Freud und Leid liegen auch auf dem Olavsweg nah beieinander,
Abenteuer Olavsweg - Eine Frau pilgert den NeuanfangDie 36-jährige Stefanie Jarantowski ist den 643 km langen Olavsweg von Oslo nach Trondheim gepilgert und hat darüber ein Buch geschrieben. Der Weg ist nach dem frühmittelalterlichen norwegischen König ...
Die 36-jährige Stefanie Jarantowski ist den 643 km langen Olavsweg von Oslo nach Trondheim gepilgert und hat darüber ein Buch geschrieben. Der Weg ist nach dem frühmittelalterlichen norwegischen König Olav Haraldsson benannt. Er vereinte die vielen kleinen Königtümer Norwegens und brachte das Christentum nach Skandinavien. Daher ist der Pilgerweg im evangelischen Norwegen etwas besonderes.
Viele haben sicherlich schon mindestens ein Buch über den Jakobsweg gelesen. Der Olavsweg ist jedoch anders. Zwar verlangt er dem Pilger auch einiges ab- und zwar ebenfalls geistig und körperlich, aber die Landschaft ist ganz anders: Der norwegische Weg ist weniger karg, abwechslungsreicher, gebirgiger. Das Wetter ist regnerischer. Selbst im August kann man von Hagel und Schnee überrascht werden. Außerdem pilgern weit weniger Menschen den Olavsweg als den Jakobsweg.
Die Autorin ist den Weg nach einem beruflichen Umbruch mit ihrem Ehemann Stephan in 30 Tagen gegangen. Sie beschreibt sehr eindrucksvoll alle Widrigkeiten des Pilgerns auf diesem Weg: Frustration bezüglich des Wetters (tagelanger Regen oder brennende Hitze), körperliche Wehwehchen, Orientierungsverlust, schnarchende Mitbewohner und lärmende Jugendliche. Was ich ganz wunderbar beschrieben fand, war, daß ihr im Laufe des Weges diese Dinge nichts mehr anhaben konnten. Plötzlich sah sie viel mehr negative Dinge positiv. Der Weg hat sie eindeutig verändert.
Auf einmal übt sie sich im Nichtstun, kann daliegen, „die Glieder schwer wie Blei werden lassen, die Augenlider nicht mehr öffnen können, dem Vogelgezwitscher lauschen, den Hauch einer Brise an der Nasenspitze spüren. In und mit der Natur sein. Riechen, lauschen, spüren, wahrnehmen, mit allen Sinnen. Das Selbst leben lassen, das so einmalig geschaffen wurde. Kein Platz für Gedanken ans Morgen oder an gestern.“
Sie lernt alles auf dem Weg zu lassen, was sie am Leben hindert: übersteigerte Erwartungen, Leistungsdruck und einengende Regeln. Was für eine tolle Erkenntnis!
Was mir an dem Buch gut gefallen hat, war, daß es die Autorin geschafft hat, mich die ganze Lektüre über bei der Stange zu halten. Das gelingt ihr durch eine gute Balance zwischen Landschafts-und Wetterbeschreibungen, tierischen und menschlichen Begegnungen, Kulinarik, architektonischen und gesellschaftlichen Vergleichen zwischen Norwegen und Deutschland und der Beschäftigung mit ihren inneren Dämonen.
Ich finde das Buch sehr lesenswert und einen guten Kontrast zu den vielen Jakobsweg-Büchern.
Deshalb vergebe ich die volle Punktzahl und eine unbedingte Leseempfehlung.