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Veröffentlicht am 28.05.2020

Zwei Frauen und ihre Träume

Der Sommer der Islandtöchter
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1978. Monika, die kurz vor ihrer Hochzeit mit ihrem Verlobten Peter steht, macht ein letztes Mal Familienurlaub mit ihren Eltern in Island, wo sie bei Freunden wohnen. Sie träumt von einer Zukunft als ...

1978. Monika, die kurz vor ihrer Hochzeit mit ihrem Verlobten Peter steht, macht ein letztes Mal Familienurlaub mit ihren Eltern in Island, wo sie bei Freunden wohnen. Sie träumt von einer Zukunft als Malerin und hofft auf ein Kunststudium, doch ihre Eltern verlangen, dass sie in das Familienunternehmen einsteigt. Dann lernt Monika Kristján kennen, ein Arbeiter in der Fischfabrik der Freunde, und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Er zeigt Verständnis für ihre Träume und Monika kann sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen. Doch ihre Eltern sind dagegen und haben einen perfiden Plan …

2018, vierzig Jahre später. Hannah braucht eine Auszeit, ihre Ehe ist auf dem Nullpunkt und ihren Beruf als Geigerin kann sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. So mietet sie in Island ein Häuschen, um ein ruhiges Jahr mit ihrem kleinen Sohn Max dort zu verbringen und sich über ihre Zukunft klar zu werden. Kaum angekommen, entdeckt sie auf dem Dachboden eine alte Truhe, die mit Seevögeln bemalt ist, die in ihr eine vage Erinnerung wecken. Und mit der erhofften Ruhe ist es auch bald vorbei, als sie im Café ihrer Vermieterin Freyja zu arbeiten beginnt und dort den Maler Jón kennenlernt …

Die Autorin Karin Baldvinsson wurde 1979 in Erlenbach/Main geboren. Während ihrer mehrjährigen Tätigkeit für eine isländische Firma lernte sie ihren Ehemann, die Kultur und die Sprache Islands kennen. Unter ihren Namen Karin Lindberg und Karin Baldvinsson schrieb sie schon mehrere erfolgreiche Romane über die raue Insel im hohen Norden, die ihr zur zweiten Heimat geworden ist. Heute lebt sie mit ihrem Ehemann, zwei Kindern und einem Hund in der Lüneburger Heide.

Zwei Erzählstränge bilden die Grundlage des Romans „Der Sommer der Islandtöchter“, die zunächst scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Kapitelweise abwechselnd erfahren wir über die Ereignisse im Leben der beiden Protagonistinnen, während ihres Aufenthaltes auf Island und zuvor in ihrer Heimat. Bald wird klar, dass die beiden Frauen irgendetwas verbinden muss – wodurch sich auch die Spannung ungemein steigert. Mit viel Einfühlungsvermögen und sehr unterhaltsam lässt uns die Autorin am Leben auf Island teilhaben, vermittelt uns die besonderen Eigenheiten der Bewohner und macht uns mit den Kapriolen des Wetters vertraut. Der Schreibstil ist dabei schön komponiert und angenehm flüssig zu lesen. Die Charaktere und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen wirken authentisch und lebensecht – die Geschichte könnte wohl jederzeit so oder so ähnlich passiert sein.

Fazit: Ein angenehmer Frauen- und Familienroman (eine Seltenheit in diesem Genre), der mich vollkommen überzeugt hat und den ich daher gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Erschütternde Autobiografie

Meine Flucht aus Nordkorea
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Yeonmi Park war noch ein Kind, gerade mal 13 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter dem Hunger und dem drohenden Straflager ins vermeintlich bessere China entfloh. Doch dort waren sie noch lange nicht in ...

Yeonmi Park war noch ein Kind, gerade mal 13 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter dem Hunger und dem drohenden Straflager ins vermeintlich bessere China entfloh. Doch dort waren sie noch lange nicht in Sicherheit. Chinesische Menschenhändler nutzen die Notlage der Flüchtlinge schamlos aus, verkaufen sie zur Prostitution, als „Ehefrauen“ für einsame Chinesen oder behalten sie selbst als „Geliebte“. Sie drohen ihnen, sie nach Nordkorea zurück zu schicken, wo sie die Exekution erwartet, und zwingen sie so, bei ihren verbrecherischen Geschäften mitzumachen. Doch es gibt auch dort einfühlsame Menschen, die Yeonmi und ihrer Mutter zur weiteren Flucht verhalfen. Nachts, bei Eiseskälte, mussten sie sich durch die Wüste Gobi quälen, bis sie endlich die Mongolei erreichten, wo ihnen südkoreanische Diplomaten die Ausreise nach Seoul ermöglichten. Endlich in Sicherheit - aber auch in Freiheit?

