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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.05.2020

Vergangenheit und Gegenwart

Alles ringsum Sichtbare
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„… Wenn Joni ausgelassen ist, scheinen sich die kleinen Flecken sprunghaft zu vermehren. Sie übernehmen im Nu die Herrschaft unter ihren Augen, über den feinen Wangenknochen und der Stirn...“

In Tricity ...

„… Wenn Joni ausgelassen ist, scheinen sich die kleinen Flecken sprunghaft zu vermehren. Sie übernehmen im Nu die Herrschaft unter ihren Augen, über den feinen Wangenknochen und der Stirn...“

In Tricity auf der polnischen Insel Hel treffen sich Joni Fraunburg und Nando Frauenburg. Ihre Urgroßväter waren Brüder. Joni, die in Amerika groß geworden ist und nun in Gdynia arbeitet, hat sich auf die Suche nach der deutschen Verwandtschaft gemacht. Das Testament ihrer Tante Rebekka hat dies eingefordert.
Der Autor hat einen bewegenden Roman geschrieben. Zwei Generationen stehen im Mittelpunkt: die Generation der Großeltern, die den Krieg erlebt haben, und die Generation der Enkel, also Joni und Nando.
Von den Großeltern leben nur noch die Frauen. Ihre Männer, die Cousins Hans und Karl, sind tot.
Die Enkel werden gut durch ihr Verhalten charakterisiert. Es dauert, bis in der Geschichte klar wird, warum sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten.
Joni ist eine selbstbewusste und erfolgreiche junge Frau. Nandos Gedanken zu ihren Sommersprossen stehen im Eingangszitat. Sie hat aber auch eine dunkle Seite. Und die klingt so:

„...Dein ganzes Leben ist ein Duell...“

Alles, was sie tut, fühlt sich nach Kampf an. Sie möchte die Beste und Erfolgreichste sein .Das äußert sich leider auch in mangelnder Rücksichtnahme gegenüber dem anderen und gegenüber dem eigenen Körper. Ein gestecktes Ziel muss unbedingt erreicht werden, koste es ,was es wolle.
Nando ist Journalist. Auch er möchte erfolgreich sein, hat sich aber den Blick für die Schönheiten des Lebens bewahrt. Er kann auch einen Moment der Ruhe genießen, so beim Beobachten eines Rehkitzes.

„...Sieh dir seinen aufmerksamen Blick an! So neugierig und ängstlich zugleich. Er weiß genau, wer wir sind und das wir Abstand halten sollen. Und das zeigt er uns auch...“

Der Schriftstil ist ausgereift. Durch den Wechsel der Erzähler sehe ich die Geschichte nicht nur aus verschiedenen Blicken, es wird auch die Steigerung zum Höhepunkt damit erreicht. Während der erste Teil von Nando und der zweite von Joni erzählt werden, wechselt danach der Erzähler schon nach jeden Kapitel und im vorletzten Teil nach jedem Abschnitt.
Die hohe innere Spannung der Geschichte wird meiner Meinung nach aus zwei Quellen gespeist. Zum einen bleibt anfangs im Dunkeln, warum die Familien 70 Jahre lang keinerlei Kontakt hatten. Zum anderen plant Joni detailliert ein gemeinsames Leben mit Nando, ohne nach seinen Wünschen zu fragen. Hier sind seine Gedanken:

„...Aber mit einem Sprachkurs ist es keineswegs getan. Nicht, wenn ich dauerhaft in Polen leben müsste. Als Mann der Sprache ließe ich praktisch alles in Deutschland zurück...“

Einen weiteren Einfluss haben die komplizierten Beziehungen zwischen den amerikanischen Mitgliedern der Familie. Rebekka, um deren Erbschaft es geht, war Jüdin.
Erwähnenswert sind die verschiedenen Themen, die nebenbei gestreift werden, sei es das Vorgehen auf wirtschaftlichen Gebiet oder die unterschiedlichen Ansichten zu seriösen Journalismus.
Ein Besuch bei Nandos Mutter bringt eine zusätzliche Farbe ins Geschehen. Ihre Einschätzung von Nandos Generation klingt so:

„...Ihr seid eine merkwürdige Generation [...] Ihr wollt nie dort sein, wo ihr seid, nie das sein, was ihr seid. Nichts ist genug, nichts ist wirklich schön, nichts ergreift euch voll und ganz...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen, weil es in die Tiefe geht und unterschwellig fragt, wie man leben will.

