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Veröffentlicht am 17.05.2020

Rabenschatten zum Zweiten

Der Herr des Turmes
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Besonders gefreut habe ich mich über den Gewinn dieses Romans. Mit dem ersten Teil hatte es damals nicht geklappt, und leider war ich noch nicht dazu gekommen, ihn mir selbst zuzulegen. Aufgrund des Gewinns ...

Besonders gefreut habe ich mich über den Gewinn dieses Romans. Mit dem ersten Teil hatte es damals nicht geklappt, und leider war ich noch nicht dazu gekommen, ihn mir selbst zuzulegen. Aufgrund des Gewinns habe ich ihn mir aber sofort besorgt und hatte nun das Vergnügen, den ersten und den zweiten Teil hintereinander weg zu lesen. Das ist aufgrund der komplexen Handlung wirklich ein Vorteil. Meiner Meinung nach sollte man den ersten Teil jedenfalls auf jeden Fall gelesen haben, denn die Bücher sind nicht in sich abgeschlossen, sondern schließen unmittelbar aneinander an und bauen aufeinander auf. Sonst entgeht dem Leser einfach zu vieles, und das wäre schade.
Im zweiten Band bricht der Autor mit seiner bisherigen Erzählstruktur. Beim "Lied des Blutes" stand ausnahmslos Vaelin al Sorna im Vordergrund, seine Entwicklung vom adligen Kind zum kämpfenden Ordensbruder, in epischer Breite, nur eingebettet in eine kurze Rahmenhandlung um den Chronisten Verniers, dem Vaelin seine Geschichte erzählt.
Nun gibt es vier Handlungsstränge (wenn man die erneute Rahmenhandlung um Verniers nicht mitzählt): Vaelin selbst, sein Ordensbruder Frentis, Prinzessin Lyrna und ein neuer Charakter, Reva, die Tochter des ehemaligen cumbraelischen Herrschers. Diese geänderte Erzählweise hatte aus meiner Sicht Vorteile und Nachteile, wobei die Vorteile für mich stark überwiegen. Einerseits wirkte das Vorgehen für mich wie ein Bruch zum ersten Band und uneinheitlich. Außerdem erinnert das Ganze dadurch plötzlich an "Das Lied von Eis und Feuer" (Game of thrones), und so wunderbar Rabenschatten auch ist, "Das Lied von Eis und Feuer" ist für mich allseits unerreicht. Die Ähnlichkeit wurde größer, als dann auch noch die Eishorde auftauchte...
Andererseits ist die Vervielfältigung der Hauptpersonen ein Gewinn. Nun treten auch Frauen in den Vordergrund, und Vaelin empfand ich im ersten Teil oft einfach als zu gut um wahr zu sein, einfach zu aufopferungsvoll. Überrascht hat mich, wie gern ich nun über Frentis gelesen habe. Im ersten Teil war er noch ein Kind und hat mich oft eher genervt. Nun waren für mich seine Erlebnisse die interessantesten. Er gerät in die Gewalt einer mysteriösen, bis zum Schluss namenlosen Frau, die ihn einfach zu allem zwingen kann, sogar den König der Königslande zu ermorden! Mit dieser Zauberin ist dem Autor eine wirklich facettenreiche böse Person gelungen. Auch Lyrnas Handlungsstrang war für mich sehr spannend. Überhaupt enden viele Kapitel mit einem Cliffhanger, und die Geschichte springt zunächst zu einem weiteren Protagonisten. Überraschenderweise geriet der beinahe übermächtige Vaelin dabei zunehmend in den Hintergrund, seine Abenteuer waren einfach blasser trotz oder gerade wegen seiner Ernennung zum titelgebenden Herrn des Nordturmes. Reva hat mich auch nicht so gefesselt. Die plötzliche Einführung dieses Charakters als gleichwertige Hauptperson und ihre Suche nach dem Schwert ihres Vaters habe ich als ziemlich gezwungen erlebt. Aber ich denke, hier werden die Geschmäcker der Leser sehr verschieden sein. Sicher ist für jeden Fantasyfan etwas dabei. Der Anteil der dunklen Gaben im Buch nimmt auch deutlich zu, es wird magischer. Und man fragt sich schon jetzt: Womit wird uns der Autor im dritten Teil überraschen? Ich kann es kaum erwarten.

