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Veröffentlicht am 22.09.2020

Drei "Pflegefälle" auf Problemsuche

Was Nina wusste
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Vera, Nina und Gili - Großmutter, Mutter und Enkelin - kommen nicht miteinander klar. Schuld daran ist jeweils natürlich die Mutter. Dazu gibt es noch Einblicke in ein Lager des Tito-Regimes, eine Alzheimer-Diagnose ...

Vera, Nina und Gili - Großmutter, Mutter und Enkelin - kommen nicht miteinander klar. Schuld daran ist jeweils natürlich die Mutter. Dazu gibt es noch Einblicke in ein Lager des Tito-Regimes, eine Alzheimer-Diagnose und eine Reise durch das ehemalige Jugoslawien.

Dieser Roman ist für mich hauptsächlich überflüssig. Auch wenn mir einige Passagen zwischendurch gefallen haben, ist das wesentliche Gefühl, das bleibt, Langeweile. Der Roman hinterlässt den Eindruck, dass hier einem Problem, das längst aufgearbeitet sein sollte, überproportionale Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dieser Eindruck entsteht dadurch, dass für mich der Handlungsaufbau nicht stimmt, das Erzähltempo korreliert nicht mit der Aussage, die der Roman eigentlich tätigen will. So bereiten wir uns gefühlte 345 Seiten darauf vor, was Nina wusste, wie ihr Trauma entstand, etc. und werden dann mit ein paar Winzigkeiten abgespeist, die das ganze Drama nicht sonderlich nachvollziehbar machen, sondern zumindest bei mir ein Schulterzucken und "who cares" hervorrufen. Wie man aufgrund dessen, was passiert ist, auch nach über sechzig Jahren so traumatisiert und wenig verzeihend sein kann, sich so konsequent auf die verbockte, schmollende Position zurückziehen kann, wie Nina, ist kaum verständlich und sehr anstrengend und nur mit mangelndem Erwachsenwerden zu erklären.

Aber nicht nur Nina ist so eine anstrengende Figur, auch ihre Tochter Gili (mittlerweile fast vierzig), gefällt sich am besten in der Rolle des die Mutter ablehnenden Teenagers. Sie ist dazu noch die Erzählinstanz, wird aber vom Autor kaum mit spannenden Eigenschaften ausgestattet und tritt in der erzählerischen Vermittlung auch oft sehr weit in den Hintergrund, manchmal muss man sich fast bewusst daran erinnern, dass es sie noch gibt.

Die Handlung selbst, die um einen Roadtrip durch Veras Vergangenheit kreist, ist eigentlich nur der Aufhänger, um die drei Frauen aufeinander loszulassen, und die Verletzungen und Mutter-Tochter-Geflechte in den Mittelpunkt zu stellen. Merkwürdigerweise sollte der Leser spätestens jetzt doch so etwas wie emotionale Nähe spüren, eine Betroffenheit in sich erkennen. Mir ist das selbst bei den Szenen auf der Lagerinsel nicht gelungen, wohl deshalb, weil Großmutter Vera fast fröhlich und energiegeladen wie bei einem Klassentreffen durch die alten Baracken streift, während Nina nun noch einmal endlich abschließend und umfassend der überzogenen Dramatik huldigt.

Stilistisch hat mir der Roman leider auch nicht gefallen. Zum einen werden auf der Ebene der Erzählinstanz umgangssprachliche Orthographie und Formulierungen verwendet. Das ist in Ordnung und sinnvoll, wenn es konsequent durchgehalten wird - hier wird es sporadisch genutzt und wirkt deshalb störend. Vera hingegen spricht mit Akzent. Um dies zu betonen, wird bei ihrer direkten Rede fehlerhafte Grammatik verwendet. Das ist am Anfang noch amüsant, nach einigen Seiten aber nur noch enervierend. Dazu wird Vera auf diese Weise "entmündigt". Der Leser hat Schwierigkeiten, sie weiter ernst zu nehmen.

Ich kann diesen Roman leider nicht empfehlen: Drei unsympathische Frauenfiguren, die sich daran machen, ein Problem zu lösen, dass nach sechzig bzw. fünfunddreißig Jahren keins mehr sein sollte, sich verhalten wie schmollende Teenager und sich selbst unglaublich wichtig nehmen, finden sich in einer eher langweiligen Handlung wieder, die politischen Anspruch zu vermitteln versucht (allerdings weiß ich nach der Lektüre eigentlich immer noch nichts über die Tito-Ära), dabei aber leider sehr anstrengend geschrieben ist.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

öde Ehe-/Lebensproblematik

Flüchtig
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Obwohl ich das Cover einzigartig schön und die Hörprobe unglaublich vielversprechend fand, bin ich leider insgesamt enttäuscht von dem Hörbuch und dies bezieht sich sowohl auf die Romanhandlung auch als ...

