An der Seite einer Gauklertruppe
Der König der GauklerIn dem Roman „Der König der Gaukler“ von Andreas Otter befinden wir uns in Schwaben in der Mitte des 14. Jahrhunderts und erleben das Mittelalter aus Sicht einer Gauklertruppe.
Mirjam ist Jüdin, sie hat ...
In dem Roman „Der König der Gaukler“ von Andreas Otter befinden wir uns in Schwaben in der Mitte des 14. Jahrhunderts und erleben das Mittelalter aus Sicht einer Gauklertruppe.
Mirjam ist Jüdin, sie hat ihre Familie bei einem Pogrom verloren. Die Juden werden für die sich ausbreitende Pest in Europa verantwortlich gemacht. Die Judenviertel werden angezündet und die Juden getötet. Mirjam konnte entkommen und findet bei einer Gauklertruppe Unterschlupf. Sie lernt dort das Kartenlegen und wird damit ein Teil der Gruppe. Um nicht als Jüdin aufzufallen, die noch immer verfolgt werden, nennt sie sich nun Anna.
Simon hat seine Familie ebenfalls bei einem Brand verloren und ist von da an auf sich gestellt. Nachdem er einige Zeit bei einem Köhler unterkommen konnte, schließt er sich der Gauklertruppe an, in der auch Mirjam lebt. Er lernt die Kunst des Feuerspuckens und wird einer der besten Feuerspucker seiner Zeit.
Meinung:
Die Geschichte wird größtenteils aus Sicht von Simon und Mirjam in der 3. Person, also einem personalen Erzähler erzählt. Trotz dieser Erzählform, konnte ich schnell eine Verbindung zu Simon und Mirjam aufbauen. Der Autor lässt sich Zeit uns Simon und Mirjam näherzubringen. Er erzählt aus ihrem Alltag und ihren Familien. Sie sind mir beide schnell ans Herz gewachsen und ich habe mit ihnen mitgefiebert.
Was dem Autor wunderbar gelungen ist, ist das Mittelalter lebendig werden zu lassen. Sein Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen. Er schafft es durch seine bildliche Sprache diese Zeit so lebendig werden zu lassen, dass man glaubt wirklich dort zu sein.
Er beschreibt das jüdische Leben zu dieser Zeit, lässt immer wieder hebräische Wörter und Sätze einfließen, die das Ganze noch glaubwürdiger werden lassen. Er spricht auch von der „Judensau“, einem Bildnis, das die Juden verunglimpft und noch heute an diversen Gebäuden und Kirchen zu sehen ist - unter anderem am Kölner Dom. Der Autor beschreibt aber auch erschreckend realistisch die Ausgrenzung und die Verfolgung der Juden bereits im Mittelalter.
Die Pest begleitet uns die ganze Geschichte über. In jeder Stadt, die die Gaukler betreten, sieht man die Leichenkarren und die Gruben, in denen die Toten verbrannt werden. Die Menschen dort leben mit der Seuche und der Autor schafft eine bedrückende Atmosphäre. Man kann den Wacholder und den Weihrauch förmlich riechen, die als Schutz vor der Seuche verbrannt werden.
Dem Autor ist es darüber hinaus gelungen den Aberglauben der Menschen einzufangen und uns Lesern näherzubringen, etwas was die Geschichte und somit das Mittelalter noch authentischer gemacht hat. Kranke Menschen sind vom Teufel besessen, Seuchen werden von Menschen heraufbeschworen oder Blut von sich geißelnden Menschen hilft vor Ansteckungen. Das alles ist mit dem Wissen von heute nur sehr schwer nachvollziehbar und ließ mich so manches Mal mit dem Kopf schütteln.
Auch das Leben der Gaukler ist toll beschrieben. Und obwohl sie die Menschen unterhalten und gerade in schweren Zeiten gerne gesehen sind, stehen sie sozial auf der untersten Stufe, gleichzusetzen mit Bettlern und Huren. In dieser Zeit besitzen der Adel und die Kirche die ganze Macht und die Gaukler sind rechtlos. Die Truppe rund um Mirjam und Simon hält zusammen und sie sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Diese lernt man im Laufe des Buches besser kennen und erfährt mehr über ihre Vergangenheit. Gerade Katharina und Johann sind mir sehr ans Herz gewachsen. Man lernt darüber hinaus eine Menge über das Feuerspucken.
Kleine Kritikpunkte:
Manchmal waren mir im Mittelteil das Herumreisen der Truppe und deren Auftritte etwas zu langatmig und es fehlte an Spannung.
Die Liebesgeschichte blieb für mich leider total emotionslos.
Fazit: Die Geschichte hatte im Mittelteil ein paar langatmige Momente. Trotz dieser kleinen Schwäche konnte mich die Geschichte gut unterhalten und mir ein paar schöne Lesestunden schenken. Die Figuren waren sympathisch und das Mittelalter wurde lebendig. Daher von mir eine klare Leseempfehlung und gute 4 Sterne.