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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.09.2020

Spannendes Buch mit leichten Schwächen

Die Tote von Dresden
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Anna-Maria Slakow und Frank Haberking sind keine gewöhnlichen Polizisten. Sie wurden beide strafversetzt, wegen ganz unterschiedlicher Vergehen. Ihre neue Aufgabe: Sie sollen einen sogenannten Cold Case ...

Anna-Maria Slakow und Frank Haberking sind keine gewöhnlichen Polizisten. Sie wurden beide strafversetzt, wegen ganz unterschiedlicher Vergehen. Ihre neue Aufgabe: Sie sollen einen sogenannten Cold Case lösen um die in die Zwangsprostitution verschleppte Richterin Jenny Flagant die nach ihrer Befreiung Selbstmord beging. Haberking ist pedantisch, darauf bedacht seinen Beruf nicht über sein Privatleben bestimmen zu lassen. Er liebt seine Frau und beiden Töchter abgöttisch, macht ihnen zu Liebe keine oder nur selten Überstunden, verzichtet auf Beförderungen, kurz, er schiebt einen korrekten Dienst strikt nach Vorschrift, ohne jedwede beruflichen Karriereambitionen. Deshalb ist es sehr verwunderlich, dass ausgerechnet er eine Vernehmung als erledigt abgehakt zu haben, obwohl die Vernehmung nicht stattgefunden hat. Slakow ist ein ganz anderes Kaliber. Als ein Zuhälter sie angreift, wehrt sie seinen Angriff ab und schlägt ihn krankenhausreif. Leider zueht das ein Disziplinarverfahren nach sich und so landet sie mit Haberking in einem Keller wo sie den Jenny Flagant Fall wieder aufrollt.
Nach über 10 Jahren wird die Entführung und Zwangsprostitution von Jenny Flagant aus der Vergessenheit hervorgeholt. In einer knappen Woche lösen Haberking und Slakow den Fall, finden heraus, dass in diesem Zusammenhang auch andere Morde geschehen waren, entlarven Mörder, Maulwurf und einen korrupten Staatsbeamten, finden den vierten verschollenen Toten. Zusätzlich überreden sie den Innenminister innerhalb der Dresdner Polizeidirektion eine neue Abteilung für Cold Case Fälle zu schaffen. Nicht schlecht für zwei angebliche Versager.
Der Roman ist spannend, flott und stilsicher geschrieben. Erzählt wird auf zwei Ebenen: erstens in der Gegenwart der ermittelnden Polizisten und zweitens aus der Zeit der 90er Jahre, als Jenny Flagant und Sascha Solberg sich kennenlernten und der korrupte Psychologe und Gutachter Lukas Biermann in Dresden anfing zu arbeiten. Julius Kron hat die Atmosphäre der ersten zehn Jahre nach der Vereinigung in Dresden perfekt eingefangen. Für die meisten war es eine Zeit des Aufbruchs, der intensiven Auseinandersetzung mit den neuen Gegebenheiten, eine Zeit der Hoffnung und des Wandels. Für einige aber war es die Zeit der Goldgräber, der versteckten oder offenen Korruption. Es war das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, um an Geld ran zu kommen. Diese Zeit ist faszinierend im Rückblick. Und gleichzeitig bin ich auch froh, dass sie vorbei ist.
Fazit: Trotz einiger Schwächen und Widersprüchen in der Chronologie, kann ich diesen Thriller gerne empfehlen.

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  • Cover
  • Spannung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Handlung
Veröffentlicht am 23.05.2020

Die Buchhandlung meiner Träume

Das Buch der gelöschten Wörter - Der erste Federstrich
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Stell Dir vor, Du bist eine Leseratte. Du liest nicht leidenschaftlich gern, denn Du atmest ja auch nicht aus Leidenschaft, sondern um zu leben. Und so gehört Lesen wie Atmen unabdingbar zu Deinem Leben. ...

