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Veröffentlicht am 06.11.2020

Silberminen, Schokolade und ein König ohne Herz

Die silberne Königin
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Ein Land aus Eis und Schnee. Jeder Schritt fernab der Wege kann den Tod bedeuten, denn ein Sturz genügt, um zu erfrieren. Es wird von einem König regiert, den kaum jemand je zu Gesicht bekommt, doch dessen ...

Ein Land aus Eis und Schnee. Jeder Schritt fernab der Wege kann den Tod bedeuten, denn ein Sturz genügt, um zu erfrieren. Es wird von einem König regiert, den kaum jemand je zu Gesicht bekommt, doch dessen Herz ebenso kalt sein soll wie sein Land.

Wie die meisten Bewohner der Stadt hält sich Emma vom Schloss fern. Selbst wenn sie es wollte, hätte sie kaum die Zeit, so weit von ihrem gewohnten Weg abzukommen. Denn Emma arbeitet in den Silberminen, in denen sie sich zwar nie sicher gefühlt hat, aber auch nicht so sehr in Gefahr, wie an dem Tag, als einer der Stollen während ihrer Schicht einstürzt. Emma will nie wieder zurück in die Minen. Und Arbeit ist im Land ebenso selten wie Sonnenstunden. Doch Emma braucht Arbeit. Nicht nur für sich, sondern auch für ihren Vater, der seit dem Tod ihrer Mutter kaum mehr das Haus verlässt, nicht arbeitet und zu viel trinkt.

»Am nächsten Morgen war der Berg wieder zu Ruhe gekommen, aber in Emmas Träumen grollte er noch immer.«

Doch alles ändert sich, als es Emma wie durch ein Wunder gelingt, einen Job in der Chocolaterie zu finden. Denn dort findet Emma nicht nur Arbeit, sondern auch echte Freunde und lernt den Zauber von Geschichten kennen. Geschichten, die mehr Wahrheit in sich tragen, als sie je geahnt hätte.

Auch die Arbeit in der Chocolaterie ist es, die Emma das erste Mal über die Schwelle des Schlosses führt. Denn der König ist einer der Wenigen, der sich den Luxus von Schokolade noch erlauben kann. Nur das Schloss ist noch kälter als das es umgebende Land aus Eis und Schnee. Und als die zentrale Handelsstraße durch den Schnee unpassierbar wird, wissen die Bewohner der Stadt, dass nun ein Wettlauf gegen das Verhungern begonnen hat.

»Casper neigte den Kopf. Das amüsierte Lächeln auf seinen Lippen hätte charmant wirken können, wenn dieses Blitzen in seinen Augen nicht wäre. Es war der Ausdruck eines Raubtiers, das mit seiner Beute spielte.«

Fast 150 Seiten dauerte es, bis ich mit diesem Buch wirklich warm geworden bin. Erst als der König in Erscheinung tritt, hat sich die Geschichte so verdichtet, dass sie ihre Sogwirkung entfaltet hat. Mit dem König Casper ist Seck ein wunderbar faszinierender Charakter gelungen. Ein Herz aus Eis, den Menschen fern, und nur durch das Erzählen eines Märchens dazu zu bewegen, seine dunklen Vorhaben aufzuschieben. Ein wenig wie ›Tausendundeine Nacht‹, nur viel kälter. Und doch eine Liebeserklärung an die Kraft und den Zauber von Märchen und Geschichten.

Während sich die Ereignisse für mich anfangs zu langsam entfalteten, ging mir bei der Problemlösung dann alles etwas zu schnell, um es spoilerfrei zu formulieren. In ›Die Silberne Königin‹ stecken viele, wunderschöne Elemente, miteinander verwoben durch eine märchenhafte, das Besondere findende Sprache. Nur bei der Ausarbeitung hätte ich mir mehr gewünscht. Dennoch, wer Märchen und Fantasy liebt, kann diesem Buch gerne eine Chance geben. Sobald man sich warm gelesen hat, lohnt es sich, die Geschichte um Casper zu erfahren.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Von einem Jungen, der eine Enttäuschung war

Der Palast im Himmel
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Nur wenige Jahre nach dem ersten Band der ›Howl-Saga‹, ›Das wandelnde Schloss‹, erschien bereits der zweite Band der Reihe.

