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Veröffentlicht am 12.02.2021

Hat es in sich!

Der weiße Abgrund
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Allgemeines:

Henning Boëtius hat Romane, Essays, Lyrik und Sachbücher verfasst. Er wuchs auf der Insel Föhr auf und lebt heute in Berlin. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Kriminalromane um ...

Allgemeines:

Henning Boëtius hat Romane, Essays, Lyrik und Sachbücher verfasst. Er wuchs auf der Insel Föhr auf und lebt heute in Berlin. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Kriminalromane um den niederländischen Kommissar Piet Hieronymus bekannt. Der weiße Abgrund, eine Mischung aus Fakten und Fiktion, ist als Hardcover im Juli 2020 bei btb erschienen und umfasst 190 Seiten.

Inhalt:

„Paris, um 1850. Durch eine unheilbare Krankheit ans Bett gefesselt, versucht Heinrich Heine seinem bevorstehenden Tod ein letztes Werk abzutrotzen: seine Memoiren, die sein Opus Magnum werden sollen. An den illustren Diners der Pariser Bohème kann er schon lange nicht mehr teilnehmen. Stattdessen empfängt er gelegentliche Besuche deutscher Exilanten oder französischer Künstlerfreunde. Dann sucht überraschend Elise Krinitz seine Bekanntschaft: eine junge Frau, die Heine bewundert und zugleich hofft, in ihm einen Mentor für ihre eigenen literarischen Ambitionen zu finden. Mit ihr, die er zärtlich-ironisch „Mouche“ nennt, hat er bald darauf eine zwar platonische, aber nicht minder leidenschaftliche „Affäre“. Seine Memoiren aber werden, nachdem Heine am 17. Februar 1856 stirbt, für alle Zeit verschollen bleiben. Eingebettet in ein faszinierendes Panorama des Paris seiner Zeit, zeichnet Boëtius‘ Roman das einzigartige Porträt der letzten Lebensjahre des großen deutschen Dichters Heine.“ (Quelle: Verlagsgruppe Penguin Random House)

Meine Meinung:

Henning Boëtius ist ein Schriftsteller, der sehr vielseitig ist. Er hat Krimis geschrieben und auch viele historische Romane. Der Heinrich Heine Roman Der weiße Abgrund ist ein kleines feines Buch, das man behutsam behandeln möchte. Das Cover ist wunderschön gestaltet. Man fühlt sich sofort in die Zeit Heines hineinversetzt. Das ist dem Verlag wunderbar gelungen.

Der schmale Roman ist in viele Unterkapitel unterteilt. Im ersten Kapitel „Das blaue Wrack I sitzt der Ich-Erzähler am Ufer des Meeres und lässt sich treiben von seinen Gedanken. Er sitzt auf einem alten Bootswrack und wartet auf einen Freund, mit dem er Gedichte lesen möchte, Gedichte aus einem alten Buch, das er in Händen hält. Anschließend verflüchtigt sich dieses Buch, indem alle Seiten durch die Gegend wirbeln. Auch Heinrich Heine liebte Zeit seines Lebens das Meer, war auf Helgoland und auf Norderney. Daher denke ich, dass Boëtius ganz bewusst diesen Einstieg in das Buch gewählt hat. Danach geht es mit einem Szenenwechsel nach Paris weiter, wohin Heine emigriert ist. Ich selber bin kein großer Kenner Heinrich Heines, daher kann ich nicht beurteilen, was an diesem Roman auf realen Hintergründen beruht und was reine Fiktion ist. Eines aber weiß ich, dass die Sprache von Boëtius wunderbar ist. Kein Wort zu viel, Bilder, die einem eindrücklich fast schon unter die Haut gehen. Gerade im ersten Kapitel fühlt man sich ans Meer versetzt und lässt sich den Wind um die Nase wehen.