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Veröffentlicht am 11.05.2020

Fesselnder Krimi

Blutige Düne
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„...Erst aus der Luft erkannte man wirklich, wie filigran die Insel war. Ein lang gestreckter Streifen Land, der unverdrossen dem heranrollenden Meer trotzte. Sylt war ein zerklüfteter Wellenbrecher vor ...

„...Erst aus der Luft erkannte man wirklich, wie filigran die Insel war. Ein lang gestreckter Streifen Land, der unverdrossen dem heranrollenden Meer trotzte. Sylt war ein zerklüfteter Wellenbrecher vor dem Festland...“

Rocco war nach dem Absperren der Bar in seinem eigenen Auto überfallen wurden. Was wollte der Entführer von ihm? Er ahnt, dass er nur noch wenige Minuten zu leben hat.
Kommissarin Liv Lammers macht auf Sylt Urlaub mit ihrer Tochter Sanna. Da erreicht sie der Anruf ihrer Vorgesetzten. Sie soll Roccos Fall untersuchen.
Die Autorin hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Es ist der vierte Fall aus der Reihe. Obwohl ich die anderen Bände nicht kenne, hatte ich kein Problem, der Handlung zu folgen.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er ist abwechslungsreich und unterstützt den hohen Spannungsbogen.
Schon das Eingangszitat zeigt, das die Autorin das Spiel mit Metaphern beherrscht. Es sind so kleine Besonderheiten, die den Roman von der breiten Masse abheben. Ich denke dabei zum Beispiel an das Auffinden der Leiche. Wer mehr dazu wissen will, sollte das Buch lesen.
Bei der Recherche in Roccos Umfeld landen die Ermittler in der Rockerszene. Das genügt, damit das LKA die Fäden in die Hand nimmt.
Schnell stellt sich heraus, dass die Zusammenarbeit zwischen dem LKA und den örtlichen Behörden schwierig wird. Während Liv und ihre Leute alles tun, um den Mörder zu finden, ist das LKA nur daran interessiert, die Gang zu zerschlagen. Einige der Bemerkungen sind schon fast menschenverachtend.

„...Wir werden aber nicht unseren Einsatz gefährden, nur um einer Nutte zu helfen...“

Für Liv ist Sylt kein einfaches Pflaster. Hier lebt ihr Vater Ocke und ihre Schwester Annika. Zwar hatte sich das Verhältnis zu Annika gebessert, aber der jetzige Einsatz wird erneut einen tiefen Riss in der Familie zurücklassen. Ocke sorgt dafür, dass bei Liv verborgene Erinnerungen aus der Kindheit wieder an die Oberfläche wollen. Ocke gehört zu dem Typ Mensch, der glaubt, sich mit Geld alles und jeden kaufen zu können.
Gekonnt wird in die Handlung das Thema Umweltschutz integriert. Es geht um den Schutz der Dünen und die Flut von Verpackungsmüll.

„...Viel zu oft wurden im Spülsaum tote Vögel gefunden, die sich in diesem Müll verheddert hatten und elendig verendet waren...“

Gut ausgearbeitete Gespräche geben einen Einblick in die Gedankenwelt der Protagonisten und bringen die Handlung vor. Gleichzeitig werden Emotionen gekonnt durch Taten gespiegelt, sei es die Angst von Tamara und Denise oder die Wut von Liv.
Die Handlung ist sehr vielschichtiger, als sich hier ausführen lässt. Es geht nicht nur um Machtspielchen, auch um Rache. Das Mitraten macht Spaß, führt aber erst am Ende wirklich zum Ziel. Liv und ihr Team müssen vielen Spuren nachgehen, bis sich ein Motiv abzeichnet.
Der Krimi hat mir ausgezeichnet gefallen. Allerdings ist der Cliffhanger, der Livs Privatleben betrifft, heftig.

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Veröffentlicht am 10.05.2020

Berührendes Kinderbuch

Der kleine große Wolf
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„...Aber wenn ich immer in die Spuren der anderen trete, hinterlasse ich doch selbst keine. […] Und ich kann nie meinem Herzen folgen, das mir rät innezuhalten...“

Der kleine Wolf Benjamin möchte eigene ...