Auf den ersten Blick scheinen die beiden Romane die Geschichten von vollkommen ...

Nur wenige Jahre nach dem ersten Band der ›Howl-Saga‹, ›Das wandelnde Schloss‹, erschien bereits der zweite Band der Reihe.

Auf den ersten Blick scheinen die beiden Romane die Geschichten von vollkommen unterschiedlichen Personen zu erzählen. Abdullah ist ein Tagträumer. Während er sich durch den Verkauf wertvoller und nicht so wertvoller Teppiche über Wasser hält, verbringt er all seine Freizeit damit, sich sein Leben so auszumalen, wie es sein könnte. Was wäre, wenn Abdullah in Wahrheit ein Prinz wäre, der noch als Baby entführt worden ist?

So verbringt der junge, attraktive Mann seine Tage, bis plötzlich ein Fremder in seinem Laden steht. Er will ihm in höchster Not, wie er sagt, einen magischen, fliegenden Teppich verkaufen. Und so nehmen die seltsamen Begebenheiten ihren Anfang, die Abdullah dem Palast im Himmel immer näher bringen sollen.

»Unglücklicherweise – und auch darin waren sich alle einig – hatte Abdullah den Charakter von seiner Mutter geerbt, der zweiten Frau seines Vaters. Sie war eine träumerische und ängstliche Frau gewesen und für alle eine große Enttäuschung.«

Beim Lesen stellt sich lange die Frage, warum dieser Band als Teil 2 der ›Howl-Saga‹ bezeichnet wird. Bekannte Namen und Gesichter lassen lange auf sich warten –, zumindest auf den ersten Blick. Denn wer ›Das wandelnde Schloss‹ gelesen hat, weiß Jones’ Fähigkeiten, das Gesuchte oder Vermisste direkt vor der eigenen Nase zu verstecken, zu schätzen.

»Der Teppich gehorchte, indem er sich wie eine Schlange über die hohen Mauern wand. Danach glitt er über die Hausdächer wie eine Flunder über den Meeresboden. Abdullah, der Soldat und auch die Katzen blickten staunend nach unten.«

›Der Palast im Himmel‹ lebt von Fantasie und Magie. Liebenswerte, leicht schräge und in jedem Fall besondere Charaktere stellen sich einem Abenteuer, das aus Träumen gebaut sein könnte. Ein fliegender Teppich mit einer Schwäche für Schmeicheleien, ein Soldat mit einer Vorliebe für Katzen und ein Dschinn, der bereit ist, alles zu tun, um sein Leben zurückzuerlangen.

Der zweite Band, ›Der Palast im Himmel‹, kommt zwar nicht ganz an den ersten Teil heran, ist jedoch eines der Bücher, das man auf jeden Fall zweimal lesen sollte. Das erste Mal, um das Abenteuer Abdullahs zu erleben, das zweite Mal, um das Wiedersehen mit den Charakteren aus ›Das wandelnde Schloss‹ in vollen Zügen genießen zu können.

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Veröffentlicht am 11.04.2020

Von Unwettern und anderen nützlichen Begebenheiten

Auszeit im Café am Rande der Welt
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Ein stürmischer Tag, zwei geplatzte Reifen und eine Unterführung genügen, um die Wege zweier Menschen einander kreuzen zu lassen. So begegnet der Ich-Erzähler John nach der Beerdigung seines Patenonkels ...

Ein stürmischer Tag, zwei geplatzte Reifen und eine Unterführung genügen, um die Wege zweier Menschen einander kreuzen zu lassen. So begegnet der Ich-Erzähler John nach der Beerdigung seines Patenonkels der jungen Hannah.

Der Sturm treibt die beiden in die gleiche Unterführung – er mit einem geplatzten Autoreifen und auf der Suche nach Schrauben, sie mit einem platten Fahrradreifen. Die junge Hannah ist misstrauisch gegenüber dem Fremden, der ihr anbietet, sie nach dem Reifenwechsel nach Hause zu fahren.

Der Sturm treibt die beiden in die gleiche Unterführung – er mit einem geplatzten Autoreifen und auf der Suche nach Schrauben, sie mit einem platten Fahrradreifen. Die junge Hannah ist misstrauisch gegenüber dem Fremden, der ihr anbietet, sie nach dem Reifenwechsel nach Hause zu fahren.

