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Veröffentlicht am 07.06.2020

"Nur um eine liebende Frau kann sich eine Familie bilden." (Friedrich v. Schlegel)

Der tröstende Duft von Rosinenschnecken
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Die 36-jährige Anne Hartmann hat gar nicht mehr damit gerechnet, dass ihr die große Liebe doch noch über den Weg läuft, als sie im Supermarkt auf den 13 Jahre älteren geschiedenen Architekten Dirk Jacobsen ...

Die 36-jährige Anne Hartmann hat gar nicht mehr damit gerechnet, dass ihr die große Liebe doch noch über den Weg läuft, als sie im Supermarkt auf den 13 Jahre älteren geschiedenen Architekten Dirk Jacobsen trifft. Der Blitz schlägt bei beiden sofort ein, nach einigen Monaten leben sie zusammen und malen sich die Zukunft in rosigen Farben aus. Doch dann kommt alles ganz anders. Erst ziehen Dirks Kinder aus seiner ersten Ehe, die schwangere Miriam sowie Florian, bei ihnen ein, kurz darauf findet auch noch Dirks demente Mutter Unterschlupf, was vor allem Anne an ihre Grenzen bringt. Als Dirk ganz plötzlich durch einen Schlaganfall stirbt, fällt Anne in ein großes Loch. Aber da sind schließlich auch Florian, Miriam und ihre Beinahe-Schwiegermutter, die ebenfalls schwer an der Trauer tragen. Ob sie es alle gemeinsam schaffen werden, diese dunkle Zeit gemeinsam zu meistern?
Regine Wroblewski hat mit „Der tröstende Duft von Rosinenschnecken“ einen wunderbaren berührenden Roman vorgelegt, der den Leser während der Lektüre durch das gesamte Gefühlsbarometer jagt und dabei gleichzeitig nichts von seiner Leichtigkeit und der in sich tragenden Hoffnung verliert. Der flüssig-leichte, bildhafte und emotionale Erzählstil der Autorin lädt den Leser schon mit den ersten Worten ein, sich an Annes Seite zu stellen, um mit ihr durch Dick und Dünn zu gehen und sie wie eine unsichtbare Freundin bei allem, was ihr widerfahren wird, zu unterstützen. Empathisch fesselt die Autorin den Leser an die Handlung und gibt ihm gleichzeitig viel Stoff zum Nachdenken, denn ein plötzlicher Tod ist nicht nur mit viel Trauer und gebrochenen Herzen verbunden, sondern reißt auch einen Graben durch Familien