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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.05.2020

Ein wahrer Augenschmaus

Kartenwelten
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Dieses prächtige Buch hält, was es verspricht: In „Kartenwelten“ wird den Lesern die Welt der Karten in eindrucksvoller Weise näher gebracht. Hier geht es nicht um schnöde Anweisung, schnell von A nach ...

Dieses prächtige Buch hält, was es verspricht: In „Kartenwelten“ wird den Lesern die Welt der Karten in eindrucksvoller Weise näher gebracht. Hier geht es nicht um schnöde Anweisung, schnell von A nach B zu kommen, sondern um die Vielfalt der Themen und Aussagen, die Landkarten enthalten.

Die Autorin hat die Wunderwelt der Karten in neun Themenbereich zusammengefasst:

Wasserstraßen
Städte
Konflikte und Krisen
Landschaften
Wirtschaft
Wissenschaft
Menschliche Erfahrungen
Welten
Kunst und Fantasien

Der Leser wird gleich zu Beginn des Buches von einer Karte des Mississippi (S. 14) empfangen, dessen mehrfach verlegte Flussbetten wie ein surrealistisches Gemälde anmuten.

Betsy Mason spannt den Bogen von der antiken Landkarte über mitteltalterliche und neuzeitliche Karten bis hin zu Satelliten- und GPS-basierte Karten. Viele davon seit ewigen Zeiten unter Verschluss wie die Karten aus der ehemaligen UdSSR (S. 84) oder Japans (S. 105), die vor allem auf strategische Ziele ihrer Feinde dokumentierten.
Noch vor den diversen Computersimulationen hat die US-Army Modelle von Utah-Beach nachbauen lassen, um die Landung der Alliierten 1944 in der Normandie zu ermöglichen (S. 100).

Wie eng Kunst und Karte miteinander verwoben sind, zeigt das Kartenwerk von Prof. Eduard Imhof, der ein Pionier auf dem Gebiet der naturalistischen Darstellung von Gebirgen war (S. 132).

Wer schon einmal vor einem Panorama eines Schigebietes gestanden ist, hat sich eher über schwarze, rote oder blaue Pisten und vielleicht auch der nächsten Einkehrmöglichkeit Gedanken gemacht, als über die Entstehung dieser Pistenkarten. Hier auf S. 139 kann die Idee und ihre Umsetzung nachgelesen werden.

Der Vorläufer der ICAO-Karte, ohne die der internationale Flugverkehr nicht möglich wäre, zeigt, dass Fliegen früher mehr Sapss machte (S. 168).

Besonders beeindruckt haben mich die wissenschaftlichen Karten wie z.B. die der Enthüllung des Meeresbodens (S. 184).

Und wenn heute die Darstellung von Statistiken über Wanderbewegungen von Menschen oder Hotspots von Krankheiten kaum ohne Karten auskommen können, ist dies keine Erfindung der letzten Jahre, sondern findet ihre historische Entsprechung.

Ich könnte noch Stunden über dieses Buch berichten, doch lest diese Faszination der „Kartenwelten“ selbst.

Das Buch ist hochwertig verarbeitet und hat ein Lesebändchen. Im Anhang findet der interessierte Leser noch weiterführende Literatur. Der informative Inhalt und die großartigen Abbildungen rechtfertigen den stolzen Preis von rund 50 Euro. Ein wunderbares Geschenk für Kartenliebhaber.

Fazit:

Schätze der Kartografie auf rund 300 Seiten - sie verdienen 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.04.2020

Eine unbedingte Leseempfehlung

Die Welt der Stoffe
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Kassia St. Clair widmet sich in diesem Buch einem der ältesten Gewerbe der Menschheit: Dem Herstellen von Stoffen.
Sie spannt den Bogen von der urzeitlichen Bevölkerung in deren Höhlen bis hin zum Hightech-Gewebes ...

