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Veröffentlicht am 12.05.2020

Ein spannendes Mysterium wird aufgedröselt.

Das Dorf der toten Seelen
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„Kind von…“ ist immer schwierig. Naja, fast immer. Im Falle von Joe Hill würde es mich beispielsweise nicht wundern, wenn jener es schafft, in Sachen Erfolg und Ruhm am Ende seines Lebens mit seinem Vater ...

„Kind von…“ ist immer schwierig. Naja, fast immer. Im Falle von Joe Hill würde es mich beispielsweise nicht wundern, wenn jener es schafft, in Sachen Erfolg und Ruhm am Ende seines Lebens mit seinem Vater gleichgezogen zu haben, und ganz allgemein scheinen die King-Kinder zu beweisen, dass Schreibtalent durchaus vererbbar ist.
In diesem Fall weiß ich gar nicht, wann ich dereinst ein Buch von Viveca Sten gelesen habe oder ob ich das überhaupt je getan habe? Ich meine ja, würde es aber nicht beschwören. Aber ein Blick auf Viveca Stens Bibliografie sowie ein Blick auf den Klappentext zum „Dorf der toten Seelen“ macht es relativ offensichtlich, dass Camilla Stens hier eher abseits der mütterlichen Genrepfade schreibt; die Kurzbeschreibung würde da viel eher Vergleiche mit John Ajvide Lindqvist anbieten, so dass „Tochter der Bestsellerautorin Viveca Sten“ da eher wie reines Namedropping anmutet. Aber; im Zweifel für den Angeklagten; vielleicht will/wollte man die verwandtschaftlichen Verhältnisse in diesem Fall auch nur deswegen nochmals ganz besonders hervorheben, damit zum Beispiel die Besucher potentieller Lesungen durch die immense Ähnlichkeit zu Viveca Sten nicht irritiert sind (entsprechend Joe Hills, der ganz offensichtlich unter Pseudonym schreibt und gemäß eigener Angaben anfangs für solche Anlässe sogar einen Schauspieler engagieren wollte, damit nur niemandem auffiele, dass Joe Hill Stephen King wie aus dem Gesicht geschnitten ist).
Nun gut, ich schätze John Ajvide Lindqvist als Autor sehr und da die Beschreibung nach etwas klingt, was auch er geschrieben haben könnte (weswegen ich „Das Dorf der toten Seelen“ übrigens überhaupt erst hatte lesen wollen), muss es jetzt jenen Vergleich über sich ergehen lassen – und ich sage es direkt: Bei John Ajvide Lindqvist wäre der Roman vermutlich doch noch deutlich ausschweifender geworden, aber im Allgemeinen hält dieses Werk von Camilla Sten dem Vergleich durchaus stand. Ich bin zwar nicht völlig hingerissen von der Geschichte, hoffe aber, dass Camilla Sten sich auch weiterhin in diesem Bereich paranormal anmutender Thriller bewegen wird, denn solch ein weiteres Buch von ihr würde ich definitiv gerne lesen wollen!

„Das Dorf der toten Seelen“ ist achronologisch erzählt; zwischen den Sequenzen, in denen Alice und ihr Team sich im seit Jahrzehnten unbewohnten Silvertjärn bewegen, um erste Filmaufnahmen zu machen und womöglich Hinweise auf den Verbleib der damaligen Dorfbewohner zu entdecken, gibt es immer wieder Szenen, in denen Briefe wiedergegeben sind, die vor Allem deren jüngere Schwester damals an die fortgezogene Großmutter Alices geschrieben hat, oder in denen ein Rückblick auf Alices Urgroßmutter in den Tagen vor dem Verschwinden der gesamten Dorfbevölkerung, von der lediglich ein Neugeborenes im Ort zurückgelassen worden war, geworfen wird. Da muss man sich grade zunächst ein wenig mehr konzentrieren, da dementsprechend auch in relativ kurzer Zeit vergleichsviele Namen fallen. Allerdings sind die Figuren prinzipiell eher sehr einzigartig charakterisiert, dass man ein entsprechendes Personenregister rasch im Kopf hat: Lediglich die beiden Männer in Alices Team fand ich relativ austauschbar.