Boëtius beschreibt in seinem Roman die letzten Lebensjahre des Dichters Heinrich Heine, der in Paris im Exil lebte. Es ist schon schwierig für einen Leser, der sich kulturell für diese Zeit bisher noch nicht so vertiefend interessiert hat, die Personen, die auftreten, zeitlich richtig einzuordnen. Liszt und Chopin sind einem durchaus bekannt, aber viele anderen Personen eher nur am Rande. Man kann dieses Buch aber auch lesen, ohne über historisches Wissen in großem Ausmaß. Denn das Buch an sich ist ein wahrer Lesegenuss. Heinrich Heine scheint ein richtiger Schürzenjäger gewesen zu sein. Als er seine Frau Mathilde, die eigentlich Augustiner heißt, kennenlernt, ist ihm bewusst dass sie ungebildet, kulturell uninteressiert und somit ein Mensch ist, der eigentlich gar nicht zu ihm passt. Dennoch heiratet er sie und bleibt bis zu seinem Tode mit ihr zusammen. Das Buch ist eine Aneinanderreihung von Kapiteln aus Heines letzten Lebensjahren. Von seiner Krankheit gezeichnet ist der soziale Abstieg deutlich erkennbar. Heine lebt in sehr einfachen Verhältnissen. Heinrich Heine selber ist dem Leser als Reiseschriftsteller, Feuilletonist, Lyriker – einfach als großartiger deutscher Dichter bekannt. Wer kennt nicht das Wintermärchen oder die Loreley…

Fazit:

Dieses schmale Buch hat es in sich. Wenn man Lust hat, auch einmal Fakten zu recherchieren, kann man es besonders gut lesen und ein bisschen interessieren muss man sich auch für den großen Heinrich Heine.

Veröffentlicht am 24.01.2021

Innovatives Thema

Inspired
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Allgemeines:

Am 30.11.2020 ist der neue Roman der deutschsprachigen Autorin Nicole Gozdek im Piper Verlag erschienen. Das Taschenbuch Inspired – Magie der Muse hat 400 Seiten. Es handelt sich um einen ...

Allgemeines:

Am 30.11.2020 ist der neue Roman der deutschsprachigen Autorin Nicole Gozdek im Piper Verlag erschienen. Das Taschenbuch Inspired – Magie der Muse hat 400 Seiten. Es handelt sich um einen Einzelband.

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Meine Rezensionen zu Gozdeks Romanen Die Magie der Namen, Die Magie der Lüge und Prophezeiungen für Jedermann findet ihr unter den jeweiligen Romantiteln verlinkt.

Inhalt:

„In Tressina City gelten die goldäugigen Musen als die Elite unter den Völkern. Sie gehen meist ein Bündnis mit einem menschlichen Partner ein, um ihre magischen Kräfte entfalten zu können. Der 22-jährige Jay aus dem menschlichen Getto sieht in den Musen jedoch nur seine Chance, um mithilfe ihrer Magie zum Verbrechergenie zu werden. Kurzerhand entführt er die 18-jährige Muse Niliana, die allerdings keineswegs die Absicht hat, ihm zu helfen. Als die beiden bei einem Streit ungewollt das Musenbündnis und damit Nilianas volle Kräfte aktivieren, kann sie ihre Macht nur noch in Zusammenarbeit mit Jay einsetzen – und möchte ihren ahnungslosen Verlobten so schnell wie möglich wieder loswerden.“ (Quelle: Piper Verlag)

Meine Meinung:

Ein Fantasyroman über Musen hat mich inhaltlich direkt angesprochen. Dieses Thema ist mir bisher nicht häufig in der Fantasy begegnet. Um ehrlich zu sein, habe ich mich deshalb auch noch nicht wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt. Musen wohnt jedoch stets etwas Mystisches inne. Gibt es sie? Könnten sie existiert haben? Sind sie das, wozu wir sie machen? Sind es „gewöhnliche Frauen“, die jemanden inspirieren? Oder haben sie andere, verborgene Talente, die es zu entdecken gilt?

