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Veröffentlicht am 16.09.2020

Eine gelungene, spannende und ereignisreiche historische Zeitreise

Der Getreue des Herzogs
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Johanna von Wild zeichnet in ihrem Roman den Lebenslauf des ehemaligen Landesfürsten Ulrich von Württemberg nach. Sie verknüpft die historisch verbürgten Ereignisse sehr geschickt mit der fiktiven Person ...

Johanna von Wild zeichnet in ihrem Roman den Lebenslauf des ehemaligen Landesfürsten Ulrich von Württemberg nach. Sie verknüpft die historisch verbürgten Ereignisse sehr geschickt mit der fiktiven Person Johannes, der als Arzt tätig ist und sich durch einen bereits in Kindertagen geschlossenen Bund mit Ulrich zu lebenslanger Freundschaft mit ihm bekennt.
Ulrich, bereits als Elfjähriger zum Herzog von Württemberg eingesetzt und zunächst unter Vormundschaft von Vertretern der Stände, wird bereits nach 6 Jahren vorzeitig für volljährig erklärt und erringt nur ein Jahr später als erfolgreicher Heerführer einen Sieg, mit dem er sein Herzogtum vergrößert. Er entwickelt sich zu einem Herrscher, der den Luxus liebt und sich diesen vor allem durch Steuererhöhungen bezahlen lässt, für die letzten Endes die hart am Existenzminimum lebenden Menschen aufkommen müssen. Ulrich, umgeben von Ratgebern, die offensichtlich nicht das Wohl der notleidenden Bevölkerung sondern ihren eigenen beruflichen und finanziellen Vorteil aus ihrer Nähe zum Herzog ziehen, fühlt sich sein ganzes Leben lang seinem Freund Johannes verbunden. Auch wenn die beiden wesensmäßig nicht unterschiedlicher sein könnten und die Aufforderung Ulrichs zu einem Besuch an seinen Freund eher einem Befehl als einer Einladung gleicht. Johannes Bestreben, bei diesen Treffen mit sinnvollen, wohlüberlegten und durchdachten Vorschlägen seinen Freund, Herzog Ulrich, von einem herrschsüchtigen, ignoranten, verschwenderischen und zum Teil sehr grausamen Landesherrn zu einem verantwortungsvollen und fürsorglichen Landesvater zu „bekehren“ scheitert jedes mal kläglich. Hat Johannes doch in dem letztendlich zum Kanzler aufgestiegenen sadistisch veranlagten Ambrosius Volland einen erbitterten Widersacher, mit dem zu allem Überfluss auch noch Johannes große Liebe, Sophie, verheiratet wurde und diese im Verlauf ihrer Ehe schier unfassbares erleiden musste.
Mit Hilfe der Autorin habe ich einen deutschen Adligen kennenlernen können, der mir bisher völlig unbekannt war, in Baden-Württemberg mit Sicherheit jedoch noch über einen großen Bekanntheitsgrad verfügen wird. In ihrem Roman gelingt es ihr auf eine faszinierende Weise, sein Leben und Wirken mit Hilfe einer fiktiven Person, dem treuen Freund Johannes, überaus gekonnt, fesselnd aber auch teilweise sehr berührend darzustellen. Dabei werden die Lebensumstände der immer größer werdenden Not der Bevölkerung und die sich daraus ergebenden Folgen so mancher herzoglichen Entscheidung mit sehr viel geschichtlichem Hintergrundwissen aufbereitet und vorgestellt. Es gelingt beim Lesen problemlos, den aufkommenden Aufruhr und die Proteste nachvollzuziehen, die oft grausam durch den Herzog beendet wurden. Und man liest schon mal fassungslos von so mancher Fehlentscheidung des Herzogs und bleibt voller Unverständnis, ja sogar Wut, gegenüber den Ratgebern des Herzogs, zurück.