Die Geschichte des Ortes ist sehr spannend; von Anfang an erleben Alice und ihre Mitstreiter immer wieder Momente, die sie an ihrem Verstand zweifeln lassen: Fast alle von ihnen glauben bald, im Ort doch noch wen gesehen zu haben (aber das nach 60 Jahren, in denen der Ort völlig verwittert und verwildert ist?!) oder hören Geräusche, die es innert der Geschichte fast schon wahrscheinlich wirken lassen, dass sich hier unterschiedliche Dimensionen überlappen. Alles scheint sehr mystisch zu sein – tatsächlich gibt es letztlich eine mehr oder minder irdische Erklärung für das plötzliche Verschwinden der Dorfbewohner, wobei ich mich mit der Auflösung insofern ein bisschen schwertat, dass mir ein bestimmter Aspekt (den ich nicht spoilern will) dann doch zu sehr Badass zu sein schien als dass er nach all den vergangenen Jahrzehnten noch eine solche Gefahr für ein paar Endzwanziger darstellen konnte. Das war dann wiederum doch fast schon übernatürlich. ;) Allerdings war das mein einziger Wehmutstropfen; ich habe nun das eBook gelesen und die gedruckte Ausgabe soll gar über 450 Seiten verfügen, was mir nun sehr viel vorkommt bzw. ich hätte darauf wetten mögen, dass dieser Roman in der Printfassung keine 300 Seiten lang wäre. Denn es war wirklich problemlos und sehr kurzweilig in einem Rutsch wegzulesen und ich wollte mich schon fast darüber beklagen, dass Camilla Sten ruhig auch etwas ausschweifender hätte werden können als die Geschichte so kurz zu fassen – aber angesichts von rund 450 Buchseiten bin ich da nun lieber doch ganz, ganz still.

Eine definitive Leseempfehlung aber alle, die etwas düsterere, mystischere, paranormalere… Erzählungen aus dem skandinavischen Bereich favorisieren, welche Psychothrill und Abenteuergeschichten kombinieren!

Veröffentlicht am 15.04.2020

Für die Ultra-RomantikerInnen unter den LeserInnen

Rendezvous in zehn Jahren
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Eigenschaften, die „Rendezvous in zehn Jahren“ einer –begeisterten- Leserschaft abverlangt: Romantik, eher exzessiv als dezent, und absolute Schicksalsgläubigkeit. Denn „Rendezvous in zehn Jahren“ ist ...

Eigenschaften, die „Rendezvous in zehn Jahren“ einer –begeisterten- Leserschaft abverlangt: Romantik, eher exzessiv als dezent, und absolute Schicksalsgläubigkeit. Denn „Rendezvous in zehn Jahren“ ist letztlich so überbordend romantisch; auch wenn die Geschichte sich redlichst bemüht, nicht allzu kitschig zu wirken; dass es hier einfach gar keine Zufälle gibt, die es nicht gibt. Es gibt hier wirklich unfassbar viele Szenen, in denen man denkt: „Klar, natürlich lauft ihr grade aneinander vorbei!... Klar, natürlich bist du nun die Person, die dies oder jenes tut!... Klar, natürlich unternehmt ihr gleichzeitig Dasselbe!...“, und in denen die Hauptfiguren einander tragischerweise doch immer wieder verfehlen, dass es dann doch völlig überzogen gewirkt haben würde, wäre der Roman noch länger gewesen. Aber ist man eben nicht mit einer überaus ausgeprägten romantischen Ader ausgestattet, wird einem „Rendezvous in zehn Jahren“ definitiv ohnehin völlig verklärt und konstruiert vorkommen; da stellt dieses Buch wirklich eher eine Art romantischer Alltagsflucht dar.