„...Aber wenn ich immer in die Spuren der anderen trete, hinterlasse ich doch selbst keine. […] Und ich kann nie meinem Herzen folgen, das mir rät innezuhalten...“

Der kleine Wolf Benjamin möchte eigene Wege gehen. Als die Menschen sein Revier bedrohen und die anderen sich anpassen, weil das Leben in der Nähe der Menschen zusätzliche Nahrung bedeutet, finde Benjamin das nicht richtig. Ersieht die Gefahren.
Die Autorin hat ein tiefgründiges Buch geschrieben.
Der Schriftstil ist ausgereift. Häufig sind mir fast philosophische Gedanken aufgefallen. Benjamin ist ein guter Beobachter.

„...Aber das Leben ist viel zu kostbar, um immer nur verbissen ernsten Angelegenheiten nachzugehen, die angeblich keine Zeit zum Leben übrig lassen...“

Ein Traum veranlasst Benjamin, seinen ganzen Mut zusammenzunehmen und das Rudel zu verlassen. Es geht in den Buch auch um Vorurteile. Benjamin wird häufig damit konfrontiert. Er findet friedliche Wege, damit umzugehen.

„...Vorurteile sind eine schlimme Art und Weise, anderen etwas unterzuschieben, um sich die Mühe zu sparen, selber genauer hinzusehen und zu erkenne, wie jemand wirklich ist...“

Der kleine Wolf hört auf sein Herz. Das führt ihn in die Ferne, wo er Freundschaft und Gleichklang findet und mit Hoffnung auf Frieden zwischen Mensch und Tier zu seinem Rudel zurückkehrt.
Sehr schöne Zeichnungen illustrieren die Geschichte.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist ein Plädoyer dafür, notfalls ausgetretene Pfade zu verlassen.

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Veröffentlicht am 09.05.2020

Mit dem Wohnmobil nach China

Ferner Osten auf der Überholspur
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„...Der Ausbau der Erzeugung regenerativer Energien wird wird in atemberaubenden Tempo vorangetrieben. In China ist 2018 in einem einzigen Jahr so viel Photovoltaik – Leistung neu errichtet worden wie ...

„...Der Ausbau der Erzeugung regenerativer Energien wird wird in atemberaubenden Tempo vorangetrieben. In China ist 2018 in einem einzigen Jahr so viel Photovoltaik – Leistung neu errichtet worden wie in Deutschland in den letzten 20 Jahren insgesamt...“

Jochen Dieckmann beschreibt seine Reise entlang der neuen Seidenstraße mit seinem Neffen Pablo und den Wohnwagen namens Emma nach China. Er hat Wert darauf gelegt, dass er dabei so viele Länder wie möglich kreuzt. Manche Länder hat er bewusst ausgelassen. Das liest sich dann zum Beispiel so:

„...Außerdem will ich nicht durch die Erdogan – Türkei. Ich war oft mit dem LKW dort, aber eben auch zwei Mal mit Menschenrechtsdelegationen […] Das ist zwar schon viele Jahre her, aber so wie der Pascha vom Bosporus da rumtrollt, trau ich dem alles Mögliche zu...“

Das Buch strotzt vor Informationen, ist aber wegen seines leichten und stellenweise humorvollen Stils angenehm zu lesen.
Auf den ersten Seiten lässt mich der Autor an seiner Planung der Reise teilnehmen. Manchmal ist es schwer, sich durch den Dschungel der Bürokratie zu arbeiten. Außerdem fallen kritische Worte über die hiesige Berichterstattung über China.
Dann beginnt die Reisebeschreibung mit der Ukraine. Jedes der Länder wird kurz vorgestellt mit Hauptstadt, Bevölkerungszahl, Fläche, Amtssprache und Religionen sowie Währungen, wichtigste Export- und Importpartner und prozentualer Warenimport aus China. Dann folgt eine kurze Bemerkung, die er als unnützes Wissen bezeichnet. Für die Ukraine lautet die:

„...In der Ukraine gibt es 40 Wodka – Hersteller...“

Mit politischen Statements hält er sich wohltuend zurück. Dafür erfahre ich eine Menge über Land und Leute, seien es die Nationalgerichte, den Straßenzustand und wichtige Orte. Auch an den Besichtigungen darf ich als Leser detailliert teilnehmen. Dabei geht es vorwiegend in Nationalparks, an See oder andere landschaftliche Sehenswürdigkeiten. Natürlich sind die Grenzkontrollen mit manchen Absonderlichkeiten auch ein Thema.

„...Auf der aserbaidschanischen Seite weist uns ein Uniformierter an, in der Spur zu warten zwischen Abfertigung der PKW und der von den LKW. Da ist niemand, aber da sollen wir warten. […] Die üblichen Spielchen halt, du hast keine Chance – nutze sie...“

Die Landschaft wird mit passenden Metaphern beschrieben. Häufig ist die Begeisterung über die Schönheit der Natur spürbar, so in der kasachischen Steppe.