Obwohl ich das Cover einzigartig schön und die Hörprobe unglaublich vielversprechend fand, bin ich leider insgesamt enttäuscht von dem Hörbuch und dies bezieht sich sowohl auf die Romanhandlung auch als die Lesung.

Die Handlung des Romans ist rasch zusammengefasst: Maria und Herwigs Ehe ist so gut wie am Ende. Nach jahrelanger gegenseitiger Vernachlässigung, verlässt Maria Herwig, weil sie glaubt, dass er mit einer anderen Frau eine Familie gründen will.

So alltäglich diese Ausgangssituation auch sein mag, im Fall der beiden Protagonisten kann dies kaum überzeugen. Denn sowohl Maria als auch Herwig haben im Grunde überhaupt kein Interesse mehr am anderen, leben nur nebeneinander her und nicht nur Herwig, sondern auch Maria hatte Affären. Daher wirkt Marias Entschluss, zu flüchten, in Anbetracht der Situation nicht allzu überzeugend, kann allenfalls im Rahmen ihres schwierigen Verhältnisses zur eigenen unerfüllten Mutterschaft nachvollzogen werden. Was dann folgt, ist ein absolut konventioneller, wenig interessanter und auch uninspirierter Selbstfindungstrip der fünfundfünfzigjährigen Maria, die sich mit Lisa anfreundet, die altersmäßig kaum zu ihr passt, und mit dieser zunächst Teil einer Hippie-Kommune wird. Anschließend folgt ein Roadtrip nach Griechenland, bei dem ein sexuelles Dreiecksverhältnis einen nicht unerheblichen Teil der Bewältigung der Midlife-Crisis ausmacht. Abschließend kommt es noch zu pseudoreligiösen Erleuchtungen. Derweil wandelt Herwig daheim in Österreich auch durch eine ausgemachte Lebenskrise, die im Wesentlichen durch Drogenkonsum abgemildert wird. Im Grunde bekommt der Hörer es also mit zwei abgrundtief frustrierten Menschen zu tun, die in Erkenntnis der Tatsache, dass ihr Leben nicht nur aus dem Ruder gelaufen ist, sondern einfach "nichts" war, versuchen, mit unpassenden, ihrem Alter kaum entsprechenden und leider auch klischeebeladenen Methoden, ein Stück Lebensglück zurückzuerobern. Für den Hörer ist dies nicht nur mühsam und uninteressant, sondern auch in höchstem Maße frustrierend. Beide Figuren sind so öde, ihr Leben von so wenig Bedeutung und Marias Flucht so wenig mysteriös und absolut gewöhnlich, dass man sich die ganze Zeit fragt, was dies alles soll. Hinzu kommen die absolut unerquicklichen, wenig zielführenden und ebenso öden Exkurse mit ihren überladenen Backstories zu zahlreichen Nebenfiguren, die zur Handlung nur Länge beitragen. Der Roman kann sprachlich durchaus überzeugen, auf der Inhaltsebene schafft er es leider nicht.

Caroline Peters schätze ich und höre sie sehr gerne, aber ihre Art der Lesung ist in diesem Fall leider zu uninspiriert und auch gleichbleibend. Die einzige Figur, die zeitweise von ihr wirklich mit Leben gefüllt wird, ist Lisa. Alle anderen Figuren sind stimmlich kaum zu unterscheiden und besonders die Protagonisten stechen in dieser Lesung kaum heraus. Es wirkt alles etwas müde - manchmal auch wie ein oberflächliches Lesen.

Insgesamt konnte mich as Hörbuch leider nicht überzeugen. Zu viele Nebenthemen, keine Spannung, zu wenig Identifikationsmöglichkeiten, zuviel Frust und Bitterkeit, und leider auch nicht besonders ansprechend vorgetragen.

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Veröffentlicht am 24.08.2020

Auf allen Ebenen zu wenig

Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau
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Diane ist eine verlassene, furchtbar langweilige Ehefrau, die nach der Trennung von ihrem Ehemann versucht, ihre neue Lebenssituation zu akzeptieren. Damit ist eigentlich schon fast alles gesagt, denn ...

