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Veröffentlicht am 11.05.2020

Spannende Reise in die Bronzezeit

Die Kinder von Nebra
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Ulf Schiewe's historische Romane sind spannend und sehr abwechslungsreich. Jedes Buch spielt in einer anderen Epoche. Zuletzt hat mich der Autor ins Jahr 1918 nach Sarejevo geführt, wo ich die letzten ...

Ulf Schiewe's historische Romane sind spannend und sehr abwechslungsreich. Jedes Buch spielt in einer anderen Epoche. Zuletzt hat mich der Autor ins Jahr 1918 nach Sarejevo geführt, wo ich die letzten Tage des Thronfolgers Franz Ferdinand verfolgen durfte. (Der Attentäter)

Diesmal ist er gleich 4000 Jahre zurückgegangen, nämlich in die Bronzezeit und ich war mir gar nicht sicher, ob diese Zeit etwas für mich ist. Außerdem stelle ich es mir unvorstellbar schwer vor über dieser Zeit zu recherchieren. Mit der Himmelsscheibe von Nebra, die 1999 gefunden wurde und seit 2002 im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle zu bestaunen ist, hat Schiewe seinen Plot für diesen Roman gefunden.

Ich muss zugeben, dass ich mich zu Beginn ein bisschen schwer damit tat in die Geschichte zu finden. Die ungewohnten Namen und die sehr detaillierte Beschreibung ließen meine Gedanken oftmals abschweifen. Doch ich denke, dass lag an meiner eigenen Unkonzentriertheit, denn kaum las ich länger am Stück, war ich von der Geschichte gefesselt und danach wirklich schnell durch.
Mit der jungen Rana hat Ulf Schiewe eine selbstbewusste, aber auch eigensinnige Protagonistin erschaffen. Sie ist anders als die anderen Mädchen und denkt viel nach. Sie ist die Tochter von Herdis, einer Priesterin der Göttin Destarte, und soll ihre Nachfolgerin werden. Rana ist unsicher, ob sie in die großen Fußstapfen ihrer Mutter treten kann. Doch ein Überfall auf sie im Wald ändert ihre Meinung. Arrak, der Sohn des Fürsten Orkon, und zwei seiner Freunde überfallen Rana, die durch die Hilfe zweier Elben gerettet wird. Orkon und Arrak, die Hakon, den Gott der Unterwelt huldigen, verbreiten Angst und Schrecken beim Volk. Die Edlen des Landes trauen sich nicht sich gegen Orkon und seinen Clan aufzulehnen, um die Götter nicht zu erzürnen.

Ranas Vater Utrik ist Schmied und arbeitet an einer ganz besonderen Bronzescheibe. Bei seinen Reisen in den Süden hörte er unglaubliche Geschichten über den Sternenhimmel und wie sich die Tage im Jahr genauer einteilen lassen. Dieses Geheimnis möchte er mithilfe seines Sohnen Arni auf dieser Scheibe festhalten. Eines Tages erscheint Rana die Göttin Destarte im Traum und ermutigt sie sich gegen die dunkle Herrschaft von Orkon zu stellen. Mithilfe der Himmelsscheibe und der Göttin des Lichts schwört Rana Orkon und Arrak zu Fall zu bringen...

Ulf Schiewe stützt sich bei seinem Roman auf die Erkenntnisse über die Himmelsscheibe von Nebra. Dabei verwebt er die wenigen Kenntnisse aus dieser Zeit mit einer fiktiven Geschichte und erzählt wie es damals hätte sein können. Dadurch entsteht ein vielfältiges Bild dieser Zeit, die der Autor sehr spannend darstellt. Die Sitten und Gebräuche, wie auch die damaligen Götter und Herrscher wurden lebendig dargestellt.

Die Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet und die Location sehr detailliert dargestellt. Obwohl der Roman vor 4000 Jahren spielt, hatte ich alles vor Augen - man hat richtige Bilder im Kopf - und ich war oftmals überrascht, wie weit entwickelt diese Menschen bereits waren. Die echte Himmelsscheibe, die in Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden wurde und heute im Museum zu bewundern ist, zeigt die Kunstfertigkeit der Menschen von damals auf.

