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Veröffentlicht am 11.04.2020

Wird noch lange nachhallen

Der Report der Magd
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Geburtenrückgang auf Grund Umweltverschmutzung, aber auch Selbstbestimmung von Frauen in Bezug auf Schwangerschaft, führt zu einer Revolution und der Entstehung eines totalitären, theokratischen Staates, ...

Geburtenrückgang auf Grund Umweltverschmutzung, aber auch Selbstbestimmung von Frauen in Bezug auf Schwangerschaft, führt zu einer Revolution und der Entstehung eines totalitären, theokratischen Staates, Gilead genannt, in dem die Frauen auf ihre Fruchtbarkeit reduziert werden. Wie schon in der Bibel müssen Frauen, die sich als fruchtbar erwiesen haben, für unfruchtbare Frauen Kinder bekommen. Sie werden, in Analogie zur biblischen Geschichte von Jakob, Rahel und Bilha Mägde genannt.

Eine dieser Mägde ist Desfred (im Original Offred), alleine dieser Name zeigt schon die ganze Perfidie, mit der Frauen hier behandelt werden – sie gehört dem Mann, dem sie gerade dient, als des Freds Magd oder of Fred. Auch der Geschlechtsakt zwischen Magd und Mann bzw. die Geburt des daraus entstandenen Kindes schlägt in die selbe Kerbe, denn die Ehefrau des Mannes ist immer dabei, im Grunde ist die Magd dabei nur eine Art Zwischenmedium und das Kind gehört der Ehefrau.

Die Autorin lässt Desfred selbst in Ich-Form erzählen, immer wieder erinnert sich die Frau dabei an ihr Leben vorher mit Mann und Kind, aber auch an ihr Leben in der Umerziehungsanstalt, in der aus den fruchtbaren Frauen gehorsame Mägde gemacht werden. Doch Desfred hat sich ein Stück Unabhängigkeit erhalten, ihre Gedanken kann ihr niemand nehmen und im Laufe der Geschichte setzt sie ein paar Mal ihr Leben aufs Spiel. Hinrichtungen sind in Gilead an der Tagesordnung, und schon zu lesen kann eine Magd ihre Hand kosten. Männer sind durchaus auch gefährdet, aber es gibt auch geheime Clubs für Hochgestellte, in denen diese ihren Trieben frönen können.

Am Ende bleibt offen, ob Desfred hingerichtet wird, überlebt oder sogar flüchten kann, erfährt der Leser nicht. Allerdings gibt es noch eine Art Nachwort, „Historische Anmerkungen“ genannt, in dem im 22. Jhdt. rückblickend der Staat Gilead analysiert wird und man dafür auch Desfreds Report heranzieht. Mittlerweile gibt es auch eine Fortsetzung „Die Zeuginnen“, in der man wohl mehr über Desfreds Schicksal erfährt.

Der Roman ist erschütternd, aber, wenn man sich die Geschichte der Frauen anschaut, womöglich gar nicht so unrealistisch – und das ist eigentlich das erschreckendste daran. Dazu trägt auch Atwoods Sprache bei, denn Desfreds Report zeugt von einer gebildeten Frau, der ihre Bildung aber nahezu nichts mehr nützt. Dass es diesen Report überhaupt gibt, lässt hoffen, dass sie dem Regime entkommen konnte, denn dort war Frauen nicht nur das Lesen, sondern auch das Schreiben verboten. Der Roman ist aber auch sehr spannend, man leidet mit den Frauen, und als Desfred anfängt auch Verbotenes zu tun, hat man Angst um sie. Ich jedenfalls konnte mich in sie hineinfühlen und ich habe mich gefragt, was ich wohl in so einer Situation tun würde.

Margaret Atwood schrieb diesen Roman bereits 1985, doch er ist immer noch aktuell, und wird es wohl auch bleiben. Die historischen Anmerkungen machen den Roman erst richtig rund, man sollte sie unbedingt lesen, denn sie gehören dazu.

