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Veröffentlicht am 16.06.2020

Schatten und Licht

Fräulein Gold: Schatten und Licht
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Anne Stern ist für mich keine unbekannte Autorin, denn ich kenne sie bereits durch ihre Bücher, die sie als Selfpublisher veröffentlicht hat. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass der Rowohlt Verlag ...

Anne Stern ist für mich keine unbekannte Autorin, denn ich kenne sie bereits durch ihre Bücher, die sie als Selfpublisher veröffentlicht hat. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass der Rowohlt Verlag ihre Fräulein Gold Reihe ins Verlagsprogrgamm genommen hat. Die Geschichte ist eine Mischung aus historischem Roman und historischem Krimi mit einem kleinen Schuss Liebe.

Im Auftakt dieser Reihe begeben wir uns nach Berlin ins Jahr 1922, wo Hulda Gold im Elendsviertel Bülowbogen im Stadtteil Schönberg als Hebamme tätig ist. Es ist eine politisch sehr unruhige Zeit und die Inflation hat die Menschen im Griff. Die Zeit ist schnelllebig und die Kluft zwischen Arm und Reich groß.
Hulda ist nicht nur bei Geburten anwesend, sondern versucht bereits zuvor eine Bindung zu den schwangeren Frauen aufzubauen. Als sich eine ihrer Patientinnen um ihre verschwundene Nachbarin Rita sorgt, bittet sie die Hebamme nachzuforschen. Hulda findet heraus, dass Rita aus dem Landwehrkanal gefischt wurde und der Fall bereits als Selbstmord abgestempelt wird. Daraufhin versucht sie auf eigene Faust zu recherchieren.
Dabei kommt sie Hauptkommissar Karl North in die Quere, den sie für unfähig hält. Dieser ist zusehens genervt von Huldas Einmischerei, die sie immer wieder in große Gefahr bringt.
Generell ist das Duo Hebamme und Kriminalkommissar als Ermittler mal etwas Neues. Es ist eine Mischung aus der Hebammensaga von Linda Winterberg und den Krimis von Volker Kutscher um Gideon Rath. Aber eigentlich sollte man keine Vergleiche anstellen, denn Anne Stern hat mit Hulda Gold etwas Neuartiges kreiiert.

Kommissar Karl North fand ich ebenfalls sehr interessant. Aufgewachsen als Waisenkind in einem Heim hat er seinen Weg gemacht. Doch die Vergangenheit hat er noch nicht richtig abgeschüttelt. Der Mordfall um die Prostituierte Rita bringt ihn deshalb an seine Grenzen. Gleichzeitig wirkt er aber unnahbar und nicht unbedingt vertrauenswürdig.

Hulda ist eine sehr eigensinnige und unerschrockene junge Frau, die mit 26 Jahren bereits als alte Jungfer gilt. Sie hat eine Beziehung hinter sich, mit der sie noch nicht wirklich abgeschlossen hat. Zusätzlich steckt sie gerne ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen und sie immer wieder in Schwierigkeiten bringen. Sie hat ein Herz für die Armen und unterstützt die Frauen in den heruntergekommen Mietskasernen, wo sie nur kann. Zusätzlich bekommt man als Leser einen guten Eindruck von Huldas Arbeit als Hebamme.
Beide Charaktere sind sehr gut eingefangen und haben Ecken und Kanten.

Anne Stern schreibt sehr mitreißend und detailiert. Die Schauplätze sind sehr bildhaft und lebendig beschrieben. Obwohl ich noch nie in Berlin war hatte ich immer ein Bild vor Augen und begleitete Hulda auf ihren Wegen.
Das Aufkommen der Nationalsozialisten wird ebenso erwähnt, wie die Kluft zwischen den Hebammen und den Gynäkologen in den Krankenhäusern.
Das informative Nachwort am Ende des Romans rundet die Geschichte perfekt ab.

Fazit:
Ein gelungener Auftakt mit einem ungewöhnlichen Ermittlerpärchen, das in Berlin der 1920iger Jahre den Tod einer Prostituierten aufzuklären versucht. Ich bin shcon sehr auf die Nachfolgebände gespannt, die im Oktober dieses Jahres und im April 2021 erscheinen werden.