Schreibstil:
Ulf Schiewe erzählt uns die Geschichte um die Himmelsscheibe in Präsens, die eine ganz besondere Nähe zu den handelnden Personen schafft. Die Sprache ist neutral, denn eine der Zeit angepasste Sprache wäre wohl nicht zu lesen gewesen ;)
Der Autor hat bei diesem Roman sehr viel Recherchearbeit geleistet. Er erzählt gewohnt detailliert, aber sehr lebendig und bildgewaltig.

Die Aufmachung des Buches ist sehr hochwertig und edel. Zu Beginn und am Ende gibt es eine Karte der Region aus der damaligen Zeit. Ein Lesebändchen vervollständigt das Erscheinungsbild.
Zusätzlich befindet sich ein Nachwort des Autors und ein Glossar.

Fazit:
Ein wunderbares und facettenreiches Werk über eine Zeit, die uns völlig unbekannt ist und die vom Autor bildgewaltig und spannend erzählt wird. Obwohl ich anfangs dachte, dass diese Zeit nicht wirklich etwas für mich ist, hat mich das Buch gefesselt und mir wunderbare Lesestunden beschert. Ulf Schiewe ist damit zu einem meiner Lieblingsautoren im historischen Genre aufgestiegen

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Veröffentlicht am 07.05.2020

Woglfühlroman zum Abtauchen

Kirschkuchen am Meer
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Der neue Sommerroman von Anne Barns alias Andrea Russo passt perfekt, um sich in diesen schwierigen Zeiten etwas abzulenken und wenigstens in Gedanken auf Urlaub zu gehen.
Besonders als ich zwei sehr beklemmende ...

Der neue Sommerroman von Anne Barns alias Andrea Russo passt perfekt, um sich in diesen schwierigen Zeiten etwas abzulenken und wenigstens in Gedanken auf Urlaub zu gehen.
Besonders als ich zwei sehr beklemmende Romane parallel gelesen habe, brauchte ich Abwechslung und dafür passt "Kirschkuchen am Meer" einfach perfekt!

Zuerst lernen wir Marie kennen, die nach Abbruch ihres Studium als Drogistin arbeitet. Ihr wurde erst eine Beförderung als Filialleiterin angeboten, doch ihr Herz schlägt fürs Kuchen backen. Zusätzlich wäre der neue Job weiter entfernt und sie müsste umziehen. Die Beziehung zu ihrem Freund Marc ist jedoch seit einiger Zeit etwas angegriffen, da käme ein Umzug nicht wirklich recht. Seit einem Burn Out ist er arbeitslos und steckt in einer Sinnkrise. Zusätzlich wirft die überraschende Nachricht vom Tod ihres Vaters Enno Marie aus dem Gleichgewicht. Seit der Scheidung von ihrer Mutter hatte sie und ihre ältere Schwester Lena kaum mehr Kontakt zu ihm. Das lag vorwiegend an seiner neuen Frau Ilonka, genannt "die Hexe". Trotzdem nimmt der plötzliche Tod ihres Vaters Marie richtig mit. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Oma reist sie nach Hooksiel, um an der Seebestattung teilzunehmen. Die hochschwangere Lena muss leider zuhause bleiben, ebenso wie Maries Freund Marc, der ein Vorstellungsgespräch hat. Das Power-Trio trifft nicht nur auf die verhasste Ilonka und ihren Sohn Hannes, sondern auf eine unbekannte Frau mit kurzen roten Haaren, die weinend das Schiff verlässt, aber für Marie eine Tasche mit Erinnerungen da lässt. Bevor Marie sie ansprechen kann, ist sie verschwunden....

Von Beginn an war ich mitten im Geschehen und bin mit dem "Dreimädlerhaus" Richtung Norden gefahren. Zuerst zur Seebestattung, danach nach Norderney und Juist, wo wir auch auf altbekannte Figuren aus "Apfelkuchen am Meer" treffen. Marie, die unbedingt wissen will, wer die rothaarige Frau ist, beginnt nachzuforschen. Im Laufe ihrer Recherchen erfährt sie nicht nur mehr über ihre Familie, sondern auch über sich selbst. In Maries Erinnerung ist ihr Vater bis zur Scheidung ein toller Mann, der mit ihr zusammen Kirschen pflückte und den allerbesten Kirschenröster gemacht hat. Die ältere Lena hat hingegen die Schwierigkeiten der Eltern bereits mitbekommen. Marie versucht durch ihre Suche den Vater besser kennenzulernen und etwas mehr über sich selbst zu erfahren, denn sie stellt nicht nur ihre Bezieung in Frage, sondern macht sich auch Gedanken über ihren beruflichen Werdegang.