Kassia St. Clair widmet sich in diesem Buch einem der ältesten Gewerbe der Menschheit: Dem Herstellen von Stoffen.
Sie spannt den Bogen von der urzeitlichen Bevölkerung in deren Höhlen bis hin zum Hightech-Gewebes von heute, das seinem Träger beinahe schon das Denken abnimmt.

In folgenden 13 Kapiteln geht die Autorin den Pflanzenfasern, den Tieren, die Fäden spinnen und den Menschen, die diese verarbeiten nach:

01 Fasern in der Höhle
02 Leichentücher
03 Geschenke und Pferde
04 Städte durch Seide erbaut
05 Drachenschiffe
06 Lösegeld für einen König
07 Diamanten und Halskrausen
08 Solomons Jacken
09 Extreme Schichten
10 Fabrikarbeiter
11 Under Pressure
12 Schneller, besser, weiter
13 Das goldene Cape

Dabei verwebt sie mit schönen Worten und penibler Recherche Geschichten und G’schichteln zu einem eindrucksvollen Sachbuch. Obwohl ich schon einiges über das Spinnen oder das Weben weiß, bin ich fasziniert über die Erkenntnisse, die die Autorin hier zusammengetragen hat. Denn, Hand aufs Herz, wer weiß schon, dass die Wikinger ihre Drachenschiffe zum Teil mit Segeln aus Schafwolle bestückt haben? Eben!

Neben archäologischen Funden, Lyrik aus dem antiken China, mittelalterlichen Aufzeichnungen etc. kommen auch Tagebuchaufzeichnungen von Robert Falcon Scott, Mount Everest-Bezwingern oder einer französischen Zwangsarbeiterin, die für ihre Zugehörigkeit zur Resistance in einer der zahlreichen deutschen Fabriken schuften musste, die Chemie-Fasern herstellten.

Die Geschichte der Stoffe ist auch die Geschichte der Frauen, die oft unter denkbar schlechten Bedingungen die Rohstoffe verarbeitet haben oder - siehe Bangladesh - dies auch heute noch tun.

Fazit:

Ein faszinierender Einblick in die Welt des Webens und Wirkens, das ich unbedingt empfehle. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.04.2020

Ein satirischer EInblick in die Kärntner Seel

Ins Astloch gemurmelt
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Was macht ein gebürtiger Steirer in Kärnten?
Er beobachtet die Menschen in seiner Wahlheimat und macht sich manchmal mit feinsinnigen Humor über sie lustig. Die Außensicht, auch wenn nach 18 Jahren Kärnten-Aufenthalt ...

Was macht ein gebürtiger Steirer in Kärnten?
Er beobachtet die Menschen in seiner Wahlheimat und macht sich manchmal mit feinsinnigen Humor über sie lustig. Die Außensicht, auch wenn nach 18 Jahren Kärnten-Aufenthalt schon ein wenig abgenutzt, lässt den Autor sich nach wie vor über so manche Eigenheiten staunen.

Dabei macht er weder vor liebgewonnen Gewohnheiten noch vor Politikern Halt. Einfach genial!

Seine klugen und satirischen Gedanken aht er in sechs Kategorien zusammengefasst, die da sind:

Von Heimat und dem, was davon übrig ist
Von Kunst, Kultur und so Sachen
Von Politik, Gesellschaft und anderen lästigen Dingen
Von Bildung, Religion und anderen Glaubensfragen
Von Menschen und anderen Tieren
Zu guter Letzt

Die Texte werden durch gelungene Zeichnungen von Heinz Ortner unterstützt.

Fazit:

Dieses kleine Buch, das im Klagenfurter Wieser-Verlag erschienen ist, hat mich mit seinen pointierten Texten bestens unterhalten. Gern gebe ich hier 5 Sterne - auch als Geschenk eine gute Wahl.

Veröffentlicht am 24.04.2020

Kunstraub und Raubkunst

Kunst und Verbrechen
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Das Autoren-Duo, die Kunstexperten Stefan Koldhoff und Tobias Timm. nehmen sich in diesem Buch eines brisanten Themas an: Kunst & Verbrechen.

