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Veröffentlicht am 28.07.2020

Willkommen im Flanagans - Das Hotel unserer Träume

Willkommen im Flanagans (Das Hotel unserer Träume 1)
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Handlung
London 1960
Mit einer ihrer legendären Silvesterfeiern begrüßt Linda Lansing in ihrem Hotel das Jahr 1960. Sie ist gespannt, was das neue Jahr bringen wird und will weiterhin fleißig daran arbeiten, ...

Handlung
London 1960
Mit einer ihrer legendären Silvesterfeiern begrüßt Linda Lansing in ihrem Hotel das Jahr 1960. Sie ist gespannt, was das neue Jahr bringen wird und will weiterhin fleißig daran arbeiten, dass das Flanagans seinen Ruf beibehält. Wäre da nicht ihr Cousin, der ebenfalls Teilhaber des Luxushotels ist und dieses komplett für sich haben möchte. Dieser Kampf geht schon seitdem Linda ihre Anteile des Hotels von ihrem Vater geerbt hat und sich nach langem Überlegen der neuen Aufgabe gestellt hat. Linda hat dem Hotel zu neuem Ruhm verholfen und dabei stets die tatkräftige Unterstützung von Freunden und ihren Angestellten gehabt. Wird es Linda schaffen, sich gegen ihren Cousin zu wehren und das Flanagans zu behalten?

Meinung:
Vollkommen überzeugen kann mich das Cover nicht. Ich mag die Farbvielfalt, die Blumen, das Hotel am unteren Rand und auch das runde, goldene Schild, welches wie ein Zimmernummernschild eines Hotels anmutet. All diese Aspekte finde ich grandios und sie ergeben ein buntes und einladendes Bild. Mich stört die Dame etwas, sie ist für meinen Geschmack dem Betrachter ein bisschen zu sehr zugewandt. Ich mag es einfach nie, wenn man so genau Gesichter auf Covern sieht, mit reicht es vollkommen, wenn man eine Person von hinten sieht, oder sie dem Betrachter lediglich ihr Profil zeigen würde.

Ich habe den Roman zufällig bei Vorablesen gesehen und das in einer Woche, in der mich drei der vorgestellten Bücher angesprochen haben. Kurzerhand habe ich für jedes Buch einen Leseeindruck verfasst und habe die Plattform entscheiden lassen, ob und welches Buch ich erhalte. Am Ende ist es das Flanagans geworden, womit ich sehr zufrieden bin, allein die Leseprobe war hervorragend und hat mir gut gefallen. An dieser Stelle möchte ich Vorablesen, sowie dem Ullstein Verlag nochmals für das Rezensionsexemplar danken, so viel sei schon mal gesagt: es war mir ein großes Vergnügen, ins Flanagans zu reisen!

Der Beginn des Buches war mir ja bereits durch die Leseprobe bekannt, trotzdem hat er mich direkt wieder in seinen Bann gezogen. Ich wollte eigentlich nur mal eben in den Roman reinlesen und hatte knapp 80 Seiten innerhalb kürzester Zeit verschlungen. Den genau diese Wirkung hatte das Buch auf mich: ich wollte es nicht aus der Hand legen, wollte immer weiterlesen und war von der Geschichte komplett begeistert. Ich hatte unglaublich viel Freude beim Lesen und wurde von der Handlung angezogen. Und all diese Faktoren haben natürlich leider dazu geführt, dass ich den neuen Roman von Åsa Hellberg innerhalb weniger Tage ausgelesen hatte und nun geduldig auf Band zwei warten muss...
Mir hat die Sprache hervorragend gefallen. Sie gibt lebendige Einblicke in das Leben der Protagonisten, aber auch in den Hotelalltag. Situationen und Personen werden lebendig, viele Szenen konnte ich mir bildlich und ziemlich genau vorstellen. Insgesamt entsteht so eine lebhafte Geschichte, die mitreißend ist und das Buch zu einem besonderen Leseereignis macht.

Es gibt einen Erzähler, der eine normale und nicht wertende Sicht auf die Geschehnisse gibt. Man merkt, dass er immer einige Geheimnisse für sich behält und diese dem Leser erst nach und nach präsentiert. Auf diese Weise bleibt die Handlung stets spannend und es entstehen weder Längen, noch wird die Handlung zu hektisch geschildert. Im Gegenteil, die Autorin hat eine angenehme Art der Erzählung gewählt, es wechseln sich immer wieder ruhigere und aufregendere Kapitel ab und diese Mischung hat mir gefallen.
Auf jeden Fall gibt der Erzähler nicht nur einige Geheimnisse preis, sondern auch immer wieder Einblicke in Gefühls- und Gedankenwelten und man kann sich so von verschiedenen Protagonisten ein ziemlich genaues Bild machen. Dazu trägt auch bei, dass man immer wieder andere Perspektiven erlebt, nicht nur Linda, die Besitzerin des Flanagans kommt zu Wort, sondern auch Angestellte des Hotels. Man kann die Protagonisten so auf verschiedene Weisen kennenlernen und sie auch ziemlich gut einschätzen. Zudem gibt es auf diese Weise Einblicke in verschiedene gesellschaftliche Schichten und man lernt Menschen mit unterschiedlichen Lebensplänen kennen. Auch so entsteht wieder eine bunte Mischung, die mein Interesse ebenfalls angeregt hat.

Eher spartanisch wurden historische Details eingefügt. Nur sehr sehr selten kommt mal das Wort auf die Politik, es steht eher die Lebensweise der Charaktere im Vordergrund. Sei es das Ansehen und die Entwicklung der Frau, wie diese langsam aber konstant immer häufiger Führungspositionen einnehmen oder wie die Bevölkerung auf Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben reagiert. Anhand solcher Details kann man sich ein recht gutes Bild der Gesellschaft machen, auf diese Weise erhält der Roman einen realitätsnahen Bezug und gibt einen Einblick in die Vergangenheit.

Insgesamt hat mir der Aspekt, dass man das Leben auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen kennenlernt, sehr gut gefallen. Man lernt Personen kennen, die dem Adel angehören und noch nie in ihrem Leben fürchten mussten, wie ihre Zukunft aussieht und ob sie finanziell abgesichert sind. Man lernt allerhand wohlhabende Gäste des Flanagans kennen und kann sich von der prachtvollen Kulisse einen Eindruck verschaffen. Und dann gibt es auf der anderen Seite die Angestellten des bekannten Hotels, die tagtäglich dafür schuften müssen, dass der luxuriöse Standard aufrecht erhalten wird und die betuchten Gäste sich wohlfühlen. Man lernt so zwei Seiten der Gesellschaft kennen und erfährt, was für ein Aufwand nötig ist, um den täglichen Hotelbetrieb, aber auch den Status des Flanagans aufrechtzuerhalten.

Ich hatte ja bereits erwähnt, dass der Erzähler recht regelmäßig Geheimnisse preisgibt und die Handlung auf diese Weise immer wieder aufs Neue mischt und spannend macht. Man konnte spekulieren und ab und an war ein wenig vorhersehbar, was als nächstes folgen wird. Doch meistens kann man nicht durchschauen, was geschehen wird und welche Auswirkungen Aktionen auf die Zukunft haben werden. Die Handlung bleibt immer spannend, teilweise auch durch das Umdenken von Protagonisten, was vollkommen unerwartet kommt. Ich habe zwar schon spannungsreichere Bücher gelesen, hier bleibt sie auf einem guten Niveau, nimmt nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Platz ein. Die Autorin hat in diesem Zusammenhang ein gutes Verhältnis gefunden und ich habe zu diesem Aspekt absolut nichts zu meckern.

