Überschrift „Nicht behindert, sondern „Leistungs-gewandelt“
Mein Blind Date mit dem Leben(Zitat nach S. 11) Sali bekommt gesagt: „…bei dir darf man nicht von Behinderung sprechen, sondern es ist eine Leistungswandlung.“
„Es muss funktionieren. Geht nicht, gibt es nicht.“ S. 82 Bei einem Schulreferat ...
(Zitat nach S. 11) Sali bekommt gesagt: „…bei dir darf man nicht von Behinderung sprechen, sondern es ist eine Leistungswandlung.“
„Es muss funktionieren. Geht nicht, gibt es nicht.“ S. 82 Bei einem Schulreferat kann der 15jährige Saliya genannt Sali seine eigenen Notizen nicht sehen, im Familienurlaub am gegenüberliegenden Berg praktisch nichts wahrnehmen – der Teenager ist bald beinahe blind wegen Netzhautablösung, ohne bekannte Ursache. Durch Einsatz von Mutter und Freunden, die ihm vorlesen, was er auswendig lernt, schafft er dennoch das Abitur, will in die Gastronomie. Als er 19jährig ins Berufsleben eintritt, verheimlicht er sein Augenproblem (denn: „… ich hatte nicht gelernt, behindert zu denken und mich behindern zu lassen.“ S. 38). Er lernt weiter auswendig, memorisiert Wege, zählt Schritte, übt besessen, fängt früher an, arbeitet länger und nutzt Tricks, stets mit nur wenigen Eingeweihten, von denen er vielen nur sagt, er könne nicht so gut sehen – speziell bei Frauen greift er lieber zur „Salami-Taktik“.
Ich hatte Saliya Kahawatte, Sohn einer deutschen Mutter und eines Vaters aus Sri Lanka, vor längerer Zeit in einem beeindruckenden Tnterview gesehen, daher musste ich dieses Buch unbedingt lesen. Beeindruckend schildert er in seiner Autobiographie seinen Werdegang mit all den Tricks. Doch da kommt kein „blinder Supermann“ – die Mehrarbeit und die Lügen, die letztlich an Selbstverleugnung grenzen, fordern ihren Tribut durch die permanente Überforderung – Saliya kompensiert erst mit Alkohol, später kommen weitere Probleme.
Ohne Selbstmitleid oder Selbstgefälligkeit schildet der inzwischen als erfolgreicher Coach arbeitende Autor seine Geschichte, von der sich viele Sätze einprägen, geradezu einbrennen. Sein Vorbild wirkt inspirierend – es gelingt Kahawatte, durch sein von Höhen und Tiefen bestimmtes Leben zu vermitteln, dass Selbstmitleid nicht hilft – dass aber Rückschläge und Verzweiflung durchaus menschlich sind, aber überwindbar.
Ernüchternd hingegen Salis Erfahrungen, sobald er doch nicht mehr selbstbestimmt sein Leben entscheidet, sondern sich sogenannten Beratern der verschiedenen Sozialsystem anvertraut „Ich fand es wahnsinnig traurig, zu erfahren, was aus Menschen wird, denen von Kindesbeinen an eingebläut wird, sie seien zu nichts zu gebrauchen. Wer immer nur hört: »Das kannst du nicht«, der ist irgendwann selbst davon überzeugt.“ S. 140 Dazu mahlen die behördlichen Mühlen fast immer langsam (was nicht nur eine Erfahrung von Blinden oder Sehbehinderten sein dürfte).
Fast am Rande gibt er wertvolle Tipps zum Umgang, von früher Ko-Edukation beziehungsweise Integration in Schule und Ausbildung bis hin zu alltäglichem: „Hat ein Sehender den Eindruck, dass ein Blinder vielleicht Hilfe braucht, dann gibt es genau drei Fragen, die angebracht sind: Brauchen Sie Hilfe? Welche Hilfe? Möchten Sie sich einhaken oder möchten Sie neben mir hergehen?“ S. 47 Er lässt mich als Sehende nachvollziehen mit Kommentaren wie „Seitdem ich den Augenfehler nicht mehr verheimliche, gehört die Frage »Was sehen Sie?« zu meinem Alltag.
….Deshalb verzichte ich auf die Gegenfrage, die sich mir aufdrängt: »Was hören Sie?« Ich weiß ja, dass andere weniger hören als ich, und würde gerne erfahren, was ihnen entgeht.“ S. 11.
Das fix und leicht zu lesende Buch empfehle ich als Gewinn für jeden und freue mich schon auf die Verfilmung, die am 26. Januar 2017 startet. Weiß jemand von einer Preview???