und vor allem durch solche, die erst dabei sind, sich näher zu kommen. Da geht es um die unterschiedlichsten Befindlichkeiten, Stimmungen und die Verarbeitung des Ganzen, während das normale Leben für alle anderen einfach weitergeht wie bisher. Kommt dann noch die Verantwortung für die Fürsorge und Pflege von Kranken und Kindern dazu, die nicht einmal die eigenen sind, kann einen das schon überfordern und man muss aufpassen, dass man selbst dabei nicht untergeht. All dies lässt die Autorin ihre Protagonistin erleben und den Leser meisterlich daran teilhaben, wie sie in kleinen Schritten langsam wieder aus dem dunklen Loch ans Tageslicht kommt.
Die Charaktere sind sehr lebendig mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und durchweg glaubwürdig und authentisch, was es dem Leser sehr leicht macht, sich ihnen anzunähern, sich in sie hineinzuversetzen und vor allem mit ihnen zu leiden und zu fühlen. Anne ist eine patente Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, offen, hilfsbereit und freundlich ihren Mitmenschen begegnet. Als vormals Alleinstehende muss sie von jetzt auf gleich die Verantwortung für Menschen übernehmen, die noch nicht einmal mit ihr verwandt sind, und meistert dies mit einer Kraft, die man erst einmal aufbringen muss in ihrer Situation. Miriam wirkt manchmal unberechenbar und aufbrausend, während ihr Bruder Florian eher in sich gekehrt und zurückhalten ist. Bille ist Annes beste Freundin, die sie bei allem immer unterstützt und auch eine Schulter zum Anlehen bietet. Aber auch Dirk, Hanni und Helga haben wichtige Rollen in dieser Geschichte inne, die zum wunderbaren Gesamtbild beitragen.
„Der tröstende Duft von Rosinenschnecken“ ist ein fesselnder tiefgründiger und sehr emotionsgeladener Roman, der unbedingt mit einem Vorrat an Papiertaschentüchern gelesen werden sollte. Themen wie Liebe, Familie, Schicksalsschläge, Trauerverarbeitung und die Hoffnung, dass das Leben irgendwann wieder zur Normalität findet, sind in diesem Buch zu einem wunderschönen Paket geschnürt, dessen Lektüre den Leser noch lange gedanklich begleiten wird. Ein absolutes Leseschätzchen, Chapeau – besser geht es nicht!!!

