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Veröffentlicht am 02.06.2020

The Doll Factory

The Doll Factory
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Wir schreiben das Jahr 1850. In London wird die Große Weltausstellung vorbereitet. Währenddessen arbeiten die einundzwanzigjährigen Schwestern Rose und Iris Whittle bei Mrs Salter in ihrer Puppenfabrik. ...

Wir schreiben das Jahr 1850. In London wird die Große Weltausstellung vorbereitet. Währenddessen arbeiten die einundzwanzigjährigen Schwestern Rose und Iris Whittle bei Mrs Salter in ihrer Puppenfabrik. Einst waren die eineiigen Zwillinge ein Herz und eine Seele. Sie träumten von einem eigenen Laden mit Regalen voller Blumenschmuck und Vasen mit Iris und Rosen. Doch dann erkrankte Rose – sechzehnjährig – an den Blattern und wäre fast gestorben. Heute wünscht sie sich, es wäre so gekommen. Denn ihr Gesicht ist verunstaltet, ihr linkes Auge erblindet. Inzwischen träumt Iris allein: Sie möchte Leinwände bemalen und nicht nur dumme Puppenaugen, Lippen und Wangen. Tatsächlich könnte sich dieser Wunsch erfüllen: Der Maler Louis Frost von der Präraffalitische Bruderschaft, kurz PRB genannt, ist begeistert von Iris' außergewöhnlichem Aussehen, ihren langen roten Haaren, ihrer majestätischen Erscheinung. Seiner Bitte, ihm für sein Gemälde für die Weltausstellung Modell zu stehen, folgt sie erst, als er ihr im Gegenzug Zeichenunterricht verspricht.

Mit ihrem ehrlichen Talent überrascht sie ihn. Und Iris, die sich so lange nach Anerkennung gesehnt hat, ist zum ersten Mal in ihrem Leben glücklich. Louis erweist sich als großzügig, und bald verbinden beide mehr als freundschaftliche Gefühle. Iris ahnt nicht, dass noch jemand eine Besessenheit entwickelt und seinen eigenen Plänen folgen sie zu der Seinen machen willl. Nur der kleine Albie, ein Straßenjunge, der Botendienste erledigt, bemerkt die drohende Gefahr...


Elizabeth Macneals „The Doll Factory“, ein historisches Romandebüt erster Güte, beginnt wie ein Märchen, entfaltet sich zu einer zarten Romanze und wird in seinem letzte Drittel zu einem extravaganten Thriller mit hohem Gruselfaktor, in dem die Autorin nicht vor Elend und Brutalität zurückschreckt. Sie bietet eine gespenstig realistische und beachtenswerte Nachbildung des London des viktorianischen Zeitalters und taucht ein in die brodelnde Energie, die Pracht und den Alltag der Stadt. Dabei vermittelt sie Unbehagen und Widerlichkeiten, die ihresgleichen suchen und raffiniert dargestellt werden. Atmosphärisch formt Elizbeth Macneal eine ungreifbare Angst voller Dunkelheit. Zeitweise wild und unruhig, aber immer überzeugend.

Schonungslos eindringlich und mit leidenschaftlicher Kritik beleuchtet Elizabeth Macneal detaillreich das damalige Gesellschaftsbild, vor allem die (Not)Situation der Frauen. Daneben gewährt sie Einblick in die Schönheit und den Schrecken der Künste. Auf der einen Seite die Maler der PRB, der Präraffaelischen Bruderschaft, zu denen Holman Hunt, John Millais, Gabriel Rossetti und der fiktive Louis Frost gehören, die sich der Wiederentdeckung der Natur verschrieben haben und vor Eifer und Selbstbewusstsein strotzen. Auf der anderen Seite der aufstrebende Präparator Silas Reed, der die Grenze zwischen Zerstörung und Schöpfung überschreitet. Mit Silas hat die Autorin einen komplexer Charakter geschaffen, der einen zwischen Mitleid, Bedauern und Abscheu schwanken lässt.