Familienzusammenhalt wird bei den vier Powerfrauen groß geschrieben. Außerdem wird wieder gebacken, was das Zeug hält. Ich hatte den herrliche Duft frischgebackener Kuchen in der Nase. Hungrig sollte man beim Lesen definitiv nicht sein! Schon ohne knurrenden Magen bekommt man Lust auf Süßes - vorallem, wenn man wie ich ein Zuckergoscherl ist!
Aber auch die bildhaften Landschaftsbeschreibungen, die meine Sehnsucht nach Urlaub weckten und das Inselflair haben mich sofort wieder gepackt und sehnsüchtig seufzen lassen.

Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet. Marie ist eine mutige junge Frau, deren große Liebe das Backen ist. Lena ist Maries engste Vertraute, die Oma ein Energiebündel voller Lebenslust. Marc hingegen ist voller Selbstzweifel und ich wusste nicht so recht, was ich von ihm halten soll. Ilonka ist die sprichwörtliche böse Stiefmutter und Hannes steht ihr an Berechnung in nichts nach. Die Inselbewohner neben Merle, die in "Apelkuchen am Meer" unsere Hauptprotagonistin war, sind liebenswürdig und voller Herzenswärme. Vorallem Matthias und Thomas aus der Kaffeerösterei "Bittersüß", aber auch Annie und Jutta werden bald zu guten Freunden.

Schreibstil:
Ich liebe den bildhaften und lebendigen Schreibstil der Autorin, deren Wohlfühlromane mich in eine andere Welt abtauchen lassen. Die atmosphärische und bildhafte Landschaftsbeschreibung sorgt auch in ihrem neuen Roman für das nötige Lokalkolorit.Teils witizge Dialoge sorgen für Humor in der emotionalen Geschichte.
Auch diesmal gibt es am Ende wieder leckere Rezepte, die auch im Roman eine Rolle spielten.

Fazit:
Ein warmherziger Wohlfühlroman, den man auf keinen Fall hungrig lesen sollte. Eine Geschichte zum Abtauchen und um etwas Meerluft zu schnuppern, wenn auch nur in buchiger Form. Eine leichte Sommerlektüre mit schönen Momenten, die auch einige ernstere Töne anschlägt.

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Veröffentlicht am 05.05.2020

Lebendige Zeitgeschichte

Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung
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Im dritten Band der Thalheim Schwestern befinden wir uns nun im Jahre 1958 und wir knüpfen direkt an das Ende des Vorgängerbandes an. Das Thalheim Küken Florentine, die mit dem Modehaus schon von klein ...

Im dritten Band der Thalheim Schwestern befinden wir uns nun im Jahre 1958 und wir knüpfen direkt an das Ende des Vorgängerbandes an. Das Thalheim Küken Florentine, die mit dem Modehaus schon von klein auf nichts am Hut hat, kehrt aus Paris zurück. Ihre Welt ist die Kunst und ihr großer Wunsch endlich in Berlin an der Kunsthochschule aufgenommen zu werden. Erst recht, seit sie in Paris die Werke der großen Künstler kennengelernt hat. Ihr kämpferischer Geist und ihre Willenstärke helfen ihr dabei ihr Ziel zu erreichen. Doch mit Rufus Lindberg hat sie einen Professor, der ihr das Leben schwer macht und sie in tiefe Zweifel stürzt....

