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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.05.2020

Tiefgründiger Krimi

Stumm vor Angst
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„...Und wenn derjenige nur aus einer Laune heraus lebensmüde geworden ist oder vor Problemen davonläuft, die absolut lösbar wären, dann stimme ich dir hundertprozentig zu. Das Leben ist ein kostbares Gut, ...

„...Und wenn derjenige nur aus einer Laune heraus lebensmüde geworden ist oder vor Problemen davonläuft, die absolut lösbar wären, dann stimme ich dir hundertprozentig zu. Das Leben ist ein kostbares Gut, das man nicht einfach so wegwerfen sollte […] Wenn man aber nicht mehr in Würde leben kann, darf man dann nicht wenigstens in würde sterben?...“

Malte Jacobsen und Surendra Sinha setzen sich nach ihrem letzten Fall nochmals zusammen. Dann fährt Surendra uaf die Schwäbische Alp zu Frank Hasemann. Der war lange sein Vorgesetzter und ist ihm nach wie vor Freund und Ratgeber. Surendra ist suspendiert, da wegen Strafvereitelung in einem Fall von Sterbehilfe gegen ihn ermittelt wird.
Bei einem Spaziergang trifft Surendra Linnea, ein kleines Mädchen, das verstummt ist, als sie mit ansehen musste, wie ihr Elternhaus verbrannt ist. Dabei kam ihr Vater ums Leben. Der Brandstifter sitzt hinter Gittern, doch eine der Zeuginnen wurde vor kurzem ermordet.
Die Autorin hat erneut einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Natürlich stolpert Surendra sinngemäß wieder über eine Leiche. Außerdem trifft er auf alte Bekannte.
Wie das Eingangszitat zeigt, wird im Gespräch zwischen Surendra und Frank auch das Thema Sterbehilfe von verschiedenen Seiten beleuchtet.
Surendra ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Seine indischen Wurzeln aber kann und will er nicht verleugnen. Deshalb wird er in der Öffentlichkeit wiederholt angefeindet. Während er gelassen damit umgeht, kann seine Mutter Zenobia schon mal zur Löwin werden.
Sehr berührt haben mich die Worte des Vaters.

„...Du magst gegen Gesetze verstoßen haben – aber du hast dich dabei als Mensch erwiesen. Und das zählt für mich mehr als alles andere...“

In den ruhigen Momenten der Handlung darf ich mit den Protagonisten die Sehenswürdigkeiten der Gegend erkunden, aber auch die Stille der Landschaft genießen.

„...Allein und ungestört wanderten Sinha und Hasemann durch stille, herbstkahle Wälder; das welke braune Laub raschelte zu ihren Füßen, und die weit ausladenden moosbewachsenen Baumwurzeln ließen Sinha unwillkürlich an einen verwunschenen Märchenwald denken...“

Leider wartet am Ziel der Wanderung die nächste Leiche. Schlimmer aber trifft es Sinha, als man ihn wegen Kindesmissbrauch anzeigt. Sein Umgang mit der kleinen Linnea, der von deren Mutter Natalie gewünscht und gefördert wird, stößt auf Missgunst.
In diesem Band trifft Sinha auf die unterschiedlichsten Kriminalisten. Da seine Suspendierung bekannt ist, stößt er auf Ablehnung, Unhöflichkeit und Überheblichkeit. Hasemann fasst die eine Begegnung so zusammen:

„...Arroganz, dein Name ist Kratz. Jung, unerfahren und aufgeblasen. Solche Kerle habe ich gefressen...“

Die Ermittlungen erweisen sich als schwierig. Erst ein Zeitungsartikel bringt die Sache ins Rollen und deckt unerwartete Zusammenhänge auf. Natürlich hat mich die Autorin beim Mitraten erneut gekonnt in die Irre geführt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist trotz mehrere Morde eher ein leiser Krimi.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Komplexer Krimi

Maimorde
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„...Du warst mal eine mega Frau, Melanie, eine stolze Rose, die ich bewundert habe. Heute bist du nur noch ein Veilchen, sittsam, bescheiden und rein, ein blasses Blümchen, das keiner mehr sieht...“

Mit ...