In „The Doll Factory“ agieren neben den erdachten Persönlichkeiten einige historische und füllen die Seiten mit ihrer Begeisterung, Faszination und Exzentrik. Hierbei darf natürlich ein Wombat namens Guinevere nicht vergessen werden, zumal das Tier die Geschichte mit manchen heiteren Momenten auflockert.

Iris mit ihrem deformiertes Schlüsselbein – ein Geburtsfehler, durch den sich ihre linke Schulter nach vorn wölbt – ist den Zwängen ihrer Zeit, die ihre soziale Freiheit stark einschränken, unterworfen, findet sich allerdings nicht damit ab und versucht, den symbolischen und tatsächlichen Beschränkungen und Konventionen zu entkommen, auch wenn der Preis hoch ist. Sie muss ihre Schwester verlassen und mit der Ablehnung ihrer Eltern leben, als sie das Angebot von Louis annimmt. Die neuen Eindrücke und ebenso die erblühende Liebe zu dem Maler entschädigen Iris jedoch für den Verlust, dennoch bleibt sie stets sie selbst. Und obwohl Louis' Absichten nicht immer deutlich werden, nimmt er sie ernst und sieht sie an, als wäre sie es wert, studiert, geschätzt und bewundert zu werden.

Der zehnjährige Straßenjunge Albie, der nur einen Zahn besitzt und für den ein Gebiss unerschwinglich ist, ist eine Schlüsselfigur und wächst einem ans Herz. Er kümmert sich um seine Schwester, die als Prostituierte arbeitet, ist mit Iris befreundet und gleicht in seiner Verkörperung von Unschuld und dem Gefühl der Hoffnung sehr einer Gestalt aus einem Roman von Charles Dickens.

Auch durch ihn wird „The Doll Factory“ eine unvergessliche Erfahrung voller Freude, Farbe, Leben, Klugheit und Triumph und verweilt im Gedächtnis.

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Veröffentlicht am 29.05.2020

Ein Heuhaufen voller Geheimnisse

Die Schule der kleinen Ponys - Ein Heuhaufen voller Geheimnisse
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Monka Winter, kurz Mo, Motte oder Mottchen genannt, lebt mit Papa Jo, Mama Linde und Bruder Ben auf einer großen Pferdefarm. Dort züchten sie Springpferde und Connemara-Ponys, für die sogar eine eigene ...

Monka Winter, kurz Mo, Motte oder Mottchen genannt, lebt mit Papa Jo, Mama Linde und Bruder Ben auf einer großen Pferdefarm. Dort züchten sie Springpferde und Connemara-Ponys, für die sogar eine eigene Ponyschule eingerichtet wurde. Mo hilft gerne mit, aber meist bleibt ihr viel Zeit, sich um ihr Lieblingspony Dr. Paul, der wie sie zehn Jahre alt ist und am gleichen Tag Geburtstag hat, zu kümmern. Bis sich Mos Mutter, eine berühmte und erfolgreiche Springreiterin, gleich zu Beginn der Sommerferien den Arm bricht und Motte bittet, die Leitung der Ponyschule zu übernehmen. Dass sie ihr das zutraut, freut Mo sehr, wenngleich sie natürlich ein wenig Bammel vor der unerwarteten Verantwortung hat, schließlich gibt es unter den Ponys auch ein paar übermütige Vierbeiner. Als gerade eines von eben jenen von der Koppel zu entwischen droht, taucht eine fremde Reiterin auf, verhindert das Ausbüchsen und verschwindet dann wieder. Das ist äußerst mysteriös. Allerdings wäre Motte nicht sie selbst, wenn sie Dank ihrer Wissbegierde diesem Geheimnis nicht auf die Spur kommen würde...