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Veröffentlicht am 17.05.2020

Hommage an Wiedersehen mit Brideshead

Ein anderes Paradies
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Kaum gewonnen, war das Buch schon in der Post. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich es dann verschlungen. Ich mochte es kaum aus der Hand legen, und die Seiten flogen nur so dahin.
Die Abbildung des Buchumschlages ...

Kaum gewonnen, war das Buch schon in der Post. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich es dann verschlungen. Ich mochte es kaum aus der Hand legen, und die Seiten flogen nur so dahin.
Die Abbildung des Buchumschlages hatte ich zunächst noch etwas unscheinbar gefunden, aber das Original kann sich dann doch wirklich sehen lassen. Es ist in sehr sanften Tönen gehalten, das Mädchen mit dem abgewandten Blick wirkt wie auf der Durchreise in ihrem eigenem Leben. Vor allem der pastellige Türkiston hat es mir angetan, aber auch die gemalte Muschel, die sich zu Beginn der Kapitel wiederfindet sowie in der Handlung, da ein Teil am Meer spielt und die Hauptprotagonistin Muscheln als Erinnerungsstücke sammelt.
Das Ganze beginnt mit einem vorangestellten Kommentar aus "Wiedersehen mit Brideshead" von Evelyn Waugh, das ich schon in meiner Jugend geliebt habe. Seltsam, als Kind habe ich Bücher für Erwachsene gelesen, und nun, Jahrzehnte später, liebe ich Jugendbücher! Und tatsächlich kann man "Ein anderes Paradies" als Nacherzählung von "Wiedersehen mit Brideshead" für Jugendliche betrachten. Die Ähnlichkeiten sind so frappierend, dass es unmöglich ein Abkupfern sein kann. Der Roman ist wohl als eine echte Hommage gedacht. Ich habe daher eine Weile geschwankt, ob ich nicht doch nur vier statt fünf Sterne vergeben kann, denn natürlich ist "Wiedersehen mit Brideshead" ein echter Klassiker der englischen Literatur, mit dem das Jugendbuch im direkten Vergleich nicht mithalten könnte. Aber "Ein anderes Paradies" hat mir soviel Freude bereitet, dass ich beschlossen habe, es von seinem literarischen Vorbild losgelöst zu bewerten. Und wird jemand außer mir bei Vorablesen die überdeutliche Vorlage erkennen? Ich bin gespannt!

Statt Charles Ryder im Original haben wir es hier mit Charlotte Ryder, genannt Charlie, als Protagonistin zu tun. Auch sie lernt die reichen Geschwister Julia und Sebastian kennen, und verliebt sich anders als Charles dann natürlich in Sebastian und nicht in Julia. Zwangsläufig sind die Rollen im Vergleich zu "Widersehen mit Brideshead" also vertauscht. Julia ist ein sehr unsteter Charakter, voller Leben, sehr eigen, aber auch von tiefer Melancholie umschattet. Sie war bei einem Autounfall dabei, der ihre ältere Schwester und deren Freund das Leben kostete. Das hier nicht alles so ablief wie geschildert, ahnt der Leser schon früh. Julias Familie ist froh über den guten Einfluss, den Charlotte auf Julia hat, und stellt sie nahezu unter ihre Aufsicht. Bald sind die beiden unzertrennlich, im Internat und im Strandhaus von Julias Eltern. Als sich Sebastian von seiner Freundin trennt, wird aus Sebastian und Charlotte unabwenbar ein Paar. Immer tiefer wird Charlotte in die Welt der wohlhabenden und einflussreichen Buchanans gesogen und vergisst beinahe, ihren eigenen Weg zu gehen, der sie eigentlich auf eine Kunsthochschule führen soll. Als die Wahrheit über den Unfall ans Licht kommt, zerfällt jedoch ihre Freundschaft zu Julia wie ein Kartenhaus, und auch ihre Liebe zu Sebastian ist mehr als gefährdet...
Das Buch hat mich regelrecht in seinen Bann gezogen und war viel zu schnell vorbei, zumal das Ende auch etwas plötzlich kam. Die Geschichte ist sehr dialoglastig, was sie noch lebendiger wirken lässt und das Erzähltempo weiter gesteigert hat. Sie ist sehr modern aufgebaut und enthält am Ende der Kapitel häufig den Austauch von Kurznachrichten oder Emails, was sehr frisch wirkt. Durch die den einzelnen Teilen vorangestellten klassischen lateinischen Zitate entsteht aber auch ein gewisser Tiefgang. Ein wirklich gelungene Mischung! Ich habe das Buch einfach genossen. Wieder einmal ein sehr guter Roman aus dem Carlsen Verlag!

