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Veröffentlicht am 03.09.2020

Sprachlosigkeit, die in Worte gefasst werden will

Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete
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Bis zu diesem Buch war 2020 nicht unbedingt mein Lesejahr: mit nur ~30 Büchern hab ich in diesem Jahr bislang eher wenig gelesen und auch, wenn nicht alle Titel davon schlecht waren und mir ein paar auch ...

Bis zu diesem Buch war 2020 nicht unbedingt mein Lesejahr: mit nur ~30 Büchern hab ich in diesem Jahr bislang eher wenig gelesen und auch, wenn nicht alle Titel davon schlecht waren und mir ein paar auch echt ganz gut gefallen haben, hatte mich doch bisher nichts umgeworfen. Und dann kam „das Mädchen, das ein Stück Welt rettet“, was sicherlich nicht nur mein diesjähriges Lesehighlight bleiben wird, sondern auch mein Lesehighlight der ganzen letzten Jahre ist.

In diesem Roman wird fiktional die echte Geschichte der jungen Stefania erzählt, die im 2. Weltkrieg erwachsen werden muss und sich dabei letztlich mit ihrer kleinen Schwester in einer wahren Bruchbude mit lediglich zwei Zimmern und einer Küche wiederfindet, die zunächst ein „optimales“ Haus für ihre Pläne darstellt (dabei ist es wohl mehr ein schäbiger, niedriger Anbau), einige befreundete Juden zu verstecken, zunächst in einem selbst ausgehobenen „Bunker“ unter dem Bett und später auch in einem abgeteilten Bereich des winzigen Dachbodens. Aus „einigen“ Juden werden letztlich 13 (!), denn Stefanias lapidare Erklärung: „Sie werden mich für einen versteckten Juden genauso hängen wie für zehn, also macht es keinen Unterschied“, und dann wird das zweite Zimmer auch noch deutschen Krankenschwestern zugewiesen, die gegenüber im neu eingerichteten Militärkrankenhaus – für die Nazis – arbeiten…

Diese Geschichte ist absolut unglaublich und letztlich ist „Heute ist also der Tag.“ der Satz, der sie bestimmt: Irgendwann sieht sich Stefania ständig mit diversen Punkten konfrontiert, die sie überzeugt sein lassen, dass sie eben diesen Tag nicht überleben wird, da man sie als Widerständlerin enttarnen oder die in ihrem Haus versteckten Juden entdecken wird. Und jeder Tag vergeht… Der Klappentext spricht bereits davon, dass sie „ihnen so das Leben rettete“, was bereits suggeriert, dass es für die Hauptfiguren hier ein gutes Ende genommen hat, dass sie nicht den Nazis zum Opfer gefallen sind.
Ich habe es nicht glauben können.
Im Anhang findet sich eine kurze Erklärung, wie Stefanias Leben weiterhin verlaufen ist, was aus den Menschen, die sie versteckte, geworden ist: Ich habe sehr frühzeitig vorgeblättert und mir dieses Nachwort durchgelesen, um das echte Ende zu erfahren. Dann habe ich weitergelesen – und 50 Seiten darauf mir nochmals das Nachwort durchgelesen. Wieder habe ich den Roman weitergelesen, um nach dem nächsten Kapitel erneut nachzuschauen, was letztlich aus all diesen Menschen geworden ist.

Diese Geschichte ist einfach derart unfassbar: Wir leben als Paar in einer Zweizimmerwohnung von knapp ~60qm, das Haus ist alt und die Wände hellhörig; wir hören die Nachbarn, die über uns im Dachgeschoss wohnen, auch regelmäßig dort umhertrippeln – und ich habe keine Ahnung, wie ich es in diesem inzwischen durchaus mal sanierten und modernisierten Haus hinkriegen sollte, über uns 13 Leute versteckt zu halten und versorgen zu können, ohne dass das wer noch dazu im zweiten Zimmer unserer eigenen Wohnung mitbekommen würde. Ehrlich gesagt kann ich es mir sogar kaum vorstellen, so viele Leute in einem freistehenden Häuschen in einer Reihenhaussiedlung unentdeckt versorgen zu können, selbst wenn man dazu nicht noch lediglich ein Außenklo als Sanitäranlage zur Verfügung stehen hätte und Wasser nicht aus einem Brunnen draußen schöpfen müsste…

Im Prinzip war Stefanias Einsatz also völlig wahnsinnig und wie erwähnt war auch ihre kleine Schwester da mit von der Partie; es ist so beeindruckend und manchmal braucht man einfach eine Geschichte wie die vom „Mädchen, das ein Stück Welt rettete“, um den Glauben an die Menschlichkeit so überhaupt rein gar nicht zu verlieren.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 31.07.2020

Sehr niedlich und so schön gestaltet!