Obwohl die Jungen nicht ausgeschlossen werden sollen, dürften an und mit diesem Buch von Anne Wolff und Nadine Reitz vor allem Mädchen ihre Freude haben. „Ein Heuhaufen voller Geheimnisse“ ist die erste mit munterer Ungezwungenheit, Witz und Sorgsamkeit für Kinder geschriebene und gezeichnete Geschichte der Reihe „Die Schule der kleinen Ponys“, in der Familie und Herzenswärme, Zusammenhalt und Vertrauen, Freundschaft und Hilfsbereitschaft und ganz viel Tierliebe wichtig sind.

Dabei haben sowohl Autorin und Illustratorin bei diesem Abenteuer mit ein paar aufregenden Geheimnisse und Überraschungen auf eine kindgerechte, aber nicht zu kindliche Gestaltung geachtet. Neugierig machende Überschriften führen die Kapitel an. Außerdem lockern Zettel, Pläne und in Klammern gesetzte Anmerkungen den Text auf. Ein ausgezeichnetes Plus sind die bezaubernden und fröhlichen Bilder von Nadine Reitz. Sie unterstützen in harmonischer Art und Weise die geschilderten Ereignisse.

Es gibt ein paar ernstere Momente, sie erdrücken und erschweren indes nicht den Spaß, den alle Beteiligten haben, wenn Monka die Leser an ihrer bunten Welt und an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben lässt, indem sie diese direkt anspricht. Motte ist ein aufgewecktes Mädchen. Sie hat zwar vor vielen Dingen Angst, vor Spinnen, langen Autofahrten und vor Gewitter zum Beispiel, jedoch niemals vor Pferden oder Ponys. Für sie schlägt ihr Herz, besonders für ihren übermütigen Dr. Paul, mit dem sie durch dick und dünn geht, und der wiederum sie blind versteht.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die im Anhang befindlichen „Mos liebste Schoko-Hafer-Kekse“ und ein Dr. Paul-Lesezeichen die Möglichkeit für die Leser bieten, selbst aktiv zu werden.

Alles in allem ist "Ein Heuhaufen voller Geheimnisse" ein großartiges Abenteuer für Pferdefreunde und solche, die es werden wollen.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Über dem Meer tanzt das Licht

Über dem Meer tanzt das Licht
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Maria hat nach langen Jahren des Umherziehens in der Welt auf Norderney einen Hafen gefunden, und sie ist glücklich damit. Und mit ihrem Freund Simon, ihren Töchter Morlen und Hannah. Seit dreieinhalb ...

Maria hat nach langen Jahren des Umherziehens in der Welt auf Norderney einen Hafen gefunden, und sie ist glücklich damit. Und mit ihrem Freund Simon, ihren Töchter Morlen und Hannah. Seit dreieinhalb Jahren betreibt sie zudem die Strandmuschel, ihr Café am Rand der Dünen mit Blick auf die Nordsee.

Noch misst sie dem Wunsch von Simon, mit der kein Jahr alten Hannah vier Wochen auf Tour zu gehen, keine große Bedeutung bei. Ihre Begeisterung hält sich einerseits in Grenzen, andererseits will sie den beiden diese gemeinsame Zeit gönnen. Außerdem halten Maria ein kaputtes Dach und die für die Reparatur benötigte Finanzierung, eine Pachterhöhung für das Café, unerwartete Unstimmigkeiten mit der heranwachsenden Morlen und ihre Freundin Toni, die überraschend auf der Insel anlandet, auf Trab.

Doch nach und nach schleichen sich unsichere Gedanken ein. Liebt Simon sie noch? Er wirkt nämlich sehr zurückgenommen, wenn sie ihn denn überhaupt erreicht, und so, als würde sie ihm gar nicht fehlen. Und dann kommt auch Jan, ihr Ex und Vater von Morlen, früher als geplant und liefert sich mit Georg, einem Gast des Cafés, der Freude daran hat, das Dach der Strandmuschel zu reparieren, ein paar Hahnenkämpfe um ihre Gunst.