„...Du warst mal eine mega Frau, Melanie, eine stolze Rose, die ich bewundert habe. Heute bist du nur noch ein Veilchen, sittsam, bescheiden und rein, ein blasses Blümchen, das keiner mehr sieht...“

Mit diesen Worten charakterisiert Torben seine Schwägerin Melanie. Sie war eine begabte Juristin, doch die Ehe hat ihr nicht gut getan. Sie hat sie gebrochen, auch weil Kinder ausblieben, die die Schwiegereltern am liebsten herbeigesehnt hätten. Ihr blieb die Flucht in den Alkohol. Nun ist sie seit kurzem trocken – und schwanger. Der Gynäkologe allerdings ist auf Grund der Vorgeschichte gar nicht begeistert. Allerdings ist er wenige Stunden später tot. Und gefunden wird er ausgerechnet vom Detektiv Detlev Menke. Der stolpert nicht das erste Mal über eine Leiche.
Die Autorin hat erneut einen fesselnden Krimi geschrieben. Der gewinnt seine innere Spannung durch die komplexen Beziehungen der Protagonisten.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Das Besondere daran ist, dass Detlev seinen Part als Ich – Erzähler selbst wiedergibt.
Neben der Aufklärung der Verbrechen geht es auch darum, was alles passieren muss, dass eine selbstbewusste und intelligente Frau zu ihrem eigenen Schatten wird. Wann war es für den Absprung zu spät?
Roger, ihr Mann, ist der Typ Muttersöhnchen. Als Ehemann fällt er in die Kategorie „ungeeignet“.
Auch die weiteren Personen, die eine tragende Rolle spielen, gewinnen nur wenige Sympathiepunkte. Da wäre Julia, die Frau des Toten. Die kennt Detlev besser, als ihm lieb ist.
Kurze Charakteristik: schöner Schein und nichts dahinter. Als Detlev sich mit ihr über Melanie unterhält, deren Freundin sie war, fast er zusammen:

„...Hm, wer dich als beste Freundin hat, braucht keine Feinde, oder? Ich meine, viel Mitgefühl höre ich aus deinen Worten nicht raus...“

Das zeigt auch, dass Detlev ziemlich geradezu ist. Er hält mit seiner Meinung selten hinter dem Berg.
Zwei Personen aus dem Ermittlerteam gehören zu den Lichtblicken im Buch. Das ist zum einen Peter Pawenka, der Chef, der nicht nur gut mit seinen Leuten umgehen kann, sondern durch seinen schwäbischen Dialekt auch für lokale Authentizität sorgt. Außerdem hat er seinen sehr trockenen Humor, den er bei der Beerdigung des Gynäkologen beweist.

„… Hier können sich ein Dutzend Täter aufhalten, ohne dass wir die entdecken würden […] Wenn ich mal sterbe, will ich einen solchen Almabtrieb bestimmt nicht haben...“

Nebenbei bemerkt, mag ich auch seine Lebensweise.

„...Wir sind zarte Pflänzchen, musst du wissen, wir tun viele dumme Dinge, um euch Frauen zu imponieren. Nicht immer gleich draufhauen, wäre eine Möglichkeit, eine Beziehung wachsen zu lassen...“

Zum zweiten ist es Sandmann, der Tabea gekonnt die Meinung sagt. Oberkriminalkommissarin Tabea Kühn ist Detlevs Freundin, und sie bremst den wiederholt aus. Es fühlt sich so an, als habe sie in der Beziehung die Hosen an. Übrigens waren auch Pawenkas obige Worte an sie gerichtet. Dabei ahnt Pawenka in dem Moment noch nicht, welch entscheidende Rolle seine Worte ebenfalls in dem Fall spielen.
Natürlich versucht Detlev sein Bestes, um bei den Ermittlungen mitzumischen. Dabei kommt er erneut nicht ohne Blessuren davon.
Das Ende wartet mit einer handfesten Überraschung auf.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 21.05.2020

Bewegende Geschichte

Und dann kamst du
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„...Und vor allem: Die Anweisung lautet, hier zu warten! Und wir werden nicht versuchen, als die mutigsten Pseudogeiseln in die Geschichte einzugehen...“

Nora nimmt auf Initiative ihrer Schwester Britt ...

