Schlichte Worte brühren tief
REZENSION – In jüngster Zeit mehren sich die Bücher bekannter Schauspieler, die sich als Schriftsteller versuchen. Einer der wenigen, die echte literarische Begabung beweisen, ist Matthias Brandt (57), ...
REZENSION – In jüngster Zeit mehren sich die Bücher bekannter Schauspieler, die sich als Schriftsteller versuchen. Einer der wenigen, die echte literarische Begabung beweisen, ist Matthias Brandt (57), der schon 2016 mit seinem Debüt „Raumpatrouille“ überzeugte. Waren dies noch Geschichten aus eigener Bonner Kindheit als jüngster Sohn des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, wechselt der Schriftsteller Matthias Brandt in seinem neuen Roman „Blackbird“ ins Fiktive.
Hauptperson und Ich-Erzähler ist der 15-jährige Morten Schumacher, genannt Motte, Schüler des Brahms-Gymnasiums in den 1970er Jahren. Ausgerechnet in dieser ohnehin schon schwierigen Lebensphase überstürzen sich die Ereignisse: Bei Bogi, seinem besten Freund, haben die Ärzte die todbringende Krankheit „Non-Hodgkin-Lymphom“ diagnostiziert. Mortens Eltern trennen sich, der Junge verliert sein Zuhause und muss mit der Mutter in eine neue Wohnung. Dazu kommen die Aufregungen erster Liebschaften. Ein wahres Kontrastprogramm unbändiger Gefühle.
Was anfangs wegen der im lockeren Jargon eines 16-Jährigen erzählten Geschichte noch wie ein harmloser Jugendroman erscheint, entwickelt sich schon bald zu einem psychodramatischen, auf seine Art sogar mitreißenden Roman über die Gefühlswelt eines pubertierenden Jugendlichen im Spannungsfeld zwischen Tod und Verzweiflung sowie Liebe und Freundschaft.
Das Faszinierende am Roman ist die Art des Erzählens. Seine oft schlichte Wortwahl, diese manchmal abgehackten Halbsätze – Gedankensplitter des Erzählers – machen Schwieriges so einfach zu verstehen: „Das Problem, oder besser, eines meiner Probleme, war aber neuerdings folgendes: Die Wörter und Gedanken in meinem Kopf wurden immer mehr, aber immer weniger davon kamen am Ende als verständlicher Satz heraus.“
Auch was die tiefe Angst vor der schweren Erkrankung Bogis in Morten bewegt, die beide Freunde zunehmend trennt, ist so einfach, aber stimmig beschrieben: „Statt mit dem Fahrrad zur Klinik zu fahren, ging ich zu Fuß. Ich hatte es nicht eilig. Obwohl ich den Weg so gut kannte, lief ich wie auf fremdem Boden. Es war, als ob Bogis Krankheit von einem auf den anderen Tag eine riesige Schneise in unser Leben geschlagen hatte.“
Erste Erfahrungen in der Liebe macht Morten zunächst mit der hübschen, leider oberflächlichen Jacqueline Schmiedebach, Schülerin am Einstein-Gymnasium, dann mit der nur 1,58 Meter kleinen Schornsteinfegerin Steffi, die ihm zu einer wahren Freundin wird. „Die meisten Leute machten mir Stress, ohne dass sie was dafür konnten. Steffi nicht.“
Die ganze Dramatik dieses einen Jahres, die Verletzlichkeit, die Angst und Verlassenheit des 16-Jährigen zeigt uns der Autor in der nächtlichen Szene auf dem Zehn-Meter-Sprungbrett, wohin sich Morten mit zwei Rotweinflaschen Amselfelder zurückgezogen hat. Bademeister „Elvis“, der wie üblich zunächst schimpft, dann aber zu ihm raufkommt, bleibt schweigend neben Morten sitzen, als dieser alle Fragen unbeantwortet lässt. In Elvis findet Morten momentanen Trost und einen neuen Freund, denn „mehr kann man manchmal nicht tun, finde ich. Nicht weiterfragen, aber dableiben.“ Es sind solche einfachen und gerade in ihrer Schlichtheit anrührenden Sätze, die „Blackbird“ von Matthias Brandt so lesenswert machen.