Kommt als Wolf im Schafspelz daher: „Die Perlenfarm“
Die PerlenfarmObwohl ich dieses Buch ursprünglich – mehr oder weniger – für eine Liebesgeschichte hielt, und ich lese normalerweise keine Liebesgeschichten, musste ich es unbedingt haben. Und wow, meine Gefühle haben ...
Obwohl ich dieses Buch ursprünglich – mehr oder weniger – für eine Liebesgeschichte hielt, und ich lese normalerweise keine Liebesgeschichten, musste ich es unbedingt haben. Und wow, meine Gefühle haben mich nicht getäuscht, denn dieser Roman ist alles andere als bloß eine simple Liebesgeschichte. Liza Marklund schreibt ja ansonsten mit großem Erfolg Krimis.
Auch jetzt noch, nach der Lektüre, bin ich tief beeindruckt und werde dieses Buch bestimmt nicht so schnell vergessen.
Ich war schon mal in der Südsee, auch von daher war ich interessiert.
Zum Inhalt: Kiona, die Protagonistin, ist Apnoetaucherin, sie kann für etwa sieben Minuten ohne Geräte unter Wasser bleiben. Sie lebt mit Bruder und Schwester und ihren Verwandten auf Manihiki, einer Insel im Südpazifik, im Verbund der Cook Inseln, die unabhängig sind und in „freier Assoziierung“ zu Neuseeland gehören. (Quelle Wikipedia) Papa Tane, ihre Schwester Moana und ihr Bruder Nikau bewirtschaften die titelgebende Perlenfarm. Und wir erfahren sehr viel Wissenswertes über die Perlenmuscheln und die Perlenernte.
Eines Tages zerschellt ein Boot am Riff von Manihiki und die Bewohner können kurz vorm Versinken der Yacht einen schwerverletzten Schweden, den einzigen Passagier, retten, und ein paar seiner Habseligkeiten. Mama Evelyn, die „importierte“ Krankenschwester, und Kiona pflegen den Schweden Erik so gut sie können, mit den Möglichkeiten, die sie haben. Ein Röntgengerät gehört leider nicht dazu.
Liza Marklund hat hier einen so spannenden Roman komponiert, der einen kaum Luft schöpfen lässt, so überzeugend sind die Figuren, die exakt recherchierten Schauplätze, die eingeflochtenen, brisanten politischen Themen, der Ablauf mit dem dicken roten Faden, an dem sich die Geschichte gekonnt entlang hangelt. Kiona entwickelt sich im Verlauf der Handlung vom einfachen Naturkind zur ausgebufftesten Spurenverwischerin, die man sich nur vorstellen kann. Im Prolog gilt sie schon als ertrunken und der ganze Roman handelt davon, wie es dazu kam.
Clay, die neue Freundin und Begleiterin auf der großen Reise spricht oft mit Kiona und anderen ihr Anbefohlenen über diverse Themen, so auch hier, Zitat Seite 413:
„Der Humanismus betet den Menschen an […] Der Humanismus behauptet, der Homo sapiens sei allem anderen im Universum überlegen und dürfe sich daher alles andere nach Lust und Laune zunutze machen. Tiere können ihr Leben lang in engen Käfigen eingesperrt, ihrer Nachkommen beraubt und dann getötet werden, weil wir glauben, das Recht zu haben, immer zu essen, was wir wollen. Pflanzen und Tiere in der Natur haben keine Rechte, wenn der Mensch beschließt, ein Stück Land urbar machen zu müssen. Alle, die diese Weltordnung infrage stellen und bekämpfen, gelten als gefährlich und destruktiv …“
Fazit: Die Perlenfarm erinnert latent an „Der englische Patient“, hat aber enorm viel zu bieten. Eine brillante Recherche trifft hier auf wahrhaft spannende Berichterstattung. Viele Themen werden behandelt, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Und ich finde hier zwei meiner Lieblingsbücher quasi in einem Roman vereint: „Die gläserne Frau“ und „Die Insel der fünf Frauen“. Große Erzählkunst und ein dickes Lob an die Übersetzerin Katrin Frey.