Zu guter Letzt leidet Maria weiterhin unter dem Verlust ihrer Mutter Iris, die vor Hannahs Geburt an Krebs verstarb und ihr das Haus hinterlassen hat. Von diesem kann sich die junge Frau schwer lösen, müsste es allerdings auf Grund ihrer prekären finanziellen Situation dringend. Bei einem Blick in den Keller entdeckt sie eine Kiste mit an sie gerichteten Tagebüchern ihrer Mutter. Der Inhalt entwickelt sich zu einer Offenbarung, lässt die Vergangenheit auftauchen, Maria einiges aufarbeiten und ihren Lebensplan und die Zukunft überdenken...


Meike Werkmeister ist eine Überraschung für mich. Ihren 2019 veröffentlichten Roman „Sterne sieht man nur im Dunklen“ habe ich bedauerlicherweise verpasst. Nun bin ich froh über die Lektüre ihres neuen Werkes „Über dem Meer tanzt das Licht“. Dieses folgt hinsichtlich der Örtlichkeiten und Personen dem Vorgänger, rückt indes Maria und ihre kleine Familie in den Mittelpunkt und kann auch ohne Kenntnis der vorherigen Ereignisse gelesen werden.

„Über dem Meer tanzt das Licht“ ist zwar eine erdachte Geschichte, aber eine, die aus dem Leben gegriffen scheint, weil sie echt und wahrhaftig anmutet und überdies ein Wohlgefühl auslöst.

Meike Werkmeister ist eine talentierte Schreiberin. Ihr gelingt es, mit leichter Hand, jedoch unglaublicher Energie und Leidenschaft sowie einem bemerkenswerten Gespür sensibel die Alltäglichkeit der Liebe, die Bedeutung von Freundschaft und das Funktionieren von Beziehungen zu betrachten und dabei den schmalen Grat zwischen Kitsch und (Erzähl)Kunst zu umschiffen. Dabei kreiert sie ein angenehmes Ambiente, in dem die Natur eingebunden wird. Sie verwendet gelegentlich leisen Sprachwitz, hilfreiche Weisheiten und Überlegungen, die nachdenklich stimmen, lässt eine Melancholie über unwiederbringliche Verluste und Erinnerungen anklingen.

Sämtliche Figuren sind geprägt von einer feinsinnigen Charakterisierung.

Maria, einst unabhängig, wild und draufgängerisch und in der Lage, allein klarzukommen, ist ruhiger geworden, hat einen für sich passenden, einen ungewöhnlichen Menschen gefunden, der wie sie einen ausgeprägter Freiheitsdrang besitzt, gleichwohl – vor allem nach dem Tod der Mutter – an ihrer Seite gewesen ist. Simon schafft es, spielerisch, jeden Streit in eine harmlose Richtung zu lenken, verfügt über ein atemberaubendes Selbstbewusstsein, fürchtet sich vor nichts und bringt Maria immer wieder zum Lachen. Aber offensichtlich beschäftigt ihn irgendetwas, dessen Ursache er herausfinden muss...

In einem Satz gesagt: „Über dem Meer tanzt das Licht“ hat definitiv das Zeug für ein Herzensbuch.

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Veröffentlicht am 21.05.2020

Islandsommer

Islandsommer
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„Die Sonne lauerte bereits an der Wasseroberfläche und zauberte Pastelltöne in die feuchte Meeresluft.
… so kurz vor dem Ziel fühlte sie nun auch eine erwartungsvolle Freude, ein Kribbeln, als wüsste etwas ...