Im Gegensatz dazu Johannes, der – so scheint es mir – sich nicht ohne Grund für den Beruf eines Arztes entschieden hat. Gelingt ihm auf diese Weise nicht nur die Heilung körperlicher Gebrechen, vor allem auch der armen Bevölkerung. Ihm offenbart sich durch seinen Weitblick, seine jedem Menschen, unabhängig von dessen Stand, zugewandte Aufmerksamkeit und Empathie so manche verborgene Not. Sehr interessant und bereichernd in diesem Zusammenhang die – nach heutiger Sicht – doch sehr eingeschränkten, aber erstaunlicherweise sehr effektiven Therapiemöglichkeiten. Wobei die Autorin ein besonderes Geschick darin beweist, dass sie Symptome von Erkrankten im Rahmen der damaligen medizinischen Erkenntnisse so verständlich formuliert, dass ich mir als medizinischem Laien durchaus zutraue, eine Diagnose zu stellen. Wobei es sich bei den beschriebenen Leiden um Erkrankungen handelt, die auch heute vorkommen und behandelt werden (müssen).
Neben hervorragenden, informativen, aufschlussreichen, spannenden und fesselnden Einblicken in die konkreten Ereignisse der Herrschaft Ulrichs von Württemberg wird auch die besondere Liebesgeschichte zwischen Johannes und Sophie erzählt. Fast 20 Jahre musste Johannes mit der Suche nach dem Verbleib seiner großen Liebe verbringen. Wobei es immer wieder zu größeren oder kleineren Unterbrechungen kam, deren Ursachen in den damaligen Zeitumständen und auch dem Wesen und der Lebensphilosophie von Johannes zu finden sind.
Eine besondere Bedeutung hat der Roman für mich auch durch die Berücksichtigung der Reformation gefunden. Wurde doch von Herzog Ulrich die Reformation in Württemberg eingeführt. Dabei war ihm die Unterstützung durch Philipp von Hessen eine große Hilfe und die historisch sehr bedeutsamen Gelehrten Martin Luther, Huldrych Zwingli und Philip Melanchthon erfahren eine würdigende Beachtung. Für mich persönlich eine wertvolle Bereicherung, da diese geschichtlich wichtigen Ereignisse auf eine sehr verständliche Weise aufbereitet und beschrieben wurden.
Dieser Roman stellt für mich eine Geschichtsstunde vom Feinsten dar. Ein mir unbekannter, teilweise unsympathischer Herrscher wird mir vorgestellt, dessen späteres Wirken von großer Bedeutung war und Auswirkungen auf das ganze Herrschaftsgebiet hatte. In einem sehr flüssigen, verständlichen Schreibstil, der im Sprachgebrauch historischen Gegebenheiten und Gepflogenheiten hervorragend angepasst wurde. Es gelingt mühelos, lesend in die Zeit Ende 15./Anfang 16. Jahrhunderts einzutauchen und die Geschehnisse mitzuerleben. Sehr genau recherchiert – bis in Kleinigkeiten. Und gerade diese haben mich immer wieder in ihren Bann gezogen, da die Autorin auf die entsprechenden Fundstellen verweist und so die Glaubwürdigkeit des Gelesenen bestätigt wird.