Gozdek hat dieser Thematik in meinen Augen auf ihre ganz eigene Art und Weise Leben eingehaucht. Dabei beleuchtet sie das Thema der Musen sehr kritisch. Häufig werden Frauen und Männer, die andere inspirieren, darauf reduziert, eine Muse zu sein. Im etwas anderen Sinne geschieht das auch in diesem Roman. Alle Musen haben bestimmte Fähigkeiten, die ihren jeweiligen Bündnispartner profitieren lassen. Die talentierten Musen selbst stehen dabei im Schatten ihrer Partner und werden nicht gesehen. Sie werden nicht nur nicht gesehen, ihnen wird sogar jegliches Mitspracherecht bei der Wahl des Bündnispartners abgesprochen. Ein Bündnis entsteht zwar in mehreren Schritten, wenn es jedoch geschlossen wird, kann es nicht rückgängig gemacht werden. Da die Bündnisse als von der Göttin gewollt angesehen werden, sollte man mal ein ernstes Wörtchen mit ebendieser sprechen… Musen haben Wünsche, Lebensziele und das Verlangen nach Selbstverwirklichung. Auf all das macht Gozdek in ihrer Geschichte aufmerksam und gibt den Musen eine Stimme. Obwohl es sich bei Inspired um eine romantische Fantasygeschichte handelt, gelingt es der Autorin, der gewählten Thematik Tiefgang zu verleihen, der zum Nachdenken über Beziehungen unterschiedlichster Art anregt.

Abwechselnd erzählen die beiden Protagonisten Jay und Niliana ihre Geschichte. Die beiden stammen aus Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Obwohl dieses grundlegende Setting nicht neu ist, erschafft Gozdek mit dem menschlichen Getto und dem elitären Musenviertel ein interessantes Worldbuilding. Magie ist in dieser Welt, die unserer durchaus ähnelt, omnipräsent. Aber es gibt eben auch ganz normale Menschen. Hier hätte ich mir noch etwas mehr gewünscht. Wie ist die Elite der Musen entstanden? Wer ist eigentlich diese Göttin? Und wie steht es genau mit dem Rest der Gesellschaft, die ja aus vielen fantastischen Wesen besteht? Um nur einige meiner Fragen zu nennen.

Als Leser gelingt es sehr gut, die Erzählperspektiven der Protagonisten nachvollziehen zu können. Natürlich ist es ein bisschen vorhersehbar, worauf die Geschichte der beiden hinausläuft. Aber sonst wäre dieser Roman ja auch nicht teilweise der Romantasy zuzuordnen, oder? Die Geschichte von Jay und Niliana enthält jedoch auch viele Elemente, die eher der Urban Fantasy zuzuordnen sind. Spannend werden die Entwicklungen erzählt, die Handlung gleitet rasant innerhalb weniger Tage dahin und ist geprägt von dramatischen Ereignissen. Befeuert wird das natürlich auch dadurch, dass die Protagonisten sich zunächst überhaupt nicht ausstehen können. Wer hier eine ausgeprägte Charakterentwicklung erwartet, wird enttäuscht. Aber ich bin ehrlich gesagt froh darüber, da eine Entwicklung innerhalb weniger Tage auf mich unrealistisch wirken würde. So wie Gozdek die beiden Charaktere beschreibt, wirken sie viel stimmiger und in ihren Handlungen authentisch.

Fazit:

Obwohl es sich um einen Einzelband handelt, würde ich gerne einen weiteren Roman über die Musen lesen. Gozdek neuer Roman unterhält und macht Lust auf mehr aus der Welt der

Veröffentlicht am 16.12.2020

Nimmt gefangen, erfordert aber Durchhaltevermögen

Das Flüstern der Bäume
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Allgemeines:

Michael Christie, ist in Thunder Bay, Ontario, geboren. Er studierte Psychologie und arbeitete in der Obdachlosenhilfe. Mit Das Flüstern der Bäume legt er seinen zweiten Roman vor, der mehrfach ...

Allgemeines:

Michael Christie, ist in Thunder Bay, Ontario, geboren. Er studierte Psychologie und arbeitete in der Obdachlosenhilfe. Mit Das Flüstern der Bäume legt er seinen zweiten Roman vor, der mehrfach nominiert wurde, u.a. für den bedeutendsten kanadischen Literaturpreis, den Scotiabank Giller Prize.

Das Flüstern der Bäume ist auf Deutsch am 05.Oktober 2020 im Penguin Verlag als Hardcover erschienen und umfasst 559 Seiten.

