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Veröffentlicht am 09.05.2020

Ausdrucksstark und intensiv

Knock Out! (Graphic Novel)
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Als ich mit Knock Out! begann, kannte ich die Geschichte von Emile Griffith nicht, was schade ist, da der Fall eigentlich von großer Bedeutung ist. Emile arbeitete in einer Hutfabrik und hatte großen Spaß ...

Als ich mit Knock Out! begann, kannte ich die Geschichte von Emile Griffith nicht, was schade ist, da der Fall eigentlich von großer Bedeutung ist. Emile arbeitete in einer Hutfabrik und hatte großen Spaß daran, neue Kollektionen zu entwerfen, als ihn sein Chef – ein ehemaliger Amateur-Boxer – mit dem Ring bekannt macht. Er nahm Emile mit zum Training, ließ ihn ein paar Schläge üben und erkannte schnell, dass er sehr talentiert war. Emile war vom Boxen allerdings nicht so begeistert: Er wollte niemandem weh tun und verstand nicht, wie es Leuten Spaß machen konnte, sich gegenseitig zu verletzen. Doch seinem Chef zuliebe ließ er sich darauf ein und erkannte bald selbst, dass er außergewöhnlich gut war.

Er nahm an vielen Wettkämpfen und Meisterschaften teil, die er so gut wie alle gewann. Seine Siege halfen ihm außerdem bei seinem Job in der Hutfabrik – immer mehr Menschen kauften seine Kollektionen. Doch dann begegnete er Benny Paret und alles wurde anders. Bei ihrem ersten Kampf musste sich Paret geschlagen geben. Zutiefst in seinem Ego verletzt begann er, Griffith mit homophoben Beleidigungen außer Gefecht zu setzen. Und sein Plan zeigte Wirkung: Den zweiten Kampf gewann Paret. Doch die Beschimpfungen hörten nicht auf. Immer wieder nutzte Paret die Gelegenheit, Emile emotional zu schwächen. Bei ihrem dritten Kampf eskalierte dann alles: Emile zwang Benny Paret in eine Ecke und schlug immer wieder auf ihn ein. Seine Verletzungen waren so stark, dass er ins Koma fiel und wenige Tage später starb und Griffiths Leben änderte sich schlagartig – der ehemals gut gelaunte, beliebte Hutdesigner und talentierte Boxer wird zum Mörder und nicht nur seine Karriere droht zu zerbrechen.

Die Graphic Novel von Reinhard Kleist ist durchgehend in schwarz-weiß gehalten, was zum einen die Intensität der Geschichte unterstreicht, zum anderen aber auch zeigt, dass Emiles Leben genau das war: schwarz-weiß. Entweder Boxer in der Sportler- und Macho-Welt oder homosexueller Hutdesigner – vereinen konnte er seine beiden Leben nicht. In beeindruckenden Bildern zeigt Reinhard Kleist die Verwirrung und Unentschlossenheit Emiles, indem er sie teilweise vor dem Auge miteinander verschwimmen lässt. Die Pinselstriche sind in ernsten, energiegeladenen Situationen präzise und deutlich, in Momenten in denen Emile über sein Doppelleben und seine Handlungen nachdenkt sind sie ungenauer. Dies führt vor allem auch dazu, dass man als Leser eine viel engere Bindung zur Geschichte aufbauen kann und die Gefühle von Emile in sich aufsaugt. Das Vorsatz ist im Vergleich zum Rest der Graphic Novel farblich gestaltet: Zu Beginn in rot, man begleitet Emile in den Ring und bereitet sich auf den Kampf vor. Am Ende in blau, Emile sitzt verzweifelt auf einer Bank, geschockt, welche Konsequenzen der Sport und die Medien, die ihn umgeben, haben können. Rot und Blau – die Farbe der Wut, Gefahr und Dynamik vs. die Farbe der Ruhe, Kälte und Lüge. Ein Sport, zwei Emotionen. Ein Mann, zwei Leben.

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Veröffentlicht am 04.05.2020

Turbulent, erfrischend und echt

Until we fall
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Winnie ist genau wie ich: Ihre Apps auf dem Telefon hat sie in verschiedene Ordner sortiert, sie arbeitet mit einer To-Do-Liste und ist stur, wenn es darum geht, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Noch ...