Von dem Setting bin ich ziemlich begeistert. Gerade das Flanagans ist einfach umwerfend beschrieben und hat ganz viel Charme und Stimmung versprüht. Ich konnte mir sowohl die Suiten und Zimmer der Gäste, als auch das Appartement von Linda und die Arbeits- aber auch Wohnräume des Personals hervorragend vorstellen. Obwohl sie nicht mit vielen Worten und seitenlangen Beschreibungen dargestellt werden, ergab sich vor meinen Augen stets ein lebhaftes und genaues Bild, was den Charakter des jeweiligen Ortes sehr gut ausdrückt.
Dazu gibt es noch wenige Kapitel, deren Handlung in Schweden stattfindet und auch hier ist es der Autorin gelungen, diesem neuen Ort eine eigene Stimmung und eigene Attribute zu verpassen. Insgesamt entsteht so ein sehr ansprechendes Setting, was mir richtig gut gefallen hat und mit dem ich sehr zufrieden bin. Ein Highlight ist natürlich das Flanagans, welches einfach traumhaft sein muss.

Es treten vollkommen verschiedene Protagonisten auf. Manche sind grundehrlich, sympathisch und aufrichtig. Sie muss man einfach mögen und wünscht ihnen nur das Beste. Andere wiederum sind unerträglich, nicht durchschaubar und kommen immer wieder mit anderen Bosheiten ums Eck. Und einige wenige sind recht unscheinbar, zeigen aber im richtigen Moment ihr wahres Wesen und das sie ihr Herz an der richtigen Stelle haben. Es gibt also eine große Vielfalt, die ein breites Bild der Gesellschaft zeigt und mich überzeugt hat.
Als Hotelbesitzerin des Flanagans steht Linda Lansing im Vordergrund, eine starke und charismatische Frau, die sich nicht so leicht unterkriegen lässt. Sie hat eine ganz besondere Aura, der man sich nicht entziehen kann und sie ist sympathischer und freundlicher Protagonist. Es macht Spaß, mehr Facetten von ihr kennenzulernen und sie während ihrer täglichen Arbeit zu begleiten. Was Linda besonders auszeichnet ist, was sie für ein bodenständiger Mensch ist. Obwohl sie ein Luxushotel führt, sich immer ausgewählt kleidet und allerhand wohlhabende Freunde hat, ist sie doch sehr normal und absolut nicht abgehoben.

Fazit:
Schnell hat mich der Roman um das Luxushotel in seinen Bann gezogen und ich bin unglaublich gerne in diese Welt gereist. Durchweg habe ich mich gut unterhalten gefühlt, ich bin mit dem Lesen sehr flott vorangekommen und wollte gar nicht, dass das Buch endet. Mir haben die Charaktere gefallen, das Setting war traumhaft, die Schreibweise hat den ganzen positiven Eindruck nochmal verstärkt. Ich bin begeistert, freue mich auf Band zwei und kann für das Buch mit frohem Herzen eine Empfehlung aussprechen.Eine locker leichte Geschichte, die seinen Reiz hat und ein angenehmes Verhältnis von spannungsreichen und ruhigeren Szenen hat.

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Veröffentlicht am 22.07.2020

Wunder - Sieh mich nicht an

Wunder Sieh mich nicht an
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Handlung:
August ist zehn Jahre alt und im Grunde ein ganz normaler Junge. Er lebt mit seinen Eltern und seiner Schwester in New York, er mag Star Wars und ist ein aufgeweckter, aufmerksamer und lieber ...

Handlung:
August ist zehn Jahre alt und im Grunde ein ganz normaler Junge. Er lebt mit seinen Eltern und seiner Schwester in New York, er mag Star Wars und ist ein aufgeweckter, aufmerksamer und lieber kleiner Kerl. Nur ein Merkmal macht August besonders, doch ist für andere Kinder leider ein Grund, ihn zu meiden. August hat ein entstelltes Gesicht.
Genau deshalb hat der Junge bisher auch noch nie eine Schule besucht, sondern wurde jahrelang von seiner Mutter daheim unterrichtet. Doch mit dem Beginn der fünften Klasse soll sich dies ändern. August ist nervös, hat Angst und ist sich unsicher. Er fürchtet sich, dass er gemobbt wird, die Kinder ihn ausgrenzen und er ein Außenseiter bleiben wird. Und trotzdem stellt sich August dieser Herausforderung und geht seinen Weg.

Meinung:
So ganz meinem Geschmack entspricht das Cover nicht. Es ist für ein jüngeres Publikum zugeschnitten und würde mir in einer Buchhandlung nicht sonderlich auffallen. Mir ist es etwas zu bunt und ich finde, dass es besser gepasst hätte, wenn der Junge gar nicht erst auf dem Bild zu sehen wäre. Trotzdem muss ich sagen, dass mir die Idee, die einzelnen Buchstaben des Titels in Kreisen anzuordnen, ganz gut gefällt.

Vor wenigen Wochen hatte ich den Film im TV gesehen und war absolut begeistert. Mir hat die Geschichte rund um August Pullmann unglaublich gut gefallen und ich war emotional sehr berührt. Und wie immer, wenn mir ein Film gut gefällt, schaue ich danach im Internet, auf was für einer Vorlage er beruht, natürlich mit der Hoffnung, dass es sich um eine Buchvorlage handelt. Und genau das war hier der Fall und das Jugendbuch ist direkt auf meine Wunschliste gewandert. Diesen habe ich dann auch schon kurze Zeit später als Geburtstagsgeschenk bekommen und ich konnte es kaum erwarten, die Geschichte zu lesen.

Als ich die Geschichte dann endlich begonnen habe, wurde das Buch immer nur für eine kurze Zeit aus der Hand gelegt. Ich mochte es unglaublich gerne, weiterzulesen und wollte, dass es gar nicht endet. Ich habe mich in die Geschichte einfühlen können und war von ganz vielen Aspekten angetan. Sei es die Schreibweise, die Personenzeichnung, die Stimmung. Einfach alles hat gepasst und war perfekt.

Das Jugendbuch wird in verschiedene Abschnitte unterteilt, die jeweils einen Einblick in das Leben unterschiedlicher Charaktere geben. Die meisten Abschnitte erhält natürlich August, aber auch seine Schwester oder Klassenkameraden haben ein paar Seiten, in denen sie sich nicht nur vorstellen, sondern ihre Sicht auf die Dinge geben. Auf diese Weise entsteht eine abwechslungsreiche Geschichte, man versteht manche Personen besser und hat noch einen anderen Blick auf andere Protagonisten.
Die Kapitel grenzen sich nicht nur durch die Nennung, welche Person jetzt zu Wort kommt ab, sondern auch durch den Erzählstil. Ein jeder hatte eine unterschiedliche Art, Ereignisse zu beschreiben und ein jeder wird dadurch einzigartiger und menschlicher.
Das Besondere ist, dass all die Abschnitte von Kindern oder Jugendlichen sind, es kommt im ganzen Roman kein Erwachsener in diesem Zusammenhang zu Wort. Ich fand es sehr passend und es wird jugendliche Leser auch mehr ansprechen, können sie sich doch teilweise in manche Charaktere einfühlen und haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Ich glaube, dass es aber auch ganz nett gewesen wäre, wenn man mal eine erwachsenere Sicht auf einige Ereignisse bekommen hätte und sich so ein vollkommen neues Bild ergeben hätte.