Die Autorin Yeonmi Park wurde im Oktober 1993 in Hyesan/Nordkorea geboren. Sie stammt aus einer einstmals angesehenen Familie der oberen Schicht, bis der Vater nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes wegen Schwarzmarktgeschäften in ein Arbeitslager kam, wo er Zwangsarbeit leisten musste. Jetzt drohte auch dem Rest der Familie die Inhaftierung, weshalb sie sich 2007 zur Flucht entschlossen. In Südkorea holte Yeonmi Park 2009 die verlorene Schulbildung nach und studierte dann zunächst an der Dongguk University in Seoul. Bekannt wurde sie als Menschenrechtlerin, als sie 2014 auf dem „One Young World“-Gipfel eine aufsehenerregende Rede über ihre Erfahrungen in Nordkorea hielt. Danach zog sie nach New York, wo sie als Aktivistin tätig war und ihre Memoiren schrieb. 2016 setzte sie ihr Studium an der Columbia University fort, heiratete am 1.1.2017 und bekam im März 2018 einen Sohn.

Von Nordkorea weiß man eigentlich nur, was von der dortigen Regierung zensiert über die Nachrichtensender zu erfahren ist. Man kennt das Gesicht des derzeitigen Herrschers Kim Jong-un, Sohn des verstorbenen Kim Jong-il und Enkel des Staatsgründers Kim Il-sung, und hat Bilder der Militärparaden in Pjöngjang im Kopf – das war’s dann auch schon. In dieser Autobiografie berichtet Yeonmi Park schonungslos über Leben und Tod in diesem Land, über die bittere Armut, über Hunger und Kälte und über die unbeschreiblich brutale Unterdrückung der Bevölkerung. Man erfährt, dass sich die Kims wie Götter verehren lassen und jede noch so geringe Abweichung von ihren Regeln unweigerlich ins Straflager oder gar zum Tode führt. Unter diesen Umständen scheint eine Flucht, und ist sie auch noch so beschwerlich, wirklich der einzige Ausweg zu sein.

Fazit: Die erschütternde Lebensgeschichte eines Mädchens, einer jungen Frau, die Unbeschreibliches erleiden musste und die dennoch gestärkt daraus hervorging. Ein Buch, das zu lesen starke Nerven erfordert, das nachdenklich stimmt und das dankbar macht, in einem Land wie Deutschland zu leben.

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Veröffentlicht am 16.05.2020

Abtreibung – ja oder nein?

Der Funke des Lebens
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Die Frauenklinik in Jackson/Mississippi ist an diesem Morgen gut besucht, als ein fanatischer Abtreibungsgegner das Wartezimmer der Klinik stürmt, wild um sich schießt und die anwesenden Frauen samt Personal ...

Die Frauenklinik in Jackson/Mississippi ist an diesem Morgen gut besucht, als ein fanatischer Abtreibungsgegner das Wartezimmer der Klinik stürmt, wild um sich schießt und die anwesenden Frauen samt Personal als Geiseln nimmt. Die örtliche Polizei schaltet Hugh McElroy ein, der bereits Erfahrung mit Geiselnahmen hat, um mit dem Täter zu verhandeln. Was McElroy aber noch nicht weiß ist, dass sich auch seine 15jährige Tochter Wren und seine Schwester Bex unter den Geiseln befinden. Nachdem er es erfährt sollte er, laut Dienstvorschrift, den Fall einem Kollegen übergeben. Doch Hugh bemüht sich umso mehr darum, mit dem Geiselnehmer, einem verzweifelten Vater, dessen Tochter kürzlich abgetrieben hatte, zu verhandeln …

Jodi Picoult ist eine US-amerikanische Schriftstellerin, die 1967 auf Long Island / New York geboren wurde. 1987 machte sie an der Priceton University ihren Abschluss in Creative Writing und erwarb danach an der Harvard University den Master in Pädagogik. Sie schrieb über 25 Romane, von denen einige auf der Bestsellerliste der New York Times landeten. 2003 erhielt Jodi Picoult den „New England Bookseller Award“ in der Sparte Belletristik und 2011 gewann sie den „LovelyBooks Leserpreis“ in der Kategorie Hörbuch.