„...Und vor allem: Die Anweisung lautet, hier zu warten! Und wir werden nicht versuchen, als die mutigsten Pseudogeiseln in die Geschichte einzugehen...“

Nora nimmt auf Initiative ihrer Schwester Britt an einem Training für Notfallsituationen teil .Beide wurden als Geisel ausgewählt. Als sie der Trainingsleiter befreit, ist Nora von dem Mann überwältigt.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Liebesroman geschrieben, der in Amerika im Heute und Jetzt spielt. Gleichzeitig werden darin zwei Familiengeschichten miteinander verflochten.
Nora ist 29 Jahre. Vor drei Jahren hatte sich ihr Verlobter für eine andere entschieden. Seitdem vergräbt sich Nora in die Welt der Bücher. Außerdem beschäftigt sich mit Ahnenforschung.
John Lawson, der Trainingsleiter, war bei der Navy. Vor kurzem hat er die Diagnose einer erblichen Krankheit erhalten. Nun sucht er nach seiner leiblichen Mutter, denn seine Eltern hatten ihn als Säugling adoptiert. Deshalb wendet er sich um Hilfe an Nora.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er hat eine gewisse Leichtigkeit, lotet aber trotzdem die psychische Tiefe der Protagonisten aus.
Nora hat noch zwei Schwestern. Sehr detailliert wird das gute Verhältnis der Geschwister beschrieben. Jede geht zwar ihren eigenen Weg, doch im Ernstfall sind sie füreinander da. Das Eingangszitat zeigt den feinen Humor, der stellenweise ihren Umgang prägt. Nur die Großmutter scheint etwas aus der Art geschlagen.

„...Sie verfügte über ein ausreichendes Einkommen, um sorgenfrei leben […] zu können, und doch brachte sie es fertig, jedes Glas, das bis zum Rand mit Champagner schäumte, zu betrachten und es für halb leer zu befinden...“

Zwischen Nora und John knistert es von Anfang an. Da aber John eine Freundin hat und sowohl Nora als auch John ihren Glauben ernst nehmen, versuchen sie, es bei Freundschaft zu belassen. Der andere soll nicht spüren, was man fühlt.

„...Sie würde ihn und seine Freundschaft loslassen müssen, vielleicht schon sehr bald...“

Im Laufe der Geschichte spielen sowohl Noras Vergangenheit als auch Johns bisheriges Leben eine Rolle. Seine Ausbildung als Elitesoldat forderte alles von John. Er hatte den Ehrgeiz, nicht zu versagen.
Willow, Noras älteste Schwester, erkennt relativ schnell, was mit Nora los ist. Und sie weiß, wie eine Frau etwas aus sich macht. Sie formuliert das ziemlich trocken:

„...Unterschätzt bitte nie, was es ausmacht, bestmöglich auszusehen oder den fraglichen Gentleman glauben zu machen, man sei nicht so leicht zu erobern. […] Es sind diese beiden Dinge, die Männer anscheinend dazu bewegen, sich auch in die inneren Qualitäten einer Dame zu verlieben...“

Es gilt mehrere Hindernisse zu überwinden, bis Nora und John begreifen, dass sie zusammengehören.
Das Buch zeichnet sich durch seine vielen inhaltsreichen Gespräche aus. Außerdem darf ich als Leser an den Gedanken der Protagonisten teilnehmen und lerne so ihre Gefühle und Sorgen kennen.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 18.05.2020

Maddalenas persönlichster Fall

Grado im Mondschein
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„...“Wie geht es uns heute?“ „Uns? Keinen Schimmer, wie es Ihnen geht. Wir kennen uns nicht. Und ich bin nicht krank. Also lassen Sie das Getue und servieren Sie einen starken Kaffee.“...“

Commissario ...