Brigitte Riebe hat diese Zeit einfach großartig festgehalten. Deutschland ist im Unschwung. Der Osten und der Westen verändern sich und driften immer mehr auseinander. Dazwischen die Thalheims, die sich um ihre Verwandten im Osten sorgen und durch das Ausreiseverbot aus der DDR den Großteil ihrer Verkäuferinnen verlieren. Mittendrin Flori, die die besondere Gabe der Synästhesie besitzt und Farben hören kann. Doch als die privaten Probleme immer mehr werden, hört sie nur mehr eine Dissonanz und ihre Bilder werden immer dunkler.
Während Rike sich weiterhin um das Kaufhaus Thalheim kümmert und Silvie nach wie vor ihre Sendung "Stimmen" bei RIAS hat, erhalten diesmal auch wieder einige Nebenfiguren, die wir bereits aus den Vorgängerbänden kennen, eine größere Rolle. Aber auch neue Charaktere wie Benka oder Theo kommen in diesem Band hinzu. Durch Benka findet Flori Gefallen an der Fotografie und begleitet ihn sogar nach Hamburg, um für den OTTO Katalog zu fotografieren.
Lange dreht sich die Geschichte vorallem um Flori und ihre Kunst, sowie den Familienangelegenheiten der Thalheims. Dabei findet auch die Bekanntschaft der Familie mit der Frau von Willy Brandt, Rut Brandt, Erwähnung, die noch eine wichtige Rolle spielen wird. Miterleben durfte ich auch ein Konzert von Marlene Dietrich, die später auch bei Silvies Radiosendung zu Gast sein wird und die Berliner in zwei Lager teilte. Von den einen umjubelt, wird sie von den anderen gehasst. Zusätzlich durfte ich Flori zum Kellerkonzert der damals noch unbekannten Beatles begleiten und mit Franzi einige ihrer Filmkollegen kennenlernen.

Mit Floris Leidenschaft für die Fotografie und dem Bau der Mauer findet der Roman einen weiteren Fixpunkt. Hautnah durfte ich miterleben, wie die ersten Ausreiseverbote entstehen, die Lage immer prekärer wird und der Beginn des Mauerbaus startet. Die Ängste der Einwohner Berlins, sowie die Unausprechlichkeit dieses Vorgehens bereitete mir Magendrücken, vorallem weil wir wissen, wie es mit der Geschichte Deutuschlands weiterging. Der Glaube der Menschen, die Teilung Deutschlands würde entweder nicht stattfinden oder nicht lange anhalten, sowie die Hoffnung auf Willie Brandt erwies sich als Irrtum und hat viele Menschen in tiefste Verzweiflung gestürzt.
Das Buch endet mit dem Besuch John F. Kennedys in Berlin und seinem legendären Satz: "Ich bin ein Berliner".

Am Ende befindet sich wieder eine Zeittabelle mit den wichtigsten zeitgeschichtlichen Informationen Berlin's von 1958 - 1963.

Brigitte Riebe hat alle ihre Figuren in den drei Bänden wunderbar lebendig charakterisiert. Alle von ihnen entwickeln sich weiter und werden erwachsen. Sowohl Rike, als auch Silvie und Flori finden schlussendlich ihren Lebensweg. Schade, dass die Trilogie nun zu Ende ist und ich die Thalheims verlassen muss. Es war mir ein Vergnügen!

Fazit:
Lebendiger kann Zeitgeschichte nicht sein! Brigitte Riebe schafft es mit ihrem letzten Band der Trilogie den Umschwung zwischen West und Ost Ende der Fünfziger Jahre festzuhalten und die Zeit bis zum Bau der Mauer zu dokumentieren. Mein Kopfkino ratterte ohne Pause und ich lebte mit den Menschen mit. Ein wunderbarer Abschluss der Trilogie, den ich gerne weiterempfehle!

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Veröffentlicht am 28.04.2020

Must Read gegen das Vergessen

Die Unwerten
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Ein "Must Read" war der Roman "Die Unwerten" von Volker Dützer für mich, der sich in seinem neuen Roman mit dem Thema Euthanasie während des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzt. Ein absolut schwieriges ...

Ein "Must Read" war der Roman "Die Unwerten" von Volker Dützer für mich, der sich in seinem neuen Roman mit dem Thema Euthanasie während des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzt. Ein absolut schwieriges Thema, welches der Autor sehr gut gelöst und einen spannenden Roman geschrieben hat, den ich gerne weiterempfehle.

Wir schreiben das Jahr 1939, Hannah Bloch ist 14 Jahre alt und Halbjüdin. Als sie in der Schule einen epileptischen Anfall erleidet, ist es die perfekte Gelegenheit für ihren nationalistisch eingestellten Mathematiklehrer Pilz Hannah zu melden. Schon länger ist ihm die Halbjüdin ein Dorn im Auge. So geraten Hannah und ihre Mutter ins Visier von Dr. Joachim Lubeck, der zuerst von der Schönheit von Hannahs Mutter Malisha geblendet ist. Er bietet ihr an beide zu verschonen, wenn sie seine Geliebte wird. Malisha lehnt ab und kommt ins Gefängnis. Lubeck ist in seiner Ehre gekränkt und schwört sie und Hannah zu zerstören. Er lässt Malisha foltern und schickt Hannah ins Irrenhaus. Hannah gerät in die Fänge der Aktion T4. Für sie beginnt eine Odysee, die sie auf ihren weiteren Lebensweg oftmals Dinge erleben lassen, die jeden Menschen an seine Grenzen bringt.

