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Veröffentlicht am 05.05.2020

Eher konstruiert, aber mit angenehmem Schreibstil

Dinner für drei
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Inhalt:
Honey Moon ist jung, stur, mutig und entschlossen. Sie führt schon als Mädchen einen Vergnügungspark und ernährt ihre ältere Cousine und ihre Tante. Da bietet sich der speziellen Familie eine grosse ...

Inhalt:
Honey Moon ist jung, stur, mutig und entschlossen. Sie führt schon als Mädchen einen Vergnügungspark und ernährt ihre ältere Cousine und ihre Tante. Da bietet sich der speziellen Familie eine grosse Chance: in Hollywood gibt es eine Mädchenrolle zu besetzen, für die Honeys Cousine wie geschaffen scheint. So schleppt Honey ihre Cousine zum Casting mit und fährt den langen Weg mit dem Auto mehrheitlich alleine. Doch die Cousine besteht das Casting nicht. Honey hingegen fällt mit ihrem entschlossenen und sturen Verhalten so sehr auf, dass sie zu einem Casting eingeladen wird und dieses dann auch tatsächlich besteht.
So wird sie fast über Nacht zum Kinderstar in einer erfolgreichen Serie und lernt schon bald die harten Seiten von Hollywood kennen. Sie sehnt sich nach Zuwendung und Geborgenheit, was sie in ihrer eigenen Familie nie erhalten hat und sucht sich einen Familienersatz bei ihren Schauspielkollegen. Diese lassen sie jedoch allesamt auflaufen und so entwickelt sich Honey schnell zu einer arroganten Kratzbürste, welche niemanden mehr an sich heran lässt.
Doch auch sie wird irgendwann erwachsen und muss sich mit ihren grossen Gefühlen zu zwei ganz berühmten Schauspielern auseinander setzen. Dazu kommt, dass Honey ihre Wurzeln und ihre Familie nie vergessen hat. Sie gerät immer wieder in Interessenskonflikte, denen sie aber mit Stolz und Entschlossenheit begegnet.

Meine Meinung:
Ehrlich gesagt habe ich schon bessere Bücher von Susan Elizabeth Phillips gelesen. Die Story an sich finde ich schon ziemlich gewagt: ein aufmüpfiger Kinderstar nähert sich langsam aber sicher an seine männlichen Schauspielkollegen an, macht eine Entwicklung zur reifen Frau durch und beginnt damit auch, eine erwachsene Liebe zu leben. Diese Geschichte finde ich schon eher fad, es kommt natürlich aber auch auf die Umsetzung an.
Honey ist an sich eine sympathische Figur, sie wird meiner Meinung nach einfach viel zu kindlich dargestellt. Auch ihre Anbetung für ihre Vorbilder erscheint mir als zu übertrieben und konstruiert. Ihre asoziale Familie, welche sie nur ausnutzt empfinde ich als viel zu schwach dargestellt. Weil Honey sonst eine so starke Person ist, hätte sie diese "Parasiten" schon viel früher aus der Wohnung werfen müssen, auch wenn diese Leute noch ein letzter Teil von Familie für sie sind. Gerade weil sie sich auf dem Set ja eine neue Familie sucht, sollte sie ihre eigentliche Familie irgendwann hinter sich lassen können.
Auch die Schauspielkollegen von Honey sind sehr flach dargestellt und so macht das Lesen an manchen Stellen gar keinen Spass mehr. Die Handlung und teilweise sogar die Dialoge sind so oberflächlich und voraussehbar, dass die Geschichte einfach nicht vom Fleck kommt.
Trotzdem gab es einige Szenen, die mir sehr gut gefallen haben und auch der eigentliche Schreibstil der Autorin empfand ich als sehr gelungen.
Die Entwicklung von Honey zur erwachsenen Frau geht plötzlich sehr schnell voran, trotzdem behält sie ihre kindliche Art, was mich teilweise ein wenig gestört hat.
Insgesamt war mir das Buch ein wenig zu oberflächlich und es hatte einige Längen darin. Ich denke aber, dass sich "Dinner für drei" als Ferienlektüre oder als Buch für unterwegs durchaus eignet.

Fazit:
Ein wenig oberflächlich und zu konstruiert, aber ein angenehmer Schreibstil macht diese Schwächen wieder wett.

