Bedrückend und beklemmend - trotz oder gerade wegen des distanzierten Schreibsitls
Das TorIn einem unbekannten Land im Nahen Osten wird das Leben der Bürger bestimmt durch das endlose Warten auf verschiedenste Genehmigungen. Für jede Kleinigkeit brauchen diese die Erlaubnis des Staates, welche ...
In einem unbekannten Land im Nahen Osten wird das Leben der Bürger bestimmt durch das endlose Warten auf verschiedenste Genehmigungen. Für jede Kleinigkeit brauchen diese die Erlaubnis des Staates, welche sie nur hinter dem Tor einholen können. Doch das Tor öffnet sich nicht und die Anzahl der wartenden Menschen steigt von Tag zu Tag an. Hitze und Erschöpfung setzen ihnen schwer zu, doch die Hoffnung, dass das Tor die Menschen doch noch eines Tages durchlässt, treibt sie an...
Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein junger Mann, welcher bei Ausschreitungen schwer verletzt wurde und dringend die Genehmigung für eine lebensrettende Operation braucht. Weitere Protagonisten reihen sich um ihn herum auf - unter anderem wären da sein bester Freund, ein neugieriger Journalist oder aber eine nicht ganz systemkonforme Lehrerin.
Die Darstellung der einzelnen Figuren ist recht komplex und vielschichtig, dennoch ist alles logisch nachvollziehbar und in sich schlüssig.
Durch den distanzierten und nüchternen Schreibstil der Autorin scheinen ihre Gedanken und Gefühle fast schon objektiv und ich hatte teilweise einige Schwierigkeiten, eine wirkliche Bindung zu den Charakteren aufzubauen. Das ist aber nichts zwingend Negatives. Ich vermute, dass dies fast schon als eine Art rhetorisches Mittel eingesetzt wurde, um die Wirkung und Brutalität des totalitären Staates, in welchem sich alles abspielt, besser erfassen zu können. Dies finde ich sehr gelungen.
Viel mehr negativ aufgefallen ist mir die mangelnde Tiefe der Dystopie. Ich hätte gerne etwas mehr über die Vorgänge hinter dem Tor erfahren und wäre gerne tiefer in die Verstrickungen und Ereignisse eingetaucht, die zu dessen Errichtung geführt haben. Stattdessen jedoch erhält man als Leser einige lose Handlungsstränge, die in einigen Passagen sehr willkürlich erscheinen. Dadurch fiel mir das Lesen ein wenig zäh, auch wenn ich sagen muss, dass sich ein Durchhalten lohnen kann. Wer Wert auf Symbolik und eigene Gedankengänge in Büchern legt, wird mit "Das Tor" vielleicht fündig.
Ich persönlich bin ein wenig zwiegespalten. Auf wirklich emotionaler Basis konnte mich das Buch nicht erreichen, dafür ging es umso mehr an die gedankliche Ebene.
3,5/5 Sterne