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Veröffentlicht am 23.05.2020

Wie baut man sein Leben nach einem Supergau auf?

Crimson Lake
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Diese Frage muss sich Ted Conkaffey stellen. Sein Supergau geschah, als er aus heiterem Himmel beschuldigt wurde, ein junges Mädchen vergewaltigt und halbtot in einem Busch zurück gelassen zu haben. Seine ...

Diese Frage muss sich Ted Conkaffey stellen. Sein Supergau geschah, als er aus heiterem Himmel beschuldigt wurde, ein junges Mädchen vergewaltigt und halbtot in einem Busch zurück gelassen zu haben. Seine einzige Schuld: er hat tatsächlich am Tag ihres Verschwindens zwei Worte mit dem Mädchen gesprochen, in einer Bushaltestelle und wurde dabei gesehen. Acht Monate später wird er aus Mangel an Beweisen aus dem Gefängnis entlassen, seine Frau hat sich von ihm scheiden lassen, er darf seine Tochter nie wieder seine Kollegen meiden ihn. Sein Gesicht ist in ganz Australien bekannt, als Kinderschänder und Mörder, obwohl das Mädchen gar nicht tot ist. Aber für die Menschen ist und bleibt er ein Mörder. Nun hat er sich in einen kleinen, Gottverlassenen Ort irgendwo im australischen Outback zurück gezogen. Doch auch hier findet er keine Ruhe. Zwei korrupte Polizisten und die Bürgerwehr machen ihm das Leben schwer. Allein sein Rechtsanwalt hält zu ihm, ist wirklich an seiner Seite, glaubt an seine Unschuld. Er stellt ihm die Verbindung zu Amanda Pharrell her. Sie ist vorbestraft, hat wegen Mord gesessen. Aber das ist schon einige Jahre her, sie taucht nicht mehr so oft in den Medien auf. Amanda Pharrell ist einen Schritt weiter in ihren Versuchen sich ein neues Leben aufzubauen. Sie ist auch nicht weggezogen nach der Haft. Sie hat ein Detektivbüro und bekommt sogar Aufträge. Ihr gegenwärtiger Auftrag lautet: sie soll den vermissten Schriftsteller Jake Scully wiederfinden. Zusammen mit Ted Conkaffey beginnt sie die Ermittlungen. Immer wieder gestört von den korrupten Polizisten, von falschen Fährten die aber im Nachhinein die Mörder des Schriftstellers überführen und sogar noch einen Tod als Mord enttarnen. So nebenbei gelingt es Ted auch die wahren Umstände aufzudecken, die dazu führten, dass Amanda Pharrell Jahre zuvor zur Mörderin wurde.
Spannendes Buch, mit unerwarteten Wendungen an den richtigen Stellen, mit interessanten Gestalten, einige sympathisch, wie die Pathologin Dr. Valerie Gratteur, andere manipulierend und beängstigend, und ich rede nicht nur von den korrupten Polizisten, die immer wieder auftauchen.
Das Coverbild, in blutrot, orange und gelb gehalten, passt zum Titel aber auch zur Krimihandlung.
Ich habe versucht, mich in Ted Conkaffey zu versetzen. Es ist nicht leicht. Wenn ich irgendwo von Kindermisshandlung und sexueller Nötigung, Vergewaltigung und Mord an Kindern höre, bin ich für die Wiedereinführung der Todesstrafe. Ich würde wahrscheinlich bei Mahnwachen der Bürgerwehr mitmachen, allerdings ohne Sachbeschädigung. Dieses Buch aber hat mich innehalten lassen. Was ist, wenn der Beschuldigte die Tat nicht begangen hat? Und ich nun dazu beitrage, das Leben eines unschuldigen Menschen für immer zu zerstören? Ted Conkaffey ist dies alles passiert. Er hat kein Kind vergewaltigt und für tot zurück gelassen. Und wir können uns in ihn versetzen, leiden mit ihm, wünschen ihm, sein Leben in den Griff zu bekommen, irgendwann seinen Namen von diesen grässlichen Beschuldigungen rein waschen zu können.
Von meiner Seite 5 Sterne für Crimson Lake von Candice Fox.