„...“Wie geht es uns heute?“ „Uns? Keinen Schimmer, wie es Ihnen geht. Wir kennen uns nicht. Und ich bin nicht krank. Also lassen Sie das Getue und servieren Sie einen starken Kaffee.“...“

Commissario Maddalena Degrassi ist noch mit dem letzten Fall beschäftigt. Die Identität zweier junger Frauen liegt im Dunkel der Geschichte. Die Spurensuche erweist sich als schwierig. Ihr Chef, Comandante Scaramuzza, setzt aber andere Prioritäten. Da er in wenigen Tagen Maddalenas Mutter heiraten wird, stellt er Maddalena für die Vorbereitung der Hochzeit frei. Das begründet er so:

„...Der Termin ist nicht mehr allzu weit entfernt. Und ihr jungen Leute wisst gar nicht, wie schnell die Zeit verfliegt...“

Noch ahnt er nicht, dass seine Hochzeit mit Entführung und Mord verbunden sein wird. Außerdem ist Maddalena nicht begeistert. Mit den neuen Mann an der Seite ihrer Mutter kann sie sich nur schwer anfreunden.
Die Autorin hat erneut einen fesselnden und abwechslungsreichen Krimi geschrieben.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Besonders fällt auf, das auch Nebenrollen gut charakterisiert werden und Zeit haben, sich zu entfalten. Ich denke hier insbesondere an das Liebespaar Bobby und Robby. Erst fast am Schluss wird klar, welche Aufgabe sie im komplexen Geschehen haben.
Das Eingangszitat beweist Maddalenas ganz eigenen Humor, denn sie war nach der Hochzeit kurzzeitig im Krankenhaus gelandet. Ihr Kreislauf hatte sich einen Moment verabschiedet.
Gut dargestellt werden die komplizierten Beziehungen im Team der Kriminalisten. Während jeder glaubt, dass Zoli seine Freundin nur erfunden hat, ist Lippi sauer auf Maddalena, denn er empfindet sich als unterfordert. Er würde gern zeigen, was er kann.
Währenddessen darf ich schon verfolgen, wie der künftige Täter sein Vorgehen plant. Eifersucht und Besitzstreben sind seine Motive. Dass ihn eine Frau verlässt, passt nicht in sein Weltbild. Wie er auf einen ähnlichen Fall reagiert hat, zeigt der heftige Prolog. Seine Ansicht lautet:

„...Ist das Schicksal ungerecht, helfen wir nach, das Gleichgewicht wieder herzustellen...“

Er weiß genau, wie er Menschen für seine Zwecke einspannt. Allerdings weiß er nicht, dass es sich um die Hochzeit des Comandante handelt, die er sich für sein Vorgehen ausgesucht hat.
Sehr detailliert wird die Hochzeit beschrieben. Dabei geht es nicht nur um das äußere Erscheinungsbild, sondern auch um die innere Befindlichkeit der Protagonisten. Passende Metapher geben das wieder.

„...Maddalena atmete tief die vom Duft der Blumen durchtränkte Luft ein und bemerkte zufrieden, wie das Zwitschern der Vögel und das Summen der Bienen allmählich ihre düsteren Gedanken vertrieb...“

Als nach der Trauung der gemütliche Teil beginnen soll, schlägt der Täter zu. Es wird Maddalenas bitterste Stunde.
Gekonnt werden am Ende sämtliche Handlungsstränge zusammengeführt. Es bleibt keine Frage offen.

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Berührende Geschichte

Der Junge aus dem Trümmerland
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„...Paul spürte, dass sich etwas in seiner Brust schmerzhaft zusammenzog. Sein Vater galt als vermisst. Paul hatte ihn seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen. Er wusste nichts von ihm. Nur dass er noch ...