Die Schreibweise war locker und einfach gehalten. Sie ändert sich immer wieder aufgrund der wechselnden Erzählperspektiven, ist jedoch immer gut und schnell lesbar. Mit wenigen Worten werden nicht nur Protagonisten lebendig, sondern man kann sich Räume oder die Stadt vorstellen. Ich habe mich häufig wie ein heimlicher Beobachter gefühlt und war schon nach wenigen Seiten komplett in der Geschichte drinnen und habe mich fast wie ein Teil dessen gefühlt. Vielleicht hatte ich diesen Eindruck deshalb, weil ich den Film kurz vorher gesehen habe und mir noch viele Szenen lebendig vor Augen standen.
Die Kapitel wurden recht kurz gehalten, sodass das Buch sich auch für jüngere Leser anbietet. Zudem ist es so möglich, einige Seiten zu lesen, wenn nur wenig Zeit vorhanden ist. Was natürlich sehr verleitet und dazu beiträgt, dass die Handlung viel schneller fortschreitet und das Lesevergnügen nicht so lange anhält, wie man es sich vielleicht wünschen würde.

Es gibt unheimlich viele stimmungsvolle Szenen, in denen ich richtig mitgefühlt habe. Seien es fröhliche oder traurige Momente, eine jede Stimmung wurde an den Leser übermittelt und hat so dazu geführt, dass ich das Buch noch weniger aus der Hand legen wollte. Vor allem August hat mich in seiner freundlichen, ruhigen und zurückhaltenden Art sehr berührt, er ist ein mutiger, sympathischer kleiner Kerl, der unglaublich viel Stärke zeigt. Man kann aus seinen jungen Erfahrungen einiges mitnehmen und an vielen Textstellen konnte man von ihm lernen.
Ich habe lange Zeit nicht mehr so mitgefiebert und wurde emotional auf diese Weise berührt. Allein schon für diesen Aspekt lohnt es sich, das Werk von Raquel J. Palacio zu lesen!

Ich hatte bereits erwähnt, viele Orte des Settings konnte ich mir lebhaft vorstellen. Sei es die Schule oder das Haus der Familie Pullman, ein jeder Ort hat viel Lebendigkeit mitbekommen und war gut vorstellbar. Teilweise wurden in den jeweiligen Handlungsorten auch Stimmungen übertragen und man konnte fühlen, wie sich z.B.: eine bedrückte Aura über das gesamte Haus legt und alle Bewohner davon erfüllt sind. So entsteht ein ganz besonderer Charme und Anreiz, weiter in die Geschichte einzutauchen und noch mehr über August und seine Familie zu erfahren.

Als Protagonisten dienen vor allem Kinder in Augusts Alter, es gibt nur wenige Erwachsene, die dafür aber wiederholt auftreten. Dazu zählen natürlich Mr. und Mrs. Pullman, sowie einige Lehrer. Obwohl die Kinder deutlich im Mittelpunkt stehen, haben auch die erwachsenen Protagonisten einen durchdachten Charakter erhalten und sie zeichnen sich in ihrem Auftreten aus. Ein jeder hat besondere Wesenszüge erhalten und macht sich dadurch einzigartig.
Ich finde es toll, wie sich die Kinder und Jugendlichen ändern, sie nicht nur älter, sondern auch reifer werden und eine Wandlung erleben. Sie wenden sich anderen zu, erkennen, dass ein Handeln falsch war und legen ihre Oberflächlichkeit ab. Kaum einer besitzt noch dasselbe Denken wie am Anfang, sondern ist weltoffener geworden und hat gelernt, dass erste Eindrücke und Vorbehalte gegenüber anderen Menschen nicht angebracht sind. Auch hier vermittelt die Autorin wieder ein starkes Statement und zeigt an lebendigen Beispielen, dass man sich nicht auf den ersten Eindruck und das Äußere eines Menschen verlassen soll, sondern es sich lohnt, andere kennenzulernen.
August ist der Mittelpunkt des Buches. Immer wieder gibt es einen Bezug zu seiner Geschichte und ihn lernt man im Verlauf der 448 Seiten am besten kennen und erhält dadurch zu ihm den stärksten Bezug. Ich habe August in seiner unschuldigen und liebenswerten Art schnell ins Herz geschlossen. Er ist ein aufgeweckter Junge und es war eine Bereicherung zu lesen, was ihn glücklich macht, ihn aber auch am Verhalten anderer Menschen stört. Oft wollte ich ihn in den Arm nehmen und habe zu ihm eine Bindung aufbauen können. Er hat mit Emotionen nicht gegeizt und wirkte daher lebendig und authentisch. Ich mochte es an August auch sehr, wie er viele Angelegenheiten durchdenkt und sich um andere Menschen sorgt. Obwohl er ein kleiner zehnjähriger Junge ist, finde ich ihn in seinem Auftreten viel stärker als manche erwachsene Protagonisten aus anderen Büchern!

Fazit:
Eine unglaubliche Geschichte über einen mutigen, liebenswerten kleinen Jungen, der seinen Weg geht und zeigt, dass erste Urteile absolut nicht angebracht sind. Ich finde es richtig stark, welche Botschaften die Autorin dem Leser mit auf den Weg gibt und wie viel Liebe, Empathie und Wärme sie den Protagonisten, ach der ganzen Geschichte eingehaucht hat.
Ich habe bereits ein weiteres Buch entdeckt, welches weitere Blickwinkel auf die Geschichte von August Pullman gibt. Ganz bald will ich mir dieses bestellen und lesen, ich merke, dass mich das Schicksal und die Tapferkeit des kleinen Jungens noch nicht loslässt.
Ich möchte für das Buch eine ganz große Leseempfehlung aussprechen. Es ist unfassbar berührend und mitreißend, ich bin absolut begeistert und kann keinen Punkt nennen, der mir nicht gefallen hat. Holt euch das Buch, lest es und lasst euch von August Pullman bezaubern!

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Veröffentlicht am 25.05.2020

Das Mädchen aus Glas

Das Mädchen aus Glas
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Handlung:
Berlin 1913
Seitdem bei Elisa von Treue im Alter von sieben Jahren die Glasknochenkrankheit festgestellt wurde, hat das Mädchen ihr Zuhause kaum noch verlassen. Sie ist sehr behütet aufgewachsen ...

Handlung:
Berlin 1913
Seitdem bei Elisa von Treue im Alter von sieben Jahren die Glasknochenkrankheit festgestellt wurde, hat das Mädchen ihr Zuhause kaum noch verlassen. Sie ist sehr behütet aufgewachsen und kennt nur wenig von der Welt außerhalb des Elternhauses.
Louis Lindquist hingegen ist ein Draufgänger, er treibt sich gerne in der Stadt herum und erlebt auch gerne mal ein kleines Abenteuer. Verständlich, dass er sich ein Leben wie Elisa es führt, nicht vorstellen kann.
Für diese so charakterlich unterschiedlichen Menschen wird eine Ehe von den Eltern arrangiert, der Beide nicht zustimmen. Zumal Elisa in ihren Arzt und besten Freund Wilhelm verliebt ist. Doch was die Eltern beschlossen haben, wird durchgeführt, obwohl ihre Kinder mit der Ehe nicht glücklich sind.
Mit Widerwillen sind Elisa und Louis nun verheiratet und müssen sich irgendwie arrangieren. Und dabei lernen sie sich nicht nur besser kennen, sondern auch einander schätzen. Doch am Horizont ziehen dunkle Wolken auf, langsam rückt der Erste Weltkrieg immer näher und damit auch Elisa's Angst, dass die zwei wichtigsten Männer in ihrem Leben an die Front müssen...

Meinung:
Das Cover ist recht schlicht gehalten und gefällt mir sehr gut. Ich mag sowohl den Creme-Ton als Hintergrund, als auch die gelblichen Details durch die Schrift, aber auch anhand des gelben Kreises. Normalerweise bin ich ja kein großer Fan davon, dass Personen, die auf dem Cover abgebildet sind, den Leser halb anschauen oder man so deutlich die Gesichtszüge sieht. Bei diesem Roman hat mich das absolut nicht gestört, ich finde es sehr passend und habe die junge Dame ein wenig mit Elisa in Verbindung gebracht. So ähnlich habe ich mir ihren Charakter vorgestellt und hatte so ein erstes Bild der Hauptprotagonistin vor Augen. Insgesamt finde ich das Gesamtbild sehr einzigartig und ansprechend, mir wäre es in einer Buchhandlung positiv ins Auge gefallen und ich hätte das Buch auf jeden Fall in die Hand genommen!

