Ein stimmungsvolles Selbstporträt
Ich erwarte die Ankunft des TeufelsVor über hundert Jahren veröffentlichte die gerade einmal 19-jährige Mary MacLane ihren Debütroman, der nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt und unter dem Titel »Ich erwarte die Ankunft des Teufels« ...
Vor über hundert Jahren veröffentlichte die gerade einmal 19-jährige Mary MacLane ihren Debütroman, der nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt und unter dem Titel »Ich erwarte die Ankunft des Teufels« im Reclam Verlag veröffentlicht wurde. Damals erschien der Roman in Tagebuchform unter dem Titel »The Story of Mary MacLane« da man den Titelwunsch der Autorin, »I Await the Devil’s Coming«, als zu provokant erachtete.
Mit beeindruckendem Selbstbewusstsein offenbart die junge Frau in ihrem literarischen Debüt ihre innersten Gefühle und vergleicht sich mit ihrem großen Idol, der russischen Malerin Marie Bashkirtseff, sowie weiteren Größen der Geschichte und stellt dabei mehr als einmal ihr großes Genie und ihre Überlegenheit in den Fokus. Mary MacLane wurde in Winnipeg (Kanada) geboren und zog mit ihrer Familie schon bald in die boomende Bergbaustadt Butte im Bundesstaat Montana.
Die ländliche Abgeschiedenheit, die nicht nur einen großen bildlichen Raum in ihrem schonungslos intimen Tagebuch einnimmt, beschützt die junge Frau jedoch nicht davor, die stark eingeschränkte Stellung der Frau in der Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit all ihren Feinheiten zu spüren. Umso bewundernswerter ist die Stärke mit der sich MacLane mit ihrer ausdrucksstarken Schreibkunst Gehör verschafft. Der Roman wurde damals zu einem Überraschungserfolg und verkaufte sich schon im ersten Monat über 100.000 Mal, sodass die junge Autorin von einem Tag auf den Nächsten berühmt wurde.
Auf poetische und philosophische Art setzt sich Mary MacLane mit der starken Verbundenheit zu ihrer ehemaligen Lehrerin, die über die Gefühle einer normalen Freundschaft stark hinausgehen auseinander, bringt ihre Meinung zur Institution der Ehe in ihren Zeilen unter und erbittet dabei unerlässlich die Ankunft des Teufels. Die emotionale Stimmung schwankt zwischen den Tagebucheinträgen und der langen Wartezeit auf die Ankunft des Teufels von einer fast schon depressiven Niedergeschlagenheit, die man aufgrund ihrer untergeordneten Stellung als Frau und mit feministischem Standpunkt gut nachvollziehen kann, bis hin zu einer ausgeglichenen Glückseligkeit.
»Ich erwarte die Ankunft des Teufels« ist ein wirklich spezielles Buch, dessen provokante Finesse mittlerweile zwar etwas an Durchschlagskraft verloren haben mag, aber dennoch auch nach über hundert Jahren seit der Erstveröffentlichung zu begeistern weiß. Umso mehr freut es mich, dass Mary MacLanes Geschichte nun auch für deutsche Leserinnen zugänglich gemacht wurde, denn die unglaubliche Stärke mit der MacLane für Emanzipation und ein selbstbestimmtes Leben der Frau strebt, ist in diesem frühen feministischen Werk deutlich spürbar.
Ein Nachwort der Übersetzerin Ann Cotton gefolgt von einem Essay von Juliane Liebert eröffnet den Leserinnen zum Abschluss noch einen anderen Blickwinkel über das gelesene Tagebuch der Mary MacLane.
Fazit
Ein stimmungsvolles Selbstporträt, dessen intime Schonungslosigkeit vor einem Jahrhundert vor allen Dingen skandalös war, heute aber immer noch absolut lesenswert ist.