Klara Katastrofee und das große Feen-Schlamassel (Klara Katastrofee 1)
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„Klara Katastrofee und das große Feen-Schlamassel“ ist ein ganz wunderbarer Reihenauftakt: zwar in sich geschlossen, macht dieser Band durchaus Lust auf weitere Geschichten rund um die kleine Fee, in denen ...

„Klara Katastrofee und das große Feen-Schlamassel“ ist ein ganz wunderbarer Reihenauftakt: zwar in sich geschlossen, macht dieser Band durchaus Lust auf weitere Geschichten rund um die kleine Fee, in denen hoffentlich auch ihr „Sidekick“ Oskar wiederum eine Rolle spielen wird – die hier entstandene Freundschaft war richtig niedlich, vor Allem war auch Klaras erster Ausflug in die Menschenwelt recht amüsant, nachdem sie zuvor nur das Waldgebiet kennengelernt hatte. Es war spannend, zu sehen, wie „merkwürdig“ und im Grunde genommen unnatürlich unser Alltag eigentlich ist. Das Thema „Naturschutz“, welches in der Buchbeschreibung erwähnt wird, rutscht hier eher ganz nebenbei in den Fokus, als sich herausstellt, dass Klaras Lieblingswiese zugunsten eines Einkaufszentrums in Bauland verwandelt werden soll und auch da konzentriert sich die Autorin sehr stark darauf, darzustellen, was es auf dieser Wiese eigentlich alles (an Lebewesen) gibt und nicht darauf, das Bauvorhaben zu verfluchen. Ich fand es sehr angenehm, dass es hier mal weniger um „was du für die Umwelt tun kannst“ ging als darum, „was es in der Natur alles gibt“.
Ich habe dieses Kinderbuch da eher als Appell empfunden, mit weit geöffneten Augen aufmerksam und beobachtend durch die Welt zu gehen und diese zu respektieren.

Ganz, ganz toll sind die farbigen Illustrationen! Ich erinnere mich, dass zu meiner Grundschulzeit, die nun auch schon ein paar Jahrzehnte her ist, wir während Freiminuten mitunter häufig Gelegenheit hatten, zu einem Ausmalbild zu greifen, das in der Regel aus einem Naturmotiv, vornehmlich Blumen, bestand. Irgendwie haben mich die Bilder in „Klara Katastrofee und das große Feen-Schlamassel“ sehr an diese Bilder von damals erinnert, so dass ich mir jetzt schon ein zusätzliches Malbuch des Illustrators, passend zu dieser Reihe wünschen würde. Ich würde es sofort kaufen, vermutlich sogar gleich 2x, einmal um selbst in Kindheitserinnerungen schwelgen zu können und einmal für meine feen- und malbegeisterte Nichte, der schon nur das Anblick dieses Covers genug war, um sich in Klara Katastrofee zu vernarren. ;)


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 12.07.2020

Richtig gut gemacht!

Als der Wolf den Wald verließ
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„Als der Wolf den Wald verließ“ ist ein absolut wunderschönes und zugleich lehrreiches Buch, welches zudem noch ganz wunderbar illustriert ist; rein von der Aufmachung her würde ich zu den schönsten Büchern ...

„Als der Wolf den Wald verließ“ ist ein absolut wunderschönes und zugleich lehrreiches Buch, welches zudem noch ganz wunderbar illustriert ist; rein von der Aufmachung her würde ich zu den schönsten Büchern der letzten Jahre zählen.
Von seinem Welpen-Dasein an erzählt der Wolf Flink hier aus seiner Sicht und in Gegenwartsform die Geschichte seines Auswachsens, was sein Rudel ausmachte, wie sein Rudel auseinandergerissen wurde, wie er sich auf ihm unbekannten Terrain durchschlagen musste und dabei immer auf Neues stieß, auf das er sich keinen Reim machen konnte (wie die Straße, die ihm ein „schwarzer Fluss“ zu sein schien, oder die „Krachmacher“, also Fahrzeuge, der Menschen, die ohnehin zuweilen recht merkwürdige Angewohnheiten zu haben schienen und von denen man eh sich eh besser fernhielt).
Dabei wird der Wolf hier zwar klar als Raubtier dargestellt, aber nicht als die Bedrohung verteufelt, als die ihn noch viel zu viele Menschen ansehen. (Tatsächlich hat erst letzte Woche jemand in der Heimatstadt meines Vaters zwei mutmaßliche Wölfe gefilmt, die über zu einem Bauernhof gehörige Wiesen tobten, und sich mit diesem Video an offizielle Stellen gewandt und es auch in den sozialen Medien veröffentlicht, woraufhin auch Stimmen laut würde, man müsse die Tiere sofort abschießen, ehe sie noch ein Kind reißen würden – man hätte übrigens auch einfach mal beim Bauernhof halten und sich nach den „Wölfen“ erkundigen können, bei denen es sich in Wirklichkeit lediglich um die ebenfalls zum Hof gehörenden Hunde handelte, die lediglich aus der Ferne Ähnlichkeit mit Wölfen haben…)