Eingangs habe ich allerdings selbst ein wenig mit der Lektüre gehadert, da mir die Geschichte auf den ersten paar Seiten viel zu hölzern erzählt war; und zwar so hölzern, dass ich das Lesen des Romans schon fast mit einem klaren „Nee, definitiv nicht meins; zu abgehackt und unecht wirkender Erzählstil“ im Kopf aufgeben wollte, aber kurz darauf wirkte es plötzlich so als habe sich Judith Pinnow erst warmschreiben müssen: Mit einem Mal las sich aber auch für mich alles flüssig.
Insgesamt ist „Rendezvous in zehn Jahren“, wie gesagt, eine romantische Alltagsflucht für mich gewesen; ich bin nicht hellauf begeistert, die Handlung hat mich nicht vollauf gefesselt, auch wenn es an mancher Stelle durchaus spannend war, zu rätseln, ob bis zum Wiedersehen von Ted und Amelie tatsächlich die ursprünglich verabredeten zehn Jahre vergehen würden. Ich würde auch Judith Pinnow nun nicht plötzlich zu meinen Lieblingsautorinnen erzählen und wenn ich es ganz recht bedenke, war „Rendezvous in zehn Jahren“ nun weniger großer Liebesroman für mich als kurzweilige Liebesschmonzette oder anders gesagt: ein ganz solider, nett zu lesender Groschenroman, zumal in meinen Augen auch die Figuren sehr an der Oberfläche blieben. So betrachtet bin ich letztlich auch gerne bereit, vier Sterne in der Gesamtwertung zu vergeben, auch wenn ich einer eventuellen Empfehlung doch recht zwiespältig gegenüberstehe: Zum Buch raten will ich hier definitiv ausschließlich Denjenigen, die vollauf von Romantik, Schicksal, Vorherbestimmung etc. überzeugt sind, denn das ist vermutlich exakt die Leserschaft, auf die „Rendezvous in zehn Jahren“ abzielt.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via #NetGalleyDE, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 26.03.2020

Die (Berliner) Künstlerszene der 1920er/1930er

Die Königin von Berlin
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Ich bin eine sehr große Anhängerin von Romanbiografien; in der Hinsicht ist Lewinskys „Gerron“ im Übrigen mein Heiliger Gral und da sammelte „Die Königin von Berlin“ nun weitere Extrapunkte bei mir, da ...

Ich bin eine sehr große Anhängerin von Romanbiografien; in der Hinsicht ist Lewinskys „Gerron“ im Übrigen mein Heiliger Gral und da sammelte „Die Königin von Berlin“ nun weitere Extrapunkte bei mir, da letztlich auch Gerrons Name immer mal wieder genannt wurde – obschon Kurt Gerron in diesem Roman weiterhin nun eher völlig außen vor ist.

Ehe ich diesen Roman las, war mir Carola Neher völlig unbekannt, weswegen der überschwängliche Klappentext mich zunächst etwas irritierte, der für mich immer noch so wirkt als müsse man Carola Nehers Namen zweifelsohne und ganz unbedingt kennen. Tue bzw. tat ich aber nicht. Mit Klabund konnte ich etwas anfangen, mit Bertolt Brecht konnte ich noch mehr anfangen, aber Carola Neher war bislang tatsächlich komplett an mir vorbeigegangen. Weiterhin kommen im Roman später noch sehr viele der damaligen und auch heute noch großen Namen vor (Frank Wedekind, Gottfried Benn, Else Lasker-Schüler…), die ich alle konkret einordnen konnte, aber Carola Neher? Nie gehört, oder wenn doch, dann zumindest nicht weiter erinnert. Für mich war die große Frage da eher: Wie konnte Carola Nehers Name so sehr in Vergessenheit geraten, wenn sie doch zur damaligen Zeit eine solch große Nummer war, während man ihre „Mitprominenten“ durchaus noch im Gedächtnis hat?
Diese Frage hat sich für mich persönlich auch nach der Lektüre nicht beantwortet; es scheint mir, als habe man irgendwann einfach aufgehört, von ihr zu sprechen. Aus den Augen, aus dem Sinn sozusagen.