Winnie ist genau wie ich: Ihre Apps auf dem Telefon hat sie in verschiedene Ordner sortiert, sie arbeitet mit einer To-Do-Liste und ist stur, wenn es darum geht, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Noch dazu ist sie unglaublich unsportlich, aber da sie die Buchhaltung ihrer Familienorganisation Burnaby Association for Kids and Teens (BAKT) übernimmt, muss sie auch nicht sonderlich beweglich sein. Dachte sie. Zu Beginn des Romans wird ihr nämlich verkündet, dass ihre Cousine, die sonst immer die Kindertanzgruppe geleitet hat, wegen einer Verletzung am Fuß für längere Zeit ausfällt und Winnie ist die einzige, die einspringen kann. Was soll schon schief gehen? Nun … alles.

Schleppend fügt sich Winnie in die Tanzgruppe ein und sie muss sich eingestehen, dass die Kinder die Tänze sogar besser beherrschen als sie selbst. Auch das wäre kein Problem, wenn sie nicht auf einen öffentlichen Auftritt hinarbeiten würden. Man könnte von Glück sprechen, dass plötzlich Jonathan Montague in der Stiftung auftaucht und Winnie unterstützen soll – jedoch sieht Winnie das ganz anders. Jona ist Eishockey-Spieler und wurde zur Strafarbeit verdonnert. Noch dazu ist er fürchterlich unzuverlässig und das komplette Gegenteil von Winnie. Ob das gut geht?

Until We Fall ist eines dieser Bücher, die beim Lesen richtig Spaß machen. Die Dynamik zwischen Winnie und Jona ist schon beim ersten Aufeinandertreffen statisch geladen und dies zieht sich bis zum Ende des Romans. Genau wie beim Tanzen drehen sie sich von einer Richtung in die nächste, nähern sich an und entfernen sich sofort wieder voneinander. Sie kooperieren gut, nur leider scheinen ihre Gegensätze immer weiter in den Vordergrund zu rücken. Es entsteht eine Achterbahn der Gefühle, die auch den Leser von Seite zu Seite mitfiebern lässt. Until We Fall ist turbulent, erfrischend und echt. Die Geschichte zeigt, wie kompliziert Beziehungen sein können und dass sich Gegenteile nicht immer anziehen. Nicht immer kann man sich „entgegen aller Umstände“ auf eine Person einlassen und ich fand es toll, dass Winnie und Jona kein typisches Klischee-Pärchen sind, die allen Widrigkeiten trotzen. Sie sind launisch, temperamentvoll und stur und spiegeln wunderbar die Höhen und Tiefen einer sich entwickelnden Beziehung dar. Durch die wechselnden Perspektiven von Winnie und Jona fiel es mir außerdem sehr leicht, in die Geschichte einzusteigen – ich konnte mit ihnen lachen, mich aufregen, verzweifeln und musste manchmal auch die Augen verdrehen. Until We Fall ist ein aufregender Tanz, dessen Rhythmus und Musik ich noch eine Weile im Kopf haben werde.

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Veröffentlicht am 16.04.2020

Erschreckend realitätsnah, fesselnd und ermutigend

Drei Leben lang
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Drei Leben lang von Felicitas Korn ist erschreckend realitätsnah, fesselnd, ermutigend und doch auch ziemlich ernüchternd. Der Roman handelt von drei Kerlen, von drei verschiedenen Leben und doch teilen ...

Drei Leben lang von Felicitas Korn ist erschreckend realitätsnah, fesselnd, ermutigend und doch auch ziemlich ernüchternd. Der Roman handelt von drei Kerlen, von drei verschiedenen Leben und doch teilen sie alle ein Schicksal: Sie müssen ums Überleben kämpfen und Felicitas Korn zeigt, dass es vor allem unsere Entscheidungen sind, die unser Leben für immer verändern und beeinflussen können.

Michi und seine Schwester Xandra haben von einem Tag auf den nächsten ihre Eltern verloren und befinden sich nun im Heim. Michi will alles dafür tun, um zu verhindern, dass er und seine Schwester getrennt und in verschiedene Unterkünfte gebracht werden, doch sein guter Wille kommt bei allen umstehenden Personen leider nicht so an, wie er es sich erhoffte.
Unterdessen scheint der King das Leben zu führen, von dem er immer geträumt hat: großes Haus, viel Geld, jede Nacht eine andere Frau. Wie er sich das Geld jedoch verdient ist alles andere als ehrenhaft und über die Jahre hat er sich den falschen Mann zum Feind gemacht. Schon bald wird er seinem Spitznamen „der King“ nicht mehr gerecht und er sieht ein, dass es nicht mehr nur um Geld und Macht geht, sondern vor allem auch um sein Leben und seine Existenz.