Stell Dir vor, Du bist eine Leseratte. Du liest nicht leidenschaftlich gern, denn Du atmest ja auch nicht aus Leidenschaft, sondern um zu leben. Und so gehört Lesen wie Atmen unabdingbar zu Deinem Leben. Wenn Du drei Wünsche das Lesen betreffend frei hättest? Welches wären die?
Die Orte der Handlungen selbst betreten, wäre ein Wunsch. Quasimodos Notre Dame, das antike Rom aus Quo Vadis, der Ballsaal im Hause Capulet, das sonnendurchflutete Gutshaus auf Tara, Hogwarts und Ligusterweg, Karthago, St. Petersburg, die Matratzengruft in Paris, die schottische Highlands, Niederkaltenkirchen. Es gibt so viele Orte, die ich in diesen einen Wunsch zusammenfassen könnte.
Zweiter Wunsch, den Du frei hättest? Die Personen aus den vielen Büchern in echt begegnen: Hermine Granger, Marius, Sulla, Caesar, Quasimodo und Esmeralda, Edward Cullen, (und wenn wir schon dabei sind, ja, auch Christian Grey) Mr. Rochester und Jane Eyre, den kleinen Maulwurf, seine Majestät den Fönig, den altrömischen Privatdetektiv Marcus Didius Falco, Nathan den Weisen, die zweite Mrs Maxim de Winter, Tigger, Winnetou, Hadschi Halef Omar, Hans Castorp, Oskar Matzerath, die beiden Erdmännchenbrüder Rufus und Ray, und ein paar Tausend andere mehr. Das wäre der zweite Wunsch.
Der dritte Wunsch? Ja, für mich wäre das, das Ende einiger Bücher so zu umschreiben, wie es mir gefällt. Scarlett erobert Rhett zurück, Esmeralda verliebt sich in Quasimodo, Anjin San John Blackthorne heiratet die schöne Mariko, Caesar überlebt die Iden des März unbeschadet, und so einige Geschichten mehr.
Und nun geschieht das Unfassbare, das Wunderbare, das Unglaubliche: die Autorin Mary E. Garner erfüllt sich diesen Traum: in ihrem Werk „Das Buch der gelöschten Wörter“ begeht sie fremde Bücherwelten, spricht mit Gestalten, wie Gwen, Lance, Geppetto, Anna Karenina, Cupido, knuddelt mit Lassie, rettet einen Hund aus dem finsteren Transsilvanien, lauscht Bambi und seinem Vater im Wald. Und wir, die Leser, erleben und handeln alle mit. Ist das nicht schön?
Interessant fand ich die Verzahnungen zwischen der realen und der fiktiven Bücherwelt, die dank Garners meisterlichem Können, genauso real wirkt wie die, in der wir leben. Es heißt nicht umsonst, die schönsten Geschichten schreibt immer noch das Leben selbst. Vielleicht gibt es mehr Berührungspunkte zwischen der literarischen und unserer Welt?
Sprachlich noch nicht ganz ausgefeilt, an manchen Stellen leichte Entgleisungen ins Triviale, wird Mary E. Garner noch an ihrem Stil etwas feilen müssen, kleine Unebenheiten ausmerzen. Aber das nur so nebenbei gesagt.
Die Gestaltung des Titelbildes fand ich sehr gelunen: Symmetrisch aufgebaut, sind im unteren Teil des Bildes Bücher und im oberen Teil Türme von London zu sehen. Durch die Symmetrie suggerieren Türme wie Bücher eine Spiegelung, weil Literatur und reale Welt sich einander einen Spiegel vorhalten.
Wir dürfen auf die weiteren Bücher Garners gespannt sein.

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  • Handlung
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  • Fantasie
Veröffentlicht am 29.04.2020

Spannend wie ein skandinavischer Krimi sein muss

Das Dorf der toten Seelen
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Camilla Sten, ein neuer Stern am skandinavischen Krimihimmel und genetisch vorprogrammiert auf Krimis – ich sage nur Viveca Sten – hat sich in ihrem Debütroman keine leichte Kost vorgenommen. Auf zwei ...