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Veröffentlicht am 08.06.2020

Gibt es eine zweite Chance?

Wer, wenn nicht wir
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Ich liebe die Romane von Barbara Leciejewski, die mich bisher immer begeistern konnte. Auch ihr neuer Roman "Wer, wenn nicht wir" hat mich wieder großartig unterhalten und mich doch so über das eine oder ...

Ich liebe die Romane von Barbara Leciejewski, die mich bisher immer begeistern konnte. Auch ihr neuer Roman "Wer, wenn nicht wir" hat mich wieder großartig unterhalten und mich doch so über das eine oder andere in menem Leben nachdenken lassen - bin ich doch selbst schon mehr als zwanzig Jahre verheiratet.

Viola und Florian sind seit ihrer Schulzeit ein Paar und seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet. In den letzten Jahren haben sie sich allerdings verloren und jeder geht seinen eigenen Weg. Während Viola ihre Karriere als Orchestermusikerin der Familie zuliebe aufgegeben hat und seitdem als Musikschullehrerin Kindern Klarinette spielen beibringt, hat sich Florian zum leitenden Oberarzt in der Unfallchirurgie hochgearbeitet. Er liebt seinen Job, der sehr herausfordernd ist. Ignoranz, Desinteresse und fehlende Kommunikation schleichen sich in die Beziehung ein und nachdem die Kinder fast erwachsen sind, beschließen Viola und Florian sich einvernehmlich zu trennen. Die Freunde und Verwandten sind entsetzt. Trennung und Auszug verlaufen probemlos. Doch da gibt es noch den Sommerurlaub auf Rhodos, den Florian vor längerer Zeit "zum Sonderpreis" gebucht hat - den man nicht stornieren kann. Und so treten sie die Reise ins wunderschöne Griechenland getrennt an....

Barbara Leciejwski beschreibt die Eheroutine sehr realistisch. Die Stimmung und die Verlorenheit der Protagonisten wird sehr gefühlvoll beschrieben. Während beide in der Tretmühle des täglichen Lebens und den Anforderungen anderer feststecken, verlieren sie sich und treiben auseinander. Man fühlt mit Viola und Florian mit, die Auswegslosigkeit ist durch die Zeilen spürbar. Nur im Urlaub, wenn man aus der Routine aussteigt, hat man oftmals eine andere Sicht auf das Leben. So ergeht es auch Viola und Florian. Das Doppelzimmer wurde in zwei Einzelzimmer umgebucht und auch die Ankunftszeiten auf Rhodos sind unterschiedlich. So checken sie als in Trennung lebend als Doktor Quandt und Frau Janiki im Hotel ein und erleben sehr bald die ersten Annäherungsversuche anderer Singles, die auf Urlaubsflirts aus sind. Wie beide darauf reagieren hat die Autorin mit sehr viel Humor und einem Augenzwinkern gekonnt dargestellt. A-Typische Charaktere, die wohl jeder kennt, geben dem Roman seine Würze.

Gerne habe ich bei der Lektüre an meinem Urlaub auf Rhodos zurückgedacht. Viele bekannte Plätze und die typische griechische Gastfreundschaft haben mich träumen lassen. Die malerische Landschaft wird bildhaft dargestellt. Besonders gefreut habe ich mich auf die Beschreibung vom Tal des Schmetterlinge, welches ich damals leider nicht besuchen konnte. Und genau dort passiert in der Geschichte auch etwas Bezauberndes, das den Ausgang des Buches beeinflusst. Als Leser hofft man die ganze Zeit darauf, dass Viola und Florian wieder zusammenkommen. Doch lässt sich dieser Bruch noch kitten?

