Unaufgeregter, hochinteressanter Roman über zwei Frauen, die ihrer Zeit weit voraus waren
Zwei bemerkenswerte FrauenGerade bin ich mit dem Lesen des Buches fertig geworden und am liebsten würde ich sofort einen Flug nach England buchen und dann in Lyme Regis auf Fossiliensuche gehen! Das Buch hat mich wirklich für dieses ...
Gerade bin ich mit dem Lesen des Buches fertig geworden und am liebsten würde ich sofort einen Flug nach England buchen und dann in Lyme Regis auf Fossiliensuche gehen! Das Buch hat mich wirklich für dieses „verknöcherte“ Thema erwärmt und ich fand es total interessant, über die Anfänge der Paläontologie zu lesen, ohne mich dabei belehrt zu fühlen.
Eingebettet in einen herrlich unaufgeregten historischen Roman begleitet man die junge Mary Anning aus armen Verhältnissen und die 20 Jahre ältere Elizabeth Philpot aus besseren Londoner Kreisen durch ihre Lebensgeschichten, die eng miteinander verknüpft sind, aber in denen ihre Freundschaft immer wieder auf die Probe gestellt wird. Die Frauen verbindet die Liebe zu Fossilien. Bei der gut gebildeten Elizabeth standen von Anfang an wissenschaftliche Motive im Vordergrund. Mary liebt einfach ihre „Kuris“ (Kuriositäten), die allerdings Mittel zum Zweck waren, weil sie ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf der versteinerten Schmuckstücke an Sommergäste verdienen musste. Zudem sind beide Außenseiterinnen, die von den Einwohnern der Kleinstadt Lyme Regis misstrauisch beäugt werden.
In dem Roman spiegelt sich zudem das Frauenbild des frühen 19. Jahrhunderts – so durfte Elizabeth trotz ihrer gesellschaftlichen Stellung zum Beispiel kaum den Fuß über die Schwelle der Londoner „Geologischen Gesellschaft“, einer Vereinigung von Wissenschaftlern, setzen. Mary Anning wurde erst spät die Ehre zuteil, dass sie als Finderin der in Museen ausgestellten Saurierskelette tatsächlich öffentlich genannt wurde.
Etwas schwierig fand ich beim Lesen, dass Mary und Elizabeth jeweils aus der Ich-Perspektive erzählen, aber die Kapitelüberschriften nicht kennzeichnen, wer gerade spricht. Das hat man mitunter erst nach 1-2 Seiten durch die Zusammenhänge mitbekommen.
Der Roman scheint aber exzellent recherchiert zu sein und besonders hervorzuheben ist auch, dass es mal kein typisch opulent erzählter Historienschmöker ist, sondern einfach eine dahinfließende Geschichte, in der die Sache (die Fossilien) absolut im Vordergrund stehen. Da trägt Elizabeth einfach ein Kleid und kein „Ensemble aus feinstem Stoff, der in Wogen an ihr hinunterfiel und von einem schimmernden Seidenband in der Taille gehalten wurde“. Auf solche Dinge kommt es hier nicht an und Tracy Chevalier spart zu Recht an dieser Art von Ausschmückungen.
Wer sich ernsthaft für die Lebensgeschichten dieser außergewöhnlichen Damen und ihren schweren Weg in die Kreise angesehener (männlicher) Wissenschaftler interessiert, der kommt an diesem Buch nicht vorbei. Und es lohnt sich wirklich!