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Veröffentlicht am 26.01.2020

Leider nicht wirklich spannend

Obsession
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Inhalt:

Plötzlich sind Ben und Jacob alleine, Sarah fehlt und kommt nicht wieder. Zeit also, ein wenig Ordnung zu schaffen und die gemeinsame Wohnung aufzuräumen. Dabei fallen Ben ein paar Zeitungsartikel ...

Inhalt:

Plötzlich sind Ben und Jacob alleine, Sarah fehlt und kommt nicht wieder. Zeit also, ein wenig Ordnung zu schaffen und die gemeinsame Wohnung aufzuräumen. Dabei fallen Ben ein paar Zeitungsartikel in die Hand, welche eine eindeutige Sprache sprechen: es scheint, als hätte Sarah Jacob damals aus einer Entbindungsstation entführt. Ben macht sich auf die Suche nach den leiblichen Eltern des autistischen Jungen und bespricht sich zudem mit seinem besten Freund Keith, einem Anwalt. Doch was Ben herausfindet, ist gefährlicher als er je gedacht hätte. Und weil der Privatdetektiv, der ihm bei seinen Ermittlungen geholfen hat, zu plaudern beginnt, ist plötzlich niemand mehr sicher. Ben steht nämlich auf einmal Jacobs leiblichem Vater John Cole gegenüber. Ben Murray erkennt nicht nur die Gefahr, die von diesem kaltblütigen Menschen ausgeht, sondern es entwickelt sich auch eine gefährliche Obsession John Coles Frau gegenüber und der Gedanke, Jacob auf jeden Fall wieder zu sich zurückzuholen nimmt Besitz von ihm...


Meine Meinung:

Ich wusste nicht, auf was genau ich mich einlassen würde, weil ich schon einige Male gelesen und gehört hatte, dass die "rote Reihe" von Beckett nicht gerade seine beste Buchreihe wäre. Dem kann ich mich sicher jetzt schon anschliessen, obwohl ich bis jetzt nur "Obsession" gelesen habe. Die ersten ca. 150 Seiten passiert nicht wirklich etwas, das auch nur annähernd zu einem Thriller passen könnte. Vielmehr wirkt der Anfang dieses Buches (respektive das erste Drittel), wie ein "normales" Familiendrama, bei dem die Behörden nach Strich und Faden versagen und der Stiefvater eines autistischen Jungen den Bezug zum Kind zu verlieren droht. Ben sind die Hände gebunden, schliesslich hat er Jacob damals nicht adoptiert und somit keine Rechte an seinem Stiefsohn. Als der leibliche Vater John Cole plötzlich die Szenerie betritt, verändert sich die Grundstimmung. Das Buch ist nicht nur dramatisch, sondern es wird plötzlich bedrohlich. Von John Cole geht nämlich eine grosse Gefahr aus. Dies fand ich spannend dargestellt, aber auch wenn das Buch - bis zum fulminanten Ende - eher langsam und vor allem unblutig (und ohne eigentlichen Ermittler) auskommt, waren mir das ein paar Längen zu viel. Ausserdem hätten alle diese Ereignisse gar nicht eintreten können, wenn das Jugendamt, die Justiz und die Polizei nicht auf ganzer Linie versagt hätten und anstatt mich zu gruseln, habe ich mich vielmehr über diese unrealistische und somit eigentlich komplett haltlose Grundlage aufgeregt.


Schreibstil:

Auch von der Erzählsprache her kann ich mir zwar sehr gut erklären, weshalb Simon Beckett so beliebt ist. Seine Figuren haben Ecken und Kanten und vor allem die Gänsehautmomente, die zwar selten sind, die es aber durchaus gibt, lassen auf die Qualität dieses Autors schliessen. Wenn man "Obsession" als Schreibübung ansieht, als "erste Schritte", so hat das Buch sicher etwas, zumal die Grundidee in meinen Augen grandios ist. Gleichzeitig fehlt da aber auch noch sehr viel und leider sind Becketts Recherchen gar nicht gründlich betrieben worden. Wenn man nämlich schon mit dem Kinder- und Jugendschutz zusammenarbeitet und auch anderweitige Hintergrundrecherchen betreibt, wie dies Beckett seinen Dankesworten nach anscheinend getan haben will, sollte man sich wirklich genau überlegen, ob die geschilderten Situationen auch nur annähernd der Realität entsprechen könnten oder nicht.