Camilla Sten, ein neuer Stern am skandinavischen Krimihimmel und genetisch vorprogrammiert auf Krimis – ich sage nur Viveca Sten – hat sich in ihrem Debütroman keine leichte Kost vorgenommen. Auf zwei Zeitebenen gebaut, damals, 1959 und in der Gegenwart. Ort der Handlung ist in beiden Zeitebenen das Dorf Silvertjän. 1959 verschwinden plötzlich spurlos alle Bewohner von Silvertjän, bis auf einen Säugling und eine grausam zugerichtete Frauenleiche. In der Gegenwartmacht sich eine junge Filmcrew auf den Weg, das Geheimnis von Silvertjän zu erforschen. Die zwei Zeitebenen alternieren, könnten jede für sich einen Roman bilden, beide steuern auf ihren eigenen Höhepunkt zu. Und doch sind sie unmittelbar und auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden. Unwillkürlich drängt sich einem der Gedanke an die Sage des Kinderfängers von Hameln auf. Aber in Hameln waren es nur die Kinder, die verschwanden während die Erwachsenen nichts dagegen tun konnten, während in Silvertjän alle Erwachsenen und Kinder, bis auf den einen Säugling, verschwunden sind. Das Geheimnis der entschwundenen Einwohner aber auch der Morde in der Gegenwart wird eigentlich nur zum Schluss gelüftet und die unheilvolle Verknüpfung der beiden Zeitebenen offensichtlich.
Die Atmosphäre im Buch verdichtet sich zunehmend, die Bedrohung damals wie heute wird immer greifbarer, die Gefahr immer akuter.
Packend zu lesen, kann man das Buch ab einem bestimmten Punkt kaum noch aus der Hand legen.
Als Bettlektüre nur für Hartgesottene zu empfehlen, für uns andere, lieber im Garten und bei Sonnenschein.

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Veröffentlicht am 12.04.2020

Ein Wolf ist nur in Märchen böse

Wolves – Die Jagd beginnt (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 3)
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Dies ist der dritte Roman in einer Reihe von Krimis um ein Ermittlungsteam bestehend aus William Fawkes, genannt Wolf, Jake Sounders, Finlay, der allein in einem Raum doch ermordet wurde, Emily Baxter, ...

Dies ist der dritte Roman in einer Reihe von Krimis um ein Ermittlungsteam bestehend aus William Fawkes, genannt Wolf, Jake Sounders, Finlay, der allein in einem Raum doch ermordet wurde, Emily Baxter, Wolfs ehemalige Geliebte, Alex Edmund, der den Polizeidienst quittiert hat, nun als Privatdetektiv arbeitet und trotzdem seiner alten Truppe verbunden bleibt, Polizeichef Christian Bellamy und Commander Geena Vanita, Bellamys Stellvertreterin.
Als dritter Teil sind Anspielungen und Hinweise auf die vorangegangenen Krimis unvermeidlich, doch mit kurzen Erklärungen, die geschickt in der Handlung eingebaut sind, kommt auch der „Neuling mit und die Leser, die Hangman und Ragdoll schon gelesen haben, sind nicht langweilt, vielleicht eher froh um die kleine Auffrischung der Geschichte.
Zur Handlung: Keine Angst, hier wird nicht gespoilert. Finlay, bester Freund von Christian Bellamy und Mentor von Wolf Fawkes, wird tot allein in einem verschlossenen Raum aufgefunden. Alle glauben an Selbstmord, bis auf Wolf. Zusammen mit seinem Team und unter aufmerksamer Beobachtung von Geena Vanita und Christian Bellamy beginnt Wolf die Ermittlungen aufzunehmen. Schnell stellt sich heraus, dass es tatsächlich Mord war und dass das Tatmotiv irgendwo in der Vergangenheit von Finlay liegen muss.
Anders als bei traditionellen Krimis, ist der wahre Mörder schnell ermittelt, jedoch, wie bei Colombo-Krimis, ist das Teil der Spannung, den Mörder zu stellen, alle Beweise gegen ihn in der Hand zu haben, und schließlich der große Showdown. Denn der Mörder ist den Ermittlern immer dicht auf der Spur, ihnen immer auch einen Schritt voraus, lässt langsam alle Masken und Prätentionen der Unschuld fallen, es ist ihm egal, dass die halbe Polizeibelegschaft von seinem Verbrechen weiß, solange ihm nichts nachzuweisen ist, kann er so weitermachen wie bisher.
Spannend geschrieben, gut übersetzt, interessante Handlung, gut gezeichnete Charaktere, ab und zu leicht karikierte Szenen, hat dieses Buch alles, was ein guter Krimi benötigt.

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Veröffentlicht am 03.04.2020

Ein Gerücht und seine unabsehbaren Folgen

Das Gerücht
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Und dabei beginnt alles so harmlos. In einer kleinen idyllischen Stadt am Meer bringen morgens die Mütter ihre Kinder in die Schule, tauschen noch ein paar Worte aus, jede Mutter geht dann ihrer Wege. ...