„Die Sonne lauerte bereits an der Wasseroberfläche und zauberte Pastelltöne in die feuchte Meeresluft.
… so kurz vor dem Ziel fühlte sie nun auch eine erwartungsvolle Freude, ein Kribbeln, als wüsste etwas in ihrem Unterbewusstsein mehr als sie selbst und hoffte auf ein grandioses Abenteuer.“
(Seite 9)

Merit wird von ihrem Freund Ferdinand für eine andere Frau verlassen. An sich passiert so etwas ja täglich, aber Merit ist völlig überrascht. Sie hat nun in Berlin keine Unterkunft mehr, wohnte sie doch bei Ferdinand. Spontan entscheidet sie sich, das Angebot anzunehmen, für einige Sommermonate als Katzensitterin auf Island nicht nur das Tier, sondern auch das Haus der Besitzerin Ísrún in beliebtesten Teil der Hauptstadt Reykjavík zu hüten. Außerdem knüpft sie eine weitere Hoffnung an den Aufenthalt: Vielleicht kann sie ihre in der Beziehung mit Ferdinand auf Eis gelegte Leidenschaft für die Malerei wieder beleben und Perspektiven für ihre Zukunft entdecken?

Es dauert nicht lange, und Merit findet Anschluss und neue Freunde. Sie beginnt, die Sprache zu lernen, bekommt sogar einen Job, um im teuren Reykjavík zu bestehen. In Ísrúns Haus trifft Merit nicht nur auf Kater Köttur, ein weiterer „Streuner“ wohnt hier: der Norweger Kristján, der als Hubschrauberpilot arbeitet und der jungen Frau zeigt, dass sich das Herz nicht so einfach abstellen lässt, wenn man es befiehlt, sein eigenes nicht ausgenommen. Aus einer anfänglichen „Bettgeschichte“ entwickelt sich langsam eine engere Bindung, bei der zwar die Narben auf Merits Körper keine Rolle spielen, sich allerdings ein paar Dämonen aus Kristjáns Vergangenheit bemerkbar machen...


Kiri Johanssons „Islandsommer“ ist die Geschichte von Merit und Kristján, die auf den ersten Blick alltäglich anmutet, es jedoch nicht ist. Sie erzählt von Liebe, Freundschaft, Leidenschaft, Selbstfindung und -verwirklichung und der Bewältigung von Traumata.

„Islandsommer“ versprüht einen ganz eigenen Zauber, was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass wir im Land der magischen Wesen, der Elfen, Feen, Gnome und Trolle sind. Das Weltbild auf Island scheint ein bisschen anders zu sein, genau wie der Umgang der Insulaner mit ihrer Heimat. Die Autorin hat eine wunderbare, unglaublich bildschöne Art, die Einmaligkeit der Insel, die Vielfältigkeit der Natur, die Menschen und die besondere Atmosphäre darzustellen. Sie kennt sich aus, und es gelingt ihr mit wenigen Worten, uns einzuladen, um das Land in all seiner Pracht mit dem nötigen Respekt und rücksichtsvoll zu erkunden.

Kiri Johansson wählt für ihre Geschichte einen ruhigen Erzählton, der mit seinem ästhetischen, behaglichen Ausdruck überzeugt. Die Handlung folgt einer klaren Linie, wenngleich deren Verlauf nicht unbedingt überrascht. Aber mit einigen tiefgründigen Ereignissen und Geheimnissen versehen beansprucht sie durchaus eine Beschäftigung mit dem realistischen Geschehen.

Die Geschichte erfahren wir hauptsächlich aus der Sicht von Merit. Indes tragen die Kristján gewidmeten Kapitel dazu bei, seine innere Gefühlswelt offenzulegen und nachzuvollziehen. Überhaupt entfaltet Kiri Johansson sehr viel Einfühlsamkeit bei der Ausarbeitung und Entwicklung der Emotionen ihrer Protagonisten, dem Auf und Ab der Annäherung. Denn sowohl an Merit als auch an Kristján ist die Vergangenheit nicht spurlos vorbeigegangen.

Bei Merit sitzt der Schock über die unerwartete Trennung von Ferdinand anfangs tief, in Reykjavík kommt sie zur Ruhe, löst sich davon und lernt mit dem überwältigende Gefühl von Menschenscheu, das sie wie so oft aus dem Nichts überfällt, noch besser umzugehen. Nach dem Tod der Eltern hatte es eine Zeit bedrückender Dunkelheit gegeben, von dem ein kleiner Schatten geblieben war.