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Veröffentlicht am 23.05.2020

Brutal & spannend

Redemption Point
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Im zweiten Krimi um Ted Conkaffey kann Privatermittler Ted sich nur mit Unterbrechungen und kurzzeitig um seinen neuen Fall kümmern: zwei junge Leute, Kellner in einer Bar, werden scheinbar Opfer eines ...

Im zweiten Krimi um Ted Conkaffey kann Privatermittler Ted sich nur mit Unterbrechungen und kurzzeitig um seinen neuen Fall kümmern: zwei junge Leute, Kellner in einer Bar, werden scheinbar Opfer eines aus dem Ruder gelaufenen Raubüberfalls. Amanda, Teds Partnerin, hilft der Polizei immer wieder auf die Sprünge, weil sie zusammenhanglose Details in Verbindung setzt und schließlich zum Lösen des brisanten Falles führt. Nichts ist so, wie es scheint, in diesem Fall, der aber nur die eine Hälfte des Buches ausmacht. Der andere Teil ist Ted Conkaffey und seiner Vergangenheit gewidmet. Eines ungeheuren Verbrechens bezichtigt, ein junges Mädchen brutal vergewaltigt und für tot zurück gelassen zu haben, ist er nun in ganz Australien geächtet und vogelfrei. Immer wieder kommt wütender Mob vorbei, bedroht ihn, schlägt Fenster ein, oft wird er selber zusammen geschlagen während die Polizei vor Ort gerne wegschaut. Doch nun wird er vom Vater des Opfers brutal niedergeschlagen, in seinem eigenen Haus. Gleichzeitig wird Ted nach Sidney eingeladen, er soll in einer Fernsehsendung zum ersten Mal öffentlich auftreten. Ted sagt zu, für viel Geld. Gleichzeitig darf er zum ersten Mal nach zwei Jahren seine kleine Tochter sehen, die damals erst ein paar Wochen alt war und keine Erinnerungen an ihren Vater hat. Das Wiedersehen darf nur unter strengen Auflagen stattfinden, im Beisein von Sozialbeamten, Teds Exfrau und deren neuen Freund. Es folgt der Fernsehauftritt, der von Anfang an zeigt, die Moderatorin ist ihm nicht wohl gesinnt und hat vor, ihn vor einem Millionenpublikum vorzuführen. Während der Sendung wird er aus heiterem Himmel eines anderen ungeheuerlichen Verbrechens beschuldigt. Die Kapitel um Ted Conkaffey werden immer wieder unterbrochen von Tagebucheinträgen eines jungen Mannes. Diese Aufzeichnungen werden von Mal zu Mal deutlicher, klarer in den Absichten des Autors, lassen uns Schauer über den Rücken laufen. Die Spannung steigt.
Es findet eine Veranstaltung statt bei der Ted sich wieder Fragen stellt, dieses Mal sind es aber Fragen von Menschen, die an seine Unschuld glauben, die erkennen, dass die Polizei nicht allen Hinweisen nachgegangen ist, dass der wahre Verbrecher noch frei herumläuft und jederzeit erneut zuschlagen kann. Und da begeht der wahre Täter einen Fehler. Schon auf dem Weg zurück zum Flughafen um nach Crimson Lake ins australische Outback zu fliegen, gibt sich Ted Rechenschaft, er hat den wahren Verbrecher vor Augen gehabt.
In beiden Teilen des Romans kommt es zu einem Showdown. Amanda entgeht nur knapp dem Tod während Ted machtlos zusehen muss, wie der wahre Vergewaltiger, der sein Leben zerstört hat, von Gangstern erschossen wird. Eigentlich bekommen wir hier zwei Krimis zum Preis von einem geliefert. Sehr spannend geschrieben, mag man das Buch nicht aus der Hand legen. Und der Leser weiß nicht, welchem Teil der Handlung er den Vorzug geben soll: die Geschichte um Ted oder um Amanda. Dazwischen gibt es immer wieder kleine Lichtblicke, wie Ted sich rührend um seine Gänseschar kümmert oder wie er zu der Hündin Celine kommt. Und wie Celine zu ihrem Namen kommt. Es sind diese Verschnaufpausen, die uns Ted Conkaffey sympathisch, liebenswert machen, die uns sein Schicksal so tragisch erscheinen lassen.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Cold Case wird zum Hattrick

Die Toten vom Lärchensee
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Krimis müssen nicht immer todernst und bedrückend sein. Es geht auch humorvoll, charmant, spritzig wie ein guter Jahrgangssekt. und solch einen Lesegenuss verspricht Joe Fischler im "Die Toten vom Lärchensee". ...