Loosi kann davon ein Lied singen. Schon lange ist er dem Alkohol verfallen und das Glück gibt ihm nicht mehr viele Chancen, um den Kampf gegen die Droge zu gewinnen. Wieso sollte er auch, denkt er sich, denn es gibt schon lange nichts mehr, für das es sich zu leben lohnt. Doch dann lernt er ein junges Mädchen in der Entzugsklinik kennen und verliebt sich Hals über Kopf. Schafft es die langersehnte Liebe, Loosi aus dem dunklen Loch zu ziehen, oder ist sie der letzte Tropfen Alkohol, den er nicht überleben wird?

Mit Michi, dem King und Loosi hat Felicitas Korn drei Charaktere geschaffen, die man zwar ab und zu auch in anderen Romanen findet, doch in Drei Leben lang wird nichts verschleiert. Die verschiedenen Geschichten zeigen, wie ein einziger Schicksalsschlag ausreicht, um das Leben und vor allem auch den Lebenswillen einer Person für immer zu verändern. Zwar werden in dem Roman drei unterschiedliche Perspektiven gezeigt, doch schon bald merkt man, dass Michi, der King und Loosi vor allem eins vermissen: Liebe. Liebe und die lebensrettende Magie, die sie mit sich bringen könnte.
Mir hat es gefallen, dass Felicitas Korn keine utopisch schöne Geschichte geschaffen hat. Viel zu oft liest man Bücher, in denen problematische Charaktere wie durch ein Wunder gerettet werden. Drei Leben lang ist anders. Der Roman zeigt auf direkte, schlagfertige und doch einfühlsame Weise, dass es nicht für jeden ein Happy End gibt und dass eine Geschichte genauso abrupt enden kann, wie sie begann.

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Veröffentlicht am 09.04.2020

Ehrlich, direkt und optimistisch

Quarterlife Crisis
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Quarterlife Crisis mag ich aus genau zwei Gründen: Die Gedicht- und Kurzgeschichtensammlung spricht zum einen Themen an, mit denen ich mich im Alltag immer wieder konfrontiert fühle, zum anderen sind sie ...

Quarterlife Crisis mag ich aus genau zwei Gründen: Die Gedicht- und Kurzgeschichtensammlung spricht zum einen Themen an, mit denen ich mich im Alltag immer wieder konfrontiert fühle, zum anderen sind sie so wunderbar ehrlich, direkt, optimistisch und zum Teil auch hoffnungslos romantisch, dass sie einem einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Max Osswald schreibt über Liebe – über die ganz große, ewige Liebe, über die vergangene Liebe und die, die nie hätte sein sollen – er schreibt von dem ewigen Streben nach Perfektion, dem wir alle mehr und mehr verfallen und wie sich keiner mit dem zufrieden geben kann, was er hat. Bei jedem Gedicht und jeder Geschichte fühlte ich mich persönlich angesprochen und habe hier und da Max‘ erhobenen Zeigefinger gespürt, mit dem er mir sagen wollte: „Gib nicht auf, das kannst du besser!“

Wenn es um Gedichte geht, bin ich ziemlich wählerisch. Shakespeare konnte mich leider nie zu hundert Prozent überzeugen, weil ich seine Werke mindestens dreimal lesen musste, um zu verstehen, was er mir sagen möchte. Lyrik muss für mich einfach sein und alles auf den Punkt bringen. Ich brauche keine wunderbar verschnörkelten Sätze, die zwar schön klingen, ich aber nicht verstehe. Max hat es geschafft (mal mit wenigen Worten, mal mit mehreren Seiten), mich zum Nachdenken anzuregen. Ich konnte mich auf die Gedichte einlassen und musste nicht in der Mitte stoppen, um noch einmal von vorn anzufangen.
Außerdem mochte ich die Aktualität der Themen. Max spricht das Streben nach mehr, die großen Gefühle, die wir manchmal viel zu sehr erzwingen und die Wegwerfgesellschaft, in der wir leben, ganz direkt an. Bei Gedichten muss man natürlich immer zwischen Autor und lyrischem Ich unterscheiden und trotzdem hatte ich teilweise das Gefühl, in jedem Vers auch ein bisschen über Max Osswald selbst zu erfahren. In Quarterlife Crisis habe ich mich verstanden gefühlt, mich auf jeder Seite wieder erkannt und würde es jedem weiterempfehlen, der auf Liebe, Freundschaft und Kitsch steht, aber zwischendurch auch mal ein ernstes Wort gebrauchen kann.

