Wenn die Gejagte zur Jägerin wird...
Am Freitag ist das Buch "Das wirkliche Leben" von Adeline Dieudonné im dtv-Verlag erschienen, gestern Mittag um 13.30 Uhr habe ich es begonnen und um 17.30 Uhr begeistert die letzte Seite gelesen. Groß ...
Am Freitag ist das Buch "Das wirkliche Leben" von Adeline Dieudonné im dtv-Verlag erschienen, gestern Mittag um 13.30 Uhr habe ich es begonnen und um 17.30 Uhr begeistert die letzte Seite gelesen. Groß angekündigt als DER Hit aus Frankreich waren die Erwartungen nicht gerade klein. Die Kurzbeschreibung lässt sehr viel offen. Das Grundthema "Häusliche Gewalt" lässt sich dort bereits erahnen, das Ausmaß und die Qualität allerdings nicht.
Worum geht's?
Die Geschichte wird von einem Mädchen erzählt, dessen Name bis zuletzt unklar ist. Der Vater ist leidenschaftlicher Großwildjäger, der seinen Jagdtrieb auch gerne mal in den eigenen vier Wänden stillt. Er ist gewalttätig und cholerisch, wodurch die Mutter des Mädchens praktisch durchsichtig ist, wenn er sie nicht gerade für Nichtigkeiten zur Schnecke macht. Nach einem einschneidenden Ereignis, das auch den jüngeren Bruder des Mädchens auf die schiefe Bahn zu bringen scheint, sieht es nur noch die Flucht nach vorne. Das Mädchen nutzt seine Neugier und seine bahnbrechende Intelligenz, um ein selbstbestimmtes Leben verborgen vor seinem Vater zu beginnen. Zu spät merkt es, dass es längst auch zur Beute geworden ist!
Wie war's?
Das Debüt der französischen Schriftstellerin Dieudonné ist faszinierend und nach dem ersten Kapitel war mir klar, dass ich es nicht so schnell wieder aus der Hand legen kann. Es ist ein Drama ohne Schnörkel. So werden in 240 Seiten 5 Jahre der doch recht schlimmen Jugend des Mädchens geschildert. Ganze Schuljahre werden übersprungen, die Handlung konzentriert sich auf das absolut Wesentliche, nämlich die Konflikte zwischen dem Mädchen und seinem brutalen Vater, der apathischen Mutter und später dem sadistischen Bruder, den das Mädchen unbedingt vor den bösen Einflüssen des Vaters schützen möchte. Und dann gibt es natürlich die Lichtblicke, die seltenen Ausflüchte aus dem teuflischen Hamsterrad. Ständig bangte ich um die Sicherheit des Mädchens und fieberte richtig mit. Teilweise war das Buch spannender als ein Thriller und die "Hatz" ist völlig krank!
Die Protagonistin vorneweg, aber auch alle anderen Charaktere sind toll aufgebaut und man kann sie regelrecht vor sich sehen. Einzig das Schlüsselereignis zu Beginn ist etwas abstrus und hätte besser ausgestaltet sein können.
Dennoch würde es mich sehr wundern, wenn das Buch nicht auch hier die Bestsellerlisten im Sturm erobert! Von mir gibt es klare 5 Sterne für die großartige Dramaturgie und die Darstellung dieser klugen, sensiblen und so mutigen jungen Frau.