Die Geschichte ist auf keiner Weise vorhersehbar, denn Barbara Leciejewski hat jede Menge überraschende Wendungen eingebaut, die oftmals eine unerwarte Richtung einnehmen.
Die Dialoge sind spritzig und oftmals kommt auch der schwarze Humor durch. Durch die wechselnde Erzählperspektive erhält der Leser genaue Einblicke in die Gefühlswelt der Figuren. Auch die Nebencharaktere sind sehr lebendig beschrieben. Manche von ihnen sind sehr A-typisch, doch jeder der bereits Pauschalurlaub gemacht hat weiß, dass diese Figuren im wirklichen Leben zu finden sind.

Diese Geschichte der Autorin ist anders, als ihre vorherigen Bücher, doch auch "Wer, wenn nicht wir" habe ich sehr gerne gelesen. Sie ist vorallem für Paare, die schon seit einiger Zeit verheiratet sind zu empfehlen. Viele werden sich in einigen Situationen wiedererkennen.

Fazit:
Eine sehr realistische Erzählung über das Ende einer Ehe und einer eventuell neuen Chance. Das sommerliche Flair auf Rhodos erweckt Sehnsucht nach Urlaub. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und freue mich auf weitere Lektüre der Autorin.

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Veröffentlicht am 06.06.2020

Eine verbotene Liebe

Die Lilienbraut
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Voller Vorfreude habe ich bereits auf den neuen Roman von Teresa Simon gewartet. Bisher habe ich alle ihre Bücher verschlungen. Auch der neue Roman spielt auf zwei Zeitebenen, wie bereits die Vorgänger.

Im ...

Voller Vorfreude habe ich bereits auf den neuen Roman von Teresa Simon gewartet. Bisher habe ich alle ihre Bücher verschlungen. Auch der neue Roman spielt auf zwei Zeitebenen, wie bereits die Vorgänger.

Im Gegenwartsstrang sind wir in Köln 2019. Die junge Niederländerin Liv hat eine schmerzhafte Trennung hinter sich. Da kommt ihr das Erbe ihrer verstorben Tante Wimmi gerade recht, um ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Gemeinsam mit ihrem Sohn Thijs zieht sie von Holland nach Deutschland, denn die Erbschaft erhält sie nur, wenn sie nach Köln zieht. Im hippen Stadtteil Ehrenfeld eröffnet sie ihr kleines Duftparadies. Mit Duftseminaren möchte sie Interessenten anlocken. Ihr Ziel sind persönliche Duftkreationen für ihre Kundinnen. Ihr anfänglicher Erfolg scheint einigen Menschen jedoch nicht wirklich zu gefallen und schon bald muss sie sich mit feigen Attacken auf ihr Geschäft auseinandersetzen....

In der Vergangenheit lernen wir Nellie kennen, die als Bürokraft bei 4711 arbeitet. Chefparfumeur Luuk van Geelen entdeckt, dass Nellie "eine Nase" ist und Duftessenzen eines Parfums erkennen kann. Er gibt ihr die Chance als seine Assistentin mehr über Düfte zu lernen und eigene Ideen und Kreationen herzustellen. Als der Krieg ausbricht benötigen die Menschen eher Lebensmittel als Duftkreationen und die Arbeitsplätze bei 4711 werden immer weniger. Zusätzlich muss sich Nellie Sorgen um ihren jüngeren Bruder machen und selbst leidet sie an einer unerreichbaren Liebe, die keine Zukunft haben kann....

Durch den lebendigen Schreibstil der Autorin ist man sofort mitten im Geschehen. Teresa Simon hat sich diesmal etwas intensiver mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt. Die Bombennächte in Köln werden sehr lebendig und eindringlich beschrieben. Ich habe mit Nellie und ihrer Familie gebangt, konnte den Hunger und das Leid durch die Zeilen spüren.

In beiden Zeitsträngen erfährt man mehr über die verschiedenen Methoden der Duftherstellung, was ich faszinierend fand. Als Leser erfährt man hier viel Neues und Interessantes.

