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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.05.2020

Die Suche nach dem Glück

Aufgetaut
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Und wieder ist es David Safier gelungen, ganz unterschiedliche Welten miteinander zu verweben und uns dadurch Dinge unseres Alltags aus einem gänzlich neuen und unerwarteten Blickwinkel sehen zu lassen. ...

Und wieder ist es David Safier gelungen, ganz unterschiedliche Welten miteinander zu verweben und uns dadurch Dinge unseres Alltags aus einem gänzlich neuen und unerwarteten Blickwinkel sehen zu lassen. „Aufgetaut“ ist ein modernes Märchen, in dem nicht der Prinz die Prinzessin aus dem Turm / vom bösen Drachen befreit, sondern hier und jetzt Menschen ihr Glück finden. Die junge Neandertalerin Urga und ihr kleiner Schützling, das Zwergmammut Trö werden durch eine Laune der Klimaerwärmung und Kontinentaldrift aus einem Eisblock lebendig aufgetaut und müssen sich in der neuen Situation zurechtfinden. Ihnen helfend stehen zur Seite Menschen aus der Gegenwart. Natürlich sind auch einige Menschen darunter, die eigene Ziele verfolgen, die nur an den wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert sind, nicht an den zwei lebendigen Wesen. Schön ist es zu sehen, wie es Urgas Helfern gelingt, nach etlichen Verwicklungen und auch brenzligen Situationen, doch noch alles zu einem guten Ende zu bringen. Oberstes Hauptziel wird erreicht: Urga wird glücklich und die Menschen, die ihr beigestanden haben, auch. Das Buch ist ein herzerwärmendes, fröhliches Märchen. Die Sprache ist teilweise humorvoll, teilweise aber auch lyrisch, elegisch fast, ohne je ins Rührselige zu verfallen. (Dafür ist Safier ein viel zu guter und gewiefter Schriftsteller).
Sehr ansprechend fand ich auch die Illustrationen auf der Front- und Rückseite des Buches. Solch ein knuddeliges Mammut hätt‘ ich auch gern!

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Veröffentlicht am 23.05.2020

Wie baut man sein Leben nach einem Supergau auf?

Crimson Lake
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Diese Frage muss sich Ted Conkaffey stellen. Sein Supergau geschah, als er aus heiterem Himmel beschuldigt wurde, ein junges Mädchen vergewaltigt und halbtot in einem Busch zurück gelassen zu haben. Seine ...

Diese Frage muss sich Ted Conkaffey stellen. Sein Supergau geschah, als er aus heiterem Himmel beschuldigt wurde, ein junges Mädchen vergewaltigt und halbtot in einem Busch zurück gelassen zu haben. Seine einzige Schuld: er hat tatsächlich am Tag ihres Verschwindens zwei Worte mit dem Mädchen gesprochen, in einer Bushaltestelle und wurde dabei gesehen. Acht Monate später wird er aus Mangel an Beweisen aus dem Gefängnis entlassen, seine Frau hat sich von ihm scheiden lassen, er darf seine Tochter nie wieder seine Kollegen meiden ihn. Sein Gesicht ist in ganz Australien bekannt, als Kinderschänder und Mörder, obwohl das Mädchen gar nicht tot ist. Aber für die Menschen ist und bleibt er ein Mörder. Nun hat er sich in einen kleinen, Gottverlassenen Ort irgendwo im australischen Outback zurück gezogen. Doch auch hier findet er keine Ruhe. Zwei korrupte Polizisten und die Bürgerwehr machen ihm das Leben schwer. Allein sein Rechtsanwalt hält zu ihm, ist wirklich an seiner Seite, glaubt an seine Unschuld. Er stellt ihm die Verbindung zu Amanda Pharrell her. Sie ist vorbestraft, hat wegen Mord gesessen. Aber das ist schon einige Jahre her, sie taucht nicht mehr so oft in den Medien auf. Amanda Pharrell ist einen Schritt weiter in ihren Versuchen sich ein neues Leben aufzubauen. Sie ist auch nicht weggezogen nach der Haft. Sie hat ein Detektivbüro und bekommt sogar Aufträge. Ihr gegenwärtiger Auftrag lautet: sie soll den vermissten Schriftsteller Jake Scully wiederfinden. Zusammen mit Ted Conkaffey beginnt sie die Ermittlungen. Immer wieder gestört von den korrupten Polizisten, von falschen Fährten die aber im Nachhinein die Mörder des Schriftstellers überführen und sogar noch einen Tod als Mord enttarnen. So nebenbei gelingt es Ted auch die wahren Umstände aufzudecken, die dazu führten, dass Amanda Pharrell Jahre zuvor zur Mörderin wurde.
Spannendes Buch, mit unerwarteten Wendungen an den richtigen Stellen, mit interessanten Gestalten, einige sympathisch, wie die Pathologin Dr. Valerie Gratteur, andere manipulierend und beängstigend, und ich rede nicht nur von den korrupten Polizisten, die immer wieder auftauchen.
Das Coverbild, in blutrot, orange und gelb gehalten, passt zum Titel aber auch zur Krimihandlung.
Ich habe versucht, mich in Ted Conkaffey zu versetzen. Es ist nicht leicht. Wenn ich irgendwo von Kindermisshandlung und sexueller Nötigung, Vergewaltigung und Mord an Kindern höre, bin ich für die Wiedereinführung der Todesstrafe. Ich würde wahrscheinlich bei Mahnwachen der Bürgerwehr mitmachen, allerdings ohne Sachbeschädigung. Dieses Buch aber hat mich innehalten lassen. Was ist, wenn der Beschuldigte die Tat nicht begangen hat? Und ich nun dazu beitrage, das Leben eines unschuldigen Menschen für immer zu zerstören? Ted Conkaffey ist dies alles passiert. Er hat kein Kind vergewaltigt und für tot zurück gelassen. Und wir können uns in ihn versetzen, leiden mit ihm, wünschen ihm, sein Leben in den Griff zu bekommen, irgendwann seinen Namen von diesen grässlichen Beschuldigungen rein waschen zu können.
Von meiner Seite 5 Sterne für Crimson Lake von Candice Fox.