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Veröffentlicht am 17.05.2020

Eine Serie, die heraussticht

Nevernight - Die Rache
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Jay Kristoff gelingt auch in diesem dritten und letzten Band von Nevernight das Kunststück, mich mit seiner Heldin Mia mitfiebern zu lassen, obwohl ich sie und ihre Handlungen zum Teil fragwürdig finde. ...

Jay Kristoff gelingt auch in diesem dritten und letzten Band von Nevernight das Kunststück, mich mit seiner Heldin Mia mitfiebern zu lassen, obwohl ich sie und ihre Handlungen zum Teil fragwürdig finde. Eigentlich wird immer klarer, wie sinnlos Mias Rache an Scaeva ist und welchen hohen Preis andere dafür entrichten müssen. Zudem gibt es auch nur zwei Charaktere, die mir wirklich sympathisch sind: Tric und der katzenförmige Dämon Herr Freundlich. Trotzdem habe ich mit Mia und ihren Freunden bis zum Schluss mitgefiebert, auch wenn ich mir zum Teil einen anderen Ausgang gewünscht hätte. Besonders störte mich, dass Ashlinn, Trics Mörderin, eine immer größere Rolle einnahm.

Im letzten Band nimmt die Erzählung wahrhaft kosmische Ausmaße an. Wir erfahren nicht nur mehr über Mias Herkunft, sondern auch über die dunkelinn an sich. Die Geschichte bleibt durchgehend spannend und innovativ, immer wieder gewürzt mit den zum Teil selbstironischen bekannten Fußnoten. Nevernight taucht sogar in Anlehung an "Die unendliche Geschichte" als Buch im Buch auf. Der Autor ist halt ein Mann, räumt Jay Kristoff ein, und angesichts der Fülle lesbischen Sexes war mir dieser Gedanke tatsächlich auch schon gekommen Da Mias Gladiatorengkumpane weiterhin eine erhebliche Rolle spielen, wird nicht mit sehr drastischer bis ordinärer Ausdrucksweise gespart, was zwar zu den Charakteren passt, ich aber nicht hätte haben müssen.

Nun sind das ja doch eine Reihe kleiner Kritikpunkte. Warum trotzdem ehrliche fünf Sterne? Weil die Serie einfach heraussticht aus viel zu vielen Fantasygeschichten, bei denen man meint, sie so oder ähnlich schon gelesen zu haben und bei denen einen die blassen Charaktere kalt lassen. Von alldem ist Jay Kristoff meilenweit entfernt, so dass ich wohl unbesehen weitere Romane von ihm kaufen würde, vor allem wenn er erneut eine so überzeugende, düstere Atmosphäre schaffen sollte.

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Veröffentlicht am 13.05.2020

Echter Pageturner

Du hättest es wissen können
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Endlich einmal wieder ein Buch, das ich kaum aus der Hand legen konnte. Nicht nur der Roman selbst heißt "Du hättest es wissen können", auch das Erstlingswerk der Protagonistin Grace Sachs trägt diesen ...

