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Veröffentlicht am 06.07.2020

bannt den Leser in einem ständigen Auf und Ab von Gefühlen

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
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Angefüttert durch Alex Capus’ „Leon und Louise“ und dem darin enthaltenen Flair bin ich auf das hier besprochene Buch von Julia Stagg aufmerksam geworden. Zugegeben, das Auto auf dem Umschlagbild war auch ...

Angefüttert durch Alex Capus’ „Leon und Louise“ und dem darin enthaltenen Flair bin ich auf das hier besprochene Buch von Julia Stagg aufmerksam geworden. Zugegeben, das Auto auf dem Umschlagbild war auch nicht ganz unschuldig, wie das ganze Umschlagbild an einige schöne Tage im Périgore erinnerte. Nun ist das Flair in diesem Buch nicht mit der Besinnlichkeit bei Capus zu vergleichen, aber Flair, französischen Charme und ausgelassene Fröhlichkeit bringt es trotz aller Katastrophen ins Spiel. Die Schriftstellerin hat den französischen Nerv sehr gut getroffen, und das obwohl, oder gerade weil?, sie eine Britin ist. Das wird daran liegen, dass sie ähnliche Erlebnisse wie die des englischen Ehepaares Lorna und Paul Webster in dem Buch hatte erfahren müssen. Genau wie diese hat Stagg mit ihrem Mann eine Pension auf dem französischen Lande eröffnet und betrieben. Für die Websters geht es in dem Pyrinäendörfchen Fogas nicht gerade lustig zu. Als sie sich im Sommer die „Auberge de Deux Vallées“ anschauten und sich in sie verliebten, wohnten dort noch die Inhaber mit ihrer Familie, das Restaurant war in Betrieb, die Betten bezogen, in der Küche hatte es nach Gewürzen geduftet. Doch nun, als sie im Winter endlich die Möbelwagen ausladen, ist die Herberge nichts weiter als eine dreckige und heruntergekommene Herberge, deren Möbel und Fußböden von Mauseköttel übersät sind. Doch dies ist nicht das einzige Ungemach, welches sie erwartet. Viel schlimmer soll der Ärger werden, den Serge Papon, Bürgermeister des Örtchens, ihnen bereitet. Denn dass das Restaurant in einem französischen Dorf von Engländern, die noch nie etwas vom Kochen verstanden hätten, seinem Schwager vor der Nase weggeschnappt wurde, ist ein unverzeihlicher Affront. Mit leicht süffisantem Humor hat Julia Stagg diesen Roman verfasst. Hin und wieder musste ich in lauteres Lachen ausbrechen. Der Streit zwischen den „geschmacklosen“ Engländern und den „Froschschenkelfressern“ bildet die Grundlage dafür und für ein heilloses Chaos in den Bergen Frankreichs. Zahlreiche Begebenheiten, wie die von Jaques, der dem Bürgermeister eine Flamme an dessen Hinterteil hält, worauf der in Flammen aufgeht, der Raum nach geschmortem Fleisch riecht und Jaques sich vor Lachen nicht mehr einkriegt, geben Anlass, so manche Traurigkeit schnell zu vergessen. Denn immer wieder neue Intrigen des Bürgermeisters lassen die Websters nicht zur Ruhe kommen. Manche Szenen haben etwas von Situationskomik an sich und man liest sie gern ein zweites Mal. Einfühlsam und gut gelungen ist die Einführung eines Geistes in die reale Welt dieser Dorfgemeinschaft. Aber dieser Geist macht keinesfalls eine Fantasy-Geschichte aus dem Roman. Es ist der verstorbene Ehemann einer Dorfbewohnerin, die mit ihm gerne noch Zwiesprache hält. Die sprachliche Umsetzung des Humors wird zweifellos auch das Verdienst der Übersetzerin Angelika Naujokat sein. Sie hat hervorragend die sprachlichen Schwierigkeiten (die Websters sprechen anfangs mit deutlichem, später mit weniger ausgeprägtem Akzent) für den deutschen Leser gemeistert. Und auch Annie mit ihrem losen Gebischkommtbeschonderschgutrüber. Das Buch ist äußerst unterhaltend, bannt den Leser in einem ständigen Auf und Ab von Gefühlen und ist deshalb sehr zu empfehlen.

Veröffentlicht am 25.06.2020

Unbedingt eine Empfehlung!

Was niemand sieht
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Mit dem Roman bin ich erneut auf die Inseln gereist. Dieses Mal auf die Shetland-Inseln weit im Norden Schottlans, wo es an 200 Tagen im Jahr regnet, um mit Jimmy Perez zu ermitteln.

Emma ist seit vielen ...

Mit dem Roman bin ich erneut auf die Inseln gereist. Dieses Mal auf die Shetland-Inseln weit im Norden Schottlans, wo es an 200 Tagen im Jahr regnet, um mit Jimmy Perez zu ermitteln.