Die Geschichte basiert auf dem echten Fortbewegungsprofil eines getrackten, später „Journey“ getauften Wolfs, was der ganzen Erzählung noch mehr Authenzität verleiht.
Toll fand ich zudem, dass im Anschluss an Flinks „Autobiografie“ noch die Geschichte von Journey erwähnt wird, allgemeine Wolfsinfos gegeben werden, auch der Lebensraum, vor Allem in den USA, thematisiert wird, aber auch noch erwähnt wird, wie es um die Lage der Wölfe in Deutschland bestellt ist.
Irritierend war allerdings, dass Flink in seiner Geschichte eben (zunächst) Flink genannt wird, der echte Hintergrund bezüglich Journeys später aber mit „Die wahre Geschichte über den Wolf Wander“ betitelt ist und man entsprechend auch über „Wanders Lebensraum“ liest und über „die Landschaften, durch die Wander auf seiner Reise gekommen ist“. Flink fordert in seinem Erlebnisbericht schließlich zwar eine neugefundene Wolfsgefährtin auf, ihn „Wanderer“ zu nennen, aber ich fand es definitiv merkwürdig, dass im „Nachwort“ die letzten beiden Buchstaben da konsequent unter den Tisch gefallen lassen wurden. Zumal dabei dann noch immer wieder auf den originalen Journey verwiesen wurde und auch dessen Name ständig fiel, wirkte das Ganze auf mich zunächst so, als sei Flinks/Wanderers Geschichte nun von zwei verschiedenen Wölfen, Journey und Wander, inspiriert worden. Das war doch ein wenig konfus; „Flink heißt nun Wanderer, und Wander ist aber doch auch kein Anderer.“

Insgesamt finde ich das Buch aber super und freue mich, damit eine Entdeckung gemacht zu haben, mit der ich meinem Neffen wohl definitiv eine Freude machen können werde, der sich zuletzt mitunter sehr für Wölfe begeistert hat. Unterhaltsam, informativ und noch dazu kommt es eben mit großartigen Grafiken daher; so sollten Bücher immer sein, die bestimmte Tierarten in den Fokus rücken wollen!


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 29.05.2020

Absolut anrührend

Pandatage
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Während der letzten Tage habe ich mir, sozusagen Kapitel um Kapitel, das von Hendrik Duryn, in der ungekürzten Fassung, eingesprochene Hörbuch zu „Pandatage“ angehört – und bin regelrecht dahingeschmolzen.
Die ...

Während der letzten Tage habe ich mir, sozusagen Kapitel um Kapitel, das von Hendrik Duryn, in der ungekürzten Fassung, eingesprochene Hörbuch zu „Pandatage“ angehört – und bin regelrecht dahingeschmolzen.
Die Geschichte um Danny, dessen Frau bei dem Unfall gestorben ist, den ihr kleiner Sohn Will schwerverletzt überlebt hat, und seine Bemühungen, für seinen Sohn zu sorgen, ihm das gewohnte Dach über dem Kopf weiterhin bieten zu können und ihn wenn möglich dazu zu bewegen, wieder zu sprechen, sind einfach herzallerliebst. Dabei wirkt die Tragödie zunächst übermächtig: die verunglückte, tote Frau und Mutter, der zweifelsohne traumatisierte Sohn, der seit dem Unfall nicht mehr spricht und sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen hat, dazu verliert Danny nun noch seinen Job und die Miete, die dazu just um 20% erhöht worden ist, hat er auch schon länger nicht mehr zahlen können… da mutet es schon ein wenig seltsam an, wenn in der Buchbeschreibung von „Situationskomik“ und „saukomisch“ die Rede ist.