Die facettenreichen Charaktere hat man schnell ins Herz geschlossen. Liv ist eine sympathische Frau, die sich liebevoll um ihren Sohn kümmert, vor Ideen nur so sprüht und trotz Anfeindungen nicht so schnell die Flinte ins Korn wirft. Nouria, die ihr im Laden zur Hand geht, sprüht vor Leben und ist die geborene Verkäuferin. Ihre Familie geht ihr über alles, auch wenn sie mit den alten Traditionen nicht viel anfangen kann und rebelliert. Besonders ins Herz geschlossen habe ich den kleinen Thijs mit seinem Kuscheltier Pinki.
Nellie ist eine offene, aber ein bisschen naive junge Frau, die auch während des Krieges, dem Elend und der Not nicht so schnell aufgibt. Sie sorgt sich besonders wegen ihres Bruders Martin, der sich den sogenannten Edelweiß-Piraten anschließt und sich in Gefahr begibt. Aber auch ihre beste Freundin Greta schlägt im Krieg Wege ein, die Nellie nicht gutheißen kann.
Auch wenn man nicht immer mit den Schicksalen einiger Figuren zufrieden ist, weil sie uns während der Geschichte verlassen müssen, habe ich mit ihnen gebangt, gezittert und gehofft...
Während die verbotene Liebe von Nellie im Vergangenheitsstrang einen großen Teil einnimmt und mich sehr berühren konnte, war mir der Love Interest in der Gegenwart weder richtig sympathisch, noch konnte ich die aufkeimende Liebe zwischen den Beiden fühlen.

Lange fragt man sich wie die beiden Frauenschicksale zusammen hängen könnten. Ein paar Vermutungen hatte ich, die auch eintrafen. Bei einigen hatte ich wiederum überhaupt keine Ahnung. Teresa Simon ist es perfekt gelungen zum Schluss alle losen Enden zusammenzuführen. Es bleiben keinerlei Fragen offen. Gerne empfehle ich "Die Lilienbraut" weiter.

Am Ende findet man ein historische Nachwort zur Firma 4711 und erfährt mehr über die Edelweißpiraten und die Bombardierungen Kölns. Auch die gewohnten Rezepte, die man in jedem Buch der Autorin finden kann, dürfen nicht fehlen. Diesmal sind es Speisen aus der Kölner Region.

Fazit:
Eine duftende Reise in das Köln von damals und heute. Zwei starken Frauenfiguren, die man schnell ins Herz schließt und ein Familiengeheimnis, das beide verbindet. Wieder eine gelungene Story von Teresa Simon, die ich gerne gelesen habe, aber nicht an mein Lieblingsbuch der Autorin herankommt.

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Veröffentlicht am 23.05.2020

Gelungene historische Familiensaga um eine Uhrmacherfamilie

Das Erbe der Altendiecks
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In diesem historischen Schmöker, der fast 700 Seiten dick ist, begleiten wir die Bremer Uhrmacherfamilie Altendieck fast 100 Jahre lang. Beginnend im Jahre 1766 lernen wir zuerst Johann Altendieck und ...

In diesem historischen Schmöker, der fast 700 Seiten dick ist, begleiten wir die Bremer Uhrmacherfamilie Altendieck fast 100 Jahre lang. Beginnend im Jahre 1766 lernen wir zuerst Johann Altendieck und seinen Vater Nicolaus kennen. Letzterer hat durch Fleiß und Können seine Uhrmacherwerkstatt zu einer der Größten in Bremen gemacht. Seinem Sohn Johann wird zu Beginn des Romans ein bedeutender Auftrag zuteil. Er soll die neue Uhr für das Bremer Rathaus herstellen. Doch die Vergabe des Auftrages an die Altendiecks hat auch Schattenseiten. Der erfolgreichste Uhrmachermeister der Stadt, Albert Greven, ist ein schlechter Verlierer und versucht alles, um den guten Ruf der Altendiecks zu zerstören. Durch eine Sabotage an der Uhr gelingt es ihm die Familie zu ruinieren. Johanns Tochter Gesche versucht alles, um den guten Namen wiederherzustellen. Sie ist die Begabteste der drei Kinder, doch als Frau darf sie das Gewerbe nicht ausführen. Uhrmachermeister ist immer der erstgeborene Sohn und somit ihr Bruder Friedrich.....