Krimis müssen nicht immer todernst und bedrückend sein. Es geht auch humorvoll, charmant, spritzig wie ein guter Jahrgangssekt. und solch einen Lesegenuss verspricht Joe Fischler im "Die Toten vom Lärchensee". Das Coverbild ist leicht karikiert gezeichnet, Berge, eine Vespa, eine Schale Eis mit Schlagobers und Himbeersoße - könnte aber auch Blut sein, das macht uns neugierig auf den Inhalt. Der Ermittler in diesem Krimi, der als Cold Case beginnt, Arno Bussi, wirkt sympathisch. Auch weil er es gewagt hat, die Ehefrau seines obersten Chefs zu verführen und deswegen vom Innenminister höchstpersönlich in den Innendienst zur Kriminalstatistik und Datenerfassung versetzt wird. Und der gleiche Innenminister schickt ihn nun nach Tirol, wo er einen sogenannten Cold Case lösen soll. Weil Arno Bussi eine Rückkehr in den aktiven Dienst in Aussicht gestellt wird und weil ihm nichts anderes übrigbleibt, nimmt er den Auftrag an. Und kaum in Stubenwald in Tirol angekommen, beginnen sich die Ereignisse zu überstürzen. Fragwürdiges Brunnenwasser, fragwürdige Bauvorhaben, fragwürdige Inselbesetzungen, denkwürdige Rauschorgien auf besagter Insel, interessante Verwicklungen, politischer und amouröser Natur, alles in der herrlichen Landschaft Tirols.
Alles beschrieben in einer herrlichen spritzigen Sprache, mit wunderschönen Bildassoziationen: Innenminister Qualtinger wird „etwas von Cicero, wenn nicht gar von Cäsar“ nachgesagt, auch wenn er wenig später „in Bildungskarenz“ geht, was immer das auch heißen mag, denn eigentlich werden ihm etliche Unregelmäßigkeiten vorgeworfen. Oder die Stubenwalder Bürgermeisterin reagiert „situationselastisch“ und ist nun auf einmal gegen das Bauvorhaben am Lärchensee, wo sie anfangs das Projekt sehr befürwortet hat.
Joe Fischlers Krimi ist etwas für Krimiliebhaber aber auch für diejenigen, die einfach die Sprache, sei sie österreichisch oder berlinerisch geprägt, genießen möchten.

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Veröffentlicht am 14.05.2020

Steht in der Tradition der großen russischen Erzählkunst

Rote Kreuze
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Wer den Diogenes Verlag kennt, weiß, da wartet ein wunderschönes und hoch interessantes Buch auf uns. Wir müssen nur zugreifen. Die Handlung ist schnell umrissen. Ein junger Mann bezieht in Minsk eine ...

