Magische Geschichten für sommerliche Abende am Lagerfeuer
Meine Meinung
Der deutsche Journalist und Kulturwissenschaftler Dirk-Boris Rödel legt mit der Kurzgeschichtensammlung »Liber Thanatamor« sein Debütwerk vor und vermag sogleich mit siebzehn kurzweiligen ...
Meine Meinung
Der deutsche Journalist und Kulturwissenschaftler Dirk-Boris Rödel legt mit der Kurzgeschichtensammlung »Liber Thanatamor« sein Debütwerk vor und vermag sogleich mit siebzehn kurzweiligen Erzählungen in seinen magischen Bann zu ziehen.
Die Geschichten sind teilweise in der Gegenwart angesiedelt, entführen aber auch in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs oder sogar an vollkommen mystische Orte. Dirk-Boris Rödel berichtet über Menschen, Hexen, Geister, Vogelscheuchen, Waldmänner, Landsknechte den Fährmann und einiges mehr. Mysteriöse Ereignisse, Flüche und Legenden sind dabei ebenso essenziell wie Familie sowie die Werte Freundschaft und Liebe.
In den Erzählungen scheint auch immer wieder eine Verbundenheit zur Natur hindurch, so wird in »Der Waldmann und die Vogelscheuche« der immer kleiner werdende Lebensraum Wald für Tiere in Szene gesetzt und mit einer magischen Note versehen.
Hexerei, Okkultismus, Liebe und Tod sind die zentralen Themen der Geschichten, die durchweg fesselnd erzählt werden, zum Nachdenken anregen und auch subtile Gruselmomente bereithalten. Einige der Geschichten erinnerten mich an die TV-Serie »X-Factor: Das Unfassbare« aus den 90ern, da sie genau die gleiche realistisch-mystische Atmosphäre versprühen und in ihnen die Linie zwischen Fiktion und Realität verschwimmt. Kann es sich nicht wirklich so zugetragen haben, dass sich eine verstorbene Seele eines kleinen Jungen bemächtigt, um etwas abschließen zu können und dadurch Frieden zu finden?
Dirk-Boris Rödels Geschichten sind durch die verschiedensten Einflüsse geprägt, so kann man »Erlkönigs Tochter« als moderne Interpretation der Ballade von Johann Gottfried von Herder erkennen und »Gjöll« greift Fragmente aus dem Nibelungenlied auf. Durch diesen Abwechslungsreichtum entsteht ein magisches Potpourri, das unterhält und keine Langeweile aufkommen lässt.
In einigen Geschichten geht es recht lustig zu, so muss in »Moppelfee« ein dicklicher Kobold mit Berliner Dialekt als gute Fee Sozialstunden ableisten und gerät dabei mit dem glücklichen Wunschempfänger in einen weniger erfreulichen Dialog und in »Die Kekshexe« steht eine schusselige Hexe kurz vor dem Ausschluss aus ihrem Zirkel, da sie nicht nur unpünktlich ist, sondern auch schon so einige Zauber vergeigt hat. Doch mit ihren mitgebrachten und zugegebenermaßen recht improvisierten Weihnachtskeksen in Häschenform kann sie das Blatt doch noch zu ihren Gunsten wenden.
Zwei Geschichten sind unter dem Kapitel »Visionen« enthalten, auf mich wirkten diese sehr diffus und ich konnte nicht wirklich etwas damit anfangen. Somit waren das die einzigen Texte der Anthologie, die mich nicht überzeugen konnten.
Den Gesamteindruck konnte das jedoch nicht großartig beeinträchtigen, da man die Liebe zum Geschichten erzählen, für das Magische und Übernatürliche zwischen den Zeilen spürt aber auch die Bezüge zur Realität (ähnlich wie bei Fabeln) erkennbar sind. Meine absolute Lieblingsgeschichte ist »Das Einhorn von Magdeburg«, denn hier geht es um eine schicksalshafte Begegnung zwischen einem verletzten Mädchen und einem Landsknecht im Dreißigjährigen Krieg. Unschuld trifft auf Sünde und in dieser Kombination geht das Erzählte tief unter die Haut!
Fazit
Dirk-Boris Rödels magische Geschichten sind die perfekte Untermalung für sommerliche Abende am Lagerfeuer.
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 27.08.2020