Soso, und wer „About a Boy“ mochte, der wird „Pandatage“ also lieben? Okay, damit kann ich tatsächlich d’accord gehen. Ich fand „Pandatage“ nun sogar sehr, sehr viel besser als „About a Boy“, sorry, Mr. Hornby.
Dazu tragen sicherlich auch die Nebencharaktere bei; ganz allgemein sind die Figuren hier zudem so divers, dass erst gar kein Einheitsbrei zu entstehen drohen kann; selbst die scheinbar „bösen“ Eigenschaften ruinieren in keinem Fall den Irrwitz der Personen. Selbst der skrupellose Vermieter zeigt zwischendurch überraschende Anzeichen von Menschlichkeit; sein Brutalo-Assistent wirkt häufig unfreiwillig komisch in seinem Beharren, endlich mal wem die Knochen brechen zu dürfen. Dannys Freund Ivan, ein der Beschreibung nach „mit Knasttattoos übersäter Kleiderschrank“ (der im Übrigen ganz besonders hervorragend von Hendrik Duryn intoniert wird; jeder Szene mit Ivan zu lauschen war mir mehr als eine reine Freude), entpuppt sich recht schnell als herzensguter Kumpel, der seine Freunde nicht im Stich lässt; auch die Tänzerin Krystal, die sich bis zuletzt einen Spaß daraus macht, Danny wieder und wieder zu foppen, lässt ihn dennoch nie hängen. Da fand ich es zudem übrigens positiv, dass hier nicht noch auf Biegen und Brechen eine Liebesgeschichte zwischen Danny und ihr, á la „der Witwer findet ein neues Liebesglück“, konstruiert wurde.
Als running gag dient hier das abgeranzte, schäbige Pandakostüm, in dem (fast) niemand zunächst einen Panda sieht (dafür aber einen Waschbär, einen Dachs… zu erkennen meint); für Ivan bleibt Danny da auch bis zuletzt konsequent die „tanzende Ratte“ – aber dennoch scheint exakt dieser Panda die Menschen zu faszinieren und bei einer Zufallsbegegnung mit dem Panda beginnt Will zu sprechen und sich fortan regelmäßig dem Panda anzuvertrauen, von dem er nicht weiß, dass sein Vater in jenem Kostüm steckt. Da finden rührende Gespräche statt, aus denen sich herzige Konsequenzen ergeben – aber auch die Spannung des Romans, denn man ahnt unweigerlich, dass Will irgendwann erfahren müssen wird, dass sein Vater jenen Pandabären darstellt, und dass das Vertrauensverhältnis dadurch wiederum beeinträchtigt sein könnte. Da hatte ich letztlich echt schon ein wenig Angst, dass „Pandatage“, was zuvor durchaus andauernd zum Schmunzeln war, in einem allzu dramatischen Höhepunkt enden könnte – oder in einem offenen Schluss, ohne dass sich die Grundthematik deutlich verändert gehabt hätte.
Aber Gould-Bourn hat es doch geschafft, die Geschichte glaubwürdig enden zu lassen; es wurde nichts überdramatisiert, aber auch nicht überromantisiert. Die traurig-melancholisch-witzige Handlung blieb quasi auf dem Boden der Tatsachen und ich habe es wirklich bedauert, als auch die letzte Romanzeile gehört war und ich die durchaus liebgewonnenen Figuren somit nicht noch länger auf ihrem Weg begleiten konnte.

Ein wunderbares Buch, voller Esprit vor einem ernsten Hintergrund und noch dazu voller charismatischer Figuren!

Veröffentlicht am 10.04.2020

Anregende Einführung in eine wichtige Thematik

Land unter bei Samuel
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Angesichts des Klappentextes hatte ich im Vorfeld unterschwellig die Befürchtung, dass die Geschichte in diesem Fall schnulzig enden könnte, nach dem Motto: Kleiner Erfinder rettet die Welt. Aber zum Einen ...

