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Veröffentlicht am 02.09.2022

Identität(en)

Flüchtige Umarmung
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Eine Verflechtung aus antiken Geschichten und persönlichen Reflektionen, sprachgewaltig und voller Abschweifungen. Schwierig zu lesen und zugleich genau deswegen auch ein Genuss. Ich wollte dieses Buch ...

Eine Verflechtung aus antiken Geschichten und persönlichen Reflektionen, sprachgewaltig und voller Abschweifungen. Schwierig zu lesen und zugleich genau deswegen auch ein Genuss. Ich wollte dieses Buch lieben und zögere dennoch. Es hat mich nicht kaltgelassen und zugleich auch nicht endgültig mitreißen können. Vielleicht muss dieses Buch auch so uneben sein; ein Fragment, viele letztlich.



Mittlerweile schon drei Jahre ist es her, dass Daniel Mendelsohn mich auf eine Odyssee mitnahm und mit seinem Schreib-, seinem Erzählstil beeindruckte. Als ich zufällig über die auf deutsch neuerscheinende Übersetzung seines Debüts stolperte, konnte ich nicht widerstehen!

Ich war bereit, zu lieben. Bereit, dieses Buch von der ersten Seite an zu lieben und mich in die Erzählung fallen zu lassen. Während Mendelsohn erzählerisch durch seine Vergangenheit und die noch länger vergangene Antikenwelt mäandert, fehlte mir als Leserin ein roter Faden, ein Anknüpfungspunkt. Ich genoss das Dahinplätschern der episodenhaften Ausschnitte und Fragmente eines Lebens, fand aber keinen Bezug. Ich bin kein schwuler Mann, ich habe keine Verbindung zu New York, und die 70er, 80er, 90er nicht erlebt - ich blieb unbeteiligte Betrachterin. Dieser "ah, darum lese ich dieses Buch"-Moment wollte bei mir nicht aufkommen.

Zugleich - auch wenn ich passive Leserin blieb - bereitete mir die Lektüre dennoch Freude, ein behagliches Lesegefühl angesichts ausdrucksstarker Sprache, intelligentem Satzbau und beeindruckender erzählerischer Kunst. Mendelsohn versteht es, weite Bögen zu spannen und doch wieder zur Ursprungserzählung zurückzukommen. Das erfordert wachen Geist beim Lesen, hält aber auch die grauen Zellen wach.

Die Liebe zur Antike schlägt auch in diesem Buch erneut durch; immer wieder entführt der Autor in griechische Sagenwelt und römische Dichtung und zeigt: Menschliche Empfindungen aller Art verbinden über Zeiten und Landesgrenzen hinweg.

Dieses Buch besteht aus einer losen Verknüpfung einzelner Erlebnisse aus der queeren Welt und stellt zugleich genau das dar: Eine Perspektive, ein Einblick, eine Facette. Wer genau daran interessiert ist, sich darauf einlassen kann, in ein Leben einzutauchen - dem kann ich dieses wunderbar geschriebene Buch nur ans Herz legen. Tod, Liebe, Identität (und die Suche danach), Schönheit, Sehnsucht, Verlangen, Vaterschaft und Kindheit - viele Themen behandelt und streift das Buch (gegliedert in die Kapitel Geographien, Vielzahlen, Vaterschaften, Mythologien und Identitäten); ich hätte mir hier einen klareren Pfad, ja mehr Resümee, gewünscht.

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Veröffentlicht am 19.09.2021

Ergriff mich leider nicht

Und der Ozean war unser Himmel
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Als Plädoyer ergreifend und einleuchtend, als Geschichte für mich emotional nicht greifbar und verwirrend. So gerne wollte ich dieses Buch lieben und wurde doch nicht mitgerissen.


Von Patrick Ness habe ...

Als Plädoyer ergreifend und einleuchtend, als Geschichte für mich emotional nicht greifbar und verwirrend. So gerne wollte ich dieses Buch lieben und wurde doch nicht mitgerissen.


Von Patrick Ness habe ich bisher viel Gutes gehört - und bei diesem wie für mich gemachten Buchcover konnte ich natürlich der Versuchung nicht widerstehen, seine Schreibwelt kennen zu lernen!

Leider habe ich mich jedoch von Beginn an schwergetan, mich auf Bathsebas "verkehrte" Welt einzulassen, hielt immer wieder inne, blätterte zurück und blieb merkwürdig distanziert zu den Ereignissen.