Emma ist seit vielen Jahren Kindermädchen bei der arroganten Familie Moncrieff. Für dieses Ehepaar sind Kinder nur ein Prestigebaustein, aber kein Vorkommnis im Alltag. Emma stammt ursprünglich von den Orkney Inseln aus einer zerrütteten Familie. Doch dann wird ihre Leiche an einem Balken baumelnd in der Scheune der Nachbarn gefunden. An der gleichen Stelle war vor wenigen Wochen der ehemalige Besitzer dieser Farm erhängt aufgefunden worden. Während er wohl über den Verkauf seiner Farm nicht hinweg gekommen war, ist der Tod des Kindermädchens völlig rätselhaft.

Cleeves zeichnet erneut ein sprödes, aber dennoch freundliches Bild der Menschen auf diesen Inseln. Penibel geht sie auf die Herkunft der einzelnen Menschen ein, ihr unterschiedliches Verhalten zu erklären und den Lesern damit die Vielschichtigkeit aufzuzeigen. Hier Gebürtige stehen neben Hinzugezogenen aus London. Es scheinen Welten aufeinander zu prallen. Die Konflikte dieser Menschen bieten genügend Raum für falsche Spuren, für die Spekulation bei der Suche nach Motiven und Tätern.

Und auch Detective Jimmy Perez bekommt seinen persönlichen Konflikt, der ihn für einen Moment handlungsunfähig macht. Zumindest im privaten Bereich. Indem er sich auf seinen Kriminalfall konzentriert, versucht er, seine privaten Probleme auszublenden. Es ist fraglich, ob das so richtig ist und gelingt.

Ann Cleeves sagt, dass dieser Roman der Letzte aus der Shetland-Reihe ist. Eigentlich schade, denn genau wie ihre Ermittlerin Vera Stanford mag ich diesen verschlossenen Typen Jimmy Perez.

Mit diesen man kann man sich auf den Shetland, Orkneys und auch anderen nordischen Inseln, sich den Wind um die Nase wehen lassen und den Spuren in allen Richtungen folgen. Ich gebe unbedingt eine Empfehlung!


© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.05.2020

Thin Lizzy und die Leiche im Kilt

Schottensterben
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In dem Hebriden-Krimi »Schottensterben« von Gordon Tyree geht es sehr humorig zu. Es ist Humor von der dunkelsten Sorte. Um genauer zu sein: von der schwärzesten.

Es geschieht auf der kleinen Insel Gigha ...

In dem Hebriden-Krimi »Schottensterben« von Gordon Tyree geht es sehr humorig zu. Es ist Humor von der dunkelsten Sorte. Um genauer zu sein: von der schwärzesten.

Es geschieht auf der kleinen Insel Gigha in einer stürmischen Nacht. Es wird eine Leiche angespült. Sie trägt einen Kilt. Doch wie überall scheuen die Bewohner die Polizei. Hier auf der Insel haben sie große Chancen, die Polizei von allen Dingen fernzuhalten. Also beginnt Nicol, der die Leiche am Strand gefunden hat, sie zu verbuddeln. Er ahnt nicht, dass er dabei beobachtet wird. Und auch der Beobachter von Nicol ahnt nicht, dass sie beide aus größere Entfernung beobachtet werden. Wie auch alle nicht ahnen, dass sie vom Meer aus von den Leuten eines Fischkutters beobachtet werden. Hinzu kommt, dass jeder Bewohner auf der Insel sein eigenes kleines Geheimnis hütet.

Besonders schön wird es, wenn das Hochlandrind Thin Lizzy ins Spiel kommt. Sie ist eine Kuh, die sich über das rätselhafte Gebaren der Schotten im Allgemeinen und derer Toten im Besonderen den Kopf zerbricht. Und sie mag keine pinke Kleidung an ihnen. Damit sorgt sie für die skurrilsten Szenen im Buch. Lizzy ist eine feste Größe im Roman. Mit ihr sollte der Leser immer rechnen.

An vielen Stellen geht es liebevoll derb zu, wie hier z. B.: »Val schloss Nicol in die Arme und barg seinen Kopf an der Kuhle zwischen Hals und Schlüsselbein. Das schien ihm zu gefallen. Er roch zwar nach Kuh und ein bisschen nach Leiche, aber, hey, das war der raue Charm der Hebriden, oder?«

Die Spannung zieht sich vom Auftauchen der Leiche bis zum Schluss durch. Nicht ganz ohne immer neue Überraschungen. Ermittelt wird in diesem Krimi nicht. Schließlich will man die Polizei ja auch heraushalten. Als Detektiv fühlt sich auch keiner der Insulaner berufen. Er geht es darum, die Leiche weg zu bekommen. Aber wie ganz nebenbei passiert ein Malheur nach dem anderen, angefangen vom Untergang eines Schiffes bis zum Ausfallen der Fähre nach Kintyre.