Fazit:

Ja, ich denke, dass Beckett sicher wieder einziehen darf in meine Regale, aber ich werde mich der Hunter-Reihe widmen, die mir schon einige Male empfohlen worden ist. "Obsession" war in Ordnung, aber keine Leseempfehlung wert. Wer weiss, vielleicht würde dem Buch eine zeitgemässe und gründlicher recherchierte Überarbeitung gut tun, die Grundidee macht nämlich einiges her. Mehr aber leider auch nicht wirklich. Also ab damit in den offenen Bücherschrank.

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Veröffentlicht am 24.12.2019

Eher simpel aber auch kurzweilig

Der Tod hat 24 Türchen
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Inhalt:

24 Kurzkrimis für die Adventszeit? Perfekt. Vom blutrünstigen Mord, über den Auftragskiller und untreuen Ehepartner bis hin zur Gelegenheitsmörderin ist in dieser Anthalogie alles versammelt, ...

Inhalt:

24 Kurzkrimis für die Adventszeit? Perfekt. Vom blutrünstigen Mord, über den Auftragskiller und untreuen Ehepartner bis hin zur Gelegenheitsmörderin ist in dieser Anthalogie alles versammelt, was das Krimiherz begehrt. Fans von Detektivromanen und Ermittlerteams kommen aber nicht wirklich auf ihre Kosten, da sehr oft aus der Täterseite berichtet wird oder sich die Auflösung am Ende ohne grosse Schwierigkeiten auf dem Silbertablett präsentiert. Dennoch sind die unterschiedlichsten Täterinnen und Täter hier versammelt, die alle um die Winter- und Weihnachtszeit herum ihr blutiges Unwesen treiben und so für eine kurzweilige Adventszeit sorgen.



Meine Meinung:

Wie Jan Seghers in seinem Vorwort betont - von ihm ist nämlich kein Kurzkrimi in der Sammlung enthalten - ist das Schreiben von Kurzkrimis besonders anspruchsvoll, weil auf wenigen Seiten ein ganzer Plott entworfen, Spannung erzeugt, Rätsel entwickelt und letztendlich eine Auflösung präsentiert werden muss und die Leserinnen und Leser zudem sehr gerne unterhalten und auch ein wenig eingeschüchtert werden. Schnell hat sich für mich gezeigt, dass diese Aufgabe wohl auch für die "beliebtesten deutschsprachigen Krimiautoren" eher schwierig bis unlösbar erscheint, da die wenigsten Krimis mir mehr als ein wenig Unterhaltung geboten haben. Von Gänsehaut oder gar Spannung habe ich leider gar nichts gespürt. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich sehr gerne Detektivromane lese und Ermittlerteams über die Schultern schaue. Dies konnte leide in keiner Kurzgeschichte geboten werden, weshalb hier stets Täter von ihren Taten berichten oder auch einfach gleich ertappt werden und die ganze Aufklärungsarbeit gar nicht erst nötig wird, was mir persönlich ein wenig zu simpel war.



Fazit:

Die meisten Kurzgeschichten in diesem Buch waren mir ein wenig zu abgedroschen und konstruiert, einzelne davon wirkten sehr unterhaltsam und sogar kurzweilig, so richtig viel Spannung oder Gänsehaut kam aber nicht auf. Auf jeden Fall ist das Buch ein amüsanter Adventskalender, der sicher so einigen Krimifans die Wartezeit bis Weihnachten ein wenig verkürzt, so richtig überzeugt bin ich aber nicht von "Der Tod hat 24 Türchen".

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Veröffentlicht am 11.08.2019

Dieses Buch hat mich wütend gemacht und enttäuscht

Ein wenig Leben
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Wie tippt man eine Rezension zu diesem Buch?
"Ein wenig Leben" habe ich gemeinsam mit Daniela vom Blog Livricieux in einer Blogleserunde gelesen und diskutiert. Nachem sie das Buch vor einigen Tagen beendet ...