Erstmals gesehen habe ich den Roman bei Testleser-Portal von Random House, bei dieser Aktion jedoch kein Glück gehabt. Und weil der Roman mich nicht losgelassen hat, mir immer wieder im Kopf herumgeschwirrt ist und ich darüber nachgedacht habe, erhielt ich das Werk dann glücklicherweise vom Bloggerportal, wofür ich sehr dankbar bin. Es ist für mich Stand jetzt der beste Roman, den ich dieses Jahr gelesen habe und dabei möchte ich erwähnen, dass schon einige Highlights dabei waren!

Vielleicht ein – zwei Tage nachdem das Buch bei mir angekommen ist, habe ich schon direkt mit dem Lesen begonnen. Und kaum noch aufgehört. Es ist sehr locker geschrieben, die Kapitel wurden recht kurz gehalten und es gibt starke Stimmungen, die sich auch auf mich übertragen haben. Mir gefällt die Personenzeichnung und wie schnell erste Entwicklungen sichtbar waren und auch das Setting konnte ich mir deutlich vorstellen. Im Grunde habe ich mich schon nach wenigen Seiten wohlgefühlt und wollte die Welt von Elisa gar nicht mehr verlassen. Der Roman übte eine starke Anziehungskraft auf mich aus und am liebsten hätte ich es innerhalb von einem Tag ausgelesen, habe mich dann aber gezügelt. Immerhin wollte ich so lange wie möglich etwas von dem Buch haben und es genießen. Am Ende war es dann innerhalb von drei Tagen ausgelesen und ich war nicht nur emotional sehr berührt, sondern auch unglaublich unglücklich, dass das Lesevergnügen schon vorbei ist...

Es gibt einen sehr leichten Schreibstil, der den Leser durch den Roman schweben lässt. Ohne viel Mühe lassen sich die Worte lesen und ergeben eine wundervolle und mitreißende Geschichte, die mich nicht losgelassen hat. An vielen Stellen habe ich mich gefühlt, als würde ich mit den einzelnen Personen in einem Zimmer sitzen, sie sehen und hören und so ein heimlicher Zeuge der Situationen sein. Es gibt lebhafte Beschreibungen der Natur, aber auch von kleinen Details, die eine jede Szene authentisch und lebendig wirken lassen haben. Sei es das Flattern der Gardinen im Wind, das Knarzen von Zimmertüren oder das Zwitschern der Vögel. Anhand solcher Kleinigkeiten fiel es mir sehr leicht, mir die Situation vorzustellen und so bekam die Handlung auch einen Hauch von einem märchenhaften Faktor. Teilweise habe ich bewusst langsam gelesen, um alles noch genauer wahrzunehmen und um länger meine Freude daran zu haben. Es hat einfach Spaß gemacht, in diese Geschichte einzutauchen und die Protagonisten immer besser kennenzulernen.

Es findet eine Unterteilung in kurze Kapitel statt, die sich sehr angenehm lesen lassen. Zudem konnte man auch bei wenig Lesezeit immer mal ein paar Seiten lesen, ohne mitten in einem Kapitel abbrechen zu müssen. Zudem hatte ich so den Eindruck, dass gar keine Längen entstehen konnten, sondern die Handlung wurde immer prägnant auf den Punkt gebracht.
Auch wenn ich den Roman nicht in der Hand gehalten habe, dachte ich viel darüber nach. Und ich hatte einige Überlegungen angestellt, wie die Geschichte weitergehen, was noch passieren und wie ein mögliches Ende ausfallen könnte. Mit einigen Vermutungen lag ich dann tatsächlich richtig, in vielen Wendungen und Ereignissen hat mich das Buch immer wieder überrascht und auch das Ende barg einige Szenen, die unerwartet kamen. Es entstand eine reizvolle Mischung zwischen wenigen, bereits vorhersehbaren Momenten und Überraschungshandlungen, die die Geschichte spannend machen und immer wieder überraschen.

Der Erzähler gibt nicht nur viele Einblicke in Elisa's Leben, sondern auch in das von Louis und ab und an findet auch Wilhelm den Raum, um seine Gedanken loszuwerden. Dabei stehen Elisa und Louis deutlich mehr im Mittelpunkt und es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich das ungleiche Paar die Welt und ihre Umgebung wahrnimmt. Zudem war es für mich so einfacher, eine Beziehung zu den Protagonisten aufzubauen und ihre Entwicklung näher mitzuerleben. Ich konnte sie leichter einschätzen und hatte am Ende des Buches das Gefühl, viele Charaktere persönlich zu kennen. Sie waren für mich irgendwann keine fiktiven Personen eines Romans, sondern sind für mich zu Menschen geworden, die ich eine Zeit gekannt habe und wo sich unsere Wege jetzt getrennt haben.

Die Handlung findet vor dem historischen Hintergrund des Ersten Weltkrieges statt, der lange Zeit nicht sehr viel Platz im Roman einnimmt. Es gibt lediglich ab und an Gespräche der Gesellschaft zur politischen Situation und über die Wirtschaft. Je näher das Ende rückt, desto wichtiger wird der Krieg in den Köpfen der Protagonisten und es machen sich erste Auswirkungen bemerkbar. Besonders stark lässt sich die Recherchearbeit in den letzten Kapiteln merken, in denen Louis und Wilhelm an der Front sind. Diese sind brutal ehrlich und geben einen starken und eindringlichen Einblick in die Gedanken und Handlungen der Charaktere. Die Kapitel stehen im kompletten Gegensatz zu der bisher ruhigen und anschaulichen Handlung und geben dem Buch viel Tiefe.

Ich glaube, vor allem durch die Stimmung wurde der Roman zu so einem Highlight. Sie ist greifbar und hat sich auch immer wieder auf mich übertragen, ich habe mit den Protagonisten mitgefühlt, war mit ihnen traurig und habe mich gefreut. Sie sind mir richtig ans Herz gewachsen und haben mich mit ihrem Wesen berührt.
Es ist deutlich spürbar, wie die Stimmung sich im Roman immer wieder ändert, mal nimmt sie einen kühlen Ton an, später erscheint das ganze Bild wieder wie mit einem goldenen Filter unterlegt und wirkt dadurch sonnig, warm und einladend. All das ist auch für den Leser spürbar und so habe ich mich von der Handlung einbezogen gefühlt. Zudem konnte ich emotional mitleiden und gerade am Ende gab es für mich kein Halten mehr und ich habe einige Tränen vergossen. Die Situationen wurden so intensiv geschildert, dass man nur mitfühlen konnte. Ich glaube, das war außerdem ein Zeichen, dass ich nicht wollte, dass der Roman endet, ich war noch nicht dazu bereit, die Protagonisten zu verlassen.
Zu der Stimmung beigetragen hat auch die schrittweise Annäherung von Elisa und Louis. Es gab nicht sofort die große Leidenschaft, sondern erst mal ein Kennenlernen auf intellektueller Ebene, was in dieser Art in Romanen leider nur selten vorkommt. So konnte man sich auch als Leser ein gutes Bild der Beiden machen und leichter nachvollziehen, warum sich Louis und Elisa zu schätzen lernen. Zudem wird so vermittelt, dass es in einer Liebe nicht zwingend um das Äußere gehen muss, sondern ein miteinander harmonierender Charakter und ein respektvoller Umgang viel wichtiger ist.