Wer den Diogenes Verlag kennt, weiß, da wartet ein wunderschönes und hoch interessantes Buch auf uns. Wir müssen nur zugreifen. Die Handlung ist schnell umrissen. Ein junger Mann bezieht in Minsk eine neue Wohnung in einem Altbau, seine Nachbarin ist eine alte Dame, bei der Alzheimer diagnostiziert wurde. Interessant ist, wie Tatjana Alexejewna ihre Krankheit betrachtet: wie eine Abwehr Gottes. Denn Tatjana hat alle Gräueltaten des 20 Jahrhunderts in Sowjetrussland am eigenen Leib erlebt. Nun hat sie sich vorgenommen, wenn sie im Augenblick ihres Todes vor Gottes Angesicht treten wird, wird sie von ihm Rechenschaft fordern, warum er soviel Hass, Not, Elend und Schmerz in der UdSSR zugelassen hat. In ihren eigenen Worten: „Gott hat Angst vor mir. Zu viele unbequeme Fragen kommen da auf ihn zu.“ (S.11) Doch da sie nun Alzheimer hat, ständig Teile ihres Lebens vergisst, kann sie nicht mehr Aufschluss von diesem Gott verlangen. Die Immobilienmaklerin hingegen, erklärt Tatjana, dass Alzheimer eine Wohltat Gottes ist, so hat sie nun die Möglichkeit all das Hässliche und Schlimme und Schmerzhafte aus ihrer Vergangenheit zu vergessen und sich auf das Schöne Leben in der Gegenwart konzentrieren. Aber wieviel Schönes kann sie noch genießen, wenn Ihr Mann erschossen wurde und ihr Kind verhungert ist während sie 10 Jahre im Gulag mehr schlecht als recht darben musste?
Der junge Mann, Alexander, hat eine drei Monate alte Tochter, deretwegen er nach Minsk gezogen ist. Seine Frau ist vor 6 Monaten gestorben, ihr Körper wurde künstlich am Leben gehalten bis das Kind per Kaiserschnitt geboren wurde. Traumatisiert von diesen Geschehnissen, erkennt er in Tatjana Alexejewna eine verwandte Seele. Geduldig hört er ihr zu, fragt nach, hilft ihr gegen das Vergessen anzukämpfen. Tatjanas Erzählungen und die oft bruchstückhaften Dialoge dieser zwei Menschen üben eine eigenartige Faszination auf den Leser aus. Dass Stalin unbeschreiblich in seinem Land gewütet hat, dass sowjetische Kriegsgefangene bei ihrer Freilassung und Rückkehr in die Heimat exekutiert wurden, dass er sich geweigert hat den Kriegsgefangenen anderer Völker in der UdSSR zu erlauben, über das Rote Kreuz Kontakt zu ihren Angehörigen und Regierungen zu nehmen. Dass die eigenen Bürger bespitzelt und denunziert und jahrelang in Gulags inhaftiert wurden, das weiß man, gehört sozusagen zur Allgemeinbildung. Aber in Tatjanas Lebensgeschichte wird alles noch einmal lebendig, wird uns akut vor Augen geführt, wie schrecklich das Leben war.
Besonders schmerzhaft: Genau wie bei uns die Holocaustverweigerer, gibt es auch in den Ländern der ehemaligen UdSSR Menschen, die fest überzeugt sind, dass Stalin Recht hatte, dass die Gulags ihre Berechtigung hatten, dass die Inhaftierten nicht unschuldig Fronarbeit in Lagern verrichten mussten.
Die langsame Annäherung zwischen Tatjana und Alexander findet statt, trotz Tatjanas zunehmender Vergesslichkeit oder gerade deswegen, um gegen das Vergessen ein Mahnmal zu setzen.
Sasha Filipenko hat es mit diesem Buch auch getan.

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Veröffentlicht am 08.05.2020

Wiener Schmäh vom Feinsten

Rückwärtswalzer
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Als deutscher Tourist in Wien kriegt man wenig vom viel gelobten Schmäh mit, dazu sind die Wiener zu höflich. Man kriegt es höchstens mal in einem Café mit, wenn man sich im Kurzen, Langen, Braunen oder ...