Abtreibung, Demonstration, Rassenkonflikt, Waffenbesitz, Amoklauf und Geiselnahme sind die hervorstechenden Themen dieses Buches, dessen Handlung sich auf einen Tag, unterbrochen von einigen Rückblenden, beschränkt. Zu Anfang ist es schwierig in die Geschichte hinein zu finden, denn das Geschehen an diesem Tag wird zwar chronologisch, aber im nächsten Kapitel immer um eine Stunde zurückversetzt, erzählt. Doch nach einiger Zeit lichtet sich das Dunkel und man möchte als Leser nur noch wissen, wie es dazu gekommen ist, was den Attentäter dazu getrieben hat und wie die Geiselnahme letztendlich ausgeht – was man natürlich erst ganz zum Schluss erfährt.

Schonungslos offen, in einer angenehm einfühlsamen Schreibweise, packt die Autorin das heikle Thema Abtreibung an und lässt durch die einzelnen Figuren Befürworter und Gegner zu Wort kommen. Die Geiseln in der Gewalt des Attentäters sind sehr unterschiedlich, genau so unterschiedlich wie deren Motivationen, die man als Leser nach und nach erfährt. Dabei gelingt es großartig, die einzelnen Standpunkte nachzuvollziehen und sich in die Rolle sowohl des Attentäters, als auch der Opfer, hineinzuversetzen. Wie kann es z. B. sein, dass es mit immensen Schwierigkeiten verbunden ist, eine Abtreibung vorzunehmen, man aber problemlos eine Waffe kaufen kann, um Menschen zu töten?

Der Spannungsbogen ist durchweg hoch, was auch auf die verschiedenen Sichtweisen und Standorte der Protagonisten zurückzuführen ist. Der Arzt, eine Krankenschwester, die 15jährige Wren und ihre Tante Bex, eine Abtreibungsgegnerin, eine ältere Dame, eine frisch Operierte und einige andere Patienten sowie der Mann mit der Schusswaffe, die zufällig in der Klinik aufeinander treffen – Polizei, Sanitäter und andere Hilfskräfte draußen - alle haben naturgemäß eine andere Einstellung und Motivation zum selben Thema. Als Leser ist man hin und her gerissen und … sehr nachdenklich gestimmt!

Fazit: Ein Buch mit brisanten Themen, hervorragendem Schreibstil und ungewöhnlicher Erzählweise - das ich sehr gerne weiter empfehle!

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Veröffentlicht am 03.05.2020

Papa Pandabär

Pandatage
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Danny Maloony hatte es noch nie leicht im Leben, aber seit seine geliebte Frau vor einem Jahr tödlich verunglückt ist, läuft nur noch alles schief. Er verliert seinen Job als Bauarbeiter, ist mit der Miete ...

Danny Maloony hatte es noch nie leicht im Leben, aber seit seine geliebte Frau vor einem Jahr tödlich verunglückt ist, läuft nur noch alles schief. Er verliert seinen Job als Bauarbeiter, ist mit der Miete im Rückstand, sein Vermieter droht ihm deshalb mit Kündigung und, was Danny am meisten schmerzt, sein 11jähriger Sohn Will, der bei dem Unfall damals mit im Auto saß, spricht seither nicht mehr. Auf der Suche nach Arbeit streift Danny durch die Stadt und bemerkt, dass sich als Straßenkünstler gut verdienen lässt. So kauft er von seinem letzten Geld ein gebrauchtes altes Pandakostüm und versucht sich als Tanzbär im Hyde Park. Doch Danny kann überhaupt nicht tanzen, das erhoffte Geld bleibt aus - aber ein Junge wird auf ihn aufmerksam. Es ist Will, sein Sohn, der plötzlich anfängt mit dem fremden Panda zu reden …

„PANDATAGE“ ist das Debüt des 1982 in Manchester geborenen Autors James Gould-Bourn. Nachdem er mehrere Jahre als Mitarbeiter einiger Organisationen in Afrika und im Mittleren Osten Landminen beseitigte, nahm er in London an einem Kurs für kreatives Schreiben teil, in dem auch dieser Roman entstanden ist. Zurzeit lebt der Autor in Vilnius.