Veröffentlicht am 06.06.2020

Die Brennereischwestern

Die Schwestern von Marienfehn
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Hanna Brook hat die 80 lange überschritten, als sie von ihrem Großneffen mit ihrem Hab und Gut in die Seniorenresidenz von Marienfehn gebracht wird. Hanna geht das zwar völlig gegen den Strich, doch sie ...

Hanna Brook hat die 80 lange überschritten, als sie von ihrem Großneffen mit ihrem Hab und Gut in die Seniorenresidenz von Marienfehn gebracht wird. Hanna geht das zwar völlig gegen den Strich, doch sie hat keine andere Wahl, da sie auf dem heimischen Landwirtschaftshof mit angeschlossener Schnapsbrennerei nichts mehr zu sagen hat, obwohl sie mit all ihren Kräften jahrelang nicht nur für den Erhalt der Brennerei, sondern auch für ihren Erfolg gekämpft hat. Aber nun fügt sie sich scheinbar kampflos und muss auch noch die Anwesenheit ihrer Schwester Rosie ertragen, zu der sie seit 40 Jahren nach einem Riesenstreit kaum noch Kontakt hatte, denn Rosie ist ebenfalls Bewohnerin in der Residenz. Was hat die beiden früher eng verbundenen Schwestern Hanna und Rosie so entzweit? Und warum hat Hanna den heimischen Hof und die Brennerei verlassen?
Jan Steinbach hat mit „Die Schwestern von Marienfehn“ wieder einen wunderbaren Gesellschaftsroman vorgelegt, der von der ersten bis zur letzten Seite den Leser zu fesseln weiß. Der flüssige, empathische und berührende Erzählstil lässt den Leser sofort in den Seiten verschwinden, um sich an Hannas Fersen zu heften und ihr Leben kennenzulernen. Geschickt lässt der Autor durch wechselnde Zeitebenen den Leser mal an der Gegenwart teilhaben, wo Rosie und Hanna nach 40 Jahren erstmals wieder aufeinander treffen, mal in die Vergangenheit wandern, um vom Werdegang der beiden Schwestern zu erfahren und von dem Kampf um die Brennerei, die ihnen so viel abverlangte. Auch Hannas Beziehung zu Carl wird schön in den Vergangenheitsebene mit eingepflegt. Gleichzeitig wartet Steinbach nicht nur detailreichen Beschreibungen auf, die dem Leser sofort Bilder im Kopf entstehen lassen, sondern auch mit einem gut recherchierten historischen Hintergrund, der vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart reicht und viele Informationen liefert, die die Geschichte zusätzlich bereichern. Steinbach beweist auch in diesem Roman wieder seine besondere Beobachtungsgabe in Hinblick auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, die immer sehr natürlich und glaubwürdig wirken, so dass der Eindruck beim Leser entsteht, genau so kann es überall passiert sein. Seine Geschichten sind wie aus dem Leben gegriffen, und neben seiner einfühlsamen Erzählweise macht gerade das ihren besonderen Reiz aus.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt, , ihren Ecken und Kanten sind individuell, ihnen fehlt es weder an Menschlichkeit noch an Glaubwürdigkeit und genau das springt auf den Leser über, der sich ihnen schnell verbunden fühlt. Hanna ist eine echte Powerfrau, wie man heute sagen würde. Sie wirkt erst wie eine alte Matrone, doch je näher man sie kennenlernt, umso mehr bewundert man ihren Mut, ihre Stärke, ihre Selbstlosigkeit bis fast zur Selbstaufgabe, um den Familienbetrieb zu retten. Dabei ist vieles auf der Strecke geblieben. Rosie ist ein ganz anderes Kaliber, sie hat oftmals den Schalk im Nacken, was die Lachmuskeln in Bewegung bringt. Sie wirkt wie eine unerschütterliche Optimistin, die immer positiv in die Welt schaut, kann aber auch mal zur Zicke mutieren. Benedikt ist ein hilfsbereiter, empathischer und liebevoller Mann, der seiner Tante Respekt zollt und sie insgeheim bewundert. Aber auch Carl sowie Hannas und Rosies Eltern spielen eine nicht unwesentliche Rolle in dieser schönen Geschichte.
Mit „Die Schwestern von Marienfehn“ ist Jan Steinbach wieder ein außergewöhnlich berührender Roman gelungen, der den Leser schnell mit einer anrührenden Familien- und Liebesgeschichte sowie einem alten Geheimnis zu packen weiß. Wunderbar erzählt und verdient mit einer absoluten Leseempfehlung ausgestattet. Einfach schön!!!