Der junge Psychiater steckt voller Zweifel und versucht in der in der NS-Maschinerie nach oben zu kommen. Anfangs noch mit Skrupel behaftet, wird er einer der Ausführer der Aktion T4. (eine nach 1945 gebräuchlich gewordene Bezeichnung für die systematische Ermordung von mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1941 unter Leitung der Zentraldienststelle T4) Lubeck wird Herr über Leben und Tod aller Personen, die für die Nazis unwertes Leben bedeuten. Geschickt webt Dützer diese historischen Fakten in seinem Roman mit ein.

Ich war an die Geschichte gefesselt und konnte nicht glauben, welche Grausamkeiten sich die SS und die Gestapo immer wieder einfallen ließ. Obwohl ich schon sehr viele Bücher zu diesem Thema gelesen habe, gab es auch in "Die Unwerten" wieder erschreckend neue Erkenntnisse, die mich immer wieder davon überzeugen, dass diese Zeit einfach nicht vergessen werden darf! Mir war zum Beispiel nicht bekannt, dass auch die eigenen Wehrmachtsoldaten, die traumatiert im Lazarett lagen, ebenfalls als "unwertes Leben" angesehen wurden und demselben System unterzogen wurden.

Obwohl Lubeck hier einer der Bösewichte ist, ist seine Figur großartig ausgearbeitet worden. Seine Wandlung vom Mitläufer zum überzeugten Fanatiker wird glaubwürdig dargestellt. Generell wirken alle Charaktere sehr authentisch und detailliert gezeichnet. Hannah ist ein sehr starkes und intelligentes Mädchen, das unendliches Leid erfahren muss und trotzdem nie die Hoffnung aufgibt.
Der fesselnde, mitreißende und lebhafte Schreibstil hat mich durch das Buch getragen.

Der letzte Abschnitt hat dann leider meine euphorische 5 Sterne Bewertung runtergeschraubt. Zu actionreich, zu viele Zufälle, die die Ereignisse teilweise für mich unglaubwürdig wirken lassen. Schade! Für mich hätte es sonst großartige 5 Sterne gegeben, so aber muss ich auf 4 abrunden.
Es wird einen Nachfolgeband geben, den ich auf jeden Fall auch lesen möchte, denn bis auf den letzten Abschnitt hat mich dieser historischer Roman vollkommen überzeugt.

In einem ausführlichen Nachwort geht der Autor auf seine Idee, die Umsetzung und seine Recherche zum Thema Euthanasie ein, die ihn selbst oftmals an seine Grenzen gebracht hat. Dützer hat großartig recherchiert und mit "Die Unwerten" eine bewegende Geschichte erzählt. Er zeigt auf, dass man auch zu diesem dunklen Thema einen Roman ohne erhobenen Zeigefinger schreiben kann, welches für viele unmöglich erscheint. Hut ab, Herr Dützer!

Fazit:
Ein fesselnder und lesenwerter Roman, der sich den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte widmet und vom Autor grandios umgesetzt wurde. Einzig das Ende war mir von zu vielen Zufällen geprägt. Bis dahin hat mich der Roman allerdings vollkommen überzeugt und ich gebe gerne eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 21.04.2020

Die letzten 24 Stunden im Leben von Will

Mercy Seat
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Wir sind in den Südstaaten in den 1940iger Jahren. Eine Gleichstellung zwischen Schwarz und Weiß ist Zukunftsmusik. Noch immer verbergen sich weiße Männer hinter spitzen weißen Kapuzen um gegen Schwarze ...

Wir sind in den Südstaaten in den 1940iger Jahren. Eine Gleichstellung zwischen Schwarz und Weiß ist Zukunftsmusik. Noch immer verbergen sich weiße Männer hinter spitzen weißen Kapuzen um gegen Schwarze oder "Niggerfreunde" vorzugehen. Der Klu-Klux-Clan ist allgegenwärtig. Zu dieser Zeit wird ein junger schwarzer Mann wegen Vergwaltigung einer jungen weißen Frau zum Tode verurteilt. Die Beiden sind ein Liebespaar, doch der Vater des Mädchens ist Mitglied im Clan. Während Will festgenommen wird, erschießt sich Claire und kann somit nicht für ihn aussagen...was aber egal ist, denn dass er zum Tode verurteilt wird ist zu dieser Zeit in den USA einfach nur klar...