Inhalt:

„Eine Familie, vier Generationen, schicksalhaft verbunden mit den Wäldern Kanadas

Jacinda Greenwood weiß nichts über ihre väterliche Familie, deren Namen sie trägt. Sie arbeitet als Naturführerin auf Greenwood Island, doch die Namensgleichheit, so glaubt sie, ist reiner Zufall. Bis eines Tages ihr Ex-Verlobter vor ihr steht. Im Gepäck hat er das Tagebuch ihrer Großmutter. Jahresring für Jahresring enthüllt sich für Jacinda endlich ihre Familiengeschichte. Seit Generationen verbindet alle Greenwoods eines: der Wald. Er bietet Auskommen, ist Zuflucht und Grund für Verbrechen und Wunder, Unfälle und Entscheidungen, Opfer und Fehler. Die Folgen all dessen bestimmen nicht nur Jacindas Schicksal, sondern auch die Zukunft unserer Wälder …

Michael Christies grandiose Familiensaga ist großes Kino: farbenprächtig, mitreißend, bewegend!“ (Quelle: Random House)


Meine Meinung:

Das Thema von Das Flüstern der Bäume hat mich sofort interessiert. Auch die guten Kritiken im Feuilleton diverser Zeitungen haben mich neugierig werden lassen. Sehr schnell musste ich aber bemerken, dass dieses Buch sich zwar grundsätzlich gut liest, die Thematik Umweltschutz und Artensterben aber von Maja Lunde in Die Geschichte der Bienen, Die Magie des Wassers oder von Annie Proulx Aus hartem Holz aus meiner Sicht bereits sehr gut oder besser erzählt wird. Selbst der Aufbau des Buches ist den Büchern von Maja Lunde sehr ähnlich, so gibt es verschiedene Zeitebenen wie die Zukunft die Gegenwart und die Vergangenheit.

Aber zurück zum Buch. Beginnend im Jahr 2038 werden wir in eine Welt entführt, die uns zu denken geben sollte. Eine sehr merkwürdige Welt, in der die Realität auf den Kopf gestellt wird. So gibt es Arbeitsbereiche, in denen die Menschen in ihren Rechten stark eingeschränkt werden. Nur wer wirklich viel Geld hat, hat andere Möglichkeiten zu leben. Mich erinnert das sofort an George Orwells „Big Brother is watching you“. In dieser Welt beginnt die Geschichte. Michael Christie führt uns dann über die Jahre 2008, 1974,1934 und 1908 durch die Leben der Mitglieder der Familie Greenwood. Dabei geht es einmal zurück und dann wieder in umgekehrter Reihenfolge in das Jahr 2038. Dieser Aufbau des Buches macht das Lesen wirklich anstrengend. Kaum hat man sich mit einem Familienmitglied in seiner Zeit vertraut gemacht, geht es weiter mit einem anderen, in der Regel dem Vorgänger. Aber man wird komplett in einen neuen Erzählrahmen katapultiert und muss sich wieder neu orientieren. Da alles wirklich gut erzählt wird, geht das einigermaßen zügig, aber selbst mir als Vielleserin ist das oft zu anstrengend. Man ist fast gezwungen, das Buch möglichst ohne Pausen zu lesen, da man sonst schnell die Orientierung verliert und wieder zurückblättern muss. Das schmälert den Lesegenuss sehr.

Die Protagonistin Jake Greenwood lebt in der Zeitebene 2038. Sie führt sogenannte Gruppen von Pilgern an ausgewählte Plätze auf Greenwood Island. Sie darf Ihnen die schönsten Bäume dort zeigen, es ist ihr aber untersagt, auf Umweltschäden und deren Ursachen hinzuweisen. Jake ist auch anderen Beschränkungen unterworfen, die nur angerissen werden, aber beim Lesen ein mulmiges Gefühl hinterlassen. Greenwood Island scheint im Jahr 2038 eine grüne Oase inmitten von Umweltkatastrophen zu sein. Genaueres erfährt man zunächst nicht. Jake ist bewusst, dass ihr Nachname mit dem Namen der Insel korrespondiert, zieht daraus aber keine Rückschlüsse auf ihre Herkunft. Der Leser ahnt schon bald einen Zusammenhang, wie dieser zu sehen ist, entwickelt sich in der weiteren Handlung. Man erfährt nach und nach mehr über Jakes Familiengeschichte, die Insel aber bleibt ein Mythos – oder nicht? Dieses Buch hat auch große Geheimnisse!

Insgesamt wird hier eine mal mehr mal weniger spannende Familiengeschichte in einer schönen Sprache erzählt. Alle Familienmitglieder eint die große Liebe zur Natur, insbesondere zu den Bäumen.