Wie tippt man eine Rezension zu diesem Buch?
"Ein wenig Leben" habe ich gemeinsam mit Daniela vom Blog Livricieux in einer Blogleserunde gelesen und diskutiert. Nachem sie das Buch vor einigen Tagen beendet und auch bereits die Rezension getippt hat, habe ich nun auch endlich die letzte Seite umgeblättert, obwohl ich mich wirklich durch dieses Buch gequält habe...
Und ich habe mir sooo viele verschiedene Anfänge für diese Rezension überlegt und immer wieder verworfen. Beispielsweise "Dieses Buch ist eine Verschwendung von schriftstellerischem Potenzial, von sprachlicher Finesse und einer fantastischen Plotidee..." oder "Mit mindestens 400 Seiten zu viel kommt 'Ein wenig Leben' daher und durch die vielen Längen wird fast alles an Inhalt und Spannung verwässert..." oder "Hanya Yanagihara schreibt über Freundschaft, Liebe, Schmerz, Verlust und Sex. Und vor allem Letzteres tut sie mit einer Prüderie und Fantasielosigkeit, die ihresgleichen sucht. Insbesondere der Sex zwischen zwei Männern besteht für Hanya Yanagihara scheinbar ausschliesslich aus der Penetration des einen durch den andern. Findet diese nicht statt, ist es keine gelebte Sexualität..." oder auch einfach "Dieses Buch hat mich fast 940 Seiten lang wütend gemacht und auf den letzten knapp zwanzig Seiten - zumindest teilweise - mit sich versöhnt."

Aber ganz von vorne:
Vier Freunde, Jude, JB, Willem und Malcolm, Freundschaft, Vertrauen und eine starke Gemeinschaft. Jeder von ihnen hat sein Päckchen zu tragen und immer wieder geben sie sich gegenseitig Halt. Während Willem, JB und Malcolm eine eher künstlerische Laufbahn anstreben, beschäftigt sich Jude mit einer Karriere als Anwalt. Und schnell wird klar, dass Jude von der Autorin ins Zentrum gestellt wird, sich selber sogar - aber eher unbewusst - immer wieder als Mittelpunkt der Gruppe zeigt. Er ist es nämlich, der krampfhaft ein Geheimnis um seine Kindheit und Jugend macht, er ist es, der nach einem rätselhaften "Unfall" hinkt, der manchmal vor Schmerzen nicht mehr gehen kann, der immer wieder auf Hilfe angewiesen ist und diese eigentlich gar nicht in Anspruch nehmen will und durch die Ignoranz gegenüber seiner eigenen gesundheitlichen Situation und den daraus resultierenden Problemen erst recht auffällt.
So weit, so gut. Bis hier macht das Sinn, bis hier ist das stimmig, bis hier ist für eine vielversprechende Ausgangslage gesorgt.

Und dann....:
... entwickelt sich alles anders. Was mit wundervoll recherchierten Berichten über die verschiedenen Berufsfelder und Kunstrichtungen der vier Freunde, mit eindringlichen Beschreibungen, spannenden Andeutungen und intensiven Emotionen zwischen dem Kleeblatt beginnt, entwickelt sich zu einer Farce.
Wie ihr sicher bereits erfahren habt, geht es in diesem Buch um viele menschliche Abgründe, um Missbrauch, Gewalt, um selbstverletzendes Verhalten und um Menschen, die andere Menschen wissentlich und voller Vergnügen quälen, physisch und psychisch. Und ebenfalls wisst ihr, dass es ausgerechnet Jude ist, der in seiner Vergangenheit unendliche Schmerzen erlitten hat und die Folgen davon immer noch täglich zu tragen hat.
Was er erleben musste, wird nach und nach detailliert geschildert und wo vorher so viele Emotionen waren und ein einfacher Zugang zu den Figuren, wird nun dieser Vergangenheitsstrang plötzlich mit einer kalten Nüchternheit abgehakt, als ginge es einfach nur darum, so viel Grauen wie möglich auf so wenige Seiten wie nötig zu verpacken. Warum? Wenn man sich als Autorin nicht wirklich mit diesen doch potenziell belastenden Inhalten auseinandersetzen will, dann soll man es lassen. Yanagihara hat sich aber eher für eine halbpatzige Verarbeitung der Themen entschieden. Nicht nur haben Judes Peiniger nämlich keine Konsequenzen für ihr Handeln zu erwarten, sondern es werden auch jegliche Instanzen, die eigentlich in einem Rechtsstaat zuständig sein müssten, wie Gerichte, Polizei, Behörden und vor allem auch Jugendpsychologen, ausgeblendet und somit gehen der Realitätsbezug und auch die Logik gänzlich verloren. Die Geschichte muss aber tragischerweise so unlogisch sein, weil die Autorin ihr Fantasiegeflecht sonst gar nicht erst hätte weiterspinnen können.
Ausserdem werden - und das hat mich besonders gestört - andere Menschen, die ebenfalls Leid, Schmerz und Verlust erfahren haben, zusätzlich verhöhnt, indem immer wieder angedeutet wird, dass nur jemand, der ALLES erlebt und die Hölle gesehen hat (wie Jude) auch wirklich leiden darf und soll.

