! So entsteht eine runde, atmosphärische Nacherzählung mit vergleichsweise wenig Verbindungen zu anderen Zamonien-Romane, die deshalb auch gut für Einsteiger geeignet ist.

"Du musst tun, was du nicht lassen kannst", sagte Fjodor und seufzte noch einmal tief. Der Schuhu sah Echo so lange mit seinem wässrigen Blick an, bis dem Krätzchen unbehaglich wurde. "Aber du musst auch manchmal lassen, was du nicht tun kannst", fügte er geheimnisvoll hinzu."



Fazit:


"Der Schreckenmeister" ist erneut ein typischer Moers: eine ordentliche Wundertüte aus Überraschungen, Spannung, Originalität, Humor und liebenswürdiger Groteske. Ich konnte erneut bis zur letzten Seite nicht sagen, auf was die Geschichte zusteuern wird und auch die intertextuellen Bezüge sind ein wahrer Literaturschmaus

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Veröffentlicht am 15.10.2024

Eine ordentliche Wundertüte aus Überraschungen, Spannung, Originalität, Humor und liebenswürdiger Groteske

Der Schrecksenmeister
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Direkt nach "Ensel und Krete" habe ich mich an "Der Schrecksenmeister" gemacht, um meine Zamonien-Mission fortzusetzen. Nachdem ich im Frühjahr mit "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" ...

Direkt nach "Ensel und Krete" habe ich mich an "Der Schrecksenmeister" gemacht, um meine Zamonien-Mission fortzusetzen. Nachdem ich im Frühjahr mit "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" ins Universum von Walter Moers eingestiegen bin, bin ich somit nun bei meinem siebten Buch angelangt. Meine wachsende Sammlung an (begeisterten) Rezensionen zu den anderen Büchern von Walter Moers findet Ihr übrigens hier. Wie nicht anders erwartet, bot auch "Der Schreckenmeister" wieder eine ordentliche Wundertüte aus Überraschungen, Spannung, Originalität, Humor und liebenswürdiger Groteske.

Zunächst wie immer ein paar kurze Worte zur Gestaltung. "Der Schrecksenmeister" hat zeigt im Großformat ein von Ledermäusen umflogenes blaues Ziegeldach, aus dem das Krätzchen Echo seinen Kopf streckt. Mit dem großflächig gemusterten Hintergrund und dem großen gelben Titel ist es mal wieder ein typisches Zamonien-Cover, das wunderbar zu den Gestaltungen der anderen Romane passt. Hervorheben möchte ich auch wieder die Gestaltung Inneren des Buches, die wieder zahlreiche Illustrationen der Umgebung und handelnden Figuren beinhaltet.

Erster Satz: "Stellt Euch den krankesten Ort von ganz Zamonien vor."

In "Der Schrecksenmeister" entführt Walter Moers nach Sledwaya, einer bisher unbekannten Kleinstadt von Zamonien, in dem der titelgebende Schrecksenmeister Eißpin Krankheiten kocht und mittels alchimistischer Experimente bösen Plänen nachgeht. Kein Wunder, dass es nur hier Hirnhusten und Lebermigräne, Magenmumps und Darmschnupfen oder Ohrenbrausen und Nierenverzagen gibt, was die Stadt zu einem Paradies für Apotheker und Quacksalber und der Hölle auf Erden für Hypochonder macht. Weder das eine noch das andere ist unser Protagonist Echo, der wohl der mit Abstand niedlichste Moers-Protagonist überhaupt ist. Als "Krätzchen" unterscheidet er sich von der gewöhnlichen Hauskatze nur in zwei Dingen: erstens hat er zwei Lebern und zweitens kann er alle Sprachen des Universums sprechen. Beides hilft ihm recht wenig, als er nach dem Tod seines Frauchens vor dem Verhungern steht. Da kommt ihm der Deal mit dem Schrecksenmeister trotz des schaurigen Ausgangs ganz recht: er wird von ihm durchgefüttert, bis zum nächsten Vollmond, um dann Teil seiner alchimistischen Fettsammlung zu werden. Schafft es die junge Kratze, ihrem Schicksal zu entgehen....?

"Jedes Ding", flüsterte Eißpin, "hat seinen Schatten. Der Schatten ist die dunkle Seite, die jedem innewohnt. Solange er an uns gekettet ist, ist er unser Sklave, aber sobald man die Schatten von Ihren Besitzern trennt, zeigen sie ihr wahres Wesen. Dann werden sie böse, wild und gefährlich."

Falls Euch die Handlung oder die Namen entfernt bekannt vor kommen: Es handelt sich hierbei genau wie bei "Ensel und Krete" um eine Nacherzählung eines auch in unserer Welt existierenden Märchens und zwar die Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller "Spiegel, das Kätzchen". Auch wenn ich das Original nicht gelesen habe, wird schon bei einem kurzen Blick auf die Inhaltsangabe deutlich, wie Walter Moers hier mit dem Text spielt. So wird der Protagonist von "Spiegel, das Kätzchen zu "Echo, das Krätzchen", die Stadt Seldwyla wird zu "Sledwaya", der Stadthexenmeister Pineiß wird zum Schrecksenmeister Eißpin und Gottfried Keller zu Gofid Letterkerl. Aber auch bei der Handlung lässt der Autor es sich nicht nehmen, das 50-seitige Original kunstvoll auszubauen, zu verdrehen und zu einem spannenden Roman mit 500 Seiten zu ergänzen. Wer großen Spaß mit der Intertextualität von "Der Schrecksenmeister" haben und die Parallelen zum Original in vollem Ausmaß genießen möchte, sollte vorher also unbedingt "Spiegel, das Kätzchen" lesen. Es sei aber versichert: auch ohne das Original vorher zu kennen, kann man mit dem Roman großen Spaß haben.