Die Geschichte erzählt die letzten 24 Stunden vor Wills Hinrichtung aus der Sicht mehrerer Personen. Die kurzen Kapitel und der rasche Perspektivwechsel hat mich zu Beginn etwas verwirrt. Ich konnte nicht alle Figuren sofort zuordnen und die vielen Namen taten ihr Übriges. Doch nach und nach waren diese Probleme vergessen und ich war tief in die Geschichte eingetaucht.

Zuerst begegnen wir Lane und den Captain, die den elektrischen Stuhl nach St. Martinsville kutschieren. Lane ist selbst Häftling und hat seinen ersten Tag Freigang, um den Captain zu begleiten. Als sie an einer Tankstelle kurz halten, lernen wir auch den Tankstellenbesitzer Dale und seine Frau Ora kennen. Ihr gemeinsamer Sohn Tobias ist einberufen worden und kämpft in Japan. Dale und Ora spielen auch in der fortlaufenden Handlung eine Rolle.
Eine weitere Perspektive erhalten wir von Polly, dem Staatsanwalt, der das Strafmaß von Will festgesetzt hat. Seine Frau Nell, die im Norden geboren wurde, findet keinen Gefallen an der Rechtssprechung im Süden. Gabe, ihr gemeinsamer Sohn, erkennt die Zweifel seines Vaters. Frank, der Vater von Will, ist ebenfalls auf dem Weg nach St. Martinsville. Mit seinem altersschwachen Maultier Bess transportiert er den Grabstein für seinen Sohn, den er noch kurz vor der Hinrichtng sehen möchte. Und zu guter Letzt lernen wir noch Hannigan, einen Priester kennen, der Will die letzten Monate begleitet hat und ihm auch kurz vor seinem Tod beizustehen versucht. Er zweifelt am Glauben und an der Gerechtigkeit. Und natürlich Will selbst, der sich dem Urteil ergeben hat und nun seiner Hinrichtung um Mitternacht entgegensieht.

Feinfühlig erzählt Elizabeth H. Winthorp wie die oben genannten Personen mit dem Urteil umgehen und welche Gedanken, Emotionen oder auch Schuldgefühle sie spüren. Dabei gibt uns die Autorin einen schonugslosen Einblick in das letzten Jahrhundert in die Südstaaten der USA. Leider muss man sagen, dass sich in manchen Dingen - trotz der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den 1960igern - noch immer viel zu wenig geändert hat. Schwarze werden noch immer benachteiligt, sowie oftmals willkürlich und ungerecht angegriffen oder sogar getötet.

Die intensive Erzählung hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Man spürt die Emotionen der einzelnen Figuren, die drückende Hitze und das langsame Aufkommen von Zweifel und im Gegenzug den Mob, der der Hinrichtung entgegenfiebert. Manche Antworten überlässt Winthorp dem Leser. Dabei hätte ich bei einem Strang gerne noch etwas mehr erfahren.
Die Autorin hat sich an einem wahren Fall orientiert, die sie zu dieser Geschichte inspiriert hat. Ein Roman, der einem nicht so schnell loslässt und niemand kalt lässt.

Schreibstil:
Die Autorin hat einen wahnsinnig eindringlichen und intensiven Schreibstil. Man spürt die beklemmende Stimmung mit jeder Faser beim Lesen, ebenso wie die sengende Hitze und die Emotionen der einzelnen Charaktere. Die kurzen Kapitel mit wechselnden Perspektiven verleiten zum "Ich muss unbedingt noch ein bissche weiterlesen", denn man hat den Wunsch mehr von dieser Figur zu lesen, die wir gerade begleiten, obwohl bereits aus der Sicht der Nächsten erzählt wird. Und so ergeht es einem bei jedem Perspektivwechsel.


Fazit:
Eine beklemmende Geschichte über Rassismus und der Willkür der Menschen, die Menschleben unterschiedlich werten. Eindringlich und schonungslos - eine echte Leseempfehlung!

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