Sie geben in folgenden Kapitel einen Überblick über Kunstdiebstähle, ...

Das Autoren-Duo, die Kunstexperten Stefan Koldhoff und Tobias Timm. nehmen sich in diesem Buch eines brisanten Themas an: Kunst & Verbrechen.

Sie geben in folgenden Kapitel einen Überblick über Kunstdiebstähle, Geldwäsche, Fälschungen und folgen den Spuren so mancher kriminellen Organisation. Dass Kunstraub keine Erfindung des 20. Jahrhunderts ist, wird ebenfalls dargestellt.

Licht und Schatten - ein Vorwort
Kapitel 1 - Gestohlen, geraubt, entführt
Kapitel 2 - Das Verschwinden des Originals
Kapitel 3 - die zerstörte Kulturgeschichte
Kapitel 4 - Wenn Diktatoren sammeln
Kapitel 5 - Kunstanlage als Betrug
Kapitel 6 - Schmutziges Geld und saubere Kunst
Und die Konsequenten?

Die Autoren gehen allerdings nicht nur mit den Räubern und/oder Fälschern hart ins Gericht, sondern vor allem mit deren Auftraggebern. Seien es Diktatoren, die auf „Kunstsinnig“ machen und daher leichte Beute für Kriminelle werden oder jene Neureiche, die ihr Einkommen gerne an der Steuer vorbei gewinnbringend anlegen wollen.

Dort wo viel Geld im Spiel ist, weil es leicht zu bekommen ist, ist das organisierte Verbrechen nicht weit. Nur so lange Menschen gewillt sind, so aberwitzige Summen für Kunst zu bezahlen, wird sie herbeigeschafft. Allerdings habe ich für die Leute, die um viel Geld einer Fälschung aufgesessen sind, kein Mitleid. Man könnte Vermögen auch anderwertig ausgeben - für mehr Bildung oder Forschung.

Die Autoren sprechen echten oder selbst ernannten Sachverständigen nicht von der Schuld frei, mit aberwitzigen Summen für echte oder vermeintlich echte Kunstgegenstände zu jonglieren. Auch Galeristen, Kunsthändler und/oder Museumsdirektoren bekommen ihr Fett ab.

Die Autoren berichten über die spektakulärsten Kriminalfälle und prangern die oft sehr laxen Sicherheitsvorkehrungen in (staatlichen) Museen an. Manchmal wirkt die Aufzählung der Fälle ein wenig unstrukturiert. Das macht aber das Buch nicht weniger spannend.

Nach „Selbstporträt“ (Wolfgang und Helene Beltracchi) und „Der Nazi und der Kunstfälscher“ (Edward Dolnick) mein drittes Buch über Kunstraub bzw. Fälschungen in kurzer Zeit.

Fazit:

Raubkunst und Kunstraub - ein weitverzweigtes Business, dem schwer beizukommen ist. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.04.2020

Ein gelungener hist. Roman

Die Tanzenden
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Dieser historische Roman entführt uns in das Paris von 1885, genauer gesagt in das Hôpital de la Salpêtrière, dem im 19. Jh. wohl bekanntesten Krankenhaus Europas. Die Autorin erzählt an Hand von drei ...

Dieser historische Roman entführt uns in das Paris von 1885, genauer gesagt in das Hôpital de la Salpêtrière, dem im 19. Jh. wohl bekanntesten Krankenhaus Europas. Die Autorin erzählt an Hand von drei Frauen, Louise, Geneviève und Eugènie, die unterschiedlicher nicht sein könnten, dennoch vieles gemeinsam haben.

Louise ist Patientin, die an der gynäkologisch bedingten Hysterie leiden soll und regelmäßig von Professor Charcot unter Hypnose gesetzt wird, um zum Gaudium der Zuschauer einen makabren Tanz auszuführen. Sie eifert jener Augustine nach, die Charcots liebstes Forschungsobjekt war.