Als sie sich schlussendlich doch darauf einlässt, suchen sie gemeinsam in der Dunkelheit des Sturmes nach einer vertrauten Straße oder Ecke und finden stattdessen etwas, das in John Erinnerungen weckt: das „Café der Fragen“. Doch während während er sich darüber freuen kann – das letzte Mal hat er das Café vor über zehn Jahren auf Hawaii betreten –, wird Hannahs Misstrauen – durch seine plötzliche Vertrautheit mit dem Ort und den Personen darin – wieder wach.

So plötzlich sich Hannah und John über den Weg gelaufen waren, so schnell sind sie auch wieder voneinander getrennt. Hannah verlässt das Café, bleibt draußen stehen und hadert mit sich, ob sie wieder in das warme Innere gehen oder verschwinden soll. John hingegen trifft sowohl bekannte als auch neue Gesichter im Innern des Cafés und macht sich bereit auf eine Auseinandersetzung mit sich selbst.

Während John vertraut ist mit den Eigenheiten des Cafés und den Fragen sowie Antworten, die dort gefunden werden können, weiß Hannah nicht, ob sie sich auf den Ort und seine Besucher einlassen soll. Ähnlich geht es dem Leser bisweilen mit Auszeit im Café am Rande der Welt. Man muss sich einlassen auf die Fragen, die John Streleckys Buch aufwirft, auf die Wege, zu Antworten zu kommen, die angeboten werden.

Obwohl dieser Besuch im Café der Fragen an manchen Stellen konstruiert wirkt, vor allem in Bezug auf ein paar wenige Figuren – ein Effekt der durch die Mischung aus Unwirklichkeit und Wirklichkeit auch gewollt sein kann –, und bereits der Umschlag kaum eine Chance auslässt, den Leser darauf hinzuweisen, dass es sich um einen erneuten Besuch im Café handelt, können sich auch Strelecky-Neuleser an diesen Band wagen.

Denn die Geschichten, die darin erzählt werden, lassen auch den im Café noch Unerfahrenen an sich teilhaben, sodass der Leser Seite um Seite mit Gedanken vertraut wird, die noch über das Buch hinaus zum Nachdenken anregen.

Wer also seinen inneren Skeptiker bei offen zu Gedanken anregenden Texten im Zaum halten kann, dem kann ich John Streleckys Auszeit im Café am Rande der Welt mit gutem Gewissen empfehlen.

Wer darüber hinaus durch ein Buch nicht nur von sich selbst abgelenkt werden will, sondern während des Lesens sich selbst zugewandt sein will, der wird an dieser „Auszeit“ Gefallen finden. Und ganz nebenbei erfahren, was ein Stück Isolierband mit dem eigenen Leben zu tun hat.


Rezension erstmals erschienen auf LizzyNet

Veröffentlicht am 11.04.2020

Wie wir lernen und wie besser nicht mehr

Speed Learning
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Sven Franks Sachbuch Speedlearning knöpft sich auf kaum mehr als 200 Seiten sowohl die Mängel des Bildungssystems vor, führt theoretisch und praktisch an alternative Lernmethoden heran und bleibt dabei ...

Sven Franks Sachbuch Speedlearning knöpft sich auf kaum mehr als 200 Seiten sowohl die Mängel des Bildungssystems vor, führt theoretisch und praktisch an alternative Lernmethoden heran und bleibt dabei erfrischend klar zu lesen.

In nur 10 Wochen ein Instrument oder eine Sprache lernen oder sich einen ganz anderen Wissensbereich erschließen. Was waghalsig und schwer vorstellbar klingt, zerlegt Frank in seinem Buch Speedlearning in einzelne Schritte, die plötzlich gar nicht mehr so unbewältigbar erscheinen.

Dafür holt er den Leser bei der Art zu lernen ab, die ihm aus der Schule, dem Studium oder anderen Lebensbereichen bekannt ist – und führt anhand lerntheoretischer Annahmen deren Schwächen vor. Mehrere Stunden am Tag ein Fach nach dem anderen lernen, obwohl das Gehirn doch bereits nach 20 Minuten Aufnahme am Stück wieder zu überschreiben beginnt – nicht bei Frank. Seine in Speedlearning beschriebene und gelehrte Technik nimmt eben solche Prozesse des Lernens ernst und baut sich auf dem Wissen über Lern- und Vergessensprozessen auf.