Diane ist eine verlassene, furchtbar langweilige Ehefrau, die nach der Trennung von ihrem Ehemann versucht, ihre neue Lebenssituation zu akzeptieren. Damit ist eigentlich schon fast alles gesagt, denn es bleibt bei dem Versuch…

So frisch und frech das Cover erscheinen mag, der Roman ist leider wenig unterhaltsam und das vorherrschende Gefühl nach Abschluss meiner Lektüre ist: Gleichgültigkeit. Für Literatur gibt es kein schlimmeres Urteil, denn Roman sollten begeistern, mitreißen oder auch abstoßen, verstören, polarisieren, nachdenklich machen – all dies ist für mich hier nicht eingetreten.

Im Nachhinein gestehe ich dem Roman zu, dass ich vom Cover, dem Klappentext und der Leseprobe irregeführt wurde. Ich hatte einfach eine unkonventionelle, selbstbewusste, befreiende, lustige, humorvolle und überlegte Auseinandersetzung mit der Trennung und dem neuen Leben erwartet – nichts davon ist eingetreten.

Ein ganz großes Manko des Romans ist, dass er sich unausgereift anfühlt. Er weiß einfach nicht, was er will und was er sein soll: bitterböse Gesellschaftskritik, Chick Lit für Frauen ab 40 oder einfach nur Unterhaltung aus der Sparte der sogenannten Frauenliteratur. So changiert er zwischen allem und ist nichts von alledem und von allem viel zu wenig.

Eine tatsächliche Handlung mit Spannungsaufbau und Höhepunkten vermisst man, man begleitet vielmehr die Protagonisten durch verschiedene Episoden, die fragmentarisch anmuten und die auch oft zusammenhangslos daherkommen. Sicher, moderne Literatur darf das und kann das, aber dann sollte es auch auf der interpretatorischen Ebene Sinn machen – und das funktioniert hier allenfalls, wenn ich in dem fragmentarischen Erzählstil eine Widerspiegelung von Dianes Unfertigkeit in ihrer Situation sehe. Das passt und das geht, ist aber nicht sonderlich innovativ und auch nicht gut gemacht. Denn hierfür fehlt wiederum eine konsequente Introspektion Dianes, die über weite Strecken aber komplett vergessen wird und vermutlich auch nicht besonders bereichernd wäre, da Diane hauptsächlich eine sehr oberflächliche, passive und uninteressante und zweitweise pubertär anmutende Figur ist.

Der Roman lässt sich insgesamt gut lesen, ist aber weder sprachlich noch stilistisch ein Juwel, sondern durchschnittlich. Auch auf dieser Ebene stellt sich also wieder das Gefühl ein – es ist zu wenig.

Insgesamt ist das Tagebuch ein recht öder Roman ohne Pointen oder mitreißende Momente, der mich gleichgültig zurücklässt und den ich vermutlich schnell vergessen werde.

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Veröffentlicht am 21.06.2020

Behäbige Liebesgeschichte

Strandkorbliebe
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Antje und Michael waren als Teenies ineinander verliebt. Sie lebt in Norderney. Er lebt in Bayern. Sie hat ihm geschrieben. Er hat den Brief nie bekommen. Fünfzehn Jahre später sind beide noch nicht darüber ...

Antje und Michael waren als Teenies ineinander verliebt. Sie lebt in Norderney. Er lebt in Bayern. Sie hat ihm geschrieben. Er hat den Brief nie bekommen. Fünfzehn Jahre später sind beide noch nicht darüber hinweggekommen. Sie treffen sich wieder und alles geht von vorne los.

Vorab: ich liebe Liebesromane oder überhaupt Romane mit Liebesgeschichte. Auch bin ich meist gewillt, über das eine oder andere Klischee hinwegzusehen. Aber interessant muss es sein, d.h. es muss schon ein paar außergewöhnliche Verwicklungen, eine Prise Humor, Selbstironie oder eine außergewöhnliche Erzählstimme geben oder eben auch mal das "ganz große Kino" sein. Das ist leider hier alles nicht der Fall.