Eine berührende und zu Herzen gehende Geschichte über eine problematische Vater/Sohn-Beziehung, in der sich schicksalhafte Momente mit Situationskomik abwechseln. Dabei ist es dem Autor sehr gut gelungen, die richtige Mischung zwischen Tragik und Humor zu finden. Die Protagonisten Danny und Will sind beide auf ihre eigene Art sehr sympathisch und auch die anderen Personen passen gut in das Geschehen. Neben der beschaulichen Handlung, die ohne Höhen und Tiefen auskommt, besticht vor allem der lebendige, flüssige Schreibstil.

Fazit: Eine schöne Geschichte mit Tiefgang, die trotz einiger Slapstick-Szenen berührt, ermutigt und zu Herzen geht. Meine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 14.04.2020

Wer ist schon normal?

Die Tanzenden
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Paris 1885. In der Salpêtrière, der berühmt-berüchtigten ‚Irrenanstalt‘ der Stadt, herrscht gespannte Erwartung. Bald soll der alljährliche Ball stattfinden, bei dem die Insassen tanzen und dabei von der ...

Paris 1885. In der Salpêtrière, der berühmt-berüchtigten ‚Irrenanstalt‘ der Stadt, herrscht gespannte Erwartung. Bald soll der alljährliche Ball stattfinden, bei dem die Insassen tanzen und dabei von der ‚feinen Gesellschaft‘ bestaunt werden - wie die Affen im Zoo. Besonders Geneviève, die Oberaufseherin der Anstalt, hat viel zu tun. Louise, die schon einige Jahre hier Patientin ist, soll vor versammeltem Auditorium unter Leitung von Dr. Charcot und Dr. Babinski einen epileptischen Anfall bekommen, was einiger Vorbereitung bedarf. Zudem macht ihr Eugénie, die von ihrem eigenen Vater mit dem Vorwurf, mit Toten zu reden und mit dem Teufel im Bunde zu sein, eingeliefert wurde, einige Probleme. Wie kann sie der jungen Frau helfen, von deren übernatürlichen Fähigkeiten sie sich selbst überzeugen konnte? Dann ist der Tag des Balles da, an dem sich das Schicksal von Louise, Eugénie und Geneviève entscheiden soll …

„Die Tanzenden“ ist der Debütroman der französischen Schriftstellerin Victoria Mas, die 1987 in Le Chesnay geboren wurde. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in den USA, wo sie als Script Supervisor, Standfotografin und Übersetzerin beim Film arbeitete, kehrte sie nach Paris zurück, wo sie an der Sorbonne Literatur studierte. Bereits 2019 erschien der Roman in Frankreich unter dem Titel „Le bal des folles“ („Der Ball der Verrückten“). Er wurde in 16 Sprachen übersetzt und mit dem Prix Stanislas und dem Prix Renaudot des lycéens ausgezeichnet. Heute ist Victoria Mas als freie Autorin und Journalistin tätig.

Man kann es kaum glauben, dass diese tragischen und erschütternden Schicksale und Ereignisse in solch flüssig-leichten, ja beinahe beschwingten Schreibstil erzählt werden können. Es ist somit, trotz teilweise schockierender Passagen, eine angenehm zu lesende Lektüre, die den Leser/die Leserin keineswegs deprimiert zurücklässt. Die brutalen Heilmethoden, die die Ärzte damals anwendeten, gehören zum Glück der Vergangenheit an und traumatisierte Opfer sexueller Übergriffe erfahren aus heutiger Sicht eine andere Behandlung. Die verschiedenen Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet und wirken, wie auch die gesamte Handlung, für die damalige Zeit sehr realistisch. Die im Roman tätigen Ärzte Charcot und Babinski gab es wirklich und die Salpêtrière ist heute ein Krankenhaus in Paris, das der Universität Pierre und Marie Curie und zu einem Teil der Sorbonne gehört.

Fazit: Eine Geschichte die berührt und erschüttert und letztendlich dankbar macht dafür, dass bei uns die Zeiten der Willkür und Unterdrückung der Frauen vorbei sind.

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