Der Autorin ist ein spannender Roman gelungen, der zum Nachdenken anregt und lange nachhallen wird. Ich kann ihn uneingeschränkt empfehlen und vergebe volle Punktzahl.

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Veröffentlicht am 09.04.2020

Lesenswert!

Die Schule am Meer
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1925 wird auf Juist die reformpädagogischorientierte „Schule am Meer“ gegründet. Schon früh gibt es Anfeindungen durch Insulaner, aber auch viele positive Meinungen. Sandra Lüpkes erzählt die Geschichte ...

1925 wird auf Juist die reformpädagogischorientierte „Schule am Meer“ gegründet. Schon früh gibt es Anfeindungen durch Insulaner, aber auch viele positive Meinungen. Sandra Lüpkes erzählt die Geschichte dieser Schule aus Sicht mehrerer, zum Teil fiktiver Charaktere. Im Nachwort erfährt man dann ein bisschen mehr über Fiktion und Realität.

Anni Reiner gehört neben ihrem Mann Paul zum Lehrpersonal der Schule. Sie ist jüdischer Abstammung und Mutter mehrerer Töchter. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern der Schule, die in Internatsform geführt wird. Das Familienleben kommt oft zu kurz, was Anni bedauert. Auf Grund ihrer Abstammung wird es im Laufe der Jahre immer schwieriger für sie.

Auch der Musiker Eduard Zuckmayer ist Lehrer an der Schule, allerdings kein Gründungsmitglied. Er kann hier seine Kriegstraumata verarbeiten.

Maximilia Mücke, genannt Moskito, ist Schüler der Schule. Seine Eltern leben in Bolivien und er hat am Anfang starkes Heimweh. Die einzelnen Kapitel des Romans geben seine Schulzeit in Schuljahren wieder. Seine Entwicklung ist interessant und gut mitzuerleben.

Auch Marje, von der Insel stammend, ist Schülerin, klug und ehrgeizig und mit einem Geheimnis um ihre Herkunft, das sie zunächst selbst nicht kennt.

Gustav Wenniger ist zunächst Kellner auf Juist, will aber hoch hinaus. Seine nationalsozialistische Gesinnung macht ihn schnell zu einem Gegner der Schule. Er ist der Antagonist der Geschichte.

Auch weitere Charaktere lernt man mehr oder weniger gut kennen, sowohl Insulaner als auch Menschen, die mit der Schule zu tun haben. Alle Charaktere hat die Autorin gut gestaltet, man hat schnell Bilder vor Augen.

Auch die Insel selbst spielt ihre Rolle, widrige Wetterverhältnisse, die eingeschränkte Erreichbarkeit, aber auch ihre wilde Naturschönheit, ihre Tier- und Pflanzenwelt. Wer Juist kennt, wird sich schnell zu Hause fühlen, ich finde es immer wieder schön, Romane von Orten zu lesen, die ich gut kenne.

Aber auch wer Juist nicht kennt, wird sich durch die Beschreibungen ein Bild machen können, von den Örtlichkeiten der Schule z. B. auch durch einen gezeichneten Lageplan. Sehr schön sind auch die Fotos, die die Buchdeckel von innen schmücken und die das Schulleben wiedergeben. Dieses Schulleben und die Ideale, die dahinter stehen, wird im Roman ausführlich dargestellt, mit Stärken und Schwächen, insgesamt hat mir das Schulkonzept gefallen, auch heute wirkt es noch modern. Nur gegen Ende fand ich die Entwicklung weniger schön.

Der aufkommende Nationalsozialismus macht der Schule sehr zu schaffen, und nimmt auch den Leser mit, der ja schon weiß, was noch alles kommen wird. Schön ist, dass man in einem Epilog ein bisschen darüber erfährt, wie es manchen Charakteren noch ergangen ist. Für andere allerdings bleibt es offen.