Veröffentlicht am 01.06.2020

Angelas Kampf für ihre Liebe und die Weberei

Im Glanz der Seidenvilla
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Mit dem Architekten Vittorio Fontarini hat Angela ihr Glück gefunden, und die Seidenvilla-Weberei läuft auch erfolgreich, wenn nur nicht Vittorios Mutter wäre, die Angela von vornherein ablehnt, ihr das ...

Mit dem Architekten Vittorio Fontarini hat Angela ihr Glück gefunden, und die Seidenvilla-Weberei läuft auch erfolgreich, wenn nur nicht Vittorios Mutter wäre, die Angela von vornherein ablehnt, ihr das Leben schwer macht und lieber die Architektin Tiziana an Vittorios Seite sehen würde. Als Vittorio auf einmal immer mehr Aufträge bekommt, bei denen er mit Tiziana eng zusammenarbeiten muss und dann auch noch jemand ihrem Geschäft Konkurrenz macht, so dass viele Aufträge der Weberei storniert werden, hat Angela jede Menge Baustellen, an denen sie tätig werden muss. Wird sie die Seidenvilla wieder auf Kurs bringen? Und wie steht es um ihr Glück mit Vittorio?
Tabea Bach hat mit „Im Glanz der Seidenvilla“ den zweiten Band ihrer Trilogie vorgelegt, der dem Vorgänger „Die Seidenvilla“ in nichts nachsteht. Der flüssig-leichte, farbenfrohe und bildhafte Schreibstil verführt den Leser mit wenigen Zeilen und lässt ihn gedanklich wieder ins italienische Veneto reisen, vor dessen zauberhafter Kulisse er Angela bei ihrem Kampf für ihr Geschäft und für ihre Liebe hautnah über die Schulter sieht. Die Autorin knüpft ihre Geschichte nahtlos an den ersten Band an, als Leser muss man diesen nicht kennen, um der Handlung folgen zu können. Neben den eingebrachten, gut recherchierten Informationen über die Seidenweberei lässt die Autorin den Leser vor allem an den zwischenmenschlichen Beziehungen ihrer Charaktere teilhaben, von denen einige dem Leser bereits ans Herz gewachsen sind. Vor allem Angelas Gefühls- und Gedankenwelt bleibt einem nicht verborgen, die sich nach vielen Schicksalsschlägen mit der Weberei einen Traum erfüllt hat. Die farbenprächtige Hintergrundkulisse und die italienische Lebensart fließen wunderbar in die Geschichte mit ein und lassen während der Lektüre das Gefühl eines Kurzurlaubs aufkommen, während beim Lesen ein schönes Kopfkino anspringt. Das Verhältnis der italienischen Männer zu ihrer Mutter und deren großer Einfluss sind ebenfalls ein Thema der Handlung, die durch einige überraschende Wendungen durchgehend abwechslungsreich und spannend bleibt.
Die Charaktere sind liebevoll mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und mit Leben versehen worden. Sie wirken authentisch und glaubwürdig, so dass der Leser sich in ihrer Mitte wohl fühlt und mit ihnen fiebern kann. Angela ist eine mutige und starke Frau, die um die Dinge kämpft, die ihr am Herzen lieben und nicht aufgibt. Sie strahlt Wärme und Herzlichkeit aus, was sie sehr sympathisch macht. Vittorio ist ein attraktiver Mann, der unter der Fuchtel seiner Mutter Constanze steht. Er ist liebevoll und intelligent, doch bei seiner Mutter wird er wieder zum „Söhnchen“, was ihn zum Teil Sympathien kostet, denn seine Art gegenüber Angela lässt teilweise zu wünschen übrig. Constanze ist eine Giftnatter, die anderen ihren Willen aufzwingen will. Sie ist manipulativ und egoistisch, spielt ihre Karten aber geschickt aus. Nathalie ist Angelas Tochter, eine liebenswerte und offene junge Frau. Weitere Nebendarsteller wie Tiziana spielen ebenfalls eine gewichtige Rolle innerhalb der Geschichte.
Mit „Im Glanz der Seidenvilla“ ist der Autorin eine gelungene Fortsetzung der Seidenvilla-Saga gelungen, die erneut mit einigen spannenden Wendungen und jeder Menge Gefühlschaos zu unterhalten weiß. Verdiente Leseempfehlung für einen wunderschönen Kurzurlaub mit jeder Menge italienischem Flair!

Veröffentlicht am 31.05.2020

Liebe und Leid in Zeiten der Cholera

Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals
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1885 Hamburg. Im ärmlichsten Teil der Stadt, dem Gängeviertel, lebt Svantje Claasen mit ihren Eltern und dem kleinen Bruder Piet. Schon früh hegt sie den Wunsch, einmal Krankenschwester zu werden und arbeitet ...