Geneviève ist seit langem Oberaufseherin der Anstalt. Als Tochter eines Arztes denkt sie rational. Doch ihre medizinischen Ambitionen sind weder im Krankenhaus noch in der Gesellschaft gewünscht. So unterdrückt sie diesen Wunsch zu helfen genauso wie die Trauer um ihre jüngere Schwester Blandine, der sie nach wie vor Briefe schreibt.

Die dritte Protagonistin ist Eugénie Cléry, eine Tochter aus wohlhabendem Haus, die sich standhaft weigert zu heiraten. Sie ist überdurchschnittlich intelligent, selbstbewusst und hat die Gabe mit Verstorbenen zu sprechen. Und genau das bringt sie in die Salpêtrière. Geneviève beobachtet die Neue genau und kann wenig Verrücktes an ihr finden - 20 Jahre in der Anstalt machen sie in ihrer Einschätzung sicher. Als sich Eugénie der Aufseherin anvertraut, nimmt die Geschichte einen Verlauf, mit dem kaum jemand gerechnet hat.

Meine Meinung:

Der Klappentext ist ein wenig irreführend, was mich in meiner Ansicht, jene nicht zu lesen, wieder bestärkt.

Die Autorin webt um historisch belegte Personen und Begebenheiten einen fesselnden Roman, der manchmal ein wenig gruselig wirkt. Nämlich dann, wenn Umstände, weswegen Frauen in die Anstalt eingewiesen werden und in die „Behandlungsmethoden“ beschrieben werden. Um von eigenen Vätern, Ehemännern oder anderen (meist) männlichen Verwandten in die Salpêtrière eingeliefert zu werden, bedarf es wenig: Ein falsches Wort zur Unzeit, aufmüpfig sein, sich den gesellschaftlichen Konventionen nicht unterordnen oder ein Vermögen zu besitzen, dass anderwertig verwendet werden will. UNs schwupps, ist frau den „Behandlungen“ von Professor Jean-Martin Charcot ausgeliefert. Charcot und seine Kollegen experimentieren am lebenden Objekt. Die Patientinnen werden hypnotisiert mit Äther und Kokain süchtig gemacht, um jene Effekte hervorzurufen, die sie „den Tanz“ nennen. Oft genug wird auch brutale Gewalt angewendet, wie der mehrmals erwähnte „Druck auf die Eierstöcke“. Die im Nachwort beschriebenen Torturen lassen viele Leser dankbar und glücklich sein, im Hier und Heute zu leben. Obwohl, die oft leichtfertig verschriebenen Psychopharmaka sind auch Gewalt.

Historisch belegt ist neben Jean-Martin Charcot (1825-1893) auch „Augustine“, selbst wenn man ihren echten Namen nicht weiß. Sie ist jahrelang die „Vorzeigepatientin“ und entwischt in einem unbemerkten Augenblick in Männerkleidern auf Nimmerwiedersehen.

Augustine ist nicht die einzige, die aus der Anstalt fliehen kann. Eine prominente Insassin, der die Flucht gelingt, ist Jeanne de Saint-Rémy, die Drahtzieherin der sogenannten „Halsbandaffäre“ rund um Marie Antoinette. Nachdem ihre Rolle in dem Kriminalfall entdeckt wurde, wird sie zu lebenslange Haft in der Salpêtrière verurteilt. Nach rund einem Jahr Aufenthalt kann sie fliehen und nach schreibt im Londoner Exil ihre Memoiren. Ihre Helfershelfer bleiben unentdeckt.

Das von Ludwig XIV. in Auftrag gegeben „Hôpital de la Salpêtrière“ war nicht nur Krankenhaus sondern hauptsächlich Asyl für Frauen, Arme und Obdachlose, um diese aus Paris fern zuhalten. Heute ist die Salpêtrière Teil der „Universität Pierre und Marie Curie“.

Fazit:

Ein gelungener historischer Roman, der zeigt wie leicht unangepasste Frauen im 19. Jahrhundert im Irrenhaus landeten. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.