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Veröffentlicht am 06.07.2020

Schönheit und Kosmetik – mal von der anderen Seite

Die Farben der Schönheit - Sophias Träume (Sophia 2)
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Corina Bomann widmet ihre als Trilogie konzipierten Romane um die junge und talentierte Sophia Krohn einem komplexen Thema: Kosmetik. Neben höchst interessanten Ausflügen zu den allseits bekannten und ...

Corina Bomann widmet ihre als Trilogie konzipierten Romane um die junge und talentierte Sophia Krohn einem komplexen Thema: Kosmetik. Neben höchst interessanten Ausflügen zu den allseits bekannten und noch heute aktuellen Kosmetikunternehmen Elisabeth Arden und Helena Rubinstein nimmt man Teil am äußerst interessanten und spannenden Privatleben Sophias. Und wird – so ganz nebenbei – auch mit geschichtsträchtigen Entwicklungen, vor allem in Deutschland, konfrontiert.
Im vorliegenden zweiten Band, dessen Erscheinen ich nach der hinreißenden Lektüre des ersten Bandes "Die Farben der Schönheit – Sophia's Hoffnung" herbeigesehnt habe, kehrt Sophia auf Grund eines sehr mysteriösen Briefes zurück nach Paris. Wurde doch die Hoffnung geweckt, dass ihr Sohn leben könnte und ihr daher nichts wichtiger ist, als die Suche nach ihm vor Ort vorzunehmen. Auch wenn dies bedeutet, dass sie ihre Tätigkeit bei Helena Rubinstein beenden muss. Ihre Suche bleibt leider erfolglos, sodass sie in die Staaten zurückkehrt und letztendlich ein Stellenangebot der ärgsten Rivalin ihrer ehemaligen Chefin, Elisabeth Arden annimmt.
Es entfaltet sich dank des flüssigen und kenntnisreichen Schreibstils der Autorin eine ein wunderschöner Lesegenuss. Schon nach wenigen Seiten kann nahtlos an das bereits im ersten Band Gelesene angeknüpft werden und man gerät sofort wieder in den fesselnden Sog von Sophia's Geschichte. Die vergangenen Jahre haben auch bei Sophia ihre Spuren hinterlassen und sie wirkt erfahrener und reifer – auf dem besten Weg, eine selbstbewusste und starke Frau zu werden. Diese Entwicklung erstaunt nicht, im Gegenteil. Sie verleiht dem Roman bzw. der Hauptfigur des Romans Glaubwürdigkeit und Akzeptanz. Interessant auch die Einblicke in den s.g. "Puderkrieg" zwischen den beiden größten Kosmetikunternehmen, der geschickt mit Hilfe der Romanfigur Sophia deutlich vor Augen geführt wird. Aber auch das ereignisreiche und zum Teil berührende Privatleben Sophia's, wie z.B. das erneute Zusammentreffen mit ihrer einstigen Liebe, Darren oder das Zusammentreffen mit ihrer Freundin Henny, die ihr jetzt aber Rätsel aufgibt, verleihen dem Roman einen besonderen Charme.
Neben diesen wichtigsten Protagonisten lernt man auch weitere Charaktere kennen. Allesamt sehr feinfühlig mit Wesenszügen ausgestattet, die sie überzeugend glaubwürdig erscheinen lassen und mit denen man sich jederzeit identifizieren kann. Einmal mehr zeigt sich hier die bemerkenswerte Begabung der Autorin, fiktiven Personen reales Leben zu geben.
Eine interessante, teils faszinierende, fesselnde und aufschlussreiche Handlung, die man nur ungern aus der Hand legen möchte. Voller Spannung steigt die Vorfreude auf den – leider – letzten Band.

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Veröffentlicht am 20.04.2020

Ein Roman, dessen Cover bereits zum Träumen einlädt

Die Insel der vergessenen Träume
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In zwei Handlungssträngen verschlägt es sowohl Leonie, Tochter aus wohlhabendem Haus in Hamburg und auf der Suche nach ihrer (beruflichen) Bestimmung nach Hawaii genauso wie es auch ihre Urahnin Clara ...

In zwei Handlungssträngen verschlägt es sowohl Leonie, Tochter aus wohlhabendem Haus in Hamburg und auf der Suche nach ihrer (beruflichen) Bestimmung nach Hawaii genauso wie es auch ihre Urahnin Clara von ihr gut 100 Jahre vorher erlebt hat. Beide entschließen sich freiwillig zu dieser Reise um die halbe Welt, wobei Clara als frischgebackene Ehefrau bereits kurz nach der Hochzeit und auf der mehrwöchigen Schiffsreise leider das wahre Gesicht ihres Ehemannes erkennen muss und mit einer unerwarteten und rohen, ja fast sogar brutalen Realität konfrontiert wird. Leonie dagegen nutzt eine letzte Chance zur Berufsfindung, indem sie sich zu einem Praktikum in einem Hotel auf Hawaii entschließt, beruflich dann darauf aufzubauen zu wollen. Bereits bei ihrer Ankunft auf Hawaii muss sie feststellen, dass sich ihre Pläne in Luft aufgelöst haben.
Dass, ob und wie beide Frauen ihr Glück und ihre Bestimmung auf Hawaii finden, soll hier nicht verraten werden. Nur so viel sei gesagt: ein durchaus lohnenswerter Weg, dies selbst beim Lesen herauszufinden.
Den beiden Romanautorinnen ist deutlich ihre Liebe und Verbundenheit zu Hawaii abzuspüren. Deutlich vor allem daran, dass es ihnen gelingt, die Vergangenheit der Ureinwohner sehr gekonnt, einfühlsam, verständlich, realistisch, historisch belegt und schreibtechnisch fesselnd zu vermitteln. Aber auch die Beschreibung von Landschaft, Pflanzen, Tieren und Sehenswürdigkeiten weckt die Sehnsucht, all dies eines Tages selbst in Augenschein nehmen zu wollen. Besonders bemerkenswert in diesem Zusammenhang auch die wunderbare Beschreibung des Maltalents von Clara, was dazu führt, dass beim Lesen die beschriebenen Bilder fast feste Formen annehmen.
Die beiden Erzählstränge wechseln sehr gekonnt miteinander ab, wobei jeder Szenewechsel mit Jahresdatum und Handlungsort versehen ist. Es gelingt jedes mal problemlos, in die jeweilige Zeit einzutauchen und den Faden wieder aufzunehmen.
Selten einen Roman gelesen, in dem so viel von der Liebe und Verbundenheit der Autoren zu Land und Leuten zu spüren ist als in dem hier vorliegenden. Lege ihn jedem ans Herz, der unter Fernweh leidet und auch jedem, der eine wunderschöne empathische Liebesgeschichte mag.
Von Herzen gerne volle Punkte und ein "sehr empfehlenswert".