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Veröffentlicht am 23.05.2020

Brutal & spannend

Redemption Point
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Im zweiten Krimi um Ted Conkaffey kann Privatermittler Ted sich nur mit Unterbrechungen und kurzzeitig um seinen neuen Fall kümmern: zwei junge Leute, Kellner in einer Bar, werden scheinbar Opfer eines ...

Im zweiten Krimi um Ted Conkaffey kann Privatermittler Ted sich nur mit Unterbrechungen und kurzzeitig um seinen neuen Fall kümmern: zwei junge Leute, Kellner in einer Bar, werden scheinbar Opfer eines aus dem Ruder gelaufenen Raubüberfalls. Amanda, Teds Partnerin, hilft der Polizei immer wieder auf die Sprünge, weil sie zusammenhanglose Details in Verbindung setzt und schließlich zum Lösen des brisanten Falles führt. Nichts ist so, wie es scheint, in diesem Fall, der aber nur die eine Hälfte des Buches ausmacht. Der andere Teil ist Ted Conkaffey und seiner Vergangenheit gewidmet. Eines ungeheuren Verbrechens bezichtigt, ein junges Mädchen brutal vergewaltigt und für tot zurück gelassen zu haben, ist er nun in ganz Australien geächtet und vogelfrei. Immer wieder kommt wütender Mob vorbei, bedroht ihn, schlägt Fenster ein, oft wird er selber zusammen geschlagen während die Polizei vor Ort gerne wegschaut. Doch nun wird er vom Vater des Opfers brutal niedergeschlagen, in seinem eigenen Haus. Gleichzeitig wird Ted nach Sidney eingeladen, er soll in einer Fernsehsendung zum ersten Mal öffentlich auftreten. Ted sagt zu, für viel Geld. Gleichzeitig darf er zum ersten Mal nach zwei Jahren seine kleine Tochter sehen, die damals erst ein paar Wochen alt war und keine Erinnerungen an ihren Vater hat. Das Wiedersehen darf nur unter strengen Auflagen stattfinden, im Beisein von Sozialbeamten, Teds Exfrau und deren neuen Freund. Es folgt der Fernsehauftritt, der von Anfang an zeigt, die Moderatorin ist ihm nicht wohl gesinnt und hat vor, ihn vor einem Millionenpublikum vorzuführen. Während der Sendung wird er aus heiterem Himmel eines anderen ungeheuerlichen Verbrechens beschuldigt. Die Kapitel um Ted Conkaffey werden immer wieder unterbrochen von Tagebucheinträgen eines jungen Mannes. Diese Aufzeichnungen werden von Mal zu Mal deutlicher, klarer in den Absichten des Autors, lassen uns Schauer über den Rücken laufen. Die Spannung steigt.
Es findet eine Veranstaltung statt bei der Ted sich wieder Fragen stellt, dieses Mal sind es aber Fragen von Menschen, die an seine Unschuld glauben, die erkennen, dass die Polizei nicht allen Hinweisen nachgegangen ist, dass der wahre Verbrecher noch frei herumläuft und jederzeit erneut zuschlagen kann. Und da begeht der wahre Täter einen Fehler. Schon auf dem Weg zurück zum Flughafen um nach Crimson Lake ins australische Outback zu fliegen, gibt sich Ted Rechenschaft, er hat den wahren Verbrecher vor Augen gehabt.
In beiden Teilen des Romans kommt es zu einem Showdown. Amanda entgeht nur knapp dem Tod während Ted machtlos zusehen muss, wie der wahre Vergewaltiger, der sein Leben zerstört hat, von Gangstern erschossen wird. Eigentlich bekommen wir hier zwei Krimis zum Preis von einem geliefert. Sehr spannend geschrieben, mag man das Buch nicht aus der Hand legen. Und der Leser weiß nicht, welchem Teil der Handlung er den Vorzug geben soll: die Geschichte um Ted oder um Amanda. Dazwischen gibt es immer wieder kleine Lichtblicke, wie Ted sich rührend um seine Gänseschar kümmert oder wie er zu der Hündin Celine kommt. Und wie Celine zu ihrem Namen kommt. Es sind diese Verschnaufpausen, die uns Ted Conkaffey sympathisch, liebenswert machen, die uns sein Schicksal so tragisch erscheinen lassen.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Cold Case wird zum Hattrick