Die beeindruckenden Illustrationen, die Botschaft, nautisches Setting und Thematik - alles sprach dafür, dass mich dieses Buch mitreißen würde und doch, es tat es leider nicht. Der rationale Teil meines Hirns war viel zu sehr damit beschäftigt, sich über die "menschliche" Welt der Wale zu wundern, herauszufinden, wie rum sie schwimmen und wie funktioniert, was sie tun, um mich auf die emotionale Ebene einzulassen; ständig schwebte das "Wie soll das funktionieren?" über meinem Kopf.

Ich liebe die Idee, die Sinnlosigkeit von Gewalt, die Spirale aus Hass und Gewalt, den Teufelskreis des Krieges durch vertauschte Perspektive (kindgerecht) vor Augen zu führen, allegorisch aufzuzeigen. So manch elegant formulierter Gedankengang konnte mich berühren - nur sprang für mich eben der Funke nicht über. Gut möglich, dass die Geschichte bei Kindern/Menschen mit lebhafterer Fantasie und Wille, sich Details selbst auszumalen jedoch besser funktioniert!

Als Plädoyer gegen Krieg und Gewalt nicht nur eindrucksvoll gestaltet, sondern auch im gewichtigen Sprachstil überzeugend; in der Kürze des Buches konnte ich das Worldbuilding jedoch nicht erfassen, der Handlung nur wie aus weiter Ferne folgen. Schade! So reizvoll ich es auch finde, Moby Dick aus Walperspektive zu lesen - für mich hat das (hier) nicht funktioniert.

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Veröffentlicht am 15.02.2021

Merk-würdig

Piranesi
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Ein Buch, das schwer nur in Worte zu fassen ist; schillernd und anmutig und zugleich schwerfällig und behäbig. Eine Geschichte definitiv, die einen vollständig eintauchen und nur schwer wieder entlässt.

Als ...

Ein Buch, das schwer nur in Worte zu fassen ist; schillernd und anmutig und zugleich schwerfällig und behäbig. Eine Geschichte definitiv, die einen vollständig eintauchen und nur schwer wieder entlässt.

Als ich dieses Buch das erste Mal in der Verlagsvorschau entdeckte, war ich interessiert und zugleich unschlüssig; nach positiven Besprechungen musste ich es einfach wagen. Und was soll ich sagen?!

Ich bin genauso zwiegespalten und verwirrt wie beim erstmaligen Lesen des Klappentextes - weshalb ich auch so lange mit den Worten dieser Rezension gerungen habe.

Piranesi ist ein skurriles Buch. Wir folgen der Hauptfigur, die in einem nicht enden zu scheinenden Haus lebt, das voller Statuen und Räume, Gezeiten und Aufgängen, aber leer an Leben zu sein scheint. Außer ihm, den Toten und dem Anderen. Doch wessen Wahrnehmung stimmt; wesssen Sinne leiten in die Irre? Die langsame Entfaltung dessen, was tatsächlich geschieht, wann und warum, ist von der Autorin äußerst kunstvoll konstruiert und entbehrt nicht an Spannung.

Und doch. Die Zeit verrinnt zäh wie Honig und in ungleichmäßigen Bahnen; die Grundspannung voller unheilvoller Ahnungen, wirrer Vermutungen und mysteriöser Stimmung wird nicht durch allzuviel Handlung unterstützt. Beschreibungen der Irrungen und Windungen - des Hauses, des Protagonisten und der eigentlichen Geschichte - stehen im Vordergrund. Speziell; auch vom Schreibstil und Erzählton her!

Was mir am Ende des Buches gefällt hat, ist nicht ein geschlosseneres Ende an sich, sondern eine für mich schlüssige Interpretation; das Gefühl, die Geschichte einordnen zu können. Der Geschichte zu folgen hat mir durchaus Freude bereitet, gerade ob der kunstvollen, fast schon poesievollen Inszenierung - es fühlt sich jedoch so an, einen losen Faden in der Hand zu halten, den ich nicht verknüpfen, in Kontext bringen kann. Kein konkretes "und die Moral von der Geschicht", aber doch ein "was wollte uns die Autorin damit sagen".

Im Nachhinein habe ich im Internet gelesen, dass die Autorin Susanna Clarke an chronischem Erschöpfungssyndrom leidet und über viele Jahre das Haus nicht verlassen habe; das macht all die widerstreitenden Gefühle der Hauptperson für das Haus; das Bewundern und Geborgenfühlen und zugleich das Sehnen nach mehr, greifbarer. Und doch bleibt das Buch für mich ein Rätsel. Vielleicht liegt darin jedoch auch dessen Schönheit und Zauber; die es nicht zu durchschauen gilt.

