Mord im Wunderland
Der Fall Alice im WunderlandZum zweiten Mal geraten Professor Arthur Seldom und der argentinische Doktorand, von dem wir immerhin den Anfangsbuchstaben ‚G‘ erfahren, in einen verzwickten Fall.
Die Handlung des Romans spielt im Sommer ...
Zum zweiten Mal geraten Professor Arthur Seldom und der argentinische Doktorand, von dem wir immerhin den Anfangsbuchstaben ‚G‘ erfahren, in einen verzwickten Fall.
Die Handlung des Romans spielt im Sommer 1994 in Oxford. Kristen Hill, die ebenfalls eine Doktorandin Seldoms war, ehe sie zu einem Forschungsstipendium kam und sich nun mit den Tagebüchern von Lewis Carroll auseinandersetzt, hat einen sensationellen Fund gemacht. Einige Tagebuchseiten wurden einst von Carrolls Familienangehörigen vernichtet, doch Kristen findet eine Notiz, die den Inhalt besagter Seiten zusammenfasst. Welches brisante Geheimnis vermag diese Notiz zu enthüllen? Was verrät sie über den Schöpfer von „Alice im Wunderland“, das seine Verwandten verschweigen wollten? Die Lewis-Carroll-Bruderschaft gerät aus dem Häuschen. Doch bei der Versammlung, auf der die Nachricht enthüllt werden soll, kommt Kristen niemals an.
In diesem zweiten Kriminalfall rund um Professor Seldom, der gut 16 Jahre nach „Die Oxford-Morde“ publiziert wurde, zeigt sich ein deutlicher Reifegrad von Guillermo Martínez. Die Längen aus Band 1, in denen mathematische Theoreme erläutert wurden, sind zugunsten einer spannenden Handlung gekürzt. Den Leser erwartet ein kniffliger Krimi mit einer Reihe von Morden, die dem weltbekannten Kinderbuch entlehnt sind. Die immer wieder herausgezögerte Enthüllung des Tagebuchinhalts hat mich fast in den Wahnsinn getrieben.
Natürlich kenne ich „Alice im Wunderland“, doch über Lewis Carroll wusste ich bislang nichts. Nicht, dass er eigentlich Charles Dodgson hieß. Dass er ebenfalls Mathematiker war. Und auch nichts über seine – nun ja, heute würde man sagen skandalösen – Fotografien. Mit umso größerem Staunen habe ich die Forschungsergebnisse verfolgt, die im Buch durch die Vertreter der Lewis-Carroll-Bruderschaft erklärt werden. Für dieses umfangreiche Wissen hat sich Guillermo Martínez in die Sekundärliteratur eingearbeitet. Eine gigantische Recherchearbeit, die sich auszahlt.
Schockierend sind die Neigungen Carrolls. Wie gesagt, ich war im Vorfeld völlig unbedarft, was seine Biografie betrifft. Aus diesem Grund konnte der Roman bei mir seine volle Wirkung entfalten.
Der Aufbau der Handlung ist brillant, vielschichtig, wendungsreich. Jedes Detail ist perfekt aufeinander abgestimmt. Seien es die mysteriösen Tagebuchseiten, Carrolls Fotografien, die Morde oder die verschiedenen Blickwinkel, wobei alles mit den Betrachtungen der Logik unterlegt ist.
„Der Fall Alice im Wunderland“ ist ein extrem guter Kriminalroman, der wieder klassische Elemente des Genres aufgreift und gelungen umsetzt. Er ist meisterhaft recherchiert und strukturiert, mit einer spannenden, nicht vorhersehbaren Handlung von Anfang bis Ende.