Mir hat der Roman wirklich gut gefallen, auch wenn ich manche Entwicklung nicht so schön finde, z. B. haben mich die letzten Sätze des Epilogs erschüttert, gerade hier hätte sich die Autorin auch anders entscheiden können. Aber wahrscheinlich sollte man als Leser an dieser Stelle erschüttert werden, immerhin geht es um eine sehr dunkle Zeit.

Sandra Lüpke stellt dem Leser eine für leider viel zu wenige Jahre real existierende Schule vor und macht sie durch historisch belegte, aber auch durch fiktive Charaktere für den Leser erlebbar. Auch die Insel Juist und der historische Hintergrund wird lebendig. Mir hat der Roman sehr gut gefallen, mir eine andere Seite meiner Lieblingsinsel gezeigt und mich emotional gepackt. Sehr gerne vergebe ich volle Punktzahl und eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 05.04.2020

Spannend

Erbarmungsloser Herbst
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Inspektor Akyl Borubaew wird zu einer Drogentoten gerufen, doch er kann den Fall nicht bearbeiten, denn Michail Tynalijew, der Minister für Staatssicherheit, suspendiert ihn.

Eigentlich ist dieser Roman ...

Inspektor Akyl Borubaew wird zu einer Drogentoten gerufen, doch er kann den Fall nicht bearbeiten, denn Michail Tynalijew, der Minister für Staatssicherheit, suspendiert ihn.

Eigentlich ist dieser Roman der letzte Band einer Tetralogie (des sogenannten kirgisischen Quartetts), für mich ist es aber der erste der Reihe, den ich gelesen habe. Geschadet hat das nicht, denn es wird genug über Vorheriges erwähnt, dass ich den Roman verstehen, ihn sogar mit Vergnügen lesen konnte.

Der Autor lässt Akyl selbst in Ich-Form erzählen, das passt hier sehr gut, da man mit ihm zusammen ein halsbrecherisches Abenteuer erlebt, das ihn immer wieder in tödliche Gefahr bringt, und mit einigen überraschenden Wendungen aufwartet. Akyl hat selbst einigen Dreck am Stecken, aber durchaus auch seine eigenen Moralvorstellungen, er kennt die Risiken, die er eingeht und kann sich wehren, sowohl mit Waffen als auch mit Köpfchen – erinnert sehr an die Hardboiled-Romane.

Die anderen Charaktere sind teilweise sehr klischeehaft, aber immerhin treibt sich der Protagonist vor allem im Milieu organisierter Kriminalität herum. Die Bosse dagegen sind schon Typen für sich. Interessant ist auch Akyls Geliebte Saltanat, eine usbekische Agentin/Profikillerin. Es wundert bei diesem Charakterenensemble nicht, dass der Roman sehr brutal und blutig ist. Da dies aber zur Thematik passt, ist es soweit okay. Zudem ist der Roman sehr spannend, ein regelrechter Pageturner.

Über Kirgisistan wusste ich bisher so gut wie nichts. Jetzt weiß ich einiges mehr, nicht nur aus dem Roman, ich habe über Akyls Heimatland auch gegoogelt. Aber nicht nur in diesem Land spielt der Roman, der Leser reist mit dem Protagonisten auch nach Thailand und Malaysia, und – ganz kurz – nach Usbekistan.

Auch wenn ich die drei Vorgängerbände nicht kenne, konnte ich dem Roman problemlos folgen und hatte spannende Lesestunden. Der erste Band ist bereits bestellt. Für Zartbesaitete ist dieser Roman wohl nichts. Wer aber auch eher heftige (in Richtung hardboiled) Thriller liest, die, passend zur Thematik, auch Szenen mit Gewalt und Blut beinhalten, und zudem einmal in andere Länder schauen möchte, kann bedenkenlos zugreifen.

