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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.06.2020

Irgendwann kommt alles ans Licht

Radibutz
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So hatte sich die Nesselwanger Bürgermeisterin die Renovierungsarbeiten nicht vorgestellt, denn eine skelettierte Leiche wurde im Keller des Rathauses gefunden. Die ersten Nachforschungen ergeben, dass ...

So hatte sich die Nesselwanger Bürgermeisterin die Renovierungsarbeiten nicht vorgestellt, denn eine skelettierte Leiche wurde im Keller des Rathauses gefunden. Die ersten Nachforschungen ergeben, dass es sich bei dem Toten um den exkommunizierten Pfarrer handelt, dem man vor mehr als 10 Jahre vorgeworfen hat, an dem Verschwinden zweier Jugendlicher beteiligt gewesen zu sein. Evelyn versucht alles, um Lichts in Dunkel zu bringen und deckt dabei eine erschütternde Wahrheit auf…

Ina May hat in „Radibutz“ Spannung, Lokalkolorit und Geheimniskrämerei eine wundervolle Bühne erschaffen, um den Charme der Nesselwanger ins rechte Licht zu rücken. Die kriminelle Energie einiger Bewohner ist wirklich nicht zu verachten und diese macht auch vor Jugendlichen nicht halt, um an entsprechende Auskünfte zu gelangen. Einfallsreichtum bei der Informationsbeschaffung, Verschleierungstaktiken und ein wenig Getratsche sind hier die Grundlage für einen Regio-Krimi der Extraklasse – Ina May weiß nämlich den Leser mit geheimnisvollen Andeutungen, wendungsreichen Szenen und fetzigen Dialogen an die Seiten zu fesseln. Ein Augenzwinkern darf da natürlich auch nicht fehlen, um bei aller Ernsthaftigkeit nicht den Spaß am Ermitteln zu verlieren.
Die Figuren finde ich alle wunderbar getroffen – da ist vom ewigen Grantler, über die sensationslüsterne Reporterin bis hin zum übereifrigen Gemeinderatsmitglied alles dabei, was es zu einem guten Krimi braucht.
Wer Nesselwang, so wie ich, kennt, wird die Schauplätze und Handlungssorte schnell wiedererkennen und sich mit Evelyn auf Spuren- & Tätersuche begeben.
Die Autorin versteht es außerdem vortrefflich den Allgäuer Dialekt mit einzubinden, so dass der Krimi noch mehr an Authentizität gewinnt.
Der Fall ist wie eine spannende Schnitzeljagd angelegt und man ermittelt mit Evelyn und Co gerne gemeinsam, sucht nach jedem noch so kleinen Schnipsel, der auf die Überführung des Täters hinweisen könnte und fügt dann alles zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Der Spannungsbogen ist von Beginn an gut gestraft, bleibt über die Dauer des gesamten Buches erhalten und so ist auch tatsächlich erst auf den letzten Seiten die Lösung für den Leser erkennbar.
Auf Spurensuche inmitten der Schönheiten der Allgäuer Landschaft – ein gelungenes und spannendes Lesevergnügen

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Veröffentlicht am 12.06.2020

Die Familie ist die Heimat des Herzens (Guiseppe Mazzini)

Belmonte
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Die Idylle des Allgäus bekommt einen tiefen Riss, als Franca, Simonas Großmutter stirbt. Sie hinterlässt ihrer ein kleines Haus in Italien. Simona ist überrascht, denn von diesem Häuschen hat ihre Großmutter ...

Die Idylle des Allgäus bekommt einen tiefen Riss, als Franca, Simonas Großmutter stirbt. Sie hinterlässt ihrer ein kleines Haus in Italien. Simona ist überrascht, denn von diesem Häuschen hat ihre Großmutter nie gesprochen. In Belmonte angekommen, erwartet sie nicht nur ein Haus voller Erinnerungen, sondern auch Francas Vermächtnis. Auf mehreren Kassetten hat sie ihre Lebens- & Familiengeschichte aufgenommen und sorgt so dafür, dass Simona endlich ihre Wurzeln findet…