Mir hat „Die Königin von Berlin“ allerdings sehr gut gefallen, nicht nur, weil ich so Carola Neher „kennenlernen“ durfte, sondern weil ich die beschriebenen Dynamiken zwischen den diversen damaligen Künstlern ungemein faszinierend fand. Tatsächlich fand ich in diesem Fall weniger Carola Neher, also die eigentliche Hauptfigur des Romans, spannend, sondern eher, aus wie vielen superberühmten Namen sich die Künstlerszene damals überhaupt zusammensetzte. Mir ist während des Lesens erst so richtig bewusst geworden, wer eigentlich zu welcher Zeit gleichzeitig gelebt und gewirkt hatte.
Ich habe die so bezeichnete „Königin von Berlin“ generell einfach nicht so sehr als das Zentrum des Romans empfunden, wozu auch beigetragen haben mag, dass mir die Erzählposition eher distanziert erschienen ist; nicht ganz weit weg, aber eben auch nicht wirklich nah an Carola Neher, wobei auch mir die hier wichtigen Nebenfiguren eher oberflächlich beschrieben schienen. Um auf „Gerron“ von Lewinsky zurückzukommen: Jene Romanbiografie wirkte auf mich sehr viel persönlicher und intimer, aber hier könnte man natürlich auch sagen, dass Charlotte Roth es einfach nicht gewagt hat, den real existiert habenden Personen bestimmte Worte in den Mund zu legen oder ihnen spezifische taten ganz definitiv zuzuschreiben. Da ist „Die Königin von Berlin“ definitiv sehr viel vorsichtiger gehalten. Ein bisschen persönlicher würde ich mir den Roman durchaus gewünscht haben, aber er ist eben ein wunderbarer Einblick in die damalige Künstlerszene, die insbesondere in Berlin vorherrschte.

Wer da einen speziellen Hang zur, auch literarischen, Kultur hat, wird sich sicherlich ganz generell auch an diesem Roth-Roman erfreuen können!



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 03.03.2020

Gut geklaut ist auch nicht schlimm?

Familie von Stibitz - Der Riesenlolli-Raub
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Auch in diesem Fall finde ich die Altersempfehlung von 8 Jahren recht hoch angesetzt; dieses Buch kann man ganz gut auch schon 5Jährigen vorlesen und weiterhin ist es eben ein ganz nettes Buch zum ersten ...

Auch in diesem Fall finde ich die Altersempfehlung von 8 Jahren recht hoch angesetzt; dieses Buch kann man ganz gut auch schon 5Jährigen vorlesen und weiterhin ist es eben ein ganz nettes Buch zum ersten Selberlesen: Die Illustrationen sind toll, da ist das Buch wirklich gut gemacht, und die Geschichte ist auch recht unterhaltsam. Für mich krankt sie allerdings ein wenig daran, dass die Familie von Stibitz wirklich ausschließlich vom Stibitzen, sprich: von Diebstahl, lebt; zwar gibt es im Vorfeld einen Hinweis, dass man das mit dem Stibitzen lieber unterbleiben lässt, weil es zum Einen nicht nett ist und zum Anderen den Dieb ins Gefängnis bringen kann, aber es war halt wie eine der obligatorischen „Bitte nicht nachmachen“-Einblendungen im Fernsehen – ja, vielen Dank auch, liebes Privatfernsehen, sonst würde ich gleich versucht haben, auch mal ein brennendes Messer zu schlucken. Aber auch, wenn euer Moderator das mit einem „Liebe Kinder…“ nochmals explizit sagt, fragt das fünfjährige Kind neben mir dennoch: „Warum? Ist das gefährlich? Der Typ da macht das doch auch ganz einfach?“
In diesem Fall ist zumindest die Stibitz-Oma tatsächlich im Kittchen gelandet, was kurz erwähnt wird, aber das mag in Kinderohren auch eher nach Urlaub klingen; zumindest las sich diese Szene in diesem Buch nicht so als solle man sein Bestes tun, zu vermeiden, im Knast zu landen.
„Stibitzen“ klingt ja auch eher niedlich und harmlos, eher nach „ich klau dir beim Essen ein Pommesstäbchen vom Teller“, was in dieser Geschichte zweifelsohne eine Pfui-Stibitzerei wäre: Ja, die Familie von Stibitz unterteilt in Hui- und Pfui-Stibitzereien, wobei eine lobenswerte Hui-Stibitzerei dann schon Dinge meint wie: „Ich bin wo eingebrochen und hab den Flat-TV geklaut.“

Der kleine Ture ist das schwarze Schaf der Familie, denn er mag nicht klauen und findet außerdem den Nachbarn, der noch dazu Polizist ist, sehr sympathisch. Im „Riesenlolli-Raub“ stellt sich letztlich heraus, dass man mit Ehrlichkeit und Freundlichkeit auch seine Ziele erreichen bzw. seine Wünsche verwirklichen kann; da gibt es also eine Moral von der Geschicht‘, aber das unmoralische Verhalten wird im Gegenzug eben nicht wirklich niedergemacht, weswegen die moralische Aussage für mich nicht so richtig herausgehoben wurde. Da gibt es hier also durchaus noch Diskussionspotential.
„Der Riesenlolli-Raub“ ist zwar nun der Auftakt einer Reihe, von daher ist einerseits zu erwarten, dass nicht gleich alle kriminellen Mitglieder der Familie einfahren, aber andererseits ist das so ziemlich das, was auch den Panzerknackern in den Lustigen Taschenbüchern eigentlich prinzipiell widerfährt; machbar wäre es also schon.