Wen der Klappentext anspricht, wer sich auf dieses Abenteuer einlassen möchte - es lohnt sich! Piranesi ist kein Buch, das sich schnell vergessen lässt oder mit völliger Gleichgültigkeit gelesen werden kann, sondern eines, das mich viel hat Nachdenken lassen.

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Veröffentlicht am 10.01.2021

Unklare Zielgruppe

Geheimnisse der Hexen
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Wundervolle Gestaltung, Inhalt jedoch zwischen interessant und merkwürdig esoterisch.

Ein wunderbar und durch und durch magisch gestaltetes Buch voller Wissen über die Welt des Übernatürlichen und das ...

Wundervolle Gestaltung, Inhalt jedoch zwischen interessant und merkwürdig esoterisch.

Ein wunderbar und durch und durch magisch gestaltetes Buch voller Wissen über die Welt des Übernatürlichen und das Schicksal von Frauen, denen einen Nähe dazu zugesprochen wurde. Vor allem im letzten Abschnitt war mir das Ganze dann aber zu esoterisch angehaucht; Pendel bauen und Weissagen; naja.

Das vermittelte Wissen über Hexenverfolgung, bekannte und weniger bekannte Frauen (hier gefiel mir vor allem, das sie selbst "zu Wort" kamen), Heilkräuter sowie die bezaubernde und düstermagievolle Aufbereitung jedoch finde ich ganz hervorragend.

Was mir nicht ganz klar ist, ist an welches Zielpublikum sich das Buch richtet?! Es spricht einen als Schwester direkt an; doch ist es mehr ein Sachbuch mit augenzwickerndem Esoterikteil oder femnistisch-ernstgemeinte Einladung in die übernatürliche Welt? Für junge Leser*innen ab 11 finde ich es verfrüht...

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Veröffentlicht am 25.04.2020

Im hohen Norden...

Vardo – Nach dem Sturm
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Beklemmend und eindrucksvoll geschildert aber leider handlungsarm, gewährt das Buch einen tiefen Einblick in eine Spirale aus Misstrauen und Verrat, Freundschaft und Liebe.


Hexenverfolgung und Inquisition ...

Beklemmend und eindrucksvoll geschildert aber leider handlungsarm, gewährt das Buch einen tiefen Einblick in eine Spirale aus Misstrauen und Verrat, Freundschaft und Liebe.


Hexenverfolgung und Inquisition gehören nicht zu meinen bevorzugten Buchthemen, doch das Setting im hohen Norden Norwegens sowie die angedeutete machten mich neugierig.

Von der ersten Seite an vermochte es die Autorin, mich mit ihrem Schreibstil, wenngleich streckenweise anstrengend zu lesen und poetisch schwer, einzufangen. Elend, Dreck, Ungerechtigkeit, Hunger und körperliche Erschöpfung - all´ dies ließ mich Kiran Millwood Hargrave förmlich am eigenen Leib spüren.

Und dennoch ließ meine Begeisterung Kapitel für Kapitel nach - erst nach etwa 150 erreichen der Kommissar und seine junge Frau Ursa die Insel und so relevant die Beschreibungen des harten Alltags und die schleichenden Veränderungen im Miteinander doch für das Verständnis späterer Ereignisse sind, passierte mir schlicht zu wenig.

Das ändert sich auch nach der Ankunft nicht; das Geschehen war an sich aufregend wie eine Bedienungsanleitung. Erst die letzten 50-100 Seiten bringen Handlung, die vom Alltäglichen abweicht.

Das historische Elend und die Entwicklung einer eingeschworenen Gemeinschaft bis hin zu einer von Misstrauen und Missgunst durchzogenen Gemeinde schildert die Autorin eindrucksvoll und gelungen, die Handlungsebene ist jedoch als dürr zu beschreiben. Auch die Charaktere konnten mein Herz kaum berühren; ich fühlte mich als distanzierte Beobachterin, die zwar erschrocken ob Gewalt und Elend, nicht aber mitleidend war.

Im offenen Ende liegt eine Stärke und offenbart das Wachstum Marens und Ursas und ließ mich dennoch unbefriedigt ob der unklaren Zukunft zurück.

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