Das Abdriften in eine Scheinwelt:
Und leider ist es damit noch nicht genug. Hanya Yanagihara baut mit jeder weiteren Entwicklung eine unrealistische und immer unrealistischere Scheinwelt auf, die dazu geführt hat, dass ich ihr gar nichts mehr glauben konnte. Alle vier Freunde machen grandiose Karrieren, werden unendlich reich und nur JB erlebt kleinere Rückschläge, die er aber problemlos überwindet und dann noch gestärkt daraus hervorgeht. Keiner von ihnen aber scheitert, keiner hadert, keiner macht - abgesehen vom Anfang - magere Zeiten durch. Wie kann das sein? Wie passt das zusammen?
Ausserdem wird Malcolm während ca. 500 Seiten komplett ignoriert, er kommt nicht einmal in der Nebenhandlung vor, und JB wird zum Idioten gestempelt, der immer wieder ins Fettnäpfchen tritt, Jude verärgert und scheinbar - abgesehen von seiner Karriere - gar nichts auf die Reihe kriegt. Aber auch er darf nicht wirklich mitspielen in diesem Drama.
Lediglich Willem schafft es, neben Jude erwähnt zu werden und obwohl die Protagonisten immer älter werden und Jude auch noch andere liebevolle Menschen, wie seinen Mentor Harold und dessen zauberhafte Frau Julia, kennenlernt, scheint Jude keinerlei persönliche Entwicklung mitzumachen. Wie kann ein Staranwalt, der für seine gnadenlose Konsequenz bekannt ist, seinem eigenen Schicksal gegenüber so blind sein und sich selber die Schuld am erlittenen Leid geben? Wie kann vor allem ein eigentlich herzlicher und einfühlsamer Mensch auf den Gefühlen seiner Mitmenschen herumtrampeln und die Menschen, die ihn am meisten lieben, verletzen, indem er sich permanent selber abwertet und quält? Ausserdem fehlt von Judes Seite her jegliche Selbstreflektion, was zusätzlich wütend macht.

Es wird lang und länger:
Wenn man eine Geschichte nicht glauben, nicht mehr mitfühlen, nicht mehr mitfiebern kann, dann sind 960 Seiten wirklich sehr, sehr viel. Tatsächlich passiert auf vielen Seiten nichts. Also wirklich nichts, keine Handlung, keine Dialoge, nur endlose Beschreibungen und trotzdem fällt auf: nach all diesen Seiten weiss ich immer noch nicht, wie die Figuren aussehen. Ich sehe sie nicht vor mir, kann sie mir nicht vorstellen. Sie bleiben flach und sie bleiben von einigen Lichtblicken abgesehen auch pubertär (vor allem Jude).
Dennoch wollte ich wissen, wie es weitergeht. Ich wollte erkennen, ob da nicht doch eine Botschaft, ein Sinn dahinterstecken. Ob ich fündig geworden bin? Das weiss ich selber noch nicht.

Harold:
Harold, Mentor, ein Sinnbild für Gerechtigkeit und Liebe, Familiensinn und Fürsorge, bekommt in "Ein wenig Leben" ein paar eigene Kapitel. Diese Kapitel sind mit das Schönste, was ich je in einem Buch gefunden habe. Sie brechen die Strukturen auf, sorgen für eine andere Erzählperspektive (direkte Rede), verarbeiten in einem Monolog einzelne Situationen und Gedanken und sind von einer magischen, zerbrechlichen Zärtlichkeit und Liebe geprägt. Diese Kapitel sind es, die mich gerettet haben, die mich mit der Geschichte und vielleicht auch ein wenig mit Jude versöhnt haben und die mich nach wirklich viel Wut und Ungläubigkeit über so viel verschwendetes Potenzial wieder beruhigt haben.