Der Roman, und mit ihm Thin Lizzy, bereiten gute Laune. Er sorgt für Lachfältchen im Gesicht bis hin zum Dauerlächeln. Ich habe mich auf Gigha wohlgefühlt.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

Veröffentlicht am 06.05.2020

Rivalität zweier Kinder wird zum Thriller

Wie tief ist das Wasser
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In diesem Roman »Wie tief ist das Wasser« von Susan Hill steuert die Geschichte unaufhörlich auf eine Katastrophe zu. Edmund Huber hatte nur kurze Zeit seinen Großvater auf dem Sterbebett liegen sehen. ...

In diesem Roman »Wie tief ist das Wasser« von Susan Hill steuert die Geschichte unaufhörlich auf eine Katastrophe zu. Edmund Huber hatte nur kurze Zeit seinen Großvater auf dem Sterbebett liegen sehen. Edmund ist zehn Jahre alt und wurde von seinem Vater, der älteste Sohn des alten Huber, großgezogen. Nun hatten sie diesen dieses Haus geerbt. Doch weil sein Vater oft in London sein würde, wollte er sich um einen Freund für seinen Sohn bemühen. Das ging schneller als erwartet. Der Vater hatte die verwitwete Ms Kingshaw kennengelernt, die einen ebenso alten Jungen wie Edmund großzog. Sie sollte eine besondere Haushälterin werden und Charles Kingshaw Edmunds Freund. Doch beide Jungs können sich schon vor ihrer Begegnung nicht ausstehen.

Beide Jungs legen eine Rivalität zutage, wie man sie sich kaum vorstellen kann. Daraus bezieht der gesamte Roman seine Spannung. Aus diesem Konflikt entstehen Situationen, die den Roman auf die Spitze treiben. Prügeleien und Angeberei sind das kleinste Übel. Als Leser ahnt man, dass irgend etwas ganz Schreckliches passieren muss. Das ist unausweichlich, bei so viel Krieg zwischen Huber und Kingshaw. Und dann das Verhalten von Charles Mutter und Edmunds Vater. Manchmal möchte man das Buch in eine Ecke feuern.

In einem ruhigen Stil wird die Rivalität erzählt. Da die Hauptfiguren zwei Kinder sind, sind die Dialoge dem Alter entsprechend. Jeder Leser wird solche Gespräche noch aus seiner eigenen Kindheit kennen. Es ist nicht ungewöhnlich. Heute würde man es auch als Mobbing bezeichnen. In dem Stil der Erzählung geht einem das Verhalten unter die Haut, wobei man geneigt ist, Stellung für einen von beiden zu beziehen. Subtile Spannung von Anfang bis Ende.

Ein wiederentdeckter Roman, der die Rivalität zweier Kinder zum Thriller macht!


© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

Veröffentlicht am 29.04.2020

Ein Eifelkrimi, der Spaß macht auf mehr

Tote gehen nicht den Eifelsteig
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Wer die Krimis von Carola Clasen kennt, der weiß, dass man um den Humor darinnen nicht herum kommt. Charmanter Humor, der nicht durch die Vordertür hereinpoltert, sondern ganz feinsinnig zwischen den Zeilen ...

Wer die Krimis von Carola Clasen kennt, der weiß, dass man um den Humor darinnen nicht herum kommt. Charmanter Humor, der nicht durch die Vordertür hereinpoltert, sondern ganz feinsinnig zwischen den Zeilen zu entdecken ist. So auch in dem aktuellen Krimi „Tote gehen nicht den Eifelsteig“ aus dem KBV-Verlag. Den Anfang nimmt das Desaster in der „Klinik am Wald“. Hier ist der Posten des Chefarztes demnächst neu zu besetzen. Die beiden Oberärzte, die bis dato enge Freunde aus der Schulzeit waren, streben diese Stelle an. Der Verwaltungsdirektor und der Noch-Chefarzt mögen keine Entscheidung zwischen den beiden Bewerbern treffen. Was liegt da schon näher, sie den beiden selbst zu überlassen. Aber selbst bei so langjährigen Freunden ist eine friedliche, im Gespräch getroffene Einigung schwer vorstellbar. Also einigen sich beide auf einen Wettstreit: Wanderung auf dem Eifelsteig, einem 330 Kilometer langen Wanderweg von Aachen bis nach Trier, quer durch den Nationalpark Eifel. Einer von ihnen startet in Aachen, während sich der andere in Trier auf den Weg macht. Auf halber Strecke sollten sie sich über den Weg laufen. Die zurückgelegte Strecke ist mit Hotelbelegen und Fotos nachzuweisen. Als sie dieses Wettrennen vereinbaren, ahnt keiner, dass ihr Weg mit Leichen gepflastert sein wird. Die Verwicklungen nehmen ihren Lauf. Ein Eifelkrimi, der sich dieses Mal der gesamten Eifel annimmt und in welchem die bereits bekannte Protagonistin Hauptkommissarin Sonja Senger unentwegt auf dem Strohhalm kaut, weil sie sich gerade das Rauchen abgewöhnen will. Ein Eifelkrimi, der Spaß macht auf mehr. Sowohl, was das Lesen angeht, als auch das Wandern in der Eifel. Für ersteres steht mit „Die Eifel sehen und sterben“ schon der nächste Clasen-Krimi in den Startlöchern.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012