Trotz der Sprünge in den Erzählzeiten ist man von diesem Buch gefesselt, weil man unbedingt wissen will, wie es ausgeht. Die Art und Weise wie Christie schreibt, nimmt einen einfach gefangen.

Fazit:

Ein Buch, das man nur beginnen sollte, wenn man bereit ist, durchzuhalten.

Veröffentlicht am 05.09.2020

Unbedingt hören!

Cryptos
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Allgemeines:

Die ungekürzte Hörbuchausgabe von Cryptos ist im August 2020 beim Hörverlag erschienen und hat eine Laufzeit von 12h und 53min. Die Printausgabe des Buches ist im Loewe Verlag erschienen. ...

Allgemeines:

Die ungekürzte Hörbuchausgabe von Cryptos ist im August 2020 beim Hörverlag erschienen und hat eine Laufzeit von 12h und 53min. Die Printausgabe des Buches ist im Loewe Verlag erschienen. Gelesen wird das Hörbuch von der bereits vielfach ausgezeichneten Hörbuchsprecherin Laura Maire.

Inhalt:

Kerrybrook ist Janas Lieblingswelt: ein idyllisches Fischerdorf mit viel Grün, geduckten Häuschen und einer Burgruine. Es gibt Schafe, gemütliche Pubs und vom Meer her weht ein kühler Wind. Manchmal lässt Jana es regnen. Meistens dann, wenn an ihrem Arbeitsplatz mal wieder die Kühlung ausfällt und es schon vor elf Uhr so heiß ist, dass man kaum mehr atmen kann.

Jana ist Weltendesignerin. Auf ihrem Desktop entstehen die alternativen Realitäten, in denen jeder spannende Abenteuer erleben kann, während er sich eigentlich in einer Art VR-Kapsel befindet. Denn in einer Wirklichkeit, in der das Klimasystem bereits gekippt ist, bleibt für die meisten Menschen nur die Flucht ins Virtuelle … (Quelle: Verlagsgruppe Random House)

Meine Meinung:

Ich habe vermutlich so ziemlich jedes Buch von Ursula Poznanski gelesen oder gehört. Auf meiner Liste fehlt mittlerweile nur noch Thalamus, aber das hoffe ich auch bald zu ändern. Erebos, Aquila, Elanus, … sie alle haben mich begeistert und auf ihre ganz eigene Art und Weise gefesselt. Cryptos geht jedoch einen Schritt weiter. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, kein Buch für Jugendliche zu hören. Erebos 2 hat ebenfalls bereits diese Richtung eingeschlagen, in Cryptos schreibt Poznanski nun aber wirklich für eine deutlich ältere Leserschaft. Ich würde es erst ab einem Lesealter von 16 Jahren empfehlen.

Ich habe Cryptos nicht gelesen, sondern das Hörbuch gehört. Laura Maires Stimme begleitete mich schon in verschiedenste Welten. Sie liest für mich auf einem Level mit Rufus Beck und es ist immer wieder ein Vergnügen, ihr zuzuhören.

Während des Hörens begleiteten mich die unterschiedlichsten Gefühle. Wir leben in einer Welt, in der der Klimawandel voranschreitet, immer präsenter wird. Die entsprechenden Klimabewegungen finden zwar Gehör, viele Bemühungen verlaufen aber im Sande, die Dinge werden nicht so ernst genommen. Die Gletscher schmelzen, die Erde erwärmt sich. In Cryptos ist dieser Zustand so weit fortgeschritten, dass auf der Erde so gut wie kein Leben mehr möglich ist. Deshalb werden Ressourcen gespart, die Menschen werden über Nährlösungen ernährt und bewegen sich so gut wie gar nicht mehr. Sie leben nicht mal mehr wirklich in der realen Welt. Die meiste Zeit verbringen sie im virtuellen Raum. Sie finden das nicht schlimm, stehen ihnen doch unendliche Welten zur Verfügung. Kinder lernen nicht länger in der Schule, sie besuchen virtuelle Welten, die echte historische Geschehnisse zeigen oder lernen Sprachen in Welten, in denen sie auch gesprochen werden. Ein Realitätsstopp ist noch immer vonnöten, mutet unter den aktuellen Lebensbedingungen sehr hart an. Es gibt jedoch auch einige wenige Menschen, die nach wie vor in der Realität leben müssen. Zu ihnen zählt die Protagonistin, Jana.

