Cover-Bild Beute, Ernte, Öl
26,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DVA
  • Themenbereich: Geschichte und Archäologie - Geschichte
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 27.01.2020
  • ISBN: 9783421048042
Ian Morris

Beute, Ernte, Öl

Wie Energiequellen Gesellschaften formen
Jürgen Neubauer (Übersetzer)

Was haben Ölplattformen mit unseren Wertvorstellungen zu tun?

Die meisten Menschen heutzutage halten Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter für eine gute Sache und sprechen sich gegen Gewalt und Ungleichheit aus. Aber bevor sich solche Auffassungen und die damit verbundenen Wertvorstellungen allmählich im 19. Jahrhundert herausbildeten, galten 10000 Jahre lang genau gegenteilige grundsätzliche Annahmen und andere Werte. Woran liegt das? An unseren Energiequellen, sagt Ian Morris in seinem neuen großen Wurf, diese formen unsere Gesellschaft wie nichts sonst. Was kommt auf die Menschheit nach dem Ende der fossilen Ära zu? In seiner Bedeutung vergleichen führende Historiker »Beute, Ernte, Öl« mit Jared Diamonds »Kollaps« und Steven Pinkers »Gewalt«.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.06.2020

Innovativer Ansatz

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Man kann dieses Buch gleich in zweifacher Hinsicht als innovativ bezeichnen: Schon der Ansatz, den Ian Morris hier zur Erklärung der Menschheitsgeschichte heranzieht, ist faszinierend. Er unterstellt, ...

Man kann dieses Buch gleich in zweifacher Hinsicht als innovativ bezeichnen: Schon der Ansatz, den Ian Morris hier zur Erklärung der Menschheitsgeschichte heranzieht, ist faszinierend. Er unterstellt, dass das in einer Gesellschaft vorherrschende Wertesystem von ihrer Art der Energiegewinnung abhängt.
Dazu identifiziert er drei große Phasen, in denen die Menschen ihre (letztlich durch die Evolution angelegten) Grundwerte unterschiedlich interpretiert hätten, und konstatiert, dass diese Interpretation mit der jeweils vorherrschenden Wirtschaftsweise – Wildbeuterei, Landwirtschaft oder Nutzung fossiler Energie – zusammenhängt.
So seien beispielsweise bäuerliche Kulturen deshalb hierarchisch organisiert, weil dies im Kontext des Wirtschaftens mit domestizierten Tieren und Pflanzen besser funktioniert als die relative Gleichheit der Wildbeuter, und die zunehmende Emanzipation der Frauen habe ihre Ursache darin, dass es die Fossilienenergie erlaubt, körperliche Arbeiten durch Maschinen erledigen zu lassen.
Schließlich wagt er auch einen Blick in die Zukunft und sagt, ausgehend von der Annahme, dass die gesellschaftliche Entwicklung im 21. Jahrhundert mit derselben atemberaubenden Geschwindigkeit voranschreiten wird wie im 20., vorher, dass sich unsere Werte in den nächsten Jahrzehnten so radikal ändern werden wie nie zuvor in der Geschichte.

Innovativ ist aber auch die Art, wie diese Überlegungen präsentiert werden. Nach einem einleitenden Teil, in dem er seine Thesen ausbreitet, lässt der Autor vier seiner Kritiker zu Wort kommen, bevor er sich im letzten Kapitel noch einmal ausführlich mit deren Argumenten auseinandersetzt und seine eigenen Gedanken ausbaut und präzisiert.
Zwar klingt die Überschrift dieses Kapitels „Meine korrekten Ansichten zu allem“ nicht gerade bescheiden und er ist auch in keinem Punkt bereit, von seiner Meinung abzurücken. Dennoch ist es bemerkenswert, dass jemand in einem derartigen Werk auch seinen „Gegnern“ so breiten Raum gewährt. Die Diskussion verläuft dabei auch zumindest weitgehend sachlich.

So enthält dieses Buch eine Fülle interessanter Ideen, die großteils nachvollziehbar und allgemein verständlich dargestellt werden. Wahrscheinlich kann Morris Theorie nicht alles erklären, was sie zu erklären vorgibt, und einige Themen hätten näher ausgeleuchtet werden sollen. Man muss aber auch bedenken, dass sich der Autor hier teilweise auf Neuland begibt.
Ich finde seine Herangehensweise jedenfalls spannend und die Lektüre eröffnet einen neuen Blickwinkel auf historische Entwicklungslinien. Ein weiteres Forschen in diese Richtung wird möglicherweise noch zu weiteren spektakulären Erkenntnissen führen.