„...Wieder sind wir fasziniert davon, wie unterschiedlich hier die Steppe aussehen kann. Zwischendurch gibt es blendend weiße Hügel, rötliche Canyons und einmal kommen wir zu einem einzeln stehenden Felsblock, der aussieht wie der australische Ayers Rock...“

Negative Erfahrungen mit Angestellten der Deutschen Botschaft im Ausland fließen genauso in die Geschichte ein, wie die Freundlichkeit und Großzügigkeit manch Einheimischer. Reisende untereinander helfen sich. So wurden auch mal Gäste im Wohnwagen mitgenommen.
Spannend fand ich, wie schnell und mit oft einfachen Mitteln in den ehemaligen Ländern der Sowjetunion die Reparatur des Wohnmobils möglich war. Da funktionierte noch Handarbeit.
Gut gefallen hat mir auch, dass ich anhand des Inhaltsverzeichnisses und der Karten in den Umschlagseiten die Reiseroute problemlos gedanklich nachvollziehen konnte.
Viele Fotos veranschaulichen die Stationen der Reise.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 08.05.2020

Beeindruckende Gedichte

Singende Vögel weinen sehen
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„...Kleine
Dinge
Wieder
Sehen...“

Das obige Gedicht trägt den Titel „Zufriedenheit“. Es ist eins von 35 Gedichten in dem hochwertigen Büchlein. Und es zeigt schon das, was ich als Leser ...

„...Kleine
Dinge
Wieder
Sehen...“

Das obige Gedicht trägt den Titel „Zufriedenheit“. Es ist eins von 35 Gedichten in dem hochwertigen Büchlein. Und es zeigt schon das, was ich als Leser als wesentlich empfunden habe. Die Gedichte sind kurz. Sie kommen sofort zum Kern. Alle Worte sind groß geschrieben. Es gibt keine Satzzeichen. Obiges Gedicht gehört zu meinen Lieblingsgedichten aus dem Band.
Diese Art der Poesie nennt sich Handypoesie. Jedes Gedicht passt auf den Bildschirm des Handys. Einige wenige Gedichte benötigen zwei Seiten. Ich persönlich hatte gerade bei diesen Versen den Eindruck, dass dort Gegensätze verarbeitet wurden. Im Herbstgedicht zum Beispiel kommen erst die schönen Eigenschaften der Jahreszeit wie das Rascheln der Blätter. Auf der zweiten Seite fallen dann die Worte „Vergilbt“ und „Vergangen“.
Doch die äußere Form ist nur eine Seite der Medaille. Beim Inhalt der Gedichte fällt auf, dass es mir als Leser überlassen bleibt, wo ich einen Ruhepunkt setze. Dadurch werden die Worte völlig anders kombiniert und erhalten einen neuen oder anderen Sinn. Man muss sich darauf einlassen, um zu verstehen, wie ich das meine.
Das erste Gedicht fällt formal aus dem Rahmen.

„...Gedichte sind
….Gedanken
…..[…]
…..Auf den Punkt gebracht...“

Besser hätte die Autorin ihr Bestreben nicht in Worte fassen können.
Von der Thematik her wendet sich die Autorin der gesamten Bandbreite des Lebens zu, seine es die Jahreszeiten oder Emotionen wie Liebe, Freude, Neid und Trauer. Fünf Gedichte beinhalten das Phänomen der Zeit.
Das Buch enthält aber nicht nur Gedichte. In zwei Texten setzt sich die Autorin mit dem Schreiben von Gedichten auseinander. Der dritte Text ist dem Verleger Theo Czernik gewidmet.
Hinzu kommt, dass jedes Gedicht mit einer hochwertigen Schwarz – Weiß – Fotografie der Autorin illustriert wurde. Es sind beeindruckende Naturaufnahmen, die den Blick auf die kleinen Details des Lebens richten.
Selten äußere ich mich in meinen Rezensionen zum Cover. Hier aber möchte ich das Augenmerk darauf legen. Der kleine Vogel in den geöffneten Händen strahlt Ruhe und Geborgenheit aus.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Sicher werde ich die Gedichte immer mal wieder zur Hand nehmen. Möglich, dass ich dabei ganz neue Facetten erkenne, je nach Stimmung und Tagesform.

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