Jana ist Weltendesignerin, eine ziemlich erfolgreiche noch dazu. Anders als so manch anderer steht sie nicht auf brutale Welten, in denen Fantasien ausgelebt werden können. Sie kreiert auch keine Vampirwelten, in denen nachts die Bewohner mit Pfählen losziehen. Sie erschafft verschiedene Welten, von denen zwei so wirken, als wenn man tatsächlich in ihnen leben möchte. Doch plötzlich verschwinden die Leute… Was es damit auf sich hat, kann und möchte ich euch an dieser Stelle nicht verraten. Lest oder hört selbst!

Ich habe Cryptos stets auf dem Weg zur Arbeit gehört und konnte es von Tag zu Tag kaum abwarten. So schnell wie möglich wollte ich in die vielen Welten versinken. Besonders fasziniert hat mich dabei, dass man als Hörer oder Leser nicht nur eine Welt kennenlernt, sondern durch viele Welten reist. Dabei waren einige Welten recht stereotypisch aufgebaut, anderen haftete etwas Besonderes an. Durch einen relativ schnellen Wechsel der Handlungsorte gelingt es Poznanski nicht nur eine Spannung innerhalb der Handlung, sondern auch eine Spannung, in welche Welt sie uns als nächstes entführen wird, aufzubauen.

Die Handlung spitzt sich immer mehr zu, bis sie einem spannenden Showdown entgegenstrebt, den ich so nicht erwartet hätte. Danach empfand ich alles als ein wenig zu seicht und schnell gelöst. Deshalb kann ich für dieses Buch keine fünf Herzen vergeben. Obwohl mich die Grundidee der Geschichte, die Themen Klimawandel und virtuelle Realität miteinander zu verknüpfen, zugleich erschüttert und überzeugt hat. Nichtsdestotrotz alles in allem eines der besten Bücher von Poznanski!!!

Fazit:

Ein Hörbuch, mit dem man die unterschiedlichsten Welten besucht, zum Nachdenken angeregt wird und hofft, dass unsere Welt niemals so werden wird.

Veröffentlicht am 25.05.2020

Was ist die Wahrheit?

Vront - Was ist die Wahrheit?
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Allgemeines:

Vront – Was ist die Wahrheit ist Mitte Februar 2020 als gebundenes Buch bei Mixtvision erschienen. Das Buch hat 500 Seiten und wird ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen.

Der Autor, ...

Allgemeines:

Vront – Was ist die Wahrheit ist Mitte Februar 2020 als gebundenes Buch bei Mixtvision erschienen. Das Buch hat 500 Seiten und wird ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen.

Der Autor, Yves Grevet, könnte dem ein oder anderen von euch bereits durch seinen Roman Méto, der unter anderem für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war, bekannt sein. Ich habe vorher noch nichts von Grevet gelesen, Vront ist mein „Erstling“ von ihm.

Obwohl mir die auf dem Cover gewählten Farben nicht unbedingt zusagen, finde ich es sehr stimmig gestaltet. Der Hintergrund erinnert an einen Datenchip, auf dem alle Verbindungen zusammenlaufen. Durch das gewählte grelle Orange werden die Blicke auf das in der Mitte abgebildete V gerichtet, das selbstverständlich für die Vront steht, die eine große Rolle im Buch spielt.

Inhalt:

„Sie kümmern sich um unsere Gesundheit. Sie sorgen für unsere Sicherheit. Aber der Preis dafür ist unsere Freiheit!

Scott ist dieser Preis zu hoch. Mit seinen Freunden hat er die Widerstandsgruppe VRONT gegründet. Sie wollen wieder frei sein. Sie wollen frei sein, sie wollen etwas riskieren, sie wollen LEBEN.
Und sie wollen allen zeigen: Es gibt nicht nur eine Wahrheit!“ (Quelle: Mixtvision Verlag)

Meine Meinung:

Stan lebt in einem nahezu perfekten System völliger Sicherheit. LongLife hat alles unter Kontrolle. Die Firma hat jedem Menschen einen Chip implantiert. Gefahren unterschiedlichster Art werden vom System erkannt, Hilfe in Form von Polizei oder LongLife-Mitarbeitern ist sofort zur Stelle. Kein Mensch kann über die Stränge schlagen, niemand wird gewalttätig und niemandem wird ein Leid angetan. Niemandem?