Die Toten vom Lärchensee
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Krimis müssen nicht immer todernst und bedrückend sein. Es geht auch humorvoll, charmant, spritzig wie ein guter Jahrgangssekt. und solch einen Lesegenuss verspricht Joe Fischler im "Die Toten vom Lärchensee". ...

Krimis müssen nicht immer todernst und bedrückend sein. Es geht auch humorvoll, charmant, spritzig wie ein guter Jahrgangssekt. und solch einen Lesegenuss verspricht Joe Fischler im "Die Toten vom Lärchensee". Das Coverbild ist leicht karikiert gezeichnet, Berge, eine Vespa, eine Schale Eis mit Schlagobers und Himbeersoße - könnte aber auch Blut sein, das macht uns neugierig auf den Inhalt. Der Ermittler in diesem Krimi, der als Cold Case beginnt, Arno Bussi, wirkt sympathisch. Auch weil er es gewagt hat, die Ehefrau seines obersten Chefs zu verführen und deswegen vom Innenminister höchstpersönlich in den Innendienst zur Kriminalstatistik und Datenerfassung versetzt wird. Und der gleiche Innenminister schickt ihn nun nach Tirol, wo er einen sogenannten Cold Case lösen soll. Weil Arno Bussi eine Rückkehr in den aktiven Dienst in Aussicht gestellt wird und weil ihm nichts anderes übrigbleibt, nimmt er den Auftrag an. Und kaum in Stubenwald in Tirol angekommen, beginnen sich die Ereignisse zu überstürzen. Fragwürdiges Brunnenwasser, fragwürdige Bauvorhaben, fragwürdige Inselbesetzungen, denkwürdige Rauschorgien auf besagter Insel, interessante Verwicklungen, politischer und amouröser Natur, alles in der herrlichen Landschaft Tirols.
Alles beschrieben in einer herrlichen spritzigen Sprache, mit wunderschönen Bildassoziationen: Innenminister Qualtinger wird „etwas von Cicero, wenn nicht gar von Cäsar“ nachgesagt, auch wenn er wenig später „in Bildungskarenz“ geht, was immer das auch heißen mag, denn eigentlich werden ihm etliche Unregelmäßigkeiten vorgeworfen. Oder die Stubenwalder Bürgermeisterin reagiert „situationselastisch“ und ist nun auf einmal gegen das Bauvorhaben am Lärchensee, wo sie anfangs das Projekt sehr befürwortet hat.
Joe Fischlers Krimi ist etwas für Krimiliebhaber aber auch für diejenigen, die einfach die Sprache, sei sie österreichisch oder berlinerisch geprägt, genießen möchten.

