Von einem Mann, der auszog, um Theologie zu studieren, und zu einem Magier wurde
Ein junger Mann will Theologie studieren und Priester sein, bis er es nicht mehr sein will. Ein junger Mann will sich der Zauberei widmen und Magier werden, bis er es nicht mehr will.
Arthur Beerholm ...
Ein junger Mann will Theologie studieren und Priester sein, bis er es nicht mehr sein will. Ein junger Mann will sich der Zauberei widmen und Magier werden, bis er es nicht mehr will.
Arthur Beerholm hat diese beiden Leben gelebt. Und umso unterschiedlicher sie in ihrem Wesen auch klingen, desto stärker fallen die Dinge auf, die bei Beerholm über beide Berufe hinweg konstant geblieben sind.
Zum einen Beerholms Vorliebe für Schlaftabletten. Manchmal scheint es, als wäre seine Lebensgeschichte von nichts so stark begleitet, als von seinem Tablettenmissbrauch. Zum anderen gesundheitliche Probleme, die mehrmals mit seiner Wahrnehmung zu spielen scheinen.
»Weißt du eigentlich, daß man ununterbrochen auf sich selbst einredet? In einem Winkel unseres Kopfes sitzt ein Schwätzer und spricht, spricht, spricht vom Augenblick unseres Aufwachens bis in die letzten im Dunkel verschwimmenden Regungen vor dem Einschlafen.«
Kehlmanns Debütroman Beerholms Vorstellung ist ein Kippbild: In manchen Momenten ist er voll wundersamer Ereignisse, der Zauberei scheint echte Magie innezuwohnen. In anderen Momenten tauscht er seinen Zauber gegen Alternativerklärungen, wie Träume, Fieberwahn, Tablettenmissbrauch. Existiert Magie in Beerholms Vorstellung oder handelt es sich in vielen Momenten lediglich um außergewöhnliche Zufälle, die den Anschein von Bedingtheit und Vorbestimmung erwecken? Schafft Wahrscheinlichkeit Realität?
Bereits in seinem Erstlingswerk sind einige der Themen angelegt, die auch für Kehlmanns späteres Werk maßgebend sein werden, wie F oder Tyll. Die Wirklichkeit und ihre Wahrnehmung werden spielerisch auf die Probe gestellt. Doch scheint es Beerholms Vorstellung im Vergleich zu seinen späteren Werken noch an Schliff zu fehlen, diese Themen sind noch nicht so präzise herausgearbeitet, wie es ihm in späteren Romanen gelingen wird, ohne, dass sein virtuoser Umgang mit Wirklichkeit darunter zu leiden hätte. Doch verfliegt dies nach 50 Seiten wieder und übrig bleibt ein Roman, der sich auch am Ende nicht in die Enge drängen lässt.
Denn die eigene Wahl, ob Magie in Beerholms Lebenswirklichkeit existiert oder nicht, bleibt für den Romanverlauf nicht folgenlos.