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Veröffentlicht am 20.04.2020

Glanz der Ferne

Glanz der Ferne
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Im dritten und letzten Teil der Geschichte um eine in Familienbesitz befindliche Berliner Fabrikantenfamilie, die sich sehr erfolgreich im Stoffbereich etabliert hat. Geleitet wird die Firma von Theo, ...

Im dritten und letzten Teil der Geschichte um eine in Familienbesitz befindliche Berliner Fabrikantenfamilie, die sich sehr erfolgreich im Stoffbereich etabliert hat. Geleitet wird die Firma von Theo, dessen verstorbene Schwester die Mutter der Hauptprotagonistin dieses Romans, Victoria (genannt Vicky) von Gentzsch ist.
Ungeliebt vom Vater, der sie für den Tod seiner ersten Frau verantwortlich macht, dessen zweiter Ehefrau und den 4 Brüdern bleibt es nicht aus, dass gerade dieses ständige Gefühl des Unerwünschtseins sie rebellieren lässt und dadurch mehr oder weniger zum schwarzen Schaf der Familie wird.
Erst durch die Familie ihres Onkels, die sie durch den Umzug nach Berlin kennenlernt, erfährt sie Liebe, Wertschätzung und Anerkennung. Leider ist dieser Abschnitt in ihrem Leben nur von kurzer Dauer, da ein altbekannter Gegner, ja, vielleicht sogar Feind ihres Onkels Theo, Markolf von Tiedern, in Vicky eine geeignete Person in seinem Rachefeldzug sieht.
Einmal mehr ein historischer Roman, der weit zurück in längst vergangene Zeiten entführt. Mit kleinen und großen Einzelheiten, die Alltag und Verhalten, vor allem in der s.g. gehobenen Gesellschaftsschicht, geschickt in die Romanhandlung einweben. Es entsteht an keiner Stelle der Eindruck von Fiktion, ganz im Gegenteil. Die geschilderte Zeitepoche entsteht sehr realistisch beim Lesen. Die einzelnen Charaktere sind facettenreich und überzeugend gestaltet. Ihr Verhalten und ihre Gedanken sind nachvollziebar und verständlich dargestellt und beschrieben und lassen beim Lesen mitleiden, mitlachen, mithoffen und mitfreuen.
Glücklicherweise findet sich am Ende des Buches ein Personenregister, das die Zuordnung erleichtert und damit Inhalte der ersten beiden Bände in Erinnerung ruft.
Ein Roman, den ich sehr gerne gelesen habe. Zum einen ein sehr flüssiger Schreibstil, der die Seiten nur so dahinfliegen lässt. Und zum anderen bereitet es keine Probleme, der Handlung auch ohne Kenntnis der beiden vorhergehenden Bände zu folgen. Wichtige Ereignisse der Vergangenheit werden geschickt eingeflochten, sodass sich Zusammenhänge leicht herstellen lassen.
Ein interessanter, spannender und ereignisreicher Lesespaß, von den man auch nach rund 610 Seiten eigentlich noch nicht genug hat und die Familie gerne noch weiter begleiten würde.

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Veröffentlicht am 07.04.2020

Schwere Zeiten in Deutschland ab 1919, hautnah mitzuerleben auf Gut Greifenau

Gut Greifenau - Goldsturm
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Der Kampf ums nackte Überleben ab 1919 - noch nie so realistisch, deutlich, spannend aber auch berührend geschildert.

Und wieder einmal ist es Hanna Caspian gelungen, einem wichtigen Kapitel deutscher ...

Der Kampf ums nackte Überleben ab 1919 - noch nie so realistisch, deutlich, spannend aber auch berührend geschildert.