Der Roman ist in vier Abschnitte geteilt. Zu Beginn jedes Abschnittes wurde ein Stammbaum, der im Laufe der Jahre erweitert wird, dargestellt. Obwohl es sich um fast 5 Generationen Altendiecks handelt, steht Gesche mehr oder weniger im Mittelpunkt des Geschehens. Sie hat sowohl das Händchen und Köpfchen, als auch Ideen und Durchsetzungsvermögen. Zusätzlich hat ihr Großvater Nicolaus ihr alles beigebracht um die Familie wieder zu den bedeutenstens Uhrmachern der Stadt aufsteigen zu lassen. Mit einem von ihr entworfenen Seechronometer versucht sie den Untergang der Uhrmacherfamilie zu stoppen. Doch dann wird die freie Stadt Bremen von den Franzosen unter Napoleon eingenommen....

Ich habe Gesche, ihre Kinder und Enkel sehr gerne begleitet. Als Leser erfährt man sehr viel über das Uhrmacherhandwerk, die neuen technischen Errungenschaften, die politischen Umwälzungen und über die Stadt Bremen. Die Familiengeschichte birgt viele Höhen und Tiefen und wird fesselnd erzählt.

Hendrik Lambertus erzählt spannend und haucht seinen Charakteren Leben ein. Während des Lesens hatte ich immer ein Bild der Figuren im Kopf. Manche waren mir mehr sympathisch, manche weniger. Die einzelnen Charaktere werden sehr individuell und vielschichtig dargestellt.
Nach Beendigung eines Teiles hatte ich oft den Wunsch noch mehr über diese Figur zu erfahren und sie weiter auf ihren Weg zu begleiten. Alle Charaktere blieben zwar in den weiteren Abschnitten erhalten (wenn sie nicht gestorben sind), aber in jedem der vier Teile steht ein anderer Altendieck im Vordergrund. Manche Erben sind begnadete Uhrmacher, manche sehen ihre Vorlieben woanders, müssen aber als männliche Erstgeborenen das Handwerk übernehmen.
Mir wurde die ganzen fast 700 Seiten nie langweilig, jedoch hätte ich es besser gefunden, das Buch als Trilogie zu veröffentlichen und den jeweiligen Charakteren noch mehr Raum zu geben. So ist der jeweilige Zeitsprung zu Beginn eines neuen Abschnittes manchmal fast zu groß und es fehlt anfangs an kleinen Zusatzinformationen, die ich gerne gehabt hätte. Generell fand ich die erste Hälfte absolut gelungen, während mir in der zweiten Hälfte die Familie gegenüber der Politik fast zu kurz kommt. Trotz dieser kleinern Kritikpunkte habe ich diesen Schmöker sehr gerne gelesen.

Am Ende gibt es ein sehr umfangreiches Glossar zu den historisch belegten und fiktiven Personen, Fachbegriffe zur Uhrmacherkunst und ein Nachwort des Autors, der akribisch recherchiert hat.

Fazit:
Ein farbenprächtiger und spannender historischer Roman, in der wir eine Uhrmacherfamilie in Bremen fast hundert Jahre lang begleiten dürfen. Tolle und individuelle Charaktere runden die interessante Geschichte ab, die ich sehr gerne gelesen habe.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Ein bisschen schwächer als die Vorgänger

Gut Greifenau - Goldsturm
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Was war ich überrascht, als ich vor einiger Zeit lesen konnte, dass die Trilogie rund um Gut Greifenau und seine Bewohner nun doch nicht zu Ende ist. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, denn mir sind die ...

Was war ich überrascht, als ich vor einiger Zeit lesen konnte, dass die Trilogie rund um Gut Greifenau und seine Bewohner nun doch nicht zu Ende ist. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, denn mir sind die Figuren alle sehr ans Herz gewachsen.