Warum man dieses Buch NICHT lesen sollte:
Ihr Lieben, dieses Buch hat mich (abgesehen von Harolds Kapiteln) nicht berührt. Dieses Buch hat mich nicht geschockt und keine Bauchschmerzen hervorgerufen. Eine Ausnahme gab es aber: das Auftauchen und vor allem einige Handlungen von Caleb (ich sage nicht mehr dazu), haben mich wirklich traurig gemacht.
Aber weil ich diesem Buch fast nichts geglaubt, der Autorin ihre Geschichte nicht abgenommen habe, bin ich kein Massstab, was Schock und Schmerz anbelangt. Ich bin mir sicher, dass jemand, der selber Missbrauchserfahrungen gemacht hat, psychisch labil ist und sehr schnell den Boden unter den Füssen verliert, dieses Buch wirklich NICHT lesen sollte.

Warum man dieses Buch DOCH lesen sollte:
Bitte lest dieses Buch, wenn ihr euch selber ein Bild machen und mitdiskutieren wollt. Lest dieses Buch, wenn ihr wissen wollt, wie Jude sich entwickelt (oder eben nicht entwickelt hat) und lest dieses Buch, wenn ihr mit vielen Längen im Erzählstrang umgehen könnt (aber ich habe euch gewarnt), ihr werdet mit einigen wundervollen Momenten belohnt, wenn ihr Geduld habt.

Und zum Schluss:
Leider hat Hanya Yanagihara mit "Ein wenig Leben" ein Buch geschrieben, das meiner Meinung nach aus den falschen Gründen bewegt. Viele Leserinnen und Leser empfinden die Schilderungen von Missbrauch und Gewalt, Judes persönliche Abgründe und sein selbstverletzendes Verhalten als bewegend, schockierend und fast unerträglich qualvoll. Dies liegt aber nicht am Erzählstil und dem gelungenen Handlungsaufbau, sondern lediglich am Inhalt. Gewalt und vor allem auch sexuelle Gewalt gehen halt immer, egal wie schlecht, nüchtern, billig und austauschbar diese "Effekte" erzählt werden (und das war leider in diesem Buch genau so der Fall). Ein Mensch, der sich selber die Schuld für sein Schicksal gibt und seine Mitmenschen damit egoistisch quält und verängstigt, das zieht beim Publikum. Es ist dabei wohl für viele ganz egal, dass der Handlungsaufbau komplett unlogisch ist, ganz egal, wie sehr sich die anderen - anfangs so beleuchteten - Figuren zu blossen Statisten entwickeln und ganz egal, dass die grandiose Recherchearbeit der Autorin durch blosse Längen und Wiederholungen überdeckt und zunichte gemacht wird.
Das hat mich unendlich wütend gemacht. Ich habe nämlich sehr viel Potenzial gesehen, die Plotidee hat mich überzeugt, manchmal gab es sprachlich magische Momente, ab und an wollte ich Willem und sogar Jude einfach nur umarmen und mit ihnen ein Glas Wein trinken und Harolds Worte, die haben mich tatsächlich bewegt. Das alles hätte meiner Meinung nach viel eher für Aufschreie, Diskussionen, Lob und auch Kritik sorgen sollen.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Leider nicht ganz vorbehaltlos empfehlenswert aber trotzdem sehr berührend

Die kleine Straße der großen Herzen
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Inhalt:
Ein paar Jahre sind vergangen und nach wie vor ist die Valerie Lane eine Strasse, in der Wünsche wahr werden, die schönsten Geschenke und zartesten Pralinen gekauft werden können und in der ganz ...

Inhalt:
Ein paar Jahre sind vergangen und nach wie vor ist die Valerie Lane eine Strasse, in der Wünsche wahr werden, die schönsten Geschenke und zartesten Pralinen gekauft werden können und in der ganz viele starke und herzensgute Ladenbesitzerinnen eine grosse Gemeinschaft bilden. Nach einem tragischen Ereignis muss jede Protagonistin sich mit ihrer eigenen Lebenssituation auseinandersetzen und in die Valerie Lane zurückkehren, in der es eine grosse, festliche Feier vorzubereiten und Klarheit in einige Beziehungen zu bringen gilt.

