Ein leiser, sehr menschlicher Roadtrip zum Kern der Wahrheit
Noch alle ZeitWie ist es wohl, alles im Leben zu opfern, was dir selbst wichtig ist, deine Freiheit, deine große Liebe, die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben, der dich ausfüllt oder irgendwohin zu reisen, um diekranke ...
Wie ist es wohl, alles im Leben zu opfern, was dir selbst wichtig ist, deine Freiheit, deine große Liebe, die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben, der dich ausfüllt oder irgendwohin zu reisen, um diekranke Mutter zu pflegen, die ständig Aufmerksamkeit einfordert, ja, einen für sich allein haben will. Und dann stirbt sie von einen Tag auf den anderen und du stellst fest, dass sie dich ein Leben lang belogen hat?
Das ist Edvards Geschichte. Nach dem Tod seiner Mutter findet er heraus, dass sie ihn Zeit seines Lebens über den Tod seines Vaters belogen hatte und bricht Hals über Kopf nach Norwegen auf, um seinen Vater auf die Spur zu komnen.
Wie ist es, in einer Familie aufzuwachsen, in der man sich ungeliebt fühlt, man von der Mutter verachtet wird und diese die Schwester vorzieht, der Vater trinkt und im Selbstmitleid versinkt und die Schwester aufgrund ihrer Vorzugsbehandlung zu ner blöden Kuh mutiert? Wie soll man selbst eine gute Mutter sein, wenn man in Selbstmitleid und Egoismus versinkt und das Gefühl hat, man könnte gar niemanden lieben?
Das ist Alvas Geschichte. Auch sie begibt sich auf die Reise nach Norwegen, allerdings, um einen Artikel über die mythischen Plätze Norwegens zu schreiben, die noch halbwegs unbekannt sind.
Auf einer Fähre zwischen Dänemark und Norwegen treffen die beiden ungleichen Charaktere aufeinander. Der Beginn eines außergewöhnlichen Roadtrips auf der Such nach Antworten und zu sich selbst.
Alexander Häusser hat "Noch alle Zeit" in einer unaufgeregten, ruhigen Art verfasst und lässt uns dennoch die Emotionen der Protagonisten deutlich spüren. Man kann Edvards Ärger auf seine Mutter wegen seines verschenkten Lebens ebenso deutlich spüren, wie Alvas ewigen Kampf mit den Selbstvorwürfen und dem Gefühl, sie könnte niemanden lieben, nicht mal ihre Tochter. Und man spürt auch die etwas unbeholfene Interaktion zwischen den Beiden, die in ihre ganz eigenen Probleme verstrickt sind und dennoch immer wieder ein paar Schritte auf sich zu gehen müssen. "Noch alle Zeit" ist ein leiser, ein ganz und gar menschlicher Roadtrip zum Kern der Wahrheit.