Als deutscher Tourist in Wien kriegt man wenig vom viel gelobten Schmäh mit, dazu sind die Wiener zu höflich. Man kriegt es höchstens mal in einem Café mit, wenn man sich im Kurzen, Langen, Braunen oder Schwarzen verheddert, dann wird allerhöchstens ganz dezent eine Augenbraue sanft in die Höhe gezogen. Das war’s aber auch schon. Aber wenn man diesen Schmäh genießen will, weshalb soweit verreisen? Ein Spaziergang in die Buchhandlung deines Vertrauens und Vea Kaiser liefert uns den allerfeinsten allerbesten, allerschönsten und allercharmantesten Wiener Schmäh. Die Leseprobe hat mich verzaubert, ich bin auf das Buch gespannt. Das Titelbild ist bewusst verhalten, sozusagen ein Understatement. Aber eine Vea Kaiser braucht keine reißerischen Coverbilder. Ihr Name ist Programm.
Eine Wiener Familie gebildet aus drei Schwestern, ein Ehemann, ein Neffe. Die Töchter der drei Schwestern haben nur kurze Auftritte, ebenso der eine Bruder und der andere Schwager. Sie illustrieren nur, wie sehr die drei Schwestern, die ständig im Streit miteinander liegen, eigentlich zusammenhalten, sich auch wortlos verstehen und im Grunde immer einer Meinung sind. Und dann der Neffe Lorenz Prischinger. Versinkt in Selbstmitleid, kaufsüchtig bis der Gerichtsvollzieher kommt, Schauspieler ohne Engagement, die Serie bei der er hoffte mitzuspielen, wird ohne ihn fortgeführt. Seine Freundin hat ihn verlassen, ist aus Wien fortgezogen, nach Heidelberg, hat einen anderen. Ein Bild des Jammers. Doch als er gebraucht wird, ist er zur Stelle, kutschiert von Wien bis Montenegro die drei Tanten und den Schockgefrorenen Onkel Willi. Denn Onkel Willi ist unerwartet an einem Herzinfarkt gestorben und die drei Schwestern wollen ihm seinen größten Wunsch erfüllen, in Montenegro beerdigt zu werden. Es beginnt eine aberwitzige Reise quer durch mehrere Länder auf dem Balkan, bis nach Montenegro. Der Trip findet mit einem kleinen Fiat Panda statt. Und bitte lasst jetzt das Kopfkino an: Vorne sitzen Lorenz, als Chauffeur, als Beifahrer der blasse und steife Onkel Willi, im Fond zusammengepfercht die drei Tanten, wohlverpackt in Pelzmäntel. Denn natürlich ist die Klimaanlage auf kalt gestellt, denn es ist Hochsommer und Onkel Willi kann in seinem Zustand keine Wärme vertragen.
Wien ist ja das Herz Österreichs. In diesem Roman aber wird deutlich, Wien ist viel mehr als nur die Hauptstadt der kleinen Alpenrepublik. Es war ja auch das Zentrum der K.u.K. Monarchie, und etwas von den vielen Ländern, die Habsburg ausgemacht haben, lebt in Wien und in seinen Bewohnern fort. Pragmatismus, Liebe, Weltoffenheit, Verständnis für die Nöte und Sorgen anderer, Akzeptanz und Schicksalsergebenheit mit der man widrige Umstände hinnimmt und meistert, all dies kombiniert mit einer fantastischen Eleganz, das macht die Wiener aus. Und Vea Kaiser lässt diese Wiener Mentalität vor unseren Augen entstehen. Die drei Schwestern hatten es nicht leicht im Leben. Früh verloren sie einen Bruder, der andere blieb in der Provinz, während Mirl, Hedi und Wetti nach und nach in Wien eintreffen und auch bleiben. Hedi und ihr Mann Willi werden zum Mittelpunkt der Großfamilie, man kommt täglich zusammen. Der Werdegang der drei Schwestern ist nicht einfach, jede von ihnen hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Mirl hat zwar gut geheiratet, ist aber in ihrer ehe unzufrieden. Wetti ist autistisch veranlagt, aber für die Menschen, die sie liebt, ist sie bereit bis aufs Blut zu kämpfen. Hedi stellt ihre Küche den Schwestern, Nichten und Neffen zur Verfügung, sie und Willi sind der ruhende Pol in diesem Familienstrudel.

Eine Magierin der Sprache, vermag es Vea Kaiser uns zu bezaubern. Zum vom Sofa lachen ist die Szene in der Lorenz mit den drei Tanten und der dementen Frau Sterbeitz zum Großmarkt fährt, um Rabatte auf Großpackungen zu bekommen. Und am Ende kriegt man Appetit auf Käsekreiner Würste. (Oder schwört ihnen auf ewig ab)

Das Buch ist auf mehreren Ebenen aufgebaut. Erstens, die Haupthandlung sozusagen, die Fahrt von Wien nach Montenegro. Dazwischen dann Erinnerungen und Episoden aus der Kindheit und Jugend der Prischinger Frauen, manche humorvoll, gewitzt, andere ernst bis schmerzvoll. Und irgendwann merkt man, auch wenn unterschiedliche Erzählungsstränge da miteinander verwoben werden, es ist ein einziger großartiger Roman, den man nur ungern aus der Hand legt, wenn der Schlusssatz fällt: „Das Leben ging weiter. Und auch diejenigen, die nicht mehr waren, blieben dabei. Solange man auf sie hörte.“

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