Wie gesagt: Die comichaften Illustrationen sind super, das Buch ist sehr unterhaltsam und durchaus auch spannend, da man eben während der ganzen Zeit mitfiebern kann, ob Ture sein Wunschgeschenk erhalten wird oder ob die Familie von Stibitz auf einem ihrer Raubzüge plötzlich von der Polizei begrüßt wird. Man kann sich natürlich drüber streiten, ob Kinder aus Büchern unbedingt etwas lernen müssen bzw. ob jede Geschichte eine echte Moral haben muss, aber mir war das Unmoralische hier einfach viel zu sehr priorisiert. Ich würde mich hier schwer damit tun, das Kind einfach lesen zu lassen, ohne mit ihm noch über den Inhalt zu reden – zumal das Kind durchaus selbst auch noch Fragen haben kann, denn an zumindest einer Stelle ist die Geschichte absolut unlogisch und da wird mein 5jähriger Neffe nicht das einzige Kind sein, das fragt, wieso die Polizei denn dann nicht einfach selbst vom Tatort aus losmarschiert und schaut, wohin der Tunnel denn so führt, den die von Stibitzens heimlich von ihrem eigenen Keller aus gegraben haben?! Ja, das war zwar eine recht (irr)witzige Szenerie, zumal sie sehr überzogen war, aber da wusste ich nun auch nicht, wieso die Familie von Stibitz da nicht geschnappt können werden sollte.

Der kurzweiligen Unterhaltung wegen vergebe ich dennoch vier Sterne, zumal ich darauf hoffe, dass das Stibitzen im nächsten Teil der Reihe dann doch auch sehr viel deutlicher verurteilt werden wird. Ein paar hoffnungsvolle Vorschusslorbeeren stecken in diesen (eigentlich eher 3,5) Sternen also schon.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 22.02.2020

Vom Glauben, vom totalen Glauben, vom wenig Glauben...

Ein wenig Glaube
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Vor der Lektüre war mir bereits bekannt, dass die Handlung von „Ein wenig Glaube“ lose an tatsächliche Geschehnisse angelehnt ist, wobei ich nicht wusste, an was genau; im Anschluss an den Roman wird darauf ...

Vor der Lektüre war mir bereits bekannt, dass die Handlung von „Ein wenig Glaube“ lose an tatsächliche Geschehnisse angelehnt ist, wobei ich nicht wusste, an was genau; im Anschluss an den Roman wird darauf hingewiesen, welche Begebenheit hier als Inspiration diente und ich fand es, im Nachhinein betrachtet, sehr gut, dass ich zwar von vornherein wusste, dass zumindest „sowas Ähnliches“ wirklich passiert sein musste, ich das aber nicht genauer eingrenzen konnte. Ich denke, hätte ich vor der Lektüre bereits gewusst, was genau in unserer Realität passiert war, hätte mich der Roman deutlich weniger gefangengenommen: So dachte ich nach ungefähr dem ersten Drittel: „Bitte, bitte nicht das!“, als mir sehr, sehr Übles schwante. Nach ungefähr der Hälfte hatte ich einen anderen, nicht minder deprimierenden, Verdacht, auf was „Ein wenig Glaube“ hinauslaufen könnte und diese Spannung passte gut zur Atmosphäre, die „Ein wenig Glaube“ auf mich ausstrahlte. Wer leicht getriggert ist, sollte aber wohl unbedingt zuvor in Erfahrung bringen, welche reale Begebenheit hier zu Grunde liegt, denn unterschwellig suggeriert die Handlung ohne jedwede Pause, dass da alle Schlechtigkeiten hochkochen könnten.