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Veröffentlicht am 14.05.2020

Steht in der Tradition der großen russischen Erzählkunst

Rote Kreuze
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Wer den Diogenes Verlag kennt, weiß, da wartet ein wunderschönes und hoch interessantes Buch auf uns. Wir müssen nur zugreifen. Die Handlung ist schnell umrissen. Ein junger Mann bezieht in Minsk eine ...

Wer den Diogenes Verlag kennt, weiß, da wartet ein wunderschönes und hoch interessantes Buch auf uns. Wir müssen nur zugreifen. Die Handlung ist schnell umrissen. Ein junger Mann bezieht in Minsk eine neue Wohnung in einem Altbau, seine Nachbarin ist eine alte Dame, bei der Alzheimer diagnostiziert wurde. Interessant ist, wie Tatjana Alexejewna ihre Krankheit betrachtet: wie eine Abwehr Gottes. Denn Tatjana hat alle Gräueltaten des 20 Jahrhunderts in Sowjetrussland am eigenen Leib erlebt. Nun hat sie sich vorgenommen, wenn sie im Augenblick ihres Todes vor Gottes Angesicht treten wird, wird sie von ihm Rechenschaft fordern, warum er soviel Hass, Not, Elend und Schmerz in der UdSSR zugelassen hat. In ihren eigenen Worten: „Gott hat Angst vor mir. Zu viele unbequeme Fragen kommen da auf ihn zu.“ (S.11) Doch da sie nun Alzheimer hat, ständig Teile ihres Lebens vergisst, kann sie nicht mehr Aufschluss von diesem Gott verlangen. Die Immobilienmaklerin hingegen, erklärt Tatjana, dass Alzheimer eine Wohltat Gottes ist, so hat sie nun die Möglichkeit all das Hässliche und Schlimme und Schmerzhafte aus ihrer Vergangenheit zu vergessen und sich auf das Schöne Leben in der Gegenwart konzentrieren. Aber wieviel Schönes kann sie noch genießen, wenn Ihr Mann erschossen wurde und ihr Kind verhungert ist während sie 10 Jahre im Gulag mehr schlecht als recht darben musste?
Der junge Mann, Alexander, hat eine drei Monate alte Tochter, deretwegen er nach Minsk gezogen ist. Seine Frau ist vor 6 Monaten gestorben, ihr Körper wurde künstlich am Leben gehalten bis das Kind per Kaiserschnitt geboren wurde. Traumatisiert von diesen Geschehnissen, erkennt er in Tatjana Alexejewna eine verwandte Seele. Geduldig hört er ihr zu, fragt nach, hilft ihr gegen das Vergessen anzukämpfen. Tatjanas Erzählungen und die oft bruchstückhaften Dialoge dieser zwei Menschen üben eine eigenartige Faszination auf den Leser aus. Dass Stalin unbeschreiblich in seinem Land gewütet hat, dass sowjetische Kriegsgefangene bei ihrer Freilassung und Rückkehr in die Heimat exekutiert wurden, dass er sich geweigert hat den Kriegsgefangenen anderer Völker in der UdSSR zu erlauben, über das Rote Kreuz Kontakt zu ihren Angehörigen und Regierungen zu nehmen. Dass die eigenen Bürger bespitzelt und denunziert und jahrelang in Gulags inhaftiert wurden, das weiß man, gehört sozusagen zur Allgemeinbildung. Aber in Tatjanas Lebensgeschichte wird alles noch einmal lebendig, wird uns akut vor Augen geführt, wie schrecklich das Leben war.
Besonders schmerzhaft: Genau wie bei uns die Holocaustverweigerer, gibt es auch in den Ländern der ehemaligen UdSSR Menschen, die fest überzeugt sind, dass Stalin Recht hatte, dass die Gulags ihre Berechtigung hatten, dass die Inhaftierten nicht unschuldig Fronarbeit in Lagern verrichten mussten.
Die langsame Annäherung zwischen Tatjana und Alexander findet statt, trotz Tatjanas zunehmender Vergesslichkeit oder gerade deswegen, um gegen das Vergessen ein Mahnmal zu setzen.
Sasha Filipenko hat es mit diesem Buch auch getan.

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