„Die Welt ist voller Leute, die glauben, sie wüssten es besser als Sie“, sagte er und schenkt in beide Gläser nach. […] „Es gibt immer jemanden, der glaubt, er hätte das Recht, Ihnen zu sagen, was Sie zu tun haben. Ärzte. Nachbarn. Die Polizei.“ Er wirft mir einen kurzen Blick zu. „All diese Leute, die über irgendwelche Rechte labern, über Freiheit und darüber, Teil der Gesellschaft zu sein. Gesellschaft, ha! In der Gesellschaft geht es nicht um die Freiheit, sondern darum, das zu tun, was einem gesagt wird.“
[S. 290]
Erster Satz:
Der Wagen fährt auf den letzten Tropfen.
Inhalt:
Sean ist auf der Flucht. Auf der Flucht vor der Vergangenheit. Aus diesem Grund hat er seine bisherige Heimat, London, verlassen und ist überstürzt nach Frankreich geflohen. Zu schlimm, zu belastend sind seine Erinnerungen an alles, was er zurücklassen musste. Er will per Anhalter durchs Land reisen, Jobs auf Zeit verüben und wenn es geht, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich ziehen. Ein guter Plan, aber nicht ohne Fehler. Denn was Sean vergessen hat, in seine Berechnungen einzubeziehen, sind unglückliche Verstrickungen. Auf der Flucht vor der Polizei, tritt der junge Engländer in eine Bärenfalle, verletzt sich schwer und wird kurze Zeit später bewusstlos. Als er wieder zu sich kommt, liegt er in einer Scheune und wird von einer unbekannten Frau gepflegt. Eigentlich will Sean nicht auf dem Hof, auf welchem er sich befindet, bleiben und auch der verschlossene und mies gelaunte Besitzer, will ihn nicht auf seinem Land, doch durch seine Verletzung wird er zunächst geduldet. Trotzdem wird schnell klar, dass die Bewohner des Hofes ein Geheimnis haben. Ein Geheimnis, welches das Aufstellen von Bärenfallen rechtfertigt. Ein Geheimnis, welches sie zur Außenseiter des ganzes Dorfes macht. Ein Geheimnis, welches besser verborgen bleiben sollte.
Idee/ Umsetzung:
Im Moment finde ich sie immer seltener: Bücher, dessen Erscheinen mich in ein fiebriges Gefühl der Vorfreude versetzen, mein Herz zum Pochen bringen und meine Atmung beschleunigen. Immer weniger Werke schaffen es, diese Sucht, dieses Verlangen in mir zu wecken, doch als ich vom neuen Werk von Herrn Beckett erfuhr, zeigte mir meine Körper deutlich, dass er es kaum erwarten konnte. Die Vorfreude wuchs von Tag zu Tag und ich fieberte dem einen Tag entgegen, dem Tag des Erscheinens. Als es dann endlich so weit war, ich das Buch im Buchladen meines Vertrauens erstand, da drückte ich es ganz fest, wie einen Schatz an meine Brust und konnte es kaum erwarten, zu hause die Schutzfolie abzureißen und sehnsüchtig über den Umschlag zu streichen. Es war so unglaublich lange her, dass ich ein Buch mit solcher Sehnsucht erwartet hatte.
Ich ging also auf Abenteuerreise und huschte direkt hinter die Seiten. Doch schon nach den ersten Kapiteln wurde klar, dass „Der Hof“ mein Herz nicht gewinnen konnte. Schon nach wenigen Stunden des Lesens machte sich Enttäuschung in meiner Brust breit und eroberte schließlich meinen ganzen Körper. Was blieb, war ein kleiner Funken Hoffnung, dass sich die Handlung irgendwann schon steigern würde, doch alle Erwartungen blieben unerfüllt, und nach dem Lesen der letzten Seite machte sich Erleichterung breit. Jene Erleichterung, dass ich das Buch endlich beendet hatte. „Der Hof“ war eine einzige Enttäuschung für mich. Zum einen schimpft sich das Werk ´Thriller´, aber es sind kaum, bis gar keine spannenden Handlungselemente vorhanden. Zum anderen hat die Idee hinter den Seiten massig Potential, welches vom Autoren einfach nicht ganz genutzt wird. Hauptsächlich besteht die Lektüre aus etlichen Beschreibungen, die weder besonders interessant, noch besonders wichtig für die Handlung sind. Schade, schade, schade! Ich ärgere mich wirklich sehr, dass mich jenes Buch, auf welches ich mich in diesem Jahr so gefreut hatte, mich am Ende enttäuscht und unbefriedigt zurückgelassen hat.