Der Roman ist zwar ganz fluffig geschrieben, speziell die tatsächlichen Kuss-/Liebesszenen fand ich recht gut gemacht, aber abgesehen davon handelt es sich bei der Strandkorbliebe um ein Buch, das man schnell vergisst. Der Roman ist einfach zu behäbig, zu eng abgesteckt, irgendwie etwas "oll", also einfach nicht modern, frisch und frech genug. Die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden, aber die beiden Protagonisten haben hier ihren Hormonrausch, der fünfzehn Jahre zurückliegt, nicht verwunden und sind dermaßen verbittert, dass man sich dann wundern muss, wie schnell das Drama überwunden werden und zum Happy End führen kann. Die Hauptfigur Antje leidet scheinbar grundsätzlich an den Auswirkungen ihrer eigenen dysfunktionalen Kommunikation und gibt der ganzen Welt die Schuld an ihrem Inselleben, sympathisch macht sie das leider nicht - genauso wenig wie ihr auch sonst leicht divaeskes Verhalten. Dazu kommt das beide Figuren vielleicht aus dem Leben gegriffen sein mögen, aber die ganze Geschichte ist dann doch zu unglamourös und hat mit den Ansprüchen von Michaels Eltern eher etwas von Bauer sucht Frau.

Der Roman konnte mich nicht begeistern, er hatte zu viele Längen und war zu alltäglich - einfach nichts Besonderes. Er ist allenfalls ein netter Zeitvertreib, der mit seinen Settings auf Norderney und im Chiemgau Fans des ZDF-Herzkinos sicherlich trotzdem erfreuen kann.

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Veröffentlicht am 10.06.2020

fehlende Tiefe

Die ferne Hoffnung
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Im ersten Teil der Hansen-Saga müssen die drei Brüder Georg, Robert und Karl nach dem Tod ihres Vaters die Geschicke eines Hamburger Handelshauses wieder in erfolgreiche Bahnen lenken. So übernimmt Georg ...

Im ersten Teil der Hansen-Saga müssen die drei Brüder Georg, Robert und Karl nach dem Tod ihres Vaters die Geschicke eines Hamburger Handelshauses wieder in erfolgreiche Bahnen lenken. So übernimmt Georg die Leitung des Hamburger Kontors, während Karl einen neuen Standort in Wien eröffnet und Robert in die deutsche Kolonie Kamerun übersiedelt, um Kakao anzubauen. Der Roman beschreibt die Höhen und Tiefen dieses Unterfangens und die familiären Zerwürfnisse, die damit einhergehen.

Der Roman bietet nette Leseunterhaltung, ist aber vielfach recht einfach konstruiert. So birgt nicht nur die Handlung keine Überraschungen - bis auf die recht unrealistische Darstellung der Frauenpositionen - auch die Figuren sind so konzipiert, dass eine gewisse Langeweile aufkommt, denn die guten Charaktere sind gut und die bösen schlecht und daran ändert sich auch nichts. Hier wird leider Potential verschenkt, denn mehr Komplexität in den Figuren - zumindest in der tragenden Figur Luise - wäre absolut notwendig gewesen, um dem Roman Tiefe zu geben. Stattdessen wird Luise zur moralisch-naiven Instanz, die eine Identifikation schwer macht, und der ultimative weibliche Bösewicht Elisabeth noch zur spannendsten Figur im gesamten Ensemble.

Darüber hinaus war mir der historische Rahmen ganz besonders in Bezug auf die weibliche Rolle nicht überzeugend genug. Man bekommt es in dem Roman so z.B. mit Therese zu tun, die gegen den Willen ihrer ausnehmend vermögenden Eltern Unternehmerin geworden ist und allein lebt, und mit Frederike, die mal eben bei Therese jobbt. Das sind einfach Dinge, die so kaum möglich waren, und bei "jungen Frauen aus gutem Hause" definitiv nicht geduldet wurden. Auch dass Luise als 15-jähriges deutsches Mädchen monatelang allein auf einer Plantage ohne Anstandsdame oder Vormund zurückgelassen wird, ist für mich absolut undenkbar. Der Bewegungsradius einer Frau war so unendlich klein, und die Frauenbewegung steckte erst in den Kinderschuhen...

Gut gefallen hat mir hingegen der Ansatz, deutsche Kolonialgeschichte als einen wesentlichen Aspekt zu wählen, denn dieses Thema ist ja eher eins der "vergessenen". Auch die Entscheidung den Roman an drei verschiedenen Orten spielen zu lassen, fand ich überzeugend und im Kern auch gut umgesetzt.

Insgesamt hat mich der Roman trotz seiner Längen nett unterhalten, aber man sollte weder die Figuren noch den historischen Kontext zu stark hinterfragen.

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