Und dabei beginnt alles so harmlos. In einer kleinen idyllischen Stadt am Meer bringen morgens die Mütter ihre Kinder in die Schule, tauschen noch ein paar Worte aus, jede Mutter geht dann ihrer Wege. Ganz normaler Alltag. Wenn da nicht eine der Mütter von einer Kindermörderin erzählen würde, die vielleicht sogar in dieser kleinen idyllischen Stadt leben könnte. Von jetzt an nimmt das tragische Geschehen seinen Lauf. Einmal etwas Gesagtes kann nicht mehr zurückgenommen werden. Joanna bekommt die Mörderin nicht mehr aus dem Kopf, vermutet sogar in allen Frauen, die etwa im Alter der Mörderin sind und deren Anfangsbuchstaben S und M sind, also mit der Sally McGowan übereinstimmen, die Täterin zu identifizieren. Ob es eine Laden- oder Hausbesitzerin ist, Joanna vermutet, stellt Theorien auf, verwirft sie wieder, hadert mit sich selbst, warum sie von diesem Gerücht nicht loskommt. Und sie steckt auch andere damit an. Bis sich der Verdacht erhärtet und Joanna plötzlich selbst bedroht wird und ihr Sohn Alfie auch. Bis das letzte Puzzlestück an seinen Platz fällt und Joanna erkennt, dass sie im Auge des Sturms ist und dass Sally McGowan ihr viel Näher ist, als sie sich jemals hätte träumen lassen. Es kommt zu einem filmreifen Showdown, im Laufe dessen Sally McGowan die Bluttat von vor über 50 Jahren vor unseren Augen wieder auferstehen lässt. Sally war damals selbst ein Kind, 10 Jahre alt, von den Eltern geschlagen und misshandelt, vom Vater noch zusätzlich sexuell missbraucht, war sie ein Kind ohne Kindheit. Der fünfjährige Junge starb mit dem Messer in der Brust, ein Messer das Sally vorher noch in der Hand gehabt hatte. Sally wurde verurteilt lebte lange Zeit in einer besonderen Anstalt für straffällige gewalttätige Kinder, wurde nach langen Jahren entlassen, bekam eine falsche Identität und lebte unentdeckt und fern der Öffentlichkeit, immer bemüht keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch die Familie des getöteten Kindes fand keine Ruhe. Immer wieder tauchten Journalisten auf, rissen alte Wunden auf, hielten in der Mutter und in der Schwester des getöteten Kindes den abgrundtiefen Wunsch nach Rache wach. Da sie kein Zeugenschutzprogramm genossen, so wie Sally McGowan, waren sie der Öffentlichkeit preisgegeben, praktisch Freiwild.
Ich kann beide Parteien gut verstehen: sowohl die Mutter und Schwester des kleinen Robbie Harris, die von Rachegedanken zerfressen keine Ruhe finden können, als auch die Erwachsene Sally McGowan, die ihr Leben dafür hergeben würde, den einen schrecklichen Moment ihrer Kindheit ungeschehen zu machen. Ihr Leben ist zerfressen von Selbstvorwürfen und Reue, Gedanken, die sie aber niemandem zeigen kann, weder den liebsten Menschen, die sie umgeben, noch irgendjemand anderem. Nur eine einzige Frau weiß Bescheid, die kann ihr aber auch nur heimlich helfen und sie unterstützen, denn es darf ja niemand von dem schrecklichen Geheimnis erfahren.
Die Sprache ist perfekt an die Handlung angepasst: zuerst heiter, angenehm, so wie das Leben in Flinstead selber, ändert sie sich im Laufe des Romans, wird düsterer, dunkler, voller kataphorischer Textverweise, die zuerst den Gedanken an eine Paranoia Joannas denken lassen, weil sie plötzlich überall Gefahren und Bedrohungen zu erkennen glaubt und dann auf die drohende Gefahr anspielen, in der Joanna und Alfie schweben.
Nach dem Coup de Théâtre löst sich die Handlung auf, alle Fäden werden zu Ende gesponnen, Sally McGowan hat wieder eine neue Identität bekommen und lebt irgendwo an einem anderen Meer in Sicherheit und unerkannt, Joanna, ihr Freund Michael und ihr gemeinsamer Sohn Alfie leben weiter in der kleinen Stadt am Meer, alles ist gut.
Na ja, fast gut. Denn die letzte Szene im buch rüttelt alles wieder auf und lässt die Ereignisse damals, in dem zerfallenden Haus in den sechziger Jahren in ein anderes Licht erscheinen. Und wir, die Leser kommen wieder ins Grübeln.

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