Kristján ist ein kontrollierter Mann, gradlinig und schnörkellos in seiner Kommunikation. Er schätzt Ordnung und Verlässlichkeit. Zwar ist er nicht immun gegen die Ausstrahlung interessanter Frauen, jedoch er hat sich vorgenommen, diesen Sommer einen deutlichen Abstand zwischen sich und allem Weiblichen zu wahren. Und die attraktive, aber unstrukturierte Merit passt so gar nicht in sein Beuteschema.

Letztlich erweist sich gerade sein „Elfenmädchen“ als absoluter Glücksgriff, als den jungen Mann ein Teil seiner Vergangenheit übermächtig einholt...

„Islandsommer“ ist einer jener warmherzigen Romane, der den Alltag versüßt und wunderbare Lesestunden bereitet.

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Veröffentlicht am 18.05.2020

Der Weg des Schicksals

Grandhotel Schwarzenberg – Der Weg des Schicksals
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Im Königlich Bayerisches Staatsbad Bad Reichenhall des Jahres 1905 versammeln sich Geld und Einfluss. Einst hatte der Salzhandel einigen Leuten Reichtum beschert, jetzt gilt es als schick, hier zu kuren ...

Im Königlich Bayerisches Staatsbad Bad Reichenhall des Jahres 1905 versammeln sich Geld und Einfluss. Einst hatte der Salzhandel einigen Leuten Reichtum beschert, jetzt gilt es als schick, hier zu kuren und seine Zeit in Bädern und Sanatorien zu verbringen. Während sich die vermögenden reichen Gäste dem Luxus unter Gleichgesinnten hingeben, sorgen sich viele einfache Menschen am Rand der Gesellschaft um das tägliche Brot und kämpfen um ihr Überleben. Die Standesunterschiede klaffen weit auseinander.

Katharina von Feil gehört zu denjenigen, die sich um ihre Zukunft keine Gedanken machen müssen. Die Tochter des Salinenmeisters Konrad von Feil kann sich im guten Ansehen ihrer Familie sonnen, obwohl sie als vierundzwanzig Frau bereits weit über das übliche Alter zum Heiraten hinaus ist und sich deshalb dem Drängen ihrer Mutter nach einer „guten Partie“ ausgesetzt sieht. Letztlich fügt sich Katharina und geht eine Verbindung mit dem vermögenden Münchener Geschäftsmann Friedrich Bahlow ein, dessen bestimmendes Verhalten sie zunächst beeindruckt. Es dauert indes nicht lange, und sie bereut die Eheschließung zutiefst.

Anna Gmeiner hingegen wächst in armen Verhältnissen in einem kleinen Haus an der Saalach, einem Zufluss der Salzach, auf. Das Leben ihrer Familie, zu der Vater Johann und Bruder Christoph zählen, ist geprägt von harter Mühsal und einem dürftigen Einkommen, das hauptsächlich Christoph mit seiner Tätigkeit als Trifter einbringt. Als dieser bei einem Unfall während der Arbeit zu Tode kommt, rücken Vater und Tochter noch enger zusammen. Schwer tragen sie an ihrem Los, aber gibt es auch kleine Glücksmomente. Anna verliebt sich in den jungen Salzsieder Michael Schwarzenberg, der die Chance in der Schreibstube der Saline erhält. Michael, der eigentlich seine Zukunft fern der Heimat sieht, erwidert Annas Gefühle und bittet sie, seine Frau zu werden. Beide planen eine gemeinsame Zukunft, bis er seine Arbeit verliert und sich endgültig entschließt, nach Amerika zu gehen, nicht ohne sich der Liebe von Anna zu versichern. Die junge Frau wird jedoch Opfer eines Verbrechens, fühlt sich auch von Michael allein gelassen und sieht sich daher gezwungen, in ihrer Not einen fremden Mann – Leonhard Achleitner – zu heiraten...