„Was gewesen und gegangen
Soll jetzt wieder neu anfangen
Was gegangen und gewesen
Soll im Wundersud genesen
Soll im Topfe wiederkehren
Um die Alchimie zu ehren“

Zwar startet der Spannungsbogen recht flach und das Buch liest sich trotz der Gefahr, in der Echo schwebt, erstmal eher gemütlich. Durch den interessanten Schauort und den Schreibstil des Autors wird jedoch trotzdem eine fesselnde Atmosphäre aufgebaut. So kommt durch das Setting in Sledwaya mit kranken Bewohnern, einem Gruselschloss auf einem Berg, bluttrinkenden Ledermäusen, alchimistischen Experimenten, düsteren Plänen, einer blutdurchtränkten Vorgeschichte und (im wahrsten Sinne des Wortes) Leichen im Keller, die schaurige Atmosphäre eines Gruselklassikers auf. Dem gegenüber stehen allerdings die appetitlichen Essensbeschreibungen, von denen die Geschichte nur so strotzt. Denn es handelt sich hier laut Autor um ein "Kulinarisches Märchen", und dieser zamonischen Literaturgattung macht er mit seitenlangen Beschreibungen der Menüs, die Eißpin Echo auftischt alle Ehre. Dazu kommen überdies lustige Wortspiele, Anspielungen und weitere intertextuelle Köstlichkeiten (Stichwort: "Ojahnn Golgo van Fontheweg"), die Moers´ klassischen Humor ausmachen. Wie kann man sich beim Lesen gleichzeitig ekeln, gruseln, amüsieren und sich hungrig die Lippen lecken? Keine Ahnung, fragt Walter Moers!

"Oben ist unten und hässlich ist schön."

Ebenso widersprüchlich, aber dennoch genial sind die Figuren, die die Geschichte bewohnen. Echo ist einfach herzallerliebst und schwankt zwischen kindlicher Naivität und Genialität, was ihn zu einem hervorragenden Erzähler macht. Und von den originellen Nebenfiguren wie eine verliebte Schreckse, ein fremdworteverdrehener Schuhu, eine schneeweiße Witwe, ein gekochtes Gespenst oder unvorhersehbare Ledermäuse will ich gar nicht erst anfangen.... Der Schrecksenmeister Eißpin ist aber das wahre Kunstwerk der Geschichte. Walter Moers schafft es, aus dem Scheusal, das unschuldige Tiere auskocht, um an deren Fett zu kommen und kranke Pläne ausheckt, um die Bürger Sledwayas aus purer Boshaftigkeit zu vergiften, eine ambivalente Figur zu machen, für die man trotz des Abscheus doch immer wieder kurz Sympathie verspürt. Sei es durch das Erzähler seiner Hintergrundgeschichte, seine Hingabe zur Kochkunst oder die beinahe freundschaftliche Beziehung, die Echo und Eißpin entgegen aller Wahrscheinlichkeit zu entwickeln scheinen - so sehr man sich auch anstrengt, man kann ihn nicht nur hassen. Dadurch wird der Geschichte bis zum Ende die Möglichkeit auf verschiedene Ausgänge offen gehalten. Unterläuft Eißpin doch noch einen Wandel und kommt von seinem bösen Plan ab, wird er als Bösewicht gerichtet oder stirbt Echo doch unerwartet? Ich konnte es bis zur letzten Seite des etwa 100seitigen spannenden Showdown nicht sagen!

"Gestatten: Mein Name ist Fjodor F. Fjodor, aber du kannst mich Fjodor nennen.' Echo wagte nicht, nach der Bedeutung des F's zwischen dem beiden Fjodors zu fragen. Vielleicht stand es für Fjodor."

Ebenfalls überraschend war, dass sich Hildegunst von Mythenmetz hier als "Autor" der Geschichte ungewohnt zurücknimmt und erst im Nachwort auftaucht. Laut der angefügten Erklärung des "Übersetzers" Walter Moers ist das aber vor allem seinen Kürzungen zuzuschreiben, denn er hat beim Übersetzen beschlossen, uns 700 Seiten mythenmetzsche Ausschweifungen über Krankheiten zu ersparen. An dieser Stelle: Danke, Walter! So entsteht eine runde, atmosphärische Nacherzählung mit vergleichsweise wenig Verbindungen zu anderen Zamonien-Romane, die deshalb auch gut für Einsteiger geeignet ist.

"Du musst tun, was du nicht lassen kannst", sagte Fjodor und seufzte noch einmal tief. Der Schuhu sah Echo so lange mit seinem wässrigen Blick an, bis dem Krätzchen unbehaglich wurde. "Aber du musst auch manchmal lassen, was du nicht tun kannst", fügte er geheimnisvoll hinzu."



Fazit:


"Der Schreckenmeister" ist erneut ein typischer Moers: eine ordentliche Wundertüte aus Überraschungen, Spannung, Originalität, Humor und liebenswürdiger Groteske. Ich konnte erneut bis zur letzten Seite nicht sagen, auf was die Geschichte zusteuern wird und auch die intertextuellen Bezüge sind ein wahrer Literaturschmaus