Es gibt ein abwechslungsreiches Setting, man lernt verschiedene Orte Berlins kennen, treibt sich zusammen mit den Charakteren sowohl in den feineren Gegenden, als auch in den ärmlicheren Regionen herum. So entsteht ein vielfältiges Bild der Stadt und die verschiedenen gesellschaftlichen Stände zeichnen sich stark voneinander ab.
Ich konnte mir sowohl das Anwesen der Familie von Treue, als auch das der Familie Lindquist bildlich sehr gut vorstellen und fand, beide hatten ihre Ausstrahlung und ihren Charme. Während das Elternhaus von Elisa ziemlich ruhig, unbewohnt und museumsartig daherkommt und eine gewisse Kälte, aber auch Würde ausstrahlt, ist das Haus ihres künftigen Gatten das komplette Gegenteil. Es wirkt heller und freundlicher, strahlt eine angenehme Wärme aus und erscheint familiärer, belebter.
In Berlin findet ein Großteil der Handlung statt, doch es gibt auch einige Kapitel in Starnberg. Auch mit dieser Darstellung der Gegend bin ich sehr zufrieden, es wirkt lebendig und anschaulich, ich konnte mir sowohl verschiedene Häuser, als auch die Landschaft genau vorstellen und konnte nachvollziehen, weshalb sich Elisa und Louis dort so wohl fühlen.

Es gibt wirklich keinen Protagonisten, der nicht genau durchdacht ist und der in seiner Darstellung aus der Reihe tanzt. Nicht alle waren mir sympathisch, doch ich konnte mich mit ganz vielen anfreunden. Und so zeigte sich, wie auch schon beim Setting, ein breitgefächertes Bild von verschiedensten Charakteren mit unterschiedlichen Zielen und Entwicklungen.
Elisa ist ein zarter und feinfühliger Charakter, den man einfach mögen muss. Sie hat mir bereits nach wenigen Seiten sehr gut gefallen und ist mir mit jeder Seite, mit jedem Erfolg, aber auch jedem Rückschlag immer mehr ans Herz gewachsen. Sie ist für mich zu einem Inbegriff des Wortes Dame geworden und ich habe ihr Wesen sehr geschätzt. Zudem hat es mir richtig gut gefallen, wie sich die junge Frau entwickelt hat und wie sie die Erziehung ihrer Eltern ein wenig abschüttelt und eigene Wege geht. Mir jeder Seite wurde Elisa mir noch sympathischer und ich mochte es, was für ein starkes Wesen am Ende des Romans aus ihr geworden ist.
Nur zu gerne würde ich Elisa wirklich kennen, mir von ihr Ratschläge geben lassen oder einfach stumm zusammensitzen und die Gesellschaft genießen. Ich habe Elisa immer das Beste gewünscht und sie hat mich in ihrer zarten Art sehr berührt.
Obwohl Louis schon ein kleiner Frauenheld ist, hat auch er mir nach wenigen Seiten gefallen. Er hat einen sehr anziehenden Charakter und versteht es, wie er andere Menschen für sich gewinnen kann. Schnell habe ich gemerkt, dass hinter seiner rauen Schale ein weicher Kern verborgen ist und es hat mir sehr gut gefallen, wie sich Louis nach und nach geöffnet hat. Bei ihm war auch die deutlichste Wandlung zu spüren, er hat mich immer wieder überrascht und er hatte irgendwann, genau wie Elisa, mein Herz erobert. Ich habe mit beiden unglaublich gerne meine Zeit verbracht und fand, dass sie sich wunderbar ergänzt haben und tolle Hauptprotagonisten waren!

Fazit:
Ich hoffe, man konnte es aus meinen Worten herauslesen: ich bin mehr als begeistert. Und ich hoffe, dass meine Meinung dem Buch auch nur ansatzweise gerecht wird!
Mich hat der Roman mitgenommen, ich habe mich damit sehr wohl gefühlt und bin einfach glücklich damit, wie er sich entwickelt hat. Es gibt wirklich absolut keinen Aspekt, den ich negativ nennen könnte, es hat einfach alles gepasst. Von der Schreibweise über die Protagonisten über das Setting und die Stimmung. Es ergibt sich ein rundes Bild, welches einfach perfekt ist.
Dieses Jahr habe ich bereits einige sehr gute Bücher gelesen, es waren einige Favoriten dabei, von denen ich dachte, dass sie mein bisheriges Jahreshighlight sind. Und dann kam dieser Roman und hat alles andere hintenanstehen lassen. Das Buch ist einfach grandios und ich möchte es einem jeden ans Herz legen: wer eine gefühlvolle, mitreißende, emotionale und authentische Geschichte sucht, dann greift zu diesem Buch und lasst euch verzaubern!

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Das Juliusspital - Ärztin aus Leidenschaft

Das Juliusspital. Ärztin aus Leidenschaft
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Handlung:
Würzburg im 19. Jahrhundert
Die Bankierstochter Viviana Winkelmann steht vor einer schwierigen Aufgabe. Nicht nur muss sie ihren Eltern gestehen, dass sie sich unstandesgemäß verliebt hat, sondern ...

Handlung:
Würzburg im 19. Jahrhundert
Die Bankierstochter Viviana Winkelmann steht vor einer schwierigen Aufgabe. Nicht nur muss sie ihren Eltern gestehen, dass sie sich unstandesgemäß verliebt hat, sondern sie auch noch von diesem Mann schwanger ist. Viviana ist klar, dass ihre Eltern absolut nicht begeistert sein werden, gelten doch solche Liebschaften, aber auch eine ledige Mutter als absolutes Tabu-Thema in der Gesellschaft.
Viviana weigert sich, das Kind wegzugeben und infolge dessen ist, muss sie aus dem elterlichen Statdpalais ausziehen und sich plötzlich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Sie findet eine Anstellung als Gehilfin in der Apotheke des Würzburger Juliusspital, welches umgangssprachlich als „Wartesaal des Todes“ bezeichnet wird. Und während ihrer Zeit dort lernt Viviana nicht nur allerhand über verschiedenste Pflanzen, sondern entdeckt auch ihr Interesse für die Medizin. Noch immer ist es verboten, dass Frauen ein Studium der Medizin aufnehmen, doch Viviana findet Wege, um sich zu informieren und heimlich Vorlesungen zu belauschen. Doch nicht nur im Juliusspital hat Viviana Feinde, auch der Bruder hat sie nicht vergessen...

Meinung:
Das Cover wird von vielen erdfarbenen Tönen beherrscht, es besticht durch verschiedene kleine Details. Natürlich ist die goldene Schrift ein absoluter Hingucker, sie gibt viel Eleganz und könnte für die reiche Familie stehen, aus der Viviana stammt. Am linken unteren Ende befindet sich ein Gebäude, bei dem ich mir noch unsicher bin, was es darstellen könnte. Einerseits wirkt es edel aufgrund der Torbögen, aber auch der feinen Bepflanzung. Andererseits hat es für mich auch ein wenig die Ausstrahlung, die ich mit dem Juliusspital in Verbindung bringe. Auch hierzu würde der gepflegte Garten passen, anhand von einigen Szenen konnte man sich von der Umgebung ein genaueres Bild machen.
An der unteren rechten Ecke wendet sich eine junge Dame leicht dem Leser zu. Sie entstammt eindeutig einer gesellschaftlich gehobeneren Schicht, nicht nur ihr Kleid und der feine Schmuck, sondern auch die Frisur und die Haltung weisen darauf hin. Ihr Bild habe ich genutzt um mir Viviana vorzustellen.
Insgesamt finde ich die Aufteilung der verschiedenen kleinen Details sehr passend, das Cover wird perfekt ausgefüllt und erscheint dabei nicht zu überladen. Die Farben harmonieren ganz wunderbar miteinander und es ergibt sich ein Gesamtbild, welches zurückhaltend und sehr ansprechend ist. Mir gefällt es!