1885 Hamburg. Im ärmlichsten Teil der Stadt, dem Gängeviertel, lebt Svantje Claasen mit ihren Eltern und dem kleinen Bruder Piet. Schon früh hegt sie den Wunsch, einmal Krankenschwester zu werden und arbeitet fleißig dafür, dass dies nicht nur ein Traum bleibt. Als sie nach ihrer Ausbildung dem wohlhabenden Tuchhändler Friedrich Falkenberg begegnet, verlieben sich die beiden Hals über Kopf ineinander. Doch sie stammen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, eine Verbindung zwischen ihnen beiden wird von Friedrichs Eltern nicht toleriert. Dann bricht in Hamburg die Cholera aus, die Svantje vor eine große Herausforderung stellt…
Rebecca Maly hat mit „Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals“ den ersten Band ihrer historischen Krankenschwester-Trilogie vorgelegt, die sich mit der Zeitspanne von 1885 bis 1892 im damaligen Hamburg befasst. Der flüssige und bildgewaltige Schreibstil lädt den Leser ein, in das vergangene 19. Jahrhundert einzutauchen und sich den damaligen gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten gegenüber zu sehen. Die Geschichte ist in zwei Teile gegliedert, der erste befasst sich mit der Vorstellung der diversen Charaktere, während sich im zweiten alles um den Choleraausbruch dreht. Die Autorin bedient sich für ihre Geschichte wechselnder Perspektiven, so erlebt der Leser die unterschiedlichen Sichtweisen von Svantje, Friedrich, Raik, Hilde und Richard, die allesamt einen guten Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Der historische Hintergrund wurde von Maly sehr gut recherchiert und mit ihrer Handlung verwoben. So erfährt der Leser nicht nur von der Machtergreifung der Sozialisten, den Standesunterschieden sowie den sich langsam bildenden Arbeiteraufständen, sondern auch vom Ausbruch der Choleraepidemie, die zu Beginn ignoriert wurde und dann doch immer mehr Todesopfer fordert. Sehr bildhaft beschreibt die Autorin, wie die Sterbenden dahinsiechen, die Toten auf Karren abtransportiert werden. Aber auch das Gängeviertel, der Hafen und die Werft werden in sehr detaillierten Bildern entworfen, so dass der Leser während der Lektüre alles hautnah vor sich sehen kann. Der Spannungslevel ist von Beginn an vorhanden und steigert sich im Verlauf der Geschichte immer weiter in die Höhe, wobei die Autorin mit einigen überraschende Wendungen aufwartet, die den Leser an den Seiten kleben lassen.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich und detailliert entworfen und mit Leben gefüllt. Ausgestattet mit menschlichen Eigenschaften überzeugen sie durch Authentizität und Glaubwürdigkeit. Der Leser fügt sich schnell in ihr jeweiliges Umfeld ein und darf mit ihnen hoffen, bangen und fühlen. Svantje ist eine fleißige, disziplinierte und starke Frau, die ihr Ziel nie aus dem Auge verliert. Sie ist hilfsbereit und strahlt Optimismus aus, der ihr so manchen Weg ebnet. Friedrich ist frei von jeglichem Standesdünkel und kämpft verbissen für seine Liebe zu Svantje. Raik ist ein aller Jugendfreund Svantjes, der sich gegen die Missstände in der Werft auflehnt und schon bald mitten im Arbeiterkampf steckt. Richard ist der Sohn des Werftbesitzers Harkenfeld, der erbitterten Widerstand gegenüber seinem Vater leistet und gleichzeitig ein Geheimnis hütet. Seine Schwester Hilde wirkt zwar etwas verwöhnt, jedoch träumt sie wie so viele von der einzigen wahren Liebe und möchte keine von den Eltern beschlossene Vernunftehe eingehen, um an den Meistbietenden verschachert zu werden.
„Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals“ ist ein sehr gelungener Trilogie-Auftakt, der mit sehr guter historischer Hintergrundrecherche und einer spannenden Geschichte im alten Hamburg auf ganzer Linie überzeugt. Die Handlung um Liebe, Familie, Geheimnisse und gesellschaftliche sowie politische Verschiebungen verspricht abwechslungsreiche Lesestunden. Verdiente Leseempfehlung und gespanntes Warten auf Band 2.

Veröffentlicht am 30.05.2020

Eine gefährliche Liebe

Die sardische Hochzeit
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1922. Leo Lanteri, der Erbe einer Olivenplantage, wird von seinem Vater aus der Schusslinie katapultiert und ins sardische Sassari geschickt, nachdem er in seiner ligurischen Heimat Sant’Amato im Affekt ...