„...Paul spürte, dass sich etwas in seiner Brust schmerzhaft zusammenzog. Sein Vater galt als vermisst. Paul hatte ihn seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen. Er wusste nichts von ihm. Nur dass er noch lebte. Daran glaubte er zumindest ganz, ganz fest...“

Wir schreiben das Jahr 1947. In Berlin – Neukölln sind die Zerstörungen noch lange nicht beseitigt. Der 13jährige Paul treibt sich mit seine Freunden in den Trümmern herum. Außerdem kennt er sich auf den Schwarzmarkt aus. Er hat die letzten Worte seines Vaters nicht vergessen, dass er sich um die Mutter kümmern solle. Bitter allerdings stößt ihm auf, dass seine Mutter häufig Besuch von Bill erhält, einen afroamerikanischen GI. Wie das Eingangszitat zeigt, hofft Paul auf die Rückkehr seines Vaters.
Die Autorin hat ein beeindruckendes Jugendbuch geschrieben. Es lässt das Jahr 1947 lebendig werden und zeigt gleichzeitig, wie tief die Ideologie des Dritten Reiches noch in den Köpfen steckt.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er ist abwechslungsreich.
Paul und seine Freunde sehen sich als Bande. Ihr Anführer ist Falke, ein Mädchen. Sie ist mit 16 Jahren die älteste und hat in den letzten Kriegstagen als Flakhelferin gearbeitet. Durch die Gespräche der Jugendlichen untereinander wird klar, dass der Krieg an keinem von ihnen spurlos vorübergegangen ist. So haben Grille und Wally beide Eltern verloren. Bei dem, was die 8jährige Wally so von sich gibt, frage ich mich, was das Kind in seinem Leben schon mit ansehen musste.
Anfangs scheint es so, dass dass sie die Besatzer nach wie vor als Feinde sehen, die es zu bekämpfen gilt und sei es mit Zwille und Stein. Dann aber bringt Grille neue Gedanken in die Gemeinschaft. Sie hat dem Mut, die Werte zu hinterfragen.
Paul fühlt sich in der Bande wohl. Trotzdem haben sie mehr Glück als Verstand, dass das eine oder andere ihrer Unternehmungen nicht tödlich endet. Sie erleben, wie schnell es zu Verletzungen kommen kann.

„...Paul gehörte zu einer Generation, die es gewohnt war, gefährliche Dinge zu wagen, um zu überleben. Jemanden wie Paul konnte man vielleicht warnen, stoppen.konnte man ihn nicht...“

Paul wurde durch die Zeitverhältnisse geformt. Eines aber konnte man ihn nicht nehmen. Der Junge beweist Empathie und kann zugreifen, wenn es nötig ist. Das zeigt sich, als er eine Verletzte in den Trümmern findet. Auch das Mobbing der Klasse gegen Erwin lässt ihn nicht gleichgültig. Hier allerdings wagt er es nicht, sich gegen die Mehrheit zu stellen.
Während Paul auch mit unlauteren Mitteln gegen Bill kämpft, gibt es Situationen, bei denen muss er feststellen, dass Bill ihn besser versteht als die Mutter. Deutlich wird die innerer Zerrissenheit von Paul. Es wird der Zeitpunkt kommen, wo er sich entscheiden muss.
Ein weiteres Thema wird im Buch angesprochen. Die Rückkehr der Kriegsgefangenen wird von vielen sehnlichst erwarten. Viele aber kommen nicht so zurück, wie sie gegangen sind. Körperliche Wunden sieht man, seelische nicht. Und letztere sind zerstörerisch.
Zu den inhaltlichen und sprachlichen Höhepunkten gehören für mich zwei Gespräche zwischen Paul und Bill. Hier geht es um Schuld und Rache, um das Ausräumen von Missverständnissen und die Sicht auf das Leben.

„...Du hast falsche Ideen vom Starksein. Auch starke Männer sind manchmal schwach. Auch starke Männer haben manchmal Angst...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich könnte es mir durchaus als Schullektüre vorstellen.

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