Ich habe von Nadja und Claudia Beinert bereits einige Bücher gelesen und mir hat ein jedes ganz hervorragend gefallen. Sowohl die Reihe rund um den Naumburger Dom, als auch den Roman über das Leben von Lenchen Demuth und Karl Marx waren ganz hervorragend recherchiert und sind mir in sehr guter Erinnerung geblieben. Ab und an schaue ich immer auf der Facebookseite der Schwestern vorbei, stets mit der Hoffnung auf neue Informationen zu einem kommenden Roman. Und als ich dann das neue Buch in der Verlagsvorschau gesehen habe und die Inhaltsangabe gelesen habe, ist es direkt auf meine Wunschliste gewandert. Es klingt einfach unheimlich spannend und interessant und ich war mir sicher, dass auch dieses wieder ein Lesevergnügen verspricht.

Schon bei dem Personenverzeichnis zeichnet sich die besondere Note der Schwestern ab. Zu jedem Protagonisten gibt es nicht nur eine Erklärung, wer er ist, sondern auch eine rätselhafte Anmerkung, die direkt Spannung erzeugt und die verschiedenen Charaktere geheimnisvoller macht. Man merkt allein an diesem kleinen Detail, wie viel Herzblut in dem Roman steckt und das sich über die Personen viele Gedanken gemacht wurden.
Auf jeden Fall erhält man so direkt einen ersten Einblick auf die Charaktere, man erkennt familiäre, aber auch berufliche Zusammenhänge und kann bereits erste Vermutungen anstellen. Sei es um Geheimnisse, Krankheiten oder auch mögliche Liebesbeziehungen vonseiten Vivianas...
Gerade bei den Professoren hat mir das Personenverzeichnis sehr geholfen. Manche Namen habe ich anfangs ein wenig durcheinandergebracht und so konnte ich mir auf einen Blick wieder ins Gedächtnis rufen, wer wer ist und welche Rolle er am Juliusspital einnimmt.

Unterteilt wird der Roman in drei Teile, die alle eine Überschrift haben, die erst durch die fortschreitende Handlung Sinn macht. Zudem werden so die Entscheidungen von Viviana in den Mittelpunkt gestellt und mit dem Beginn eines neuen Teils beginnt auch ein neuer Lebensabschnitt von der jungen Frau.
Neue Kapitel haben am Anfang immer die Information, in welchem Monat, sowie in welchem Jahr die folgende Handlung stattfindet. Das war sehr sinnvoll und ich habe es für gut empfunden, immerhin vergehen gut fünfeinhalb Jahre und öfter werden Zeitrsprünge eingesetzt, um das Buch nicht ins Unendliche zu strecken. Zudem wird so auch das Risiko verringert, dass Längen entstehen und man sich so leicht langweilen könnte.
Es gibt einen Erzähler, der mit einer gewissen Distanz die Ereignisse wiedergibt. Dabei nimmt er keine Position ein und überlässt es vollkommen dem Leser, wie man die einzelnen Protagonisten einschätzt, ob man sie sympathisch oder unsympathisch findet. Zudem gibt er nicht nur Einblicke in Vivianas Leben, sondern auch in das vieler anderer Protagonisten. So gibt es auch immer wieder Informationen in die Gedanken und Erlebnisse anderer Personen, u.a. der Familie Winkelmann, aber auch die Ärzte des Juliusspital kommen so zu Wort. Als Folge dessen entsteht ein breitgefächertes Bild der Gesellschaft, zudem kann man so die Charaktere noch besser kennenlernen und einschätzen. Mir ist es auch einfacher gefallen, Handlungen und Aussagen zu bewerten und so die Charaktere als sympathisch oder als unangenehm zu werten.

Ich hatte absolut keine Probleme, um in den Roman zu starten und mich auf die Handlung einzulassen. Es herrscht eine meist eine einfache und gut verständliche und lesbare Schreibweise vor, aufgrund der ich das Buch mit Freude in die Hand genommen habe. Anspruch erhält der Roman vor allem durch allerhand Beschreibung von medizinischen Forschungsergebnissen, aber auch durch diverse Untersuchungsmethoden, die Viviana lernt. Mit dem zuletzt genannten hatte ich keine Verständnisprobleme, diese fand ich einfach und anschaulich beschrieben. Ich konnte mir darunter etwas vorstellen und habe auch den Sinn hinter den Worten verstanden.
Obwohl die Autorinnen versucht haben, Sachverhalte und Motivationen, sowie die Ergebnisse der Forschungen leicht und einfach niederzuschreiben musste ich manche Sätze mehrmals lesen, um alles einigermaßen nachvollziehen zu können. Vielleicht stand mir hier auch meine Schwäche in der Biologie im Wege, mit diesen Szenen habe ich mich etwas schwerer getan. Trotzdem haben sie meinem Lesefluss keinen Abbruch getan und zum Glück traten die Abschnitte wohldosiert auf.

Lange Zeit hat mir der Roman gut gefallen. Er war interessant, es ist anhand von vielen Textstellen eine hervorragende Recherche erkennbar und ich hatte Freude am lesen. Mir fehlte aber ein Highlight, eine Wendung, die unerwartet kommt und welche noch mehr Schwung in die Handlung hereinbringt. Ich wusste selbst nicht richtig, was genau mir fehlt, um das Buch unvergesslich zu machen. Ich musste viele Seiten darauf warten, ungefähr 160 Seiten vor dem Ende ist der Knoten geplatzt. Von diesem Moment an habe ich das Buch nicht mehr aus der Hand gelegt und wollte unbedingt wissen, wie alles endet, wie es Viviana weiterhin ergehen wird und was mit den anderen Protagonisten passiert. Nicht nur hatte Viviana plötzlich einen Plan, wie sie ihr Ziel erreichen möchte, sondern es wird jetzt auch deutlich, dass man sich in einer Person stark getäuscht hat und diese mochte ich tatsächlich richtig gerne. Ich war gefesselt von der Spannung und habe diese Seiten richtig genossen.

Wie gerade erwähnt, es gibt eine wunderbare Recherche vonseiten der Autorinnen. Es ist aus verschiedenen Szenen herauszulesen, wie viel Mühe sie sich gegeben haben und wie viel Arbeit hinter dem Roman steckt. Ich stelle es mir nicht nur schwierig vor, sich in die Medizin, in die Forschungen der jeweiligen Ärzte einzulesen und die Sachverhalte zu verstehen. Diese dann mit eigenen Worten verständlich und klar auszudrücken ist sicherlich nicht einfach. Den Schwestern ist das gut gelungen und ich bin mehr als beeindruckt, wie viel Mehrwert die einzelnen Aussagen haben.
Und es ist ihnen ebenso gelungen, den Ärzten, die tatsächlich gelebt haben, viel Charakter und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie genauso waren und ihre Wesen perfekt getroffen wurden. Ich fand es lediglich etwas fragwürdig, dass sich die Professoren teilweise so viel mit Viviana, der Gehilfin der Apotheke, beschäftigt haben und sie auch kannten. Bei einem oder zwei hätte ich mir das gefallen lassen und klar ist Viviana durch ihren Wunsch Ärztin zu werden in den Mittelpunkt gerutscht. Doch ich finde es etwas unglaubwürdig, dass sich die Ärzte so sehr mit ihrem Wesen beschäftigt haben. Ich hätte eher gedacht, dass Viviana dafür ein zu kleiner Faktor des ganzen Juliusspitals ist.