Mit „Der Weg des Schicksals“ startet Sophie Oliver ihre Trilogie um das „Grandhotel Schwarzenberg“, lädt den Leser in das elegante Bad Reichenhall ein und zeichnet ein anschauliches Bild der örtlichen und zeitgeschichtlichen Gegebenheiten. Dies macht es möglich, an der Seite ihrer Figuren die Ereignisse im historischen Ambiente zu verfolgen. Dabei bedient sich die Autorin eines dynamischen Erzähltempos und vermittelt ein dramatisches und wendungsreiches Geschehen, in dem emotionale Ereignisse in einem Geflecht aus Lügen und Unwahrheiten eingebunden werden.

Hervorzuheben ist die von der Autorin vorgenommene überzeugende und ehrliche Darstellung der Charaktere.

Sophie Oliver verdeutlicht primär an Hand der Schicksale von Katharina und Anna, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber trotzdem eines gemeinsam haben, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Abhängigkeit der Frauen, deren fehlende Handlungs- und Meinungsfreiheit.

Anfangs wirkt Katharina dünkelhaft und überheblich. Dann offenbart sich schnell, dass auch sie Zwängen unterworfen ist, die zwar mit Wohlstand versüßt werden, allerdings gleichzeitig ihr direktes Wesen und aufrichtiges Handeln unterdrücken und ebenso die Freiheit vermissen lassen. Eingebunden in das Korsett einer lieblosen Ehe, fechtet Katharina ihre Kämpfe nach Unabhängigkeit im eigenen Ermessen aus.

Im Gegensatz dazu trifft es Anna wesentlich härter. Sophie Oliver mutet ihrer zu Beginn der Ereignisse siebzehnjährigen Heldin einiges zu. Nicht allein das Leben in Armut und der frühe Tod der Mutter haben Annas Wesen mit Ernsthaftigkeit geprägt, sondern ebenso der Verlust von Vater und Bruder, der Fortgang ihrer großen Liebe Michael, nicht zu vergessen jenes Verbrechen, das sie schließlich zwang, Leonhard zu heiraten.

Anna haftet der Ruf einer Eigenbrötlerin an, nachdem sie nicht mehr in die Kirche geht und keinen Trost im Glauben findet. Sie ist überzeugt, dass es eine Rettung „von oben“ nicht geben wird und sehnt sich nach Wohlstand, doch nicht wegen des Ansehens, sondern wegen der Sicherheit.

Es gelingt der Autorin, nachvollziehbar zu schildern, wie Anna daran wächst, Durchhaltevermögen beweist, welche Entwicklung sie von einem zwar mutigen, aber überdies verunsicherten und traurigen Mädchen, das um seine Würde bemüht ist, zu einer selbstbewussten Frau nimmt, die an der Seite ihres Ehemannes bestehen will. Leonhard Achleitner ist ein pragmatischer Mensch, vielleicht ein wenig humorlos und unsicher, auf jeden Fall jedoch loyal, fair und bereit, für seine persönlichen Ziele Opfer zu bringen, so dass es nicht verwundert, dass er die Chance ergreift, als diese sich ihm bietet.

Der Traum von einer besseren Zukunft treibt auch Michael an, der nicht daran glaubt, dass man arm sterben muss, nur weil man arm geboren wurde. Er ist intelligent und ehrgeizig und nach dem frühen Tod seiner Eltern gewohnt, sich allein durchzuschlagen. Wenngleich sich seine Einstellung nach dem Kennenlernen von Anna ändert, scheint es, dass er trotzdem beim ersten Problem das Handtuch wirft und sich davonmacht, die Frau, die zu lieben vorgibt, verlässt und sein Ziel aus den Augen verliert. Zumindest der Titel der Reihe lässt erahnen, dass dem nicht so ist.

Es bleibt auf jeden Fall abzuwarten, was das Schicksal für Katharina und Anna, Michael und Leonhard noch bereithält.

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