„Belmonte“ vereint alles, was es zu einer mitreißenden, gefühlvollen Familiensaga braucht. Antonia Repp vermischt hier die Schönheiten des Allgäus mit dem ursprünglichen, Brauchtum behafteten Italien und lässt so beide Handlungsorte vor dem inneren Auge des Lesers entstehen. Man merkt Simona deutlich ihre innere Zerrissenheit zwischen beiden Orten an, die ihre Heimat darstellen, und kann sich so sehr gut in sie hineinversetzen.
Die Geschichte lebt von den starken Frauencharakteren, die die Autorin hier zum Leben erweckt, eigensinnig, manchmal starrköpfig, in einigen Dingen unbelehrbar, aber doch immer konsequent – das sind die Eigenschaften, die Antonia Repp ihren weiblichen Protagonisten auf den Leib schneidert. Nicht zu vergessen das große Herz, das alle mit sich tragen.
Simonas Reise nach Belmonte ist auch eine Reise zurück in die Vergangenheit und wird zu einer Suche nach den eigenen Wurzeln. Mit dem Anhören von Francas Kassetten offenbart sich eine wunderschöne Liebesgeschichte, die von Sehnsucht und Verzicht geprägt ist. Ich habe gebannt Francas Stimme gelauscht, wenn sie ihrer Enkelin von damals erzählt. Die von der Autorin gewählten Worte sind mit leiser Stimme gesprochen, aber doch sehr eindrucksvoll und nachhaltig formuliert.
Belmonte scheint in manchen Dingen aus der Zeit gefallen zu sein und das kleine Dörfchen macht auch in der Gegenwart noch einen recht verschlafenen Eindruck. Dafür sind die Bewohner umso aufgeweckter und es ist wie im jedem kleine Dorf – irgendwie bekommen doch alle davon mit, wenn sich an der nächsten Hausecke etwas tut 😊
Aber das größte Geheimnis bleibt auch nur bis zum Schluss verborgen, wenn man vorher nicht den Stammbaum gelesen hat. Denn dann weiß man als Leser leider nur allzu schnell, wie sich die Familienzweige miteinander verknüpfen und das Geheimnis ist gelüftet. Ich liebe Stammbäume, aber sie sollten nicht schon vorher verraten, wie sich das Geflecht aus Liebe und Leidenschaft zusammenfügt, denn dann geht der Lesespaß verloren und man kann sich schon zurechtlegen, wie sich alles fügen wird. Leider kein kluger Schachzug, deshalb muss ich einen Punkt abziehen.
Ansonsten ein wundervoller Familienroman, der mit italienischem Charme und Allgäu-Flair punkten kann.

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Veröffentlicht am 06.06.2020

Regio-Krimi mit Charme

Festspielfieber
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Die Bad Hersfelder Festspiele stehen unter keinem guten Stern, denn die Schauspielerin Natascha Gessler wurde heimtückisch ermordet. Als Tatwaffe diente der Reichsapfel aus der Requisite. Kommissar Rohe ...

Die Bad Hersfelder Festspiele stehen unter keinem guten Stern, denn die Schauspielerin Natascha Gessler wurde heimtückisch ermordet. Als Tatwaffe diente der Reichsapfel aus der Requisite. Kommissar Rohe und seine Kollegen ermitteln und stellen fest, dass auf den Brettern, die die Welt bedeuten, nicht immer alles Gold ist, was glänzt. Je weiter die Ermittlungen fortschreiten, desto mehr folgen sie der Spur eines Mörders, der kein unbeschriebenes Blatt ist. Die Vergangenheit holt ihn ein…


„Festspielfieber“ von Tim Frühling überzeugt mit Sinn für Situationskomik, abwechslungsreichen Szenen und Spannung bis zum letzten Buchstaben. Der Autor setzt gekonnt die altehrwürdige Stiftsruine in Szene und lässt sie zur Bühne für seine Akteure werden.
Der Mord an Natascha Gessler gibt auch dem Leser die Möglichkeit, eigene Ermittlungen anzustellen und die kleinen Puzzleteilchen so lange hin und herzuschieben, bis auch der letzte Hinweis passt und sich so ein stimmiges Bild von Täter und Opfer ergibt. Dabei weiß der Autor geschickt viele falsche Fährten zu legen, den Leser in die Irre zu führen und somit die eigenen Nachforschungen auf dem Holzweg enden zu lassen.
Bad Hersfeld erstrahlt nicht nur im Glanz der Sonne, auch der Ruhm der Schauspieler verleiht dem hessischen Städtchen Ansehen und weckt die Aufmerksamkeit der kulturinteressierten Bevölkerung.
Tim Frühling setzt zickige Diven, einen abgewrackten, glühenden Verehrer von Gessler und seine Kommissare nonchalant in Szene und scheut nicht davor, deutsch-deutsche Vergangenheit hier aufs Papier zu bringen. Der Blick zurück ist mit den hirnverbrannten Ideologien des braunen Sumpfes gespickt und diese sind nicht ganz unwichtig für die Ermittler.
Doch bis sie dem Täter auf die Spur kommen gilt es, mit dem Blick fürs Wesentliche jedem noch so kleinen Schnipsel Aufmerksamkeit zu schenken.
Der Autor lässt auch hier und da den hessischen Dialekt durchschimmern, sodass der regionale Bezug sehr schön hergestellt ist. Dadurch wirkt das Ganze lebendiger und authentischer.
Tim Frühling kann nicht nur Wetter, er kann auch Krimi 😊