Schreibstil:
Ich liebe den Schreibstil von Simon Beckett. Wobei ich mich korrigieren muss: Ich liebe den Schreibstil des Autors in seiner David-Hunter-Reihe. Die Schreibe von Herrn Beckett in „Der Hof“, konnte mich nicht vom Hocker reißen. Zwar versteht er sich wieder sehr gut darauf, schöne und gelungene Formulierungen zu erschaffen, verliert sich aber bei ca. 80% des Buches in langweiligen und eher unnötigen Beschreibungen. So erwähnte Herr Beckett fast jedes Mal, wenn der Protagonist sein Essen bekam oder sich eine Zigarette anzündete. Dass bei diesen ganzen, kleinen und fast sinnlosen Details etwas auf der Strecke bleiben musste, ist mehr als klar. Schade nur, dass es sich hierbei um die Spannung handelte, denn jene erstreckte sich lediglich über die letzten ca. 50 Seiten.
Charaktere:
Die Figuren in „Der Hof“, konnten das sinkende Schiff leider auch nicht mehr retten. Zwar bekommt man nach und nach ein besseres Gefühl für den Protagonisten, da die Perspektive immer zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselt, jedoch bleiben die anderen Charaktere ohne tiefere Konturen. Wie bereits erwähnt, finde ich die Grundidee des Werkes wirklich gelungen und man hätte viel aus dieser Idee machen können, doch anscheinend hat sich Simon Beckett nicht ganz so viel Mühe gegeben, wie etwa bei den David-Hunter-Bänden. Dadurch, dass sich der Autor in vielen Beschreibungen verliert, können den Leser auch die Buchfiguren nicht sonderlich fesseln. Mit einer kleinen Ausnahme: Gretchen, die jüngste Tochter des Bauers, schafft es durchaus, eine annähernd gelungene Reaktion beim Lesenden hervorzurufen. Gretchen ist nämlich ein richtiges Biest und dies kann Herr Beckett, an der einen oder anderen Stelle auch sehr gut vermitteln. Teilweise hatte ich wirklich das Bedürfnis, dem jungen Mädchen an die Gurgel zu gehen. Trotz allem, konnte mich auch dieser Aspekt im Werk, nicht wieder besänftigen oder für das Geschehen begeistern.
Cover/ Innengestaltung:
Das Cover ist einfach nur ein Hingucker! Als ich es das erste Mal sah, war ich total begeistert, weil es super zu der Vorstellung passte, die ich von der Handlung hatte. So wirkte die Aufmachung ziemlich geheimnisvoll und ließ hoffen, dass sich grausames in „Der Hof“ versteckt. Doch genau wie das betiteln des Buches als ´Thriller´, weckte auch die Gestaltung des Covers, ganz falsche Erwartungen. Versteht mich nicht falsch, ich mag das Titelbild noch immer sehr gerne und ich finde, dass der Verlag gute Arbeit geleistet hat, aber zum Inhalt passt die Aufmachung dann doch nicht.
An der Innengestaltung habe ich nichts auszusetzen, denn sie ist, wie auch bei anderen Beckett-Büchern, sehr schlicht. Wie bereits beschrieben, wechseln die Kapitel zwischen den gegenwärtigen und den vergangenen Erlebnissen des Protagonisten. Die Gegenwart wird hierbei durch Kapitelzahlen eingeleitet und die Vergangenheit durch die Überschrift: ´London´.
Fazit:
Für mich gehören sie zu einer bedrohten Spezies: Bücher, auf welche man mit Vorfreude, Herzklopfen und schwitzigen Finger wartet. Und warum sind diese Werke vom Aussterben bedroht? Weil es einfach kaum noch Geschichten gibt, die sich durch eine überragende Grundidee von anderen unterscheiden. Doch nicht nur das: Auch auf geliebte Autoren, scheint kein Verlass mehr zu sein. Ich hatte mich wirklich sehr auf das neue Werk von Simon Beckett gefreut. Ich wollte Spannung, ich wollte Begeisterung und ich wollte mich hinter den Seiten verlieren. Aber am Ende konnte mich dieses Werk in keinem Punkt von sich überzeugen. Die Grundidee ist gut und auch der Schreibstil an sich, lässt die alte, geliebte Beckett-Schreibe erkennen, doch das Gesamtergebnis bleibt weit hinter großen Erwartungen zurück. Falsche Figuren und etliche, langweilige und unnötige Beschreibungen, machen diese Lektüre fast zu einer Geduldsprobe. Besonders da ich weiß, dass Herr Beckett viel, viel mehr auf dem Kasten hat. Aber dieses Werk war wohl ein Schuss in den (H)Ofen!