Meine Meinung:
Auf diesen letzten Band der Reihe war ich schon sehr gespannt, weil ich bereits einen Verdacht hatte, welches Ereignis die Valerie Lane in Aufruhr bringen würde und leider wurde ich nicht überrascht. Was mir aber sehr gut gefallen hat, waren die ersten Kapitel, in denen alle Protagonistinnen in ihrer aktuellen Lebenssituation gezeigt werden und in denen dann beschrieben wird, wie genau die Ladenbesitzerinnen auf die Neuigkeit reagieren und welche Konsequenzen diese Veränderung für ihr Leben haben wird. Da kann ich auf jeden Fall einmal verraten, dass es sehr, sehr, sehr emotional wird und Manuela Inusa ihr ganzes schriftstellerisches Potezial ausschöpfen kann (genau so wie bei der Beschreibung der Festlichkeiten) und ich sehr viele Tränen vergossen habe.
Wie sich alles entwickelt und auflöst - obwohl es auf die Figuren bezogen eigentlich keine Entwicklung gibt, sondern nur von den verschiedenen Ereignissen her - war dann äusserst romantisch und liebevoll gestaltet, Friede kehrt ein in die Valerie Lane und der herzliche und fürsorgliche Umgang miteinander, die ganze Freundschaft, Zuneigung und das Miteinander nehmen einen grossen Platz ein und ist meiner Meinung nach total schön gestaltet.

Was mir nicht ganz so gut gefallen hat:
Wie bereits angetönt, findet nicht mehr sehr viel Entwicklung statt, die Protagonistinnen haben ihren Platz im Leben gefunden, was ja schön ist, aber leider dann insgesamt ein wenig zu sehr scheint, als würde sich gar nichts mehr ereignen. Auch wird permanent beschrieben, wer jetzt welchen Tee trinkt, welchen Schal strickt und welches Plätzchen nascht, um auch ja immer die Figuren den Läden zuzuordnen (als könnte Laurie beispielsweise nicht ein einziges Mal in ihrem Leben auch einen Schal stricken, einen Keks backen oder einen Kaffee trinken, weil ihr ja schliesslich der Teeladen gehört), was ein wenig repetitiv wirkt, aber eigentlich nicht gross stört.
Lediglich das leide Thema, das mich schon im Band um das Wollparadies gestört hat, kommt wieder zum Tragen: nur Frauen, welche Kinder gebären (und wollen) und natürlich auch einen Partner an ihrer Seite haben, sind vollwertige Frauen. Wenn dann der richtige Partner da ist, stellt sich der Kinderwunsch dann schon ein und wer keine Kinder bekommen kann, ist halt schon sehr zu bemitleiden. Und Männer weinen übrigens auch nicht, wusstet ihr das schon? Genau so wenig, wie sie im Teenageralter Geschenke für ihre Freundinnen kaufen, weil pink halt nur den Frauen vorbeghalten ist...ätzend.

Mein Fazit:
Manuela Inusa kann zeigen, was sie ausmacht, wie liebevoll und berührend sie schreiben kann. Wer auf der Suche nach Happy Ends und einem in sich stimmigen Abschluss dieser Reihe ist (respektive generell eine sehr kitschige Reihe sucht, die für ganz viele Wohlfühlmomente sorgt), ist mit diesem Buch gut beraten. Ich finde es allerdings wichtig, dass man die doch sehr stereotypen Figuren, die man natürlich in jedem Liebesroman finden kann, die hier aber nicht harmlos klischeehaft, sondern effektiv frauenfeindlich sind, kritisch betrachtet. Schade, dass dies auch im Abschlussband der Reihe so präsent ist, weil eben die ersten hundert/hundertfünfzig Seiten wirklich sehr gelungen sind und das schriftstellerische Potenzial der Autorin zeigen. Ihr seht, das Buch, das mich eigentlich anfangs so begeistert hatte, lässt mich leider mit sehr gemischten Gefühlen zurück und ich kann es deshalb nicht vorbehaltlos empfehlen.