Fake Facts
Fake Facts"Fake Facts" ist thematisch höchst aktuell. Bevor ich meinen Facebook-Account im März löschte, sind mir immer wieder merkwürdige Beiträge von Bekannten und sogar Verwandten augefallen, die mir ein mulmiges ...
"Fake Facts" ist thematisch höchst aktuell. Bevor ich meinen Facebook-Account im März löschte, sind mir immer wieder merkwürdige Beiträge von Bekannten und sogar Verwandten augefallen, die mir ein mulmiges Gefühl bereitet haben.
Verschwörungstheorien scheinen in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Und sie ebnen häufig den Weg zur politischen und privaten Radikalisierung.
Das Thema treibt mich um, interessiert mich und macht mir Angst. Schon alleine deshalb war ich sehr gespannt auf dieses Buch. Wer hier jedoch ein bloßes Eindreschen auf "Aluhutträger" erwartet, sollte weiter suchen. Gleich zu Beginn wird klargestellt, dass eine Debatte von oben herab nichts bringt und dass wir alle eine mehr oder weniger ausgeprägte Verschwörungsmentalität haben. Das muss nichts Schlechtes sein, denn natürlich hat es in der Geschichte der Menschheit immer mal wieder tatsächliche Verschwörungen gegeben, die aufgedeckt wurden. Und blindes, kritikloses Vertrauen in alles und jeden funktioniert eben auch nicht. So gibt es gleich zur Einstimmung erstmal einen kleinen Test, mit dem man seinen eigenen "Verschwörungswert" herausfinden kann.
Richtig los geht es dann mit nach Kapiteln aufgeteilten Bereichen, bei denen es besonders häufig zu Verschwörungserzählungen kommt. So geht es um den Tod bekannter Persönlichkeiten, Terroranschläge, Krankheiten, das Gesundheitswesen, Antisemitismus, die flache Erde etc. Dabei gibt es Erklärungen: woran wird geglaubt, wo kommt das her und wer ist da überdurchschnittlich häufig anfällig?
Viele dieser Erzählungen kenne ich als Person, die täglich das Internet nutzt natürlich. Trotzdem war auch einiges dabei, was mich ein wenig überrascht hat. Dass es doch so viel zu Prinzessin Diana gibt, war mir gar nicht so bewusst.
Die größte Überraschung war für mich aber, wie sehr Esoterik und rechte Ideologie zusammenhängen. Ich glaube, grade als Frau wird man ja früher oder später mit diesem Kram konfrontiert. Als Jugendliche hatte ich ein Pendel, das als Extra in einer Mädchenzeitschrift daherkam. Damals war ich großer "Charmed"-Fan und es gab unfassbar viele "Hexenbücher", die von ProSieben zur Serie vermarktet wurden und die ich geschenkt bekam. Mein 15-jähriges Ich hat das alles ziemlich ernst genommen. Zum Glück bin ich dem entwachsen und Kartenlegen ist für mich heute nur noch ein lustiger Partygag. Trotzdem hätte ich bis vor einiger Zeit noch naiv gesagt, dass diese Szene recht friedlich, offen und freundlich ist. Ohne Zweifel kann sie das in Teilen auch sein, dennoch scheint dort sehr viel Potenzial für Menschenfeindlichkeit zu stecken. Die Autorinnen berichten von ihrem Besuch auf einer Esoterik-Messe und ich war wirklich baff über die homophoben, sexistischen, rassistischen und einfach nur menschenfeindlichen Weltbilder, die es dort gibt. Dazu wird der Ursprung esoterischer Glaubensrichtungen etwas aufgedröselt und die Verbindung zur rechten Szene erläutert, was ich zwar interessant, aber auch super erschreckend fand. Und natürlich sollte man nie vergessen, dass es bei all dem eben auch einfach ums Geld geht. Die bieten dort ihre Heilsteine, Energiewasser, Heilung durch Handauflegen und was nichts alles ja nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern verkaufen ihr Zeug zu teilweise horrenden Preisen. Mit Angst lässt sich halt gut Kassen machen
Zu Linken und Verschwörungserzählungen gibt es natürlich auch ein Kapitel, wobei das Problem dort aber wesentlich kleiner zu sein scheint.
Weiter hinten bekommen wir dann ein paar Tipps, wie damit umzugehen ist, wenn jemand aus dem eigenen Umfeld abdriftet. Leider ist es sehr anstrengend und oft auch fruchtlos, da zu diskutieren. Die Autorinnen plädieren für Geduld und machen deutlich, dass das Runterrattern von Fakten wohl eher nichts bringt. Sie sehen das Gegenhalten aber als Zivilcourage und ja, ich stimme zum Teil auch zu. Grade bei jeglicher Form der Menschenfeindlichkeit sollte man nicht still sein. Allerdings fehlte mir hier die Möglichkeit, es auch einfach gut sein zu lassen und notfalls den Kontakt abzubrechen. Denn es kostet wahnsinnig viel Zeit, Kraft und Energie mit diesen Menschen zu diskutieren und sie dabei wie rohe Eier oder scheue Rehe zu behandeln. All das kann auch zur Folge haben, dass man selbst angegriffen und beleidigt wird - auch von Familienmitgliedern. Die Option, sich da rausziehen zu können, sollte man dann schon haben.
Glücklicherweise machen die Autorinnen im nächsten Abschnitt nochmal deutlich, dass Menschen, die an Verschwörungserzählungen glauben, eben nicht nur bloße Opfer sind und dass ihre Haltung super gefährlich werden kann.
Alles in allem ein sehr interessantes Buch, das nochmal einige Denkanstöße mitgibt und sehr angenehm flüssig zu lesen ist. Mir hat es richtig gut gefallen.