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Veröffentlicht am 29.03.2020

Gelungener Band der Reihe mit viel zum Schmunzeln

Lucky Luke 97
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Als Lucky Luke wieder einmal die Daltons ins Gefängnis bringt – normalerweise das Ende eines Abenteuers – trifft er auf Auguste Bartholdi, der auf einer Tour durch die USA ist, um die Freiheitsstatue vorzustellen. ...

Als Lucky Luke wieder einmal die Daltons ins Gefängnis bringt – normalerweise das Ende eines Abenteuers – trifft er auf Auguste Bartholdi, der auf einer Tour durch die USA ist, um die Freiheitsstatue vorzustellen. Nicht jeder ist davon begeistert, und so begleitet Lucky Luke ihn, um ihn zu beschützen, nicht ahnend, dass das letztlich auch bedeuten würde, dem Bildhauer nach Paris zu folgen.

Nach Morris' Tod haben Achdé und Jul die Reihe übernommen, und das perfekt. Gerade dieser Band strotzt nur so vor Anspielungen und Humor, ich bin aus dem Schmunzeln kaum herausgekommen und musste stellenweise laut lachen. Gleichzeitig erfährt man hier einen Teil der amerikanischen Geschichte und lernt historische Persönlichkeiten kennen, was schon immer ein gelungener Teil der Reihe war. Auch die Zeichnungen sind perfekt.

Band 97 der Reihe ist wieder besonders gut gelungen, ich kann ihn nur wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 27.03.2020

Wow!

Der Ozean am Ende der Straße
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Ein älterer Mann kehrt in seinen Heimatort zurück und erinnert sich daran, wie er als Siebenjähriger die Familie Hempstock kennenlernte und mysteriöse Dinge erlebte.

Ich weiß nicht genau, was ich von ...

Ein älterer Mann kehrt in seinen Heimatort zurück und erinnert sich daran, wie er als Siebenjähriger die Familie Hempstock kennenlernte und mysteriöse Dinge erlebte.

Ich weiß nicht genau, was ich von diesem Roman erwartet hatte, aber sicher nicht das, was ich bekam. Sicher, ich hatte schon andere Romane des Autors gelesen, und hätte auf manches gefasst sein können, aber zunächst las sich das Ganze wie ein Roman, in dem es um Kindheiterinnerungen geht, um nach und nach immer mehr ins Mysteriöse zu kippen. Teilweise fühlte ich mich ein bisschen wie in einem Stephen-King-Roman, in dem der Protagonist immer mehr in gruselige Dinge verwickelt wird, nur dass Gaimans Sprache deutlich poetischer ist.

Am Ende stellt der Roman – und der Leser sich – die Frage, wie viel davon hat der Junge, dessen Name nie genannt wird, tatsächlich erlebt, wie viel davon war seine Phantasie? Gleichzeitig ist man entsetzt, was er alles durchmachen musste. Ich habe die Frage für mich so beantwortet: In dieser Geschichte ist alles wahr. Bis dahin hatte ich sehr spannende Lesestunden, der Roman entpuppte sich für mich als wahrer Pageturner. Der Junge erzählt selbst in Ich-Form und so kommt der Leser ihm sehr nahe und fühlt mit ihm. Der Leser bekommt eine Menge Stoff, über den er grübeln kann.

Der Roman ist illustriert, für mich wäre das nicht nötig gewesen, gerade bei diesem Thema hat es mich sogar ein bisschen gestört, möchte ich doch lieber meine eigene Phantasie einsetzen.

Der Roman ist mein Überraschungsbuch des Jahres, ich hätte nicht gedacht, dass er mich so faszinieren wird. Ich bin begeistert. Mich hat der Roman von Anfang an gepackt, auch emotional, und sich als wahrer Pageturner entpuppt. Wer es gerne mal mysteriös und/oder gruselig mag, und wen es nicht stört, dass das Ende relativ offen ist, kann sich hier auf unterhaltsame Lesestunden freuen.

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