Nachdem der Kaiser gestürzt ist, bewegen wir uns nun in der Weimarer Republik und den nicht immer so goldenen Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, wie sie oftmals dargestelllt werden. Diese Zeit steht eher unter keinem guten Stern. Die Reparationszahlungen bringen auch die Reicheren ins Schwitzen, die außerdem unter der Abschaffung ihrer Standesprivilegien "leiden". Die Folgen sind allerdings für alle Bürger dramatisch, denn es kommt zur Hyperinflation. Armut und Hunger begleiten die Menschen in Deutschland, denn selbst ein Stück Brot kostet Millionen von Mark. Jeden Tag verfällt das Geld schneller und auch Konstantin weiß nicht, wie er das Gut noch halten soll. Ohne einen Erben wird es noch schlimmer, denn Nicolaus und Feodora benötigen Geld und wollen Greifenau....doch Konstantin hat bereits Probleme die Dienstboten zu halten...

Die Geschichte umfasst diesmal den Zeitraum von 1919 bis 1923 und wird wie gewohnt aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Wir begleiten sowohl die Herrschaften, als auch die Dienstboten und erleben mit ihnen jede Menge Schicksalsschläge, aber auch wunderbare Momente.
Konstantin versucht alles Mögliche, um das Gut zusammenzuhalten, während Katharina seit der Heirat mit dem Unternehmersohn Julius Urban im Luxus schwelgt. Der Aufschwung der Fabriken und der Industrie ermöglicht einigen Wenigen Geld anzuhäufen, während der Großteil des Volkes hungert. Rebecca und Feodora sind sich noch immer spinnefeind, während Nicolaus auch in der neuen deutschen Republik an seiner Kaisertreue festhält. Alexander schwebt hingegen in der Welt der Musik und studiert weiterhin erfolgreich.
Im Dienstbotentrakt muss ebenfalls gespart werden und Caspers, der obere Hausdiener, muss damit leben gemeinsam mit Ottilie Schott die Aufgaben einer Hausdame zu übernehmen oder seinen Platz auf dem Gut zu verlieren. Albert wurde hingegen zum Gutsverwalter befördert. Um seine wahre Herkunft weiß jedoch nur Ida, die seine Frau geworden ist und mit der Witwe des ehemaligen Gutsverwalters große Probleme hat. Eugen sieht seine Zukunft mit Wiebke, doch sieht sie das ebenso?

Hanna Caspian hat die historischen Begebenheiten wieder sehr lebendig mit ihrer fiktiven Geschichte rund um die ehemalige Grafenfamilie von Auwitz-Aarhayn verbunden. Die Charaktere sind lebendig und mir schon seit dem ersten Band zu lieben Freunden geworden. Alle Figuren entwickeln sich weiter...bis auf Feodora, die noch immer nicht glauben kann, dass die Neureichen nun das Sagen haben und der verarmte Adel nichts mehr zu melden hat.
Hinzu kommen die realistischen Beschreibungen des Verfalles des Geldes. Man bekommt immer weniger Lebensmittel und auch das Tauschgeschäft, wie ein Huhn gegen Schuhe, ist bald nicht mehr möglich. Die schlimmen Nöte der Menschen, vorallem in der Großstadt, sind sehr realistisch beschrieben. Man erlebt hier Geschichte hautnah mit.

Die ersten drei Bände der Reihe haben mich absolut überzeugt und haben alle von mir 5 Sterne bekommen. Band 4 "Goldsturm" hatte für mich jedoch ein paar Längen. Besonders in der ersten Hälfte konnte mich die Geschichte, trotz der geliebten Figuren, nicht ganz abholen. Auch die Zeitsprünge waren mir diesmal oftmals zu groß. Mehrfach wurden interessante Themen zu schnell abgehandelt, während es bei anderen Passagen zu kleinen Längen kam. Trotzdem bin ich schon sehr auf den nächsten Band gespannt und freue mich, dass es mit Gut Greifenau nochmals weitergehen wird.

Fazit:
Band 4 finde ich leider etwas schwächer, als die Trilogie zuvor, die von mir mit Begeisterung gelesen wurde. "Goldsturm" hat einige kleine Längen, aber verspricht historische Kost vom Feinsten. Die liebgewonnenen Charaktere entwickeln sich weiter, jedoch schweift die Autorin oftmals zu sehr aus. Trotzdem kann ich Band 5 kaum erwarten...

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