Angesichts des Klappentextes hatte ich im Vorfeld unterschwellig die Befürchtung, dass die Geschichte in diesem Fall schnulzig enden könnte, nach dem Motto: Kleiner Erfinder rettet die Welt. Aber zum Einen beschränkt sich Samuels Erfindungsreichtum bislang eher auf die Theorie; er geht sehr aufmerksam durch die Welt und überlegt sich, wie man die Probleme, die ihm selbst ins Auge stechen, lösen kann – da ist er der Typ Primarschüler, von dem man fast schon erwartet, dass er in der Mittelstufe regelmäßig ganz weit vorne bei „Jugend forscht“ mitmischt. Zum Anderen ist es wohl auch deswegen nicht so, dass hier plötzlich die Welt gerettet wird und der Klimawandel gar kein Thema mehr ist.
„Land unter bei Samuel“ erzählt vielmehr, wie der Viertklässler Samuel mit seiner Familie von einem Ende Berlins an das andere Ende der Stadt umzieht, was aufgrund der Größe Berlins nahezu einen Umzug ans andere Ende der Welt darstellt – ursächlich für den Umzug ist dabei tatsächlich das andere Ende der Welt: Samuels Vater gehört einer Gruppe Wissenschaftler an, die sich damit beschäftigt, einen Rettungsplan für die (existierende!) Inselgruppe Kiribati zu entwerfen, die (auch das ist Fakt) aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels zu versinken droht. Der Umzug der Familie ist in diesem Fall beruflich bedingt – und sowohl Samuel als auch seine Schwester, bei der zudem nun noch die Pubertätswirren einzusetzen scheinen, haben zunächst mit Startschwierigkeiten in der neuen Schule zu kämpfen, während Samuel auch das Problem des Klimawandels nicht aus dem Kopf bekommt und zu überlegen beginnt, was jeder Einzelne dazu beitragen kann, die Umwelt zu schützen. Prinzipiell behandelt dieses Buch damit also sogar zwei Themen: das Einleben in einer völlig neuen Umgebung und den Klimawandel, was in diesem Fall eine besonders clevere Kombination ist, denn die Bewohner von Kiribati sehen voraussichtlich über kurz oder lang ebenfalls einer Umsiedlung entgegen, werden sich also auch an anderer Stelle neu einleben müssen. (Auch eine Überschwemmung der Schultoilette verbildlicht das Kiribati-Dilemma im weiteren Verlauf des Buches nochmals.)

Dem Leser wird generell nur wenig vorgekaut; da ist „Land unter bei Samuel“ eher eine Einladung, sich selbst Gedanken zu machen. Es gibt da einige Projekte, die Samuel und seine Mitschüler letztlich angehen, ein bisschen was, das er auch daheim umsetzen möchte, und allgemein werden viele kleine Punkte (Regionalität, Nachhaltigkeit, Müllvermeidung…) angedeutet, zu denen man sich eben selbst mögliche Optionen und Alternativen überlegen kann. Damit ist dies ein Buch, mit dessen Inhalt man sich tatsächlich aktiv auseinandersetzen kann.

Sehr gut gefallen hat mir auch ein beschriebener Versuchsaufbau, der den Klimawandel bzw. das Schmelzen der Pole veranschaulichen soll; in Sachen „Veranschaulichen“ muss zudem festgehalten werden, dass das Buch weiterhin mit zahlreichen Illustrationen versehen ist, dass man viele der Inhalte tatsächlich direkt vor Augen hat – und besagter Versuch lässt sich auch ganz einfach zuhause nachbauen. Generell finde ich dieses Kinderbuch daher auch sehr gut geeignet, um Kindern, gerne auch ein wenig interaktiver, die Problematik des Klimawandels überhaupt nahezubringen. Da ist es definitiv eher ein Einstiegs- als ein Vertiefungsbuch und ich würde es somit auch eher früher als später mit den Kindern lesen. Vielleicht sogar als eine Art „Erst ich ein Stück, dann du ein Stück“-Buch zum gemeinsamen Lesen, sobald das Kind grad zu lesen gelernt hat, oder gar als Vorlesebuch bereits vorher, wobei man in diesem Rahmen dann die beschriebenen Experimente mit den Kindern wiederholen kann. Die Altersempfehlung „ab 8 Jahre“ sehe ich von den zu erwartenden Lesefähigkeiten her zwar als passend an, aber wie gesagt: Die Geschichte führt dann doch eher grundsätzlich in die Thematik ein und wenn ich überlege, dass die Zwillinge meines Bruders im letzten Kindergartenjahr dort nun auch schon das Thema „Umweltschutz“ ansatzweise beackert haben, sehe ich es vom mutmaßlichen Allgemeinwissen her eher als etwas zu spät an, „Land unter bei Samuel“ erst mit >8 Jahren zu lesen. Zehnjährige sind in meinen Augen da definitiv schon zu sehr informiert als dass dieses Buch ihnen noch interessante Ansätze aufzeigen und sie zum weiteren Nachdenken inspirieren könnte. Andererseits wäre „Land unter bei Samuel“ aber zu Beginn der dritten Klasse vermutlich noch ein sehr lesenswertes Buch, grade wenn man da fächerübergreifend das Thema „Umweltschutz/Klimawandel“ durchnehmen würde.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]