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Veröffentlicht am 01.04.2020

Spannend, emotional und unglaublich stark

Die Nachtigall
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Ganz offen gesagt bin ich kein Fan von historischen Romanen, die während der Zeit des zweiten Weltkriegs spielen. Ich finde das Thema sehr erschöpfend und habe das Gefühl, dass jeder zweite historische ...

Ganz offen gesagt bin ich kein Fan von historischen Romanen, die während der Zeit des zweiten Weltkriegs spielen. Ich finde das Thema sehr erschöpfend und habe das Gefühl, dass jeder zweite historische Roman zwischen 1939 und 1945 spielt. Als in meinem Buchclub dann Die Nachtigall von Kristin Hannah vorgeschlagen wurde, war ich die einzige, die dagegen stimmte. Ich wurde überboten und musste mich also auf das Buch einlassen und ich bin echt froh, dass ich es gewagt habe…

Die Nachtigall beginnt im Jahr 1939: Isabelle wurde (mal wieder) einer Schule verwiesen und kommt für einige Tage bei ihrem Vater in Paris unter. Vianne wohnt mit ihrem Mann Antoine und der gemeinsamen Tochter Sophie in Carriveau. Der zweite Weltkrieg hat bereits begonnen und nach einem Luftangriff auf Paris, wird Isabelle von ihrem Vater nach Carriveau geschickt. Dort soll sie bei ihrer Schwester wohnen und den Krieg so gut es geht überstehen. Doch Isabelle ist eine sture 18-Jährige, die es sich in den Kopf gesetzt hat, gegen die Deutschen zu rebellieren – nur widerwillig verlässt sie also Paris und macht sich auf den Weg zu Vianne.
Antoine wird unterdessen vom Militär einberufen und soll für Frankreich kämpfen. Vianne ist ab sofort mit ihrer Tochter allein, muss einen deutschen Offizier beherbergen und zusätzlich ihre kleine, aufmüpfige Schwester aufnehmen. Ganz anders als Isabelle, versucht sich Vianne den neuen Umständen zu fügen. Sie hört auf die Regeln der Deutschen und erregt so wenig Aufsehen wie möglich.

Es liegt also auf der Hand, dass die unterschiedlichen Schwestern immer wieder aneinander geraten: Isabelle will für Frankreich kämpfen, für Gerechtigkeit und den Sieg und kann ihre Abneigung gegenüber den Nazis nicht vor Hauptmann Beck, dem einquartierten Offizier, verbergen. So schnell wie die Schwestern zusammen gebracht wurden, trennen sich auch wieder ihre Wege. Isabelle schließt sich der Résistance an und Vianne gibt alles, um das Leben ihrer Tochter zu sichern. Fünf Jahre liegen vor den beiden Frauen, in denen sie sowohl körperlichen als auch seelischen Schmerz erleiden müssen, doch sie wachsen auch über sich hinaus und schaffen letztendlich das Unmögliche.

Ich habe lange überlegt, was mich an Die Nachtigall so gefesselt hat. War es der flüssige, lebendige Schreibstil, der mich sofort in die Geschichte gezogen hat? War es der Fokus auf mutigen und starken Frauenbildern, die die Handlung vorantreiben? Oder waren es die immer wieder auftretenden Gegensätze, die der Geschichte etwas Dynamisches verleihen? Letztendlich glaube ich, dass es eine Mischung aus allem war. In Die Nachtigall wird nichts harmonisiert. Kristin Hannah hat einen Roman geschaffen, der genauso frustrierend, ernüchternd, aber zwischendurch auch wieder hoffnungsvoll ist, wie ich mir die damalige Zeit vorstelle. Anders als bei einigen Weltkriegsromanen hatte ich bei Die Nachtigall nicht das Gefühl, dass alles unrealistisch fiktiv dargestellt ist, doch hier und da gab es ein paar unglückliche Szenen, die entweder nicht zur Charakterentwicklung der handelnden Person passten oder zu sehr an einen schnulzigen Liebesroman erinnerten. Das liegt allerdings daran, dass Kristin Hannah sich nicht auf das Kriegsgeschehen fokussiert, sondern auf die Personen – ihre Verbindungen zueinander, ihr Umgang mit der gegebenen Situation, ihre Gedanken und Gefühle. Die Nachtigall ist unfassbar emotional und beherbergt die verschiedensten Charaktere, die alle in die Geschichte passen wie die Faust aufs Auge. Danke an meinen Buchclub, ohne den ich dieses Buch wahrscheinlich nie in die Hand genommen hätte.

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