Ihr habt Recht, das klingt nach einer zu perfekten Vorstellung. In der Dystopie „Vront“ treffen wir mitnichten auf eine so heile Welt, wie ich sie eingangs beschrieben habe. Viel mehr lebt Protagonist Stan in einer in meinen Augen bedrohlich klingenden Welt. Wie kann man frei und ungezwungen leben, wenn der eigene Bewegungsradius von den Eltern eingeschränkt und bestimmt werden darf? Wie soll man Kind oder Jugendlicher sein, seine Interessen ausleben und auch mal eine Notlüge erfinden dürfen, wenn LongLife alles weiß? Schnell wird Sicherheit hier zur völligen Kontrolle und zur wirklichen Einschränkung der Grundrechte von Stan und den anderen Protagonisten des Buches. Das ist vielen der handelnden Personen nicht bewusst, da sie sich gerne auf die von LongLife vermittelte Sicherheit verlassen möchten.

Doch dann ist da die Vront. Eine Organisation von Jugendlichen, die im Untergrund agiert und gegen die totale Einschränkung der Rechte ist. Die Vront wirkt zunächst wie eine Organisation, die unterstützenswert ist. Aber auch die Vront handelt nicht immer so, wie man sich es vorstellen würde. Dazu möchte ich euch nicht zu viel verraten, lest selbst…

Die Grundstory von Vront hat mich mitgerissen und gefesselt. Datenüberwachung, Kontrolle von gesundheitlichen Veränderungen und die Gewissheit, dass der eigene Standort nie unbekannt ist – so etwas bereitet mit Sicherheit nicht nur mir Sorgen. Vor allem die Tatsache, dass viele Menschen so etwas befürworten und unterstützen, hat mich in Vront schockiert.

Womit ich weniger zurechtgekommen bin, ist der Schreibstil von Grevet. Ich kann nicht beurteilen, ob er immer so schreibt oder ob es nur in diesem Buch so ist. Die ganze Handlung, die Beziehung zwischen den Protagonisten, selbst zwischen den Brüdern, wirkt so voller Distanz, dass bei mir wenig Identifikation für die Geschehnisse entstanden ist. Grevet erzählt die Ereignisse aus jeglicher Perspektive mit einer solchen neutralen Nüchternheit, dass ich manchmal Schwierigkeiten hatte, weiterzulesen. Vielleicht gefällt ebendieser Schreibstil einem anderen Leser auch sehr gut. Meins war das aber nicht.

Grevet vollzieht einige Perspektivwechsel, die aber kaum auffallen. Zunächst berichtet Stan von den Ereignissen, dann (teilweise auch rückblickend auf die bereits geschehenen Ereignisse) sein Bruder Scott und anschließend verschiedene Mitglieder der Vront. Mir ist es nicht gelungen, völlig in einer dieser Perspektiven aufzugehen, vermutlich durch die bereits erwähnte Nüchternheit der jeweiligen Erzähler. Zudem sind die einzelnen Erzählstrange wenig individuell geprägt und wirken dadurch beinahe austauschbar.

Insgesamt regt die Geschichte zum Nachdenken an. Darüber, wie weit wir in unserer Technisierung und Digitalisierung bereits fortgeschritten sind und was das auch jetzt schon für die Sicherheit unserer persönlichen Daten bedeutet. Und darüber, dass man eine solche Zukunft wie Grevet sie entwirft auf keinen Fall will. Ich kann mir vorstellen, dass das Jugendbuch auch die eigentlich angesprochene Zielgruppe sehr gut erreichen kann und den ein oder anderen zum Umdenken bewegen wird. Zum Umdenken über den täglichen exzessiven Konsum und das Mitteilen persönlicher Daten über ein Medium, das schon lange nicht mehr so persönlich ist, wie wir denken.

Fazit:

Ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Über das eigene Selbst und den Umgang mit den Begriffen Freiheit, Gesundheit und Sicherheit.