Jede einzelne Szene findet in Würzburg statt, eine Gegend, die ich nicht wirklich kenne. Daher war ich darauf gespannt, wie die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten und Ecken dargestellt wird. Gerade auf einigen Spaziergängen von Viviana lernt man einige markante Orte kennen und ich konnte mir ganz gut ein Bild von der Stadt machen. Einige angesprochenen Gebäude oder Wege habe ich gegoogelt, um zu wissen, wie es tatsächlich aussieht.
Im Mittelpunkt steht das Juliusspital, ich glaube, dort finden die meisten Szenen statt. Ich konnte es mir gut vorstellen und war überrascht, dass ich es nie so negativ wahrgenommen habe, wie ein Großteil der Bevölkerung. Schon nach wenigen Seiten tauchte der Vermerk auf, dass das Spital auch als „Wartesaal des Todes“ bezeichnet wird und dementsprechend hatte ich gedacht, dass sich diese negative Energie auch auf den Leser überträgt. Doch meist wirkte das Spital auf mich eher freundlich und hoffnungsvoll ( im Sinne, dass Patienten behandelt und geheilt werden können). Nur selten, speziell in den Räumen, wo Leichen seziert werden, kam auch bei mir eine negative Stimmung auf, die Szenen waren eher kühl und hinterließen bei mir ein ungutes Gefühl.
Außerdem spielen einige Szenen im Stadtpalais der Familie Winkelmann. Auch bei diesem Gebäude fand ich es interessant, wie unterschiedlich ich es wahrgenommen habe. Gerade am Anfang wirkte es gemütlich und einladend und die einzelnen Räume strahlten nicht nur viel Eleganz, sondern auch Wärme aus. Diese Mischung hat mir richtig gut gefallen, so wirkte das riesige Gebäude mit mehreren Etagen gemütlich und heimelig. Je mehr die Handlung fortschreitet, desto mehr verliert das Gebäude seinen Charme und die Wärme. Es wirkt irgendwann nicht mehr belebt und ich konnte verstehen, wenn sich auch die Protagonisten dort nicht mehr so wohlgefühlt haben oder Viviana ihr einstiges Zuhause mit anderen Augen betrachtet.

Mir haben die Charaktere in ihrer Art richtig gut gefallen. Sie waren lebendig und authentisch, ihre Handlungen glaubwürdig und ich konnte mir bei vielen vorstellen, dass sie in ihrem Wesen tatsächlich so gelebt haben könnten. Und das gilt sowohl für die realen, als auch für die fiktiven Protagonisten! Nicht jeder ist der sympathische oder unangenehme Mensch, für den man ihn anfangs hält und viele zeigen verschiedene Seiten ihrer Person. So täuscht man sich leicht in einigen Charakteren und es wird aufgezeigt, dass man sich nicht auf seinen ersten Eindruck verlassen soll, sondern die Menschen erst kennen muss, um sie einzuschätzen und um mögliche Sympathien zu verteilen.
Viviana steht eindeutig im Mittelpunkt, man begleitet sie über fünf Jahre hinweg und kann eine Entwicklung von einer wohlbehüteten, etwas naiven Mädchen aus gutem Hause bis hin zu einer selbstbewussten und willensstarken jungen Mutter, die für ihr Einkommen arbeitet, betrachten. Anfangs war sie mir etwas zu blauäugig und es war mir klar, dass sie ab und an auf die Nase fallen wird. Doch mit ihrer Wandlung wird mir Viviana immer sympathischer und ich mochte ihr Wesen immer mehr. Ich finde ihre Entwicklung sehr gelungen, lediglich habe ich etwas damit gehapert, dass sie, die noch nie in ihrem Leben gearbeitet hat und stets ein Leben voller Luxus hatte, sich plötzlich und ohne Probleme mit einfachen Dingen und einer Arbeit abfindet. Es gab nie eine Stelle, wo sie Probleme damit hatte oder sich beschwert hat.

Fazit:
Ich finde es ja immer ein bisschen schade, dass es nicht mehr Romane der Schwestern gibt. Und nach jedem gelesenen Buch von ihnen komme ich wieder zu der Überzeugung, dass es genau richtig ist, dass sie sich so viel Zeit nehmen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viel Zeit es dauert, um sich nicht nur von den verschiedenen Professoren ein Bild zu machen, sondern auch von den medizinischen Zusammenhängen. All dies nicht nur zu verstehen, sondern auch für den Leser verständlich und mit eigenen Worten zu wiederholen. Darin sind die Beiden wahre Meister und ich freue mich bereits jetzt auf den zweiten Teil, aber auch auf ganz viele folgende Werke.
Ich habe absolut keinen Punkt zum meckern oder den ich hier nochmals negativ aufzählen möchte. Daher gibt es von mir die volle Bewertung und eine große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Die Schwestern vom Ku'damm - Tage der Hoffnung

Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung
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Handlung:
Berlin 1958
Florentine Thalheim kehrt aus Paris wieder in die Hauptstadt zurück. Sie hat in Frankreich allerhand Inspirationen sammeln können und fühlt sich in ihrem Wunsch bestärkt, sich ganz ...

Handlung:
Berlin 1958
Florentine Thalheim kehrt aus Paris wieder in die Hauptstadt zurück. Sie hat in Frankreich allerhand Inspirationen sammeln können und fühlt sich in ihrem Wunsch bestärkt, sich ganz der Malerei und dem Zeichnen hinzugeben. Und dabei möchte sie gerne eigene Wege gehen und nicht direkt im berühmten Kaufhaus der Familie Karriere machen. Denn zuerst möchte Flori erste Erfolge in der Kunstbranche sammeln, welche dazu führen sollen, dass die Eltern, aber auch die beiden Schwestern ihr Talent anerkennen. Um dies zu erreichen wagt Florentine den Versuch und schreibt sich an der Berliner Kunstakademie ein...

Meinung:
Natürlich fällt beim Betrachten des Covers sofort die Ähnlichkeit zu den anderen zwei Bänden auf. Dieses wurde ähnlich gestaltet, wieder gibt es einen beigen Hintergrundton, der einen ruhigen Faktor reinbringt. Dazu gibt es eine Alltagsszene, Menschen, als auch verschiedene Autos sind in der Stadt unterwegs und so gibt es einen Einblick in das alltägliche Leben. Das eigentlich in Grautönen gehaltene Bild bekommt durch einige farbige Details wie das rote Auto oder die orangene Schrift einen farblichen Hingucker, der für mich den Kern der Zeit trifft.
Außerdem ist eine Dame zu sehen, ganz in der Mode der damaligen Zeit gekleidet, die fast schon herausfordernd den Leser anschaut. Ich finde durchaus, dass sie ihrem Auftreten nach Flori Thalheim sein könnte, auch wenn ich sie stets in flippigeren Kleidungsstücken gesehen habe.
Diesmal ist der Titel in zwei verschiedenen Pinknuancen untermalt, die einerseits fröhlich und unbeschwert wirken, mir etwas zu knallig sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Flori nicht mit dieser Farbe in Verbindung bringen würde, sondern eher mit kräftigen Rottönen...
Insgesamt ist das Bild aber doch recht auffällig und ich mag die Komposition der verschiedenen kleinen Aspekte sehr gerne. Sie ergänzen sich gut und erschaffen ein Cover, welches man nicht so schnell vergisst.

Letztes Jahr habe ich direkt hintereinander die ersten beiden Bände gelesen, jetzt ist endlich der dritte und letzte Teil erschienen. Ich habe mich riesig darauf gefreut und selbstverständlich stand auch dieser Titel auf meiner Wunschliste. Ich bin dem Verlag sehr verbunden, dass ich das Buch als Rezensionsexemplar erhalten habe, wofür ich auch an dieser Stelle nochmals meinen Dank aussprechen möchte. Ich war nicht nur gespannt auf das Buch, sondern auch auf meinen Eindruck von Flori, denn bisher erschien sie mir als unsympathischste und schwierigste der drei Schwestern.