Und wieder einmal ist es Hanna Caspian gelungen, einem wichtigen Kapitel deutscher Geschichte mit Hilfe der Grafenfamilie auf Gut Greifenau und ihren - vor allem im Haus und auf dem Gut - Beschäftigten ein gutes Jahrhundert später wirkliches Leben einzuhauchen.
Auf der einen Seite, Konstantin, der älteste Sohn der Grafenfamilie, der nach Beendigung des Ersten Weltkriegs die außerordentlich schwierige Aufgabe übernommen hat, das Gut wieder aufzubauen und seine bürgerliche Ehefrau Rebecca, die ehemalige adlige Gepflogenheiten- völlig zu Recht - als nicht mehr zeitgemäß ansieht und in ständigem Konflikt mit ihrer der alten Zeiten nachtrauernden Schwiegermutter Feodora steht.
Es erstaunt in keinster Weise, dass Nikolaus, der ältere der beiden jüngeren Brüder, mit der gleichen Einstellung zu den gesellschaftlichen Veränderungen nach Kriegsende wie seine Mutter, lässt Konstantin deutlich spüren, was er von ihm als alleinigen Erben des Guts hält. Auf Grund seines Standesdünkels und der damit verbundenen Erwartungshaltung sind handfeste Auseinandersetzungen, mit zum Teil krimineller Energie vorprogrammiert.
Katharina, die jüngste Tochter und mit dem Sohn (und einzigem Kind) eines sehr betuchten Industriellen, genießt zunächst die mit dem Wohlstand ihres Schwiegervaters verbundenen Annehmlichkeiten, auch nach Kriegsende. Allerdings muss sie eines Tages feststellen, dass dieser goldene Käfig seinen Preis hat und sie letztendlich eine Entscheidung treffen muss, die ihr eher abgepresst wird als dass sie sich frei entscheiden kann.
Gut Greifenau gibt aber auch vielen Menschen Arbeit und Brot. Und auch hier gibt es so manche Entwicklung, die auf die mit dem Krieg verbundenen Entbehrungen und Sorgen zurückzuführen sind.
Mamsell Schott, die Hausdame, trägt sich mit dem Gedanken eines Umzugs nach Schweden und muss tatenlos mit ansehen, wie ihr erspartes Geld immer mehr an Wert verliert.
Casper, dienstältester Hausdiener mit einer unrühmlichen Vergangenheit, kann den neuen Zeiten aber durchaus erfreuliche Seiten abgewinnen, da er ein unbekanntes, aber durchaus erfreuliches, finanzielles Gespür bei sich entdeckt.
Eugen, dessen Herz schon lange für Wiebke, Stubenmädchen im Gutshaus, trägt sich mit dem Gedanken, Gut Greifenau zu verlassen. Auch wenn Konstantin ihm deutlich zu verstehen gibt, wie er zu diesen Plänen steht, hängt letztendlich alles von Wiebke ab.
Neben diesen und auch noch einigen anderen Familienmitgliedern und Bediensteten spielt die Zeit der s.g. Weimarer Republik eine sehr wichtige Rolle. Der Autorin ist es auf eine unnachahmliche Weise die damalige Politik in das Alltagsgeschehen auf und um Gut Greifenau einzubinden. Nie war mir die nach dem Ersten Weltkrieg herrschende Armut, der Hunger, die Perspektivlosigkeit und auch die Ohnmacht der Bevölkerung so deutlich vor Augen wie in diesem Roman. Aber auch die Besetzung des Rheinlands durch Frankreich und die damit verbundenen Repressalien gegenüber der Bevölkerung waren mir zum einen nicht bekannt und wurden so einfühlsam in der Romanhandlung geschildert, dass das Ausmaß und die Dimension dieser Zeit hautnah spürbar und miterlebt wird.
Einmal mehr ein Roman, der schwierigen politischen und geschichtlichen Hintergrund sehr gekonnt und verständlich in eine fesselnde Romanhandlung eingebettet wurde. Auch wenn es bereits 3 vorhergehende Romane über die Zeit auf Gut Greifenau gibt, so kann der vierte Band durchaus ohne Kenntnis der anderen Romane gelesen werden. Denn wichtige Ereignisse auf Gut Greifenau vor 1919 werden sehr dezent und informativ mit in die laufende Geschichte integriert.
Von der ersten Seite an war ich gefesselt. Und es kam mir vor, als würde ich altbekannte Freunde wiedertreffen. Zwar etwas älter geworden, aber ihren Charakterzügen treu geblieben.
In meinen Augen ist die Greifenau-Serie ein wirkliches Kleinod unter den deutschen historischen Romanen. Ich bin und bleibe begeistert!!!!

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