1922. Leo Lanteri, der Erbe einer Olivenplantage, wird von seinem Vater aus der Schusslinie katapultiert und ins sardische Sassari geschickt, nachdem er in seiner ligurischen Heimat Sant’Amato im Affekt den neuen Verlobten seiner Ehemaligen Silvia getötet hat. Leo, ein Kriegsveteran, der noch immer unter den Folgen seiner Erlebnisse leidet, fühlt sich von Anfang an in dem kleinen Ort unwohl, wo immer mehr Einwohner Mussolini sowie seine faschistische Politik unterstützen. Bei dem Besuch des Landgutes der Familie Soriga, wo Leo sich die Olivenstöcke der „Pecora nera“ ansehen möchte, trifft er auf die Tochter des Hauses Gioia. Schon beim ersten Blickwechsel verlieben sich Leo und Gioia Hals über Kopf ineinander. Aber Gioia ist mit dem Pferdezüchter Gavino Marras verlobt und soll diesen in einer Woche heiraten, um die Familienfehde zwischen den Sorigas und den Marras zu beenden. Wird die Hochzeit wirklich stattfinden, oder findet Leo einen Weg, mit Gioia glücklich zu sein?
Grit Landau hat mit „Die sardische Hochzeit“ einen sehr unterhaltsamen, spannenden Roman vor historischem Hintergrund vorgelegt, der von der ersten Zeile an zu fesseln weiß. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser sofort in die Handlung eintauchen und nicht mehr hervorkommen, bis dieser absolute Pageturner beendet ist. An der Seite von Leo erlebt der Leser nicht nur seine Ankunft auf Sardinien, sondern nimmt hautnah an seinen Gedanken und inneren Kämpfen teil, die ihm das Leben zur Hölle machen. Aber ebenso darf man miterleben, wenn Leos Blick zum ersten Mal auf Gioia trifft oder seine Sympathie für Gavino Marras sich offenbart. Landau weiß geschickt mit den Emotionen zu spielen, erzählt ihre Geschichte so, dass der Leser alles wie einen Kinofilm vor dem inneren Auge mitverfolgen kann und gespannt darauf wartet, ob das Pulverfass, auf dem Leo sitzt, hochgehen wird. Auch die sardischen Gebräuche und Mythen, die jedem Kapitel voranstehen, entfalten sich innerhalb der Geschichte und machen dem Leser so manche Handlungsweise besser zugänglich. Gleichzeitig hat Landau den von ihr exzellent recherchierten politischen und gesellschaftlichen Hintergrund so gut mit ihrer Handlung verwoben, dass man als Leser auch noch eine Zeitreise in die Vergangenheit antritt in eine Gemeinschaft voller alter Werte und Traditionen, die sich durch die Machtergreifung Mussolinis in einem Spaltungsprozess befindet.
Die Charaktere sind fein nuanciert und liebevoll in Szene gesetzt worden. Sehr lebendig, glaubwürdig und vor allem authentisch nehmen sie den Leser schnell für sich ein, der so die Möglichkeit erhält, mit ihnen zu fühlen und zu fiebern. Leo ist ein gebrochener Mann, der nicht nur durch seine Kriegserlebnisse gebrochen wurde, sondern sich auch durch sein ungezähmtes Wesen in Schwierigkeiten gebracht hat. Äußerlich wirkt er zurückhaltend, jedoch brodelt es in ihm und macht ihn unberechenbar. Er liebt den Jazz und seine ligurische Heimat, die er schrecklich vermisst. Gioia ist eine sehr musikalische Frau. Sie soll eine Vernunftehe mit ihrem Schulfreund eingehen, um es der Familie recht zu machen, dabei würde sie lieber heute als morgen aus Sassari verschwinden und in die Stadt ziehen, wo mehr Leben und vor allem Musik ist. Teresina Soriga ist die Patriarchin des Hauses und wirkt wie eine alte Hexe. Boi ist ein Angestellter Sorigas, der eine schmierige undurchsichtige Art an sich hat. Gioias Verlobter Gavino hat gerade sein Jurastudium beendet. Er befindet sich wie Gioia in einer Zwickmühle. Weitere Nebendarsteller haben ebenso einen berechtigten Platz in dieser durchweg faszinierenden Geschichte.
„Die sardische Hochzeit“ ist ein fesselnder Roman vor historischem Hintergrund, der Einblick gibt in alte sardische Traditionen und gesellschaftliche Bande. Die Autorin hat politische Gegner, alte Familienfehden und –geheimnisse, Intrigen sowie die Liebe wunderbar miteinander verbunden und bietet dem Leser ein buntes und sehr packendes Spektrum. Sehr gelungen, Chapeau!