An Tag eins habe ich ungefähr 50 Seiten gelesen, ich brauchte dann erst mal eine Pause, um das Gelesene zu verarbeiten, mich an diverse Details und Beziehungen aus den vorherigen Bänden zu erinnern um mich so wieder in der Geschichte zurechtzufinden. Am zweiten Tag des Lesens war ich vollkommen angekommen und konnte das Buch wirklich nicht aus der Hand legen. Die restliche Handlung von knapp 400 Seiten inklusive Anhang habe ich dann innerhalb von knapp zwölf Stunden ausgelesen gehabt und war somit viel schneller mit dem Buch fertig, als ich gedacht hatte. Und ich denke, allein diese Tatsache, dass ich ein Buch mit solcher Länge innerhalb von einer so kurzen Zeit ausgelesen habe, sagt schon viel über das Werk aus.

Es herrscht ein sehr angenehm bildhafter Schreibstil vor, der mir ein schnelles und angenehmes Lesen ermöglicht hat. Sowohl das Setting, als auch die Protagonisten haben starke Züge erhalten und wirkten sehr lebendig. Es gibt ganz wunderbare Schilderungen der Szenen, keine wirkte zu überzogen oder war mit zu viel Drama ausgestattet. Dazu gibt es noch viele historische Fakten und Persönlichkeiten, die mit eingearbeitet wurden. So entsteht am Ende eine fantastische, informative und authentische Schreibweise, die mir beim Lesen richtig gut gefallen hat und die einfach Spaß macht.

Unterteilt wird der Roman in Kapitel, die eine angenehme Länge haben und immer wieder mit Absätzen durchspickt sind, sodass man das Buch auch mal bequem aus der Hand legen könnte.
Durchweg wurde die Geschichte von einem allwissenden Erzähler beschrieben, wobei dieser immer nur wohldosiert die Geheimnisse verrät und nie zu viel preisgibt. Jedes Kapitel dreht sich dabei um Florentine und ihre Erlebnisse, sie steht eindeutig als Hauptprotagonistin im Mittelpunkt und kein anderer kann ihr mit ihrer starken Zeichnung das Wasser reichen. Ein wenig schade fand ich es schon, dass die restliche Familie Thalheim nicht mehr so häufig auftritt und man nur noch wenige Details aus dem Leben der anderen Schwestern erfährt. Ich habe das Gefühl, dass es in den vorherigen Teilen, gerade im ersten Band, ein ausgeglicheneres Verhältnis gibt und auch die anderen Schwestern, sowie die Eltern mehr auftauchen. Gleichzeitig zeigt sich hier ein selbstständiger und unabhängiger Charakterzug von Flori, die nicht innerhalb des Familienunternehmens Karriere machen möchte, sondern ihren eigenen Weg gehen will.
Der Erzähler gibt nicht nur beständig Einblicke in das Leben von Florentine und ihren Liebsten, sondern auch in die politische Situation. Immer wieder gibt es Informationen über die Politik, den Wiederaufbau und die Entwicklung der Stadt, aber auch der Wirtschaft. Diese wurden immer sehr geschickt in die Handlung eingefädelt, sie passten zu der jeweiligen Situation und manche Ereignisse wurden so beschrieben, dass ich das Gefühl hatte, die jeweilige Szene live mitzuerleben.

Am Anfang neuer Kapitel gibt es stets die Information über das Setting, aber auch das Handlungsdatum der folgenden Szene findet eine Erwähnung. Das war wirklich hilfreich und wichtig, immerhin vergehen im Verlauf der Handlung ganze fünf Jahre. Beginnen tut die Geschichte 1958 und sie endet 1963. Allein durch die Angaben dieser zwei Jahreszahlen kann man sich schon grob vorstellen, was alles geschehen wird und wie sich die Lage in Deutschland weiter zuspitzen wird. So kann man sich als Leser auf eine Geschichte freuen, die ohne Verschönerungen die politische Lage in Deutschland wiedergibt und es lässt sich viel Wahrheitsgehalt aus der Geschichte herauslesen.
Um das gerade gelesen zu verinnerlichen und sich manche historische Details nochmal in Erinnerung zu rufen gibt es am Ende außerdem eine Zeittafel, die die Ereignisse der Handlungszeit zusammenfasst. Ich finde, dass bildet einen schönen Abschluss des Buches und rundet das gerade gelesene ab.

Als Setting dient zu weiten Teilen Berlin, nur sehr selten findet mal eine Szene woanders statt. Hier steht das Kaufhaus der Familie auf dem Ku'damm nicht mehr so stark im Mittelpunkt, es wird seltener als Handlungsort genutzt wie noch in den ersten beiden Teilen. Trotzdem hatte es einen großen Wiedererkennungswert und besitzt noch immer dieselbe Ausstrahlung wie in den anderen Bänden.
In diesem finalen Teil liegt ein großes Augenmerk auf der Kunstakademie, sowie auf den Privatwohnungen, in denen Flori selbst lebt oder in denen sie zu Besuch ist. Diese wurden meiner Meinung nach viel stärker gezeichnet und ließen sehr starke Bilder und Stimmungen bei mir entstehen. Manche Wohnungen wirkten direkt einladend und warm, andere kühl und abweisend und diese Empfindungen habe ich dann auch mit den jeweiligen Protagonisten in Verbindung gebracht.

Bereits bekannte Protagonisten haben ihre Wesen beibehalten und zeichnen sich immer noch durch dieselben Charakterzüge aus. Sie ließen sich dadurch schnell wiedererkennen und haben mir in ihrer Darstellung gut gefallen. Ich hätte es mir gewünscht, dass gerade Flori´s Familie öfters aufgetaucht wäre und es mehr Szenen gegeben hätte, in denen die gesamte Familie Thalheim vereint ist. Es entstand dann stets eine besondere Energie, die mitreißend war und mir sehr gut gefallen hat.
Auf jeden Fall war ich gespannt darauf, wie sich Florentine hier präsentieren wird. Sie war mir in den vorherigen Teilen nicht ganz so sympathisch wie die anderen beiden, sie war jugendlicher, aufmüpfiger und trotziger. Da waren mir sowohl Rike, als auch Sylvie sympathischer, sie waren reifer und erwachsener. Auf jeden Fall muss ich sagen, dass ich beeindruckt bin, wie sehr sich Flori weiterentwickelt hat. Sie macht im Verlauf des Romans eine tolle Wandlung durch, es war aber auch schon zu Beginn eine Entwicklung erkennbar. Man konnte deutlich merken, dass ihr die Zeit in Paris, fern von ihrer Familie geholfen hat und aus einem Küken eine erwachsene und eigenständige Frau gemacht hat. So habe ich mich mit Flori leicht getan, sie war eine sympathische Hauptprotagonistin, die nicht perfekt ist und sich für ihre Ziele einsetzt.

Fazit:
Auch dieser letzte Band der Reihe rund um die Schwestern Thalheim konnte mich vollkommen überzeugen. Es gibt eine wunderbare Schreibweise, die einen durch das Buch trägt und das Lesen zum Vergnügen macht. Es gibt zahlreiche Überraschungen, mit denen ich nicht gerechnet hätte und die stets eine neue Wendung bringen. Dazu gefällt es mir richtig gut, wie historische Begebenheiten in die Handlung eingebunden und erklärt wurden. Es gibt einen nahtlosen Übergang von Fiktion und Wahrheit, ich kann mir gut vorstellen, dass die Protagonisten genauso gelebt hätten können!
Eine ganz tolle Reihe, die mich vollkommen überzeugen konnte. Ich kann für das Buch nur eine Leseempfehlung aussprechen und werde die Augen nach neuen Werken der Autorin offen halten!

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