„Ein wenig Glaube“ wirkte auf mich sowohl trostlos als auch bildgewaltig; ich hatte ständig eine eher eintönige, abgelegene Landschaft vor Augen, in der ständig Steppenläufer, häufiger als Autos, die Straßen kreuzten und in der das Leben noch beschaulich war – da schlug dann Shilohs Glaubensgemeinschaft, die sich neuerdings in der nächsten Stadt niedergelassen hatte, nahezu wie eine Bombe ein und mischte zumindest das Leben von Shilohs Adoptiveltern, bei denen sie, zumindest vorläufig, mit ihrem kleinen Sohn Isaac erneut eingezogen war, deutlich auf. Ihre Mutter scheint eher ruhig und fürsorglich, bleibt in der Geschichte aber eher im Hintergrund; die Handlung konzentriert sich sehr stark auf Lyle als Dreh- und Angelpunkt. Lyle hat sich schon vor Langem von seinem christlichen Glauben gelöst; als Atheist würde ich ihn nicht bezeichnen, eher als Agnostiker; was hier zum Konfliktmotiv wird, denn Shiloh hat sich eben zwischenzeitlich dieser obskuren Glaubensgemeinschaft angeschlossen, mit deren Priester Steven sie anbändelt – die Gruppierung ist streng gläubig, streng christlich und der kleine Isaac wird von Steven als „Heilsbringer“ angepriesen, der Leute durch Handauflegen heilen kann und über den gebetet wird. Isaac wird also quasi ein Heiligenstatus angedichtet und während ihm die Teilnahme an den Gottesdiensten immensen Spaß bereitet; immerhin trifft er da regelmäßig auf Gleichaltrige; überfordert ihn sein neuer „Status“ bald und Lyle und Peg sehen besorgt, wie sehr sich Isaac plötzlich verändert und zudem geht es ihm auch körperlich immer schlechter, was von Shiloh und ihrem neuen Partner aber abgetan wird, die überzeugt sind, dass alles gut wird, wenn man nur (für Isaac) betet. Schlimmer noch: Lyle, der sich gemeinsam mit Peg sogar auf Besuche der Gottesdienste, die Steven in einem stillgelegten Kino abhält, eingelassen hat, wird aufgrund seines mangelnden Glaubens plötzlich brüsk von Shiloh verwiesen, da seine Zweifel quasi „Satan einladen“ und Gott nicht wirken lassen. Lyle ist daraufhin der Verzweiflung nah, zumal sein Enkel und er bis dahin immer absolut dicke miteinander gewesen waren; soll er etwa einfach vorgeben, zurück zum Glauben gefunden zu haben? Aber Stevens Gruppierung wirkt so extrem und auch die einst rebellische Shiloh gibt sich plötzlich als bibeltreue, dem Mann unterworfene Dienerin, wobei alles erahnen lässt, dass sie hemmungslos manipuliert wird und sich tatsächlich selbst eher unwohl fühlt… Die Religion fungiert hier quasi als ein Damoklesschwert, als schmaler Grat, über den gewandert wird. Dabei habe ich „Ein wenig Glaube“ nun weder als pro Religion noch als anti Religion empfunden, sondern eher als Plädoyer abzuwägen, was man guten Gewissens tolerieren kann und wo man besser eine Grenze zieht. Aber klar, die Kritik am Auftreten der beschriebenen Glaubensgruppierung ist deutlich, bezieht sich aber vor Allem darauf, dass man professionelle (medizinische) Hilfe von außen ablehnt und da eher ausschließlich auf „die Kraft der Gebete“ zurückgreift.

„Ein wenig Glaube“ ist nicht nervenzerreißend spannend und auch, wenn es letztlich sehr dramatisch wird, ist die Geschichte doch keinesfalls überzogen; insgesamt habe ich den Roman als leises Familiendrama, das in einem deutlichen Höhepunkt mündet, empfunden. Interessant, nachdenklich machend und gut geschrieben wird „Ein wenig Glaube“ wohl zwar dennoch nicht zu einem meiner Allzeitlieblingsbücher werden; dazu hat es mich dann doch etwas zu wenig beeindruckt, aber insgesamt handelt es sich hierbei eben doch auch um Literatur, die ich vermutlich mit den Jahren nicht einfach vergessen werde.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]