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Veröffentlicht am 06.06.2020

Mitreißende Familiengeschichte

Das Holländerhaus
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Cyril hat einen Traum – er möchte seiner Familie ein „besseres“ Leben bieten und dazu gehört nun mal das Wohnen in einer Villa. Doch das „Holländerhaus“ bringt ihm kein Glück, denn das Leben im Luxus ist ...

Cyril hat einen Traum – er möchte seiner Familie ein „besseres“ Leben bieten und dazu gehört nun mal das Wohnen in einer Villa. Doch das „Holländerhaus“ bringt ihm kein Glück, denn das Leben im Luxus ist für seine Frau nicht zu ertragen. Sie verlässt Cyril und die Kinder. Maeve hat von nun an die Rolle der Mutter inne und kümmert sich liebevoll um ihren jüngeren Bruder Danny. Bis Cyril sich wieder auf Freiersfüße befindet. Andrea ist ganz die böse Stiefmutter, will ihren beiden Töchtern das Erbe sichern und sie scheut nicht davor zurück, sich das Holländerhaus unter den Nagel zu reißen. Sie wirft nach Cyrils Tod Maeve und Danny aus dem Haus, nimmt ihnen alles, was ihnen lieb und teuer ist. Noch als Erwachsene kehren Maeve und Danny regelmäßig in die Straße zurück, in der sie einst das Paradies auf Erden hatten….

Für mich ist „Das Holländerhaus“ die Überraschung des Jahres!

Ann Patchett überzeugt mit einer wunderbar bildlichen Darstellung des charaktervollen Hauses, das mich mit seiner faszinierenden, geheimnisvollen Schönheit herzlich willkommen heißt und mich einlädt, Gast in seinen vier Wänden zu sein.
Die Liebe der Bewohner zum Haus ist aus jeder Zeile zu spüren und man wächst unweigerlich mit diesem Gebäude zusammen, fühlt sich wohl – bis, ja bis Andrea Einzug hält und alle Liebe aus dem Holländerhaus zu entweichen scheint. Mit gnadenlosem Kalkül und einer eisigen Kälte zieht sie ihr Vorhaben durch und ich frage mich, wie sich jemand so dermaßen gut verstellen kann, dass Cyril nicht gemerkt hat, welche falsche Schlange er sich ins Haus geholt hat.
Mein Herz blutet, wenn ich lese, wie Andrea Danny und Maeve behandelt und ihnen alles nimmt, sie ihren Wurzeln entreißt.
Die Entwicklung von Danny und Maeve ist von der Autorin mit eindrucksvollen Worten geschildert und ich schlüpfe in ihre Schuhe, gehe sowohl die beruflichen als auch die privaten Wege mit beiden mit. Die Charakterisierung aller Figuren ist hervorragend ausgearbeitet und man lässt sich nur zu gerne auf alle Personen ein, um ihnen zu folgen. Tränen der Trauer, aber auch des Zorns und der Wut sind meine Begleiter, wenn ich lese, wie Andrea hier ihren gnadenlosen Weg verfolgt und sich nimmt, was ihr nicht gehört.
Da die Geschichte aus der Sicht von Danny erzählt wird, hat man das Gefühl, dass er die Türen des Hauses und seiner Seele öffnet, um einen Einblick zu seiner Gefühls- & Gedankenwelt zu erhalten. Oft habe ich den Eindruck, dass die Autorin dem Leser vermitteln will, dass „zuhören“ im Leben, das Erkennen von Bedürfnissen derer, die einem am Herzen liegen, untrennbar mit der eigenen Entwicklung verbunden sind. Denn Danny wiederholt den Fehler seines Vaters und zwingt seine Freundin dazu, in einem Haus zu leben, das sie hasst. Die Folgen sind schon fast vorprogrammiert.
Man begegnet sich immer zweimal im Leben – diese Redewendung passt hier hervorragend, denn Ann Patchett lässt ihre Figuren im Erwachsenenalter erneut aufeinandertreffen und zeichnet hier den Weg des Schicksals mit klaren, aber einprägsamen Bildern nach.
Einzig mit dem Ende kann ich mit nicht ganz anfreunden, denn es kommt in meinen Augen zu abrupt und wirkt ein wenig unvollständig. Fast würde ich sagen, es fehlen noch ein paar Worte, um das ganze rund zu machen. Ansonsten aber eine durch und durch mitreißende Familiengeschichte.

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Veröffentlicht am 06.06.2020

Lesenswert

Der digitale Weltkrieg, den keiner bemerkt
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Huib Modderkolk hat sich mit dem fortwährenden Datenklau in der digitalen Welt beschäftigt und über Jahre eine Recherche betrieben, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Denn was der Journalist hier ...

Huib Modderkolk hat sich mit dem fortwährenden Datenklau in der digitalen Welt beschäftigt und über Jahre eine Recherche betrieben, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Denn was der Journalist hier an Behauptungen aufstellt, lässt einem mit Grauen in die (digitale) Zukunft schauen.
Er ist einer der wenigen, die sich mit d e m Whistleblower schlechthin, Edward Snowden, getroffen haben und die Schilderungen, bis es zu diesem Treffen kam, muten schon sehr abenteuerlich an.
Es gibt ja viele Verschwörungstheorien, aber keine ist so nahe dran wie der „Digitale Wellkrieg, den keiner bemerkt“.
Schon lange kursieren die Gerüchte, dass der amerikanische Wahlkampf von russischen Hackern manipuliert wurde, Modderkolk versucht hier den Beweis zu liefern, das dem so ist.
Seine Recherchen über die „Arbeit“ der Hacker ist zeit- und kräfteraubend, manchmal sogar dermaßen langwierig, dass man schon fast meint, die Spur verläuft im Sand. Aber der Schreibende gibt nicht auf, fasst immer wieder nach und bleibt am Ball.
Was er dabei erlebt, lässt alles bisher Dagewesene erblassen. Selbst technisch nicht sehr versiert, taucht Modderkolk tief ein in die Welt der Datenautobahnen, Bits und Bytes, verschlüsselten Codes und wird ein Teil der Machtmaschinerie aus Wissen und Spionage.
Zu Beginn seiner Recherche zu diesem Buch gerät er plötzlich selbst ins Visier von Datenschützern und Nachrichtendienst, denn warum sollte sonst sein Router plötzlich abstürzen und sein Handy nicht mehr funktionieren? An Zufälle glaubt er schon längst nicht mehr, denn dazu hat er schon zu viel über Datenklau und Spionage im Netz gelesen. Ist er bereits jetzt jemanden auf die Füße getreten, nur weil er sich mit diesem brisanten Thema befasst?
Diesen und vielen anderen Fragen geht Modderkolk auf den Grund, denn die Stolpersteine, die man ihm in den Weg legt, stacheln seinen Eifer und seine Neugier nur noch mehr an. Er versucht Antworten zu finden, in dem er immer wieder den Finger in die Wunde legt, nachbohrt und nachfragt.
Besonders hat mich der Freitod eines Hackers getroffen, der keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat, als seinem Leben ein Ende zu setzen. Das letzte Gespräch mit ihm, die Gespräche mit seinen Eltern und deren Selbstvorwürfe gehen mir ganz schön an die Nieren.
Das Buch liest sich wie ein Drehbuch zu einem aufregenden Film und man kommt nicht drumherum nachzudenken, mit welchen Daten man persönlich im Netz noch präsent sein will.
Ein absolut lesenswertes Buch über digitalen Datenklau im Netz, der als Geheimwaffe der Nachrichtenagenturen, Spionageabteilungen und Regierungen eingesetzt wird.

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