Endlich einmal wieder ein Buch, das ich kaum aus der Hand legen konnte. Nicht nur der Roman selbst heißt "Du hättest es wissen können", auch das Erstlingswerk der Protagonistin Grace Sachs trägt diesen Titel, schon einmal eine originelle Idee. Grace ist Paartherapeutin und verfasst ein Buch mit dem Aufhänger, dass eigentlich jede Frau von Beginn an ein Gefühl dafür hat, wenn sie den falschen Partner wählt. Sie schafft es dann nur, ihr intuitives Wissen erfolgreich zu verdrängen. Ähnliche Gedanken hatte ich auch schon oft, daher fand ich das einen sehr interessanten Ansatz.
Grace dagegen scheint ein geradezu märchenhaft perfektes Leben in New York zu führen, der Ehemann Johnathan erfolgreicher pädiatrischer Onkologe, der strebsame Sohn Henry auf einer exklusiven Privatschule. Ich fand, dass sich die Autorin bezüglich Johnathan eines nahezu genialen Kunstgriffes bedient: Er ist immer abwesend, immer bei der Arbeit, als Leser erlebt man ihn ausschließlich durch Graces Augen. Dadurch steigt die Spannung in Bezug auf Johnathan in nahezu Hitchcockscher Manier immer weiter an. Zunächst sind die Zweifel, die man bekommt, minimal: Könnte Jonathan sich nicht etwas mehr seiner Familie widmen? Aber was soll man gegen einen Mann sagen, der versucht, krebskranke Kinder zu retten, und sich dabei mehr einzusetzen scheint, als man je von einem Arzt gehört hat? Die Risse, die die Fassade von Graces Leben bekommt, sind zunächst haarfein, bis alles mit einem Mal zusammenbricht: Jonathan, der weiterhin nur in Anrufen und Textnachrichten präsent war, verschwindet und wird verdächtigt, eine Frau ermordet zu haben. Diese soll auch noch seine schwangere Geliebte gewesen sein und bereits ein Kind mit ihm haben.
Das tiefe Loch, in das Grace dadurch fällt, wird herausragend und mitreißend geschildert. Grace muss erkennen, dass sie, die erfolgreiche Therapeutin, ausgerechnet schlimmer hereingefallen ist als alle ihre Patientinnen. Beinahe alles, was Jonathan ihr je geschildert hat, entpuppt sich als Lüge: die angeblich lieblose Herkunftsfamilie, der anhaltende Erfolg im Beruf... Ausgerechnet Grace hat einen Psychopathen geheiratet. Um sich und ihren Sohn zu schützen, flieht Grace schließlich in ihr Landhaus in Connecticut.
Danach fällt der dramatische Spannungsbogen zwar unweigerlich etwas ab. Dennoch bleibt es fesselnd zu lesen, wie Grace ihr Leben nach und nach wieder in den Griff bekommt. Ein wenig habe ich es bedauert, dass Jonathan selbst bis zum Ende nicht in Erscheinung tritt, aber dies macht den Roman wirklich ungewöhnlich. Die Geschichte wird atmosphärisch so dicht erzählt, dass der Leser stets mitfiebert. Sie wäre sicherlich auch eine wunderbare Vorlage für eine Verfilmung!

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Einfach alles richtig gemacht

Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken
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Endlich kann ich einmal wieder guten Gewissens fünf Sterne vergeben. Das tue ich am liebsten, aber leider viel zu selten. Hier gibt es aber absolut nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil, am liebsten hätte ...

Endlich kann ich einmal wieder guten Gewissens fünf Sterne vergeben. Das tue ich am liebsten, aber leider viel zu selten. Hier gibt es aber absolut nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil, am liebsten hätte ich nur noch gelesen, gelesen, gelesen. Ein größeres Kompliment kann man einem Roman kaum machen.
Die sympathische Famile bestehend aus Sandy, Ben, Tochter Ivy und Hund Mac besitzt ein sehr abgelegenes Traumhaus. Das machen sich die entflohenen Sträflinge Nick und Harlan zunutze. Ihr Plan, sich dort mit allem Nötigen für die weitere Flucht auszustatten, wird durch einen heftigen Schneesturm je gestoppt. Geiseln und Einbrecher sitzen gemeinsam fest. Ein nervenzerfetzendes Psychospiel beginnt. Nach und nach enthüllt sich in Rückblenden, dass Sandy und Nick eine gemeinsame Vergangenheit teilen. Dabei schafft die Autorin das Kunststück, alle Zeitebenen gleich spannend zu gestalten. Auch sprachlich brilliert sie und findet immer wieder ungewöhnliche Metaphern. So sind Nicks Augen "wie Asche, grau, kalt und tot. Es waren die Augen eines Alptraums, aus dem man niemals erwachte." Alle Charaktere sind plastisch und unverwechselbar gestaltet. Selbst die Handlungen des Psychopathen Nick erhalten einen logischen Kontext. Das Ende hat mich persönlich hoch zufrieden gestellt. Mach ein anderer Thriller-Fan könnte sagen, die Autorin sei mit ihren Figuren noch etwas zu schonend umgegangen. Für mich war es genau so gerade noch aushaltbar.
Das Taschenbuch wird noch dadurch aufgewertet, dass es sein eigenes Lesezeichen mitbringt. Dort wiederholt sich das düstere Motiv des Covers. Auch das hat mit hervorragend gefallen.

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