Die Methoden, auf die er dabei zurückgreift, sind zum Teil modern, zum Teil alt bewährt. So greift er beispielsweise als erste konkrete Mnemotechnik eine Methode auf, die auf die Antike zurückgeht und Zahlen Bilder zuteilt. Nur die verwendeten Bilder sind zum Teil an die Neuzeit angepasst.

Obwohl Frank erst nach 100 Seiten zum Übungsteil übergeht und sich davor mit der Theorie auseinandersetzt, lässt er immer wieder Beispiele aus seiner Berufserfahrung einfließen. Dem Leser bleibt zu wünschen, dass sich dieser Theorieteil an die 20 Minuten-Einheiten des Speedlearnings halten würde, jedoch stellt der eigenständige Transfer wohl bereits den ersten Übungsschritt dar und tut dem Buch somit keinen Abbruch.

Obwohl 10 Wochen ein ehrgeiziges Ziel zu sein scheinen, um etwas so komplexes wie eine neue Sprache zu lernen, versucht Frank ein realistisches Bild dessen aufzuzeigen, was dies für den Lernenden bedeutet. Er bricht das zu Lernende auf das Wesentliche herunter, das nötig ist, um sich in einem Wissensbereich zurechtzufinden und konzentriert sich darauf. Dabei ist vor allem der Grund, warum man etwas lernen möchte im Auge zu behalten, um sich für diesen Zeitraum gegen etwaige Probleme und Ablenkungen zu wappnen: Die fünf ‚Apokalyptischen Reitern‘, wie Frank sie nennt.

Sven Franks Speedlearning rüttelt an all jenen Methoden, durch die der durchschnittliche Leser bisher sein Wissen erworben hat. Wer bereit ist, sich auf neue Lerntechniken einzulassen und seine bisherige Art zu lernen zu hinterfragen, dem kann Speedlearning wärmstens empfohlen werden.


Rezension erstmals erschienen auf LizzyNet

Veröffentlicht am 11.04.2020

Gedichte aus den Jahren 1942–1967

Liebe: Dunkler Erdteil
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Es dauerte nach dem Tod von Ingeborg Bachmann im Jahre 1973 kaum vier Jahre, bis der nach ihr benannte Ingeborg-Bachmann-Preis 1977 zum ersten Mal verliehen wurde.

Seitdem wird der Preis einmal im Jahr ...

Es dauerte nach dem Tod von Ingeborg Bachmann im Jahre 1973 kaum vier Jahre, bis der nach ihr benannte Ingeborg-Bachmann-Preis 1977 zum ersten Mal verliehen wurde.

Seitdem wird der Preis einmal im Jahr verliehen und ist zu einer der bedeutendsten literarischen Auszeichnungen im deutschen Sprachraum geworden.

Liebe: Dunkler Erdteil enthält Gedichte des Zeitraums als Bachmann ungefähr 16 Jahre alt war bis hin zu Gedichten, die sechs Jahre vor ihrem Tod entstanden sind. Viele der Gedichte des Buches sind bislang noch nicht veröffentlicht gewesen und aus ihrem Nachlass entnommen. Im Anmerkungsteil des Buches ist jedoch für jedes Gedicht angegeben, woher es stammte und ob andere Bearbeitungsstufen vorliegen.

Der chronologische Aufbau des Gedichtbandes ermöglicht es, den Veränderungen der Gedichte über die Jahrzehnte beizuwohnen. Doch fallen neben der Veränderung der Gedichte vor allem die ihnen gleichbleibenden Elemente auf.

Ingeborg Bachmanns Gedichte scheinen stets gefüllt zu sein von einem Lyrischen Ich, dessen Gedanken und Gefühle ihren Gedichten Struktur und Leben geben.

Bachmanns Gedichte sind gleichzeitig von Leichtigkeit und einer Schwere erfüllt. Während die Leichtigkeit vor allem durch ihre klare Struktur und ungekünstelte Form kommt, erwächst die Schwere aus ihrem Inhalt. Das Dunkle, Verlorene, nicht recht dazugehörende findet in einigen ihrer Gedichte Gestalt.
So laden die in diesem Band zum Teil erstmals abgedruckten Werke auch heute, über